✧.* - Kapitel 30
Samstag, 8. November
„Bist du eigentlich völlig übergeschnappt?" Ich stand im Flur, die Finger fest um mein Handy gekrampft und bemühte mich wirklich, irgendwie die Fassung zu wahren, aber das war schwer. Im ersten Moment, als Mingi durch die Tür gekommen war, wollte ich ihm eine Ohrfeige verpassen, einfach so, aus der unbändigen Wut heraus, dem Schmerz, dass er mir das alles antat. Aus Angst, dieser grellen, schmerzvollen Angst, die mich über Stunden hatte durchdrehen lassen. Er sollte fühlen, was ich fühlte und es tat verdammt nochmal so unfassbar weh. Und es war demütigend, auf seine Weise. Dass er mich zu einem lästigen Anhängsel degradierte, das ihm im Grunde scheißegal war.
Auf alle Fälle fühlte es sich so an und ich wollte, dass er all das ebenso fühlte. Mein Verständnis und mein Wille, ihm zu helfen, waren gerade restlos aufgebraucht. Wenn ich schon nicht um mich schlagen konnte, dann wollte ich ihn packen, rauswerfen und ihm sagen, dass er sich verdammt nochmal verpissen sollte. Dass ich ihn nie wieder sehen wollte.
Und dann wollte ich weinen.
Einfach nur der Erleichterung wegen, dass es ihm gut ging, dass ihm nichts passiert war, dass er heil und in einem Stück zu mir zurückgekommen war.
„Wo bist du gewesen?!", fauchte ich mühsam beherrscht.
Mingi hatte den Kopf gesenkt, die Kapuze seines Hoodies hing ihm fast bis in die Augen und seine ganze Aufmachung war ... Ich hatte keine Worte dafür. Das war nicht mehr der Mensch, den ich kannte.
„Bei Freunden", murmelte er nur.
Freunden, klar. Keine Freunde aus unserem gemeinsamen Kreis, denn die hatte ich gestern, als er nicht heimgekommen war, alle abtelefoniert. Also waren es die anderen Freunde, die mit den Pillen.
„Welchen Freunden?"
„Hongjoong und Yeosang", antwortete er prompt, trat sich dabei umständlich die Schuhe von den Füßen und schob sie mit dem Fuß achtlos zur Seite.
Die Namen sagten mir nichts, hatte ich noch nie gehört und ich wollte gerade fragen, wer das sei, als er die Kapuze seines Pullis abstreifte. Da blieb mir jedes Wort im Hals stecken und ich schnappte überrascht nach Luft. Das war ...
„... Mingi ..."
„Gefällt's dir nicht?" Er sah mich müde an, ein freudloses Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber eines war damit auf alle Fälle klar. Er hatte wohl nicht vor, sich mit seinem Onkel auszusprechen oder sich gegebenenfalls eine neue Arbeit zu suchen. Nicht in dieser Aufmachung. Aber es war sein Leben, nicht wahr? Sein Leben, seine Entscheidung, sagte ich mir immer wieder und schluckte dennoch, um den Kloß im Hals irgendwie loszuwerden.
„Ich ..."
„Ja, war mir klar", raunte er dumpf, wandte sich halb von mir ab und bedachte mich mit einer so nachlässigen Geste, dass ich sicher sprachlos zurückgeblieben wäre, wenn wir nicht ohnehin schon an einem Abgrund gewesen wären.
„Sind nur scheiß Haare", maulte er da und ich strich mir entnervt über die Stirn. Vielleicht hatte er recht. Es waren nur scheiß Haare.
„Na ja", stammelte ich. „Es ist ... unerwartet ..." Ich schnaubte. Es ging hier nicht um Haare oder andere Nebensächlichkeiten, sondern darum, was er damit demonstrierte. Es ging darum, dass er sein Leben wegwarf und dass zwischen uns gerade alles den Bach runter ging und ihm das offenbar scheißegal war.
„Warum hast du mich nicht angerufen? Du hättest mir wenigstens sagen können, wo du bist, oder dass du nicht heimkommst."
„Sorry", raunte er dazu, schob sich an mir vorbei und trottete ins Wohnzimmer.
Unfassbar.
„Herrgott Mingi!" Ich folgte ihm. „Ich habe mir Sorgen gemacht, okay? Ich lag die halbe Nacht wach, ich habe – kannst du dir nicht vorstellen, wie es mir ging?!" Meine Stimme war unschön schrill geworden.
Da blieb er stehen und sah mich an. Sein Blick wirkte seltsam leer, fast verschleiert.
