Teil 16

Teil 16
Wir waren nun schon drei Tage hier.
Barker kam einmal pro Tag, manchmal alleine, manchmal in Begleitung des Typen, den er am ersten Tag mitgenommen hatte. Er kam immer zu unterschiedlichen Zeiten, wahrscheinlich immer dann, wenn er mal Zeit hatte und meistens sprach er kein Wort mit uns.
Das Essen, welches er uns brachte, war oft schlichtweg ungeniessbar. Doch Ryan und ich kämpften uns durch.
Wir durften einfach nicht zu viel Energie verlieren.
In den letzten Tagen, hatten wir uns etwas besser kennengelernt, auch wenn er mir nur widerwillig und auf meine Drängen hin etwas von sich erzählt hatte. Ich hatte erfahren, dass er als Klassenbester die Schule abgeschlossen hatte und ein Einzelkind war. Seine Lieblingsfarbe ist Blau und er hatte mal einen Hamster Namens Bobby. Auch wenn das eher nebensächliche Dinge waren, war ich trotzdem glücklich, dass er mir überhaupt etwas erzählt hatte. Er machte immer noch einen auf kalt und unnahbar, doch ich war fest entschlossen diese gefühlskalte Mauer, die er um sich herum aufgebaut hatte, zu durchbrechen und sein wahres Ich kennenzulernen.
Ich war schon ne Weile wach und weil ich nichts besseres zu tun hatte, beobachtete ich Ryan, der immer noch schlief.
Selbst wenn er schlief, sah er so ernst und unnahbar aus...
Da es nur eine Matratze in diesem Raum hatte, überlies er sie mir, während er selbst auf dem kalten und harten Boden schlief. Ich hatte ihm zwar versichert, dass wir durchaus auch gemeinsam auf der Matte schlafen könnten, doch er lies sich nicht überzeugen. Auch nicht nach einigen ziemlich langen Diskussionen. Wenigstens konnte ich ihm die dünne Decke andrehen, sodass ich mich nicht ganz so schlecht fühlte, wenn er auf dem Boden schlief.
Plötzlich ertönte das laute Geräusch von dem sich im Schlüsselloch drehenden Schlüssel.
Dadurch geweckt, fuhr Ryan erschrocken aus dem Schlaf und richtete sich sofort auf. Er lässt sein Blick unruhig durch den Raum streifen, bis er mich sah. Daraufhin entspannte er sich sichtlich.
Hatte er sich etwa gerade kurz sorgen um mich gemacht? Bei der Vorstellung wurde mir ganz warm ums Herz.
Doch lange konnte ich nicht mehr darüber nachdenken, den Barker kam mit einem fröhlichen ‚Guten Morgen allerseits' in den Raum hereinspaziert.
Er schmiss eine Wasserflasche und einen Plastiksack auf den Boden. Danach schnappte er sich den klapprigen, alten Stuhl aus der Ecke und stellte ihn in die Mitte des Raumes. Er lies sich darauf nieder, überschlug die Beine und verschränkte seine Arme vor der Brust.
Er lächelte mich eine Weile schweigend an, bevor er endlich spricht: „Ich habe beschlossen dir doch zu sagen, wieso genau du hier bist."
Überrascht zog ich die Augenbrauen in die Höhe und wartete darauf, dass er fort fuhr.
„Aber zuerst möchte ich wissen, was du denkst, was dein Vater mir angetan hat."
Er betrachtete mich immer noch mit diesem spöttischen Lächeln. Anscheinend machte ihm das ganze hier unheimlich viel spass. Ich wollte wissen, was mein Vater, seiner Meinung nach, so unglaublich schlimmes getan hatte. Deshalb spielte ich mit und sagte ihm, was er wissen wollte: „Ich denke, dass es vielleicht etwas mit meiner Mutter zu tun hat... also das mein Dad sie dir ausgespannt hatte, oder so etwas ähnliches..."
Einen Moment lang blickte er mich nur ernst an, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach.
„Deine Mutter ist zwar eine wirklich hübsche Frau, aber ihren miserablen Männergeschmack lässt mich an ihrer Intelligenz und ihrem gesunden Menschenverstand zweifeln. Nein, deine Mutter ist mir völlig egal!" Kaum hatte er fertig gesprochen, wurde er wieder ernst. „Denkt doch mal nach! Was könnte dein lieber Papi mir angetan haben, wenn man bedenkt, was sein Beruf ist." Sagte er in einem bitteren Tonfall.
Mein Dad ist Geschäftsführer einer einflussreichen Firma. Eventuell könnte er dafür verantwortlich sein, dass Barker wegen irgendeinem Projekt sein Haus oder etwas ähnliches verloren hatte. Aber einen guten Grund, der das alles hier rechtfertigte, fiel mir beim besten Willen nicht ein. Auch Barker bemerkte meine Irritation.
Er runzelte nachdenklich die Stirn, bis plötzlich Erkenntnis in seinem Gesicht aufblitze. Gleich darauf fing er wieder an zu lachen.
„Willst du mir etwa sagen, du weisst nichts von Daddys kleinen Geschäften?" Fragte er zwischen seinen Lachern. Da ich keine Ahnung hatte, was er damit meinte, schüttelte ich einfach nur den Kopf.