„Ich hab doch schon gesagt, sorry. Wir waren ein bisschen unterwegs und dann wars schon spät und ..."
Das reichte, ich wollte mir diesen Mist auch nicht mehr anhören. Wortlos nahm ich das Tütchen mit den Pillen aus meiner Hosentasche und knallte es vor ihm auf den Küchentresen.
Wie erwartet verstummte Mingi augenblicklich, streckte jedoch die Hand aus, nahm das Tütchen an sich und ließ es in seiner Tasche verschwinden.
„Warum wühlst du ständig in meinen Sachen?", knurrte er mich an.
„Weil du nicht mehr mit mir redest."
„Du hast kein Recht dazu. Ich vergreife mich doch auch nicht an deinen Sachen."
„Ich verstecke auch keine Drogen in meiner Sockenschublade", konterte ich bissig, da sah Mingi fast schon zerknirscht auf.
„Es ist nicht das, was du denkst."
Fast – fast hätte ich ihm geglaubt, er machte das echt gut. Aber gerade war ich zu sehr in Rage, um mich davon blenden zu lassen.
„Ach hör doch auf", zischte ich. „Willst du mich verarschen? Es ist genau das, was ich denke. Ich kapier nur nicht, warum du ..." Schon wieder brach ich ab, weil ich all das, was ich wirklich dachte, überhaupt nicht in Worte kleiden konnte. Er zerstörte alles, mit Vorsatz, machte alles kaputt und er wusste es.
„Okay, nein, weißt du was?" Ich wandte mich ab. „Mach was du willst. Du willst dich kaputt machen? Schön. Du willst dich mit irgendwelchem Scheiß zudröhnen. Dein gutes Recht."
„Du weißt doch nicht, wie das ist!", fuhr er mich urplötzlich an. „Du weißt nicht, wie es ist, wenn alles in dir tot ist!" Tränen standen in seinen Augen, aber ich mühte mich, das zu ignorieren. Nein, auf keinen Fall würde ich dem nachgeben.
„Und du weißt nicht, wie es ist, dir dabei zuzusehen, wie du dich zugrunde richtest", gab ich ebenso scharf zurück.
Mingi blinzelte kurz, aber die Abwehrhaltung kehrte sofort zurück. „Du musst es dir ja nicht ansehen", schnappte er.
Ich nickte knapp und wich zurück.
„Du hast du absolut recht", sagte ich ruhig. „Muss ich nicht. Werde ich auch nicht." Und damit machte ich kehrt, packte mein Zeug zusammen und ging.
Mingi fragte mich nicht wohin und versuchte auch nicht mich aufzuhalten.
*
„Huh? Heute allein?" San blinzelte mich überrascht an, öffnete dann jedoch grinsend die Tür und ließ mich herein.
„Ja. Mingi fühlt sich nicht wohl und wollte lieber ins Bett." War es nicht bezeichnend, wie leicht mir solche Lügen mittlerweile über die Lippen gingen?
San nickte verständnisvoll. „Wir sind gleich soweit", sagte er und grinste dann schief. „Das heißt, ich bin fertig, aber Woo-"
„Gleich!", hörte ich den Angesprochenen japsen, dann sauste er vom Bad über den Flur ins Schlafzimmer und grinste mich dabei breit an. „Gleich, gleich ... bitte keine Hektik. Bad-Hair-Day, du weißt schon."
Ich schmunzelte und San rollte mit den Augen. Ja, Wooyoung und seine Haare waren ein Kapitel für sich. Wenn die nicht so wollten, wie er es sich vorstellte, war es eine mittelschwere Katastrophe.
„Seine Haare sind nicht das Problem", flüsterte mir San zu, durch den Türspalt hörte man Wooyoung rumoren.
„Das habe ich gehört!"
San lachte leise. „Du bist wie immer wunderschön, Schatz."
Noch mehr Gemurmel aus dem Schlafzimmer folgte, wenn auch unverständlich. Dann kam Wooyoung endlich durch die Tür und blieb schweratmend neben San stehen.
„Fertig", schnaufte er und grinste. San küsste ihn auf die Wange.
„Wunderschön, sagte ich doch."
„Ach, gib Ruhe jetzt." Wooyoung schob ihn weg, trat stattdessen auf mich zu und umarmte mich. Dabei flüsterte er so leise, dass San wohl nichts hörte: „Alles okay bei dir?"
Ich nickte kaum sichtbar und er ließ mich wieder los.
Zu dritt machten wir uns also auf den Weg, gingen zuerst essen, quatschten – hauptsächlich über die Arbeit, bis sich jeder von uns so richtig ausgekotzt hatte. Dann zogen wir weiter, dieses Mal in eine Bar, wo wir einen Billardtisch belagerten und Bier und Soju bestellten.
Für die ersten paar Runden ging es gut, sowohl was das Spiel, als auch den Alkohol anging, doch dann legte meine Laune eine rasante Talfahrt hin und ich hatte schon zu viel getrunken, um es noch aufzuhalten.
„Okay, was ist los", sagte San mittendrin, nichtsahnend, welche Schleuse er damit öffnete.
Womöglich wollte Wooyoung noch retten, was zu retten war, aber es war zu spät. Ich lehnte mich über den Tisch, visierte eine Ecke an und mein Queue krachte laut auf die Kunstharzkugel, gleichzeitig zischte ich: „Mingi."
Ich sah auch, wie Wooyoung mir gegenüber betreten den Kopf senkte, während San mich irritiert musterte. „Warum, was ist mit Mingi? Ich dachte er w-"
„Bae ...", zischte Wooyoung und ich winkte ab, richtete mich auf, um ihn anzusehen.
„Schon gut", sagte ich. „Ist kein Geheimnis." Zumindest, dass wir Probleme hatten, war kein Geheimnis. Woher sie rührten ... nun ja.
„Wir ... haben Probleme ..." Akribisch verteilte ich Kreide auf meinem Queue und blies den überschüssigen Staub weg. Dann sah ich von San zu Wooyoung und wieder zurück. „Einige."
San wirkte wie vor den Kopf gestoßen. „Aber ..." Er blinzelte, sah weg und schließlich wieder her. „Ich hatte keine Ahnung, tut mir leid."
„Weiß auch keiner", erklärte ich knapp, machte meinen nächsten Spielzug und umrundete halb den Tisch. „Ich dachte, wir kriegen es wieder hin, aber sieht wohl nicht so aus."
Diese Aussage ließ jetzt gleich beide Männer hellhörig werden.
„Wohow ... Yunho, warte", begann Wooyoung. „Davon war aber letztens nicht die Rede."
„Letztens?" hakte San ein. Offenbar hatte ihm Wooyoung tatsächlich nichts von unserem Treffen erzählt, denn der winkte wiederum nur ab und wandte sich wieder an mich. „Yunho ..."
„Schon gut." Ich sah ihn nicht an, betrachtete die Verteilung der Kugeln auf dem grünen Filz und überlegte, wo ich weitermachen wollte. Unterdessen sprudelten die Worte einfach aus mir heraus, ohne dass ich sie hätte kontrollieren können.
„Es wird immer schlimmer. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ehrlich gesagt glaub ich auch nicht, dass er will, dass ich ... Wie auch immer. Ich komme nicht mehr an ihn ran und ... Was soll ich sagen? Ihr habt ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Er hat sich sehr verändert."
„Was meinst du?", hakte San behutsam nach. Er wirkte betroffen bis geschockt und kam an meine Seite. „Ist das immer noch wegen des Überfalls? Vielleicht hat er das einfach nicht verarbeitet? Wie heißt das? PTBS?"
Ich sah, wie Wooyoung die Augen rollte und lachte freudlos auf.
„Oh Gott ja", murmelte ich so vor mich hin, „die hat er ganz sicher." In diesem Moment war mir nicht wirklich klar, was ich da von mir gab und ich bemerkte auch die betroffenen Mienen meiner Freunde nicht.
„Aber er will sich ja auch nicht helfen lassen", machte ich stattdessen weiter. „Er ist ... Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll ... Ach, ist ja auch egal. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt, ich habe mich echt bemüht, aber es hat nichts gebracht."
Die nächste Kugel verfehlte ihr Ziel und ich richtete mich unzufrieden auf. Da erst wurde mir bewusst, dass beide, Wooyoung und San, mich betroffen fixierten. Scheiße, hatte ich zu viel gesagt? Bisher hatte ich mich, ohne wirklich darüber nachzudenken, dem wohl ungeschriebenen Gesetz der Männer unterworfen, nicht offen über Beziehungsprobleme zu reden. Aber scheinbar hatte ich jetzt den Punkt erreicht, wo das auch nicht mehr von Belang war.
Leidlich zerknirscht lehnte ich mich gegen den Tisch und senkte den Blick. „Tut mir leid", raunte ich. „Ich wollte uns nicht den Abend verderben."
„Idiot", maulte Wooyoung.
„Ehrlich", fing auch San an. „Du bist so ein Idiot. Warum sagst du nichts?"