„Gott, das hier wird ja noch viel amüsanter als ich angenommen habe." Seufzte er erfreut und richtete seinen Blick wieder auf mich.
„Dein lieber Vater ist kein netter Mann. Um genauer zu sein, er ist ein Krimineller." Verrät mein Professor mir und wartet gespannt auf meine Reaktion.
Mein Vater soll ein Verbrecher sein?
„Wie meinst du das?" Fragte ich langsam nach.
„Tja, hast du dich nie gefragt, wie dein Vater an so viel Geld gekommen ist?" Jeden Satz, den dieser Mann von sich gab, verwirrte mich noch mehr.
„Er hat sich hochgearbeitet und leitet nun ein erfolgreiches Unternehmen." Sagte ich ihm das, was mein Vater mir immer erzählt hatte.
Wieder lachte Barker laut darauf los.
„Aber natürlich hat er das..." er schüttelte amüsiert den Kopf, als ob ich ihm gerade einen ausnahmsweise mal guten Flachwitz erzählt hätte.
„Collin Leech war noch bis vor etwa 19 Jahren sehr aktiv im Drogen- und Waffenschmuggel und nicht nur das, er war auch verdammt erfolgreich. Er und seine Brüder führten ein richtiges Imperium, welches sie von deinem toten Grossvater Alrick Leech geerbt haben."
Ungläubig runzelte ich die Stirn. Mein Dad, Onkel Tiago und Onkel Nick sollen die Anführer einer kriminellen Organisation gewesen sein?
„Nun, ein Jahr nach deiner Geburt lösten sie dann alles auf und glaub mir, der gute alte Alrick Leech wäre ganz und gar nicht erfreut gewesen, hätte er noch mitbekommen wie seine beiden Söhne, und deren bester Freund sein ganzes Lebenswerk in nur ein paar Jahren zunichte machen." Sagte er und seufzte in gespielten mitteilt für meinen längst verstorbenen Grossvater auf.
„Aber mir ist das ganze total egal. Ich wollte dir nur kurz aufzeigen, in was für ne miese Familie du hineingeboren wurdest. Sie konnten es dir ja nicht einmal persönlich sagen, stattdessen haben sie dich jahrelang belogen. Schon ne ziemlich traurige Sache, findest du nicht?" Sprach er wieder mit einem überheblichen Tonfall und zuckte mit den Schultern.
„Wieso sollte ich dir glauben?" Fragte ich ihn.
„Du musst mir nicht glauben, aber halt dir vor Augen, dass ich nicht wirklich einen Grund habe, dich anzulügen. Denn mir geht es nicht um deine familiären Hintergründe, mir geht es darum, dass dein Vater ein kaltblütiger Mörder ist. Eigentlich wäre mir auch das egal, wenn er nicht die falsche Person getötet hätte." Fuhr er mit hasserfüllter Stimme fort. „Er hat meine Bruder ermordet und es kümmerte ihn kein bisschen! Nicht einmal als ich ihm geschworen habe, dass ich ihn das selbe fühlen lassen werde, zeigte er eine Spur von Reue." Zischte Barker und erhob sich ruckartig vom Stuhl.
„Du wirst hier leiden Kyra Leech, du wirst für deinen Vater büssen und er wird bereuen!" Schrie er und stampfte danach wütend auf dem Raum.
Zitternd sass ich zusammengekauert an der Wand und lies mir Barkers Worte nochmals durch den Kopf gehen.
Wenn das alles stimmen sollte, hatte mich nicht nur mein Vater, sonder meine gesamte Familie mein ganzes Leben lang angelogen. Mein Vater und wahrscheinlich auch meine Onkel waren Mörder und Verbrecher. Meine Mutter und meine Tanten, wussten wahrscheinlich auch davon, doch es schien ihnen egal. Alles was ich je über die Vergangenheit meine Familie zu wissen schien, löste sich in Luft auf. Anscheinend hatte ich keine Ahnung, wen ich als meine Familie bezeichnete...
Plötzlich spürte ich wie mir Ryan einige Tränen von der Wange wischte. Schniefend blickte ich zu ihm hoch.
Das erste Mal seit ich ihn kannte, sah ich ganz deutlich echte Emotionen in seinen Augen. Mittleid, Sorge und Wut.
Ich wollte etwas sagen, ihm mitteilen wie ich mich fühlte, doch bei ihm hatte ich das Gefühlt, als sei dies gar nicht nötig. Die Art und Weise wie er mich berührt und ansah, gab mir das Gefühl, als ob er mich ohne ein einzelnes Wort perfekt verstehen würde. Als ob er ohne Probleme direkt in mein Inneres sehen könnte und genau wüsste, was er zutun hatte, damit es mir wenigstens ein winziges bisschen besser ging.
Meine Selbstbeherrschung verflog wie auf einen Schlag und ich schluchzte richtig los. Sanft nahm mich Ryan in den Arm und strich mir, ohne ein Wort zu sagen, tröstend über den Rücken. In dem Moment war ich so unendlich dankbar, dass Ryan hier war. Ich kuschelte mich enger an ihn ran und heulte leise minutenlang in sein T-Shirt.

Was denkt ihr nun von Kyras Vater?
Ist Barkers Tat gerechtfertigt?
Was würdet ihr an Kyras Stelle über ihre Familie denken? Glaubt ihr überhaupt, dass Barker die Wahrheit gesagt hat?

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