Hatte ich doch gerade.
Mit einem Kopfschütteln kam San zu mir und zog mich in eine halbe Umarmung. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm ist", nuschelte er dabei und seufzte laut. „Es tut mir so leid."
„Heißt das ... ihr wollt euch trennen?", murmelte Wooyoung.
Ich zuckte die Schultern und schon wieder seufzte San laut.
„Scheiße", knurrte er. „Ich kenne euch gar nicht als Singles ... Aua!"
Wooyoung zischte „Idiot!", und ich musste ungewollt lachen.
„Alles okay, hm? Ich meine, klar ist es scheiße, aber ... Keine Ahnung, es macht ihn kaputt und mich auch. Also ist es womöglich besser, wenn wir es beenden."
„Habt ihr darüber gesprochen?", wollte San wissen. „Weiß er das alles?"
Ich dachte an Mingi und in welchem Zustand er heute heimgekommen war, nachdem er sich die ganze Nacht weiß Gott wo herumgetrieben hatte. Daran, dass er in letzter Zeit kaum aufnahmefähig war und das Leben überhaupt nur noch neben ihm vorbeilief und nickte schwach, auch wenn es nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Tief in seinem Inneren wusste Mingi sicherlich ebenfalls, dass wir so nicht würden weitermachen können.
Und jetzt war es ausgesprochen, meine Gefühle offenbart und es konnte nicht zurückgenommen werden. Die Stimmung brach ein. Wollte ich mich wirklich von ihm trennen? Allein der Gedanke tat so unglaublich weh, dass ich nun doch den Tränen nah war. Verdammt, so hatte ich mir das nicht vorgestellt.
*
Auf dem Weg nach Hause dachte ich über die Worte nach, die gefallen waren und mein Gewissen regte sich, jetzt, wo sich die Wirkung des Alkohols wieder verflüchtigte und ich klarer denken konnte. Ich nahm einen Umweg und lief durch die eisige Nacht, bis meine aufgewühlten Gedanken endlich zum Stillstand kamen, dann erst ging ich nach Hause.
Die Tür zum Schlafzimmer stand halb offen und ich konnte im Halbdunkel zumindest einen Schemen unter der Decke ausmachen. Vorsichtig schob ich die Tür zu, um Mingi nicht zu wecken, zog mich aus und schlüpfte noch rasch unter die Dusche.
Als ich wenig später die Tür zum Schlafzimmer wieder aufschob, war das Bild unverändert. Mingi lag im Bett, doch soeben zog er die Decke soweit hoch, dass er fast darunter verschwand. Er hatte mir den Rücken zugewandt, aber mir war trotzdem klar, dass er nicht schlief, also kniete ich mich auf meine Seite und wartete, ob er darauf reagieren würde. Das passierte nicht. Ich ließ den Kopf hängen.
„Mingi – es tut mir leid. Du weißt, ich meinte das nicht so."
Ich bekam keine Reaktion, wagte es aber auch nicht, ihn zu berühren. Stattdessen seufzte ich gut hörbar.
„Bitte rede mit mir", bat ich leise, „denn ich weiß nicht mehr, was ich tun soll." Nichts, er schwieg und er bewegte sich nicht.
Minutenlang kauerte ich dort am Bett, wartete, hoffte, bat ihn sicher mehrmals mit mir zu sprechen, hatte aber keinen Erfolg. Am Ende raffte ich meine Decke und mein Kissen an mich, schlich wieder hinaus und verbrachte diese Nacht allein im Wohnzimmer auf der Couch.
Auch dort konnte ich nicht schlafen, starrte im Dunkeln an die Decke und grübelte. Was sollte ich tun? Entgegen meiner giftigen Ansage vorhin, gegenüber Wooyoung und San, wurde mir jetzt sehr deutlich bewusst, dass ich noch nicht bereit war, alles hinzuwerfen. Dafür bedeutete er mir einfach zu viel. Wenn es nicht so wäre, wären meine Gefühle nicht so in Aufruhr und es würde auch nicht so wehtun. Unser Jahrestag war in nicht mal zwei Wochen. Sechs verdammte Jahre, das warf man doch nicht einfach so weg.
Unwillig rollte ich mich auf der Couch herum und seufzte, während meine Gedanken sich selbständig machten und zurückkehrten zu jener schrillen Vorweihnachtsparty, auf der ich Mingi kennengelernt hatte.
Mingi, damals noch im letzten Jahr der Oberstufe, der sich unerlaubt auf die Studentenparty geschlichen hatte, bevor ihn der Mut verließ und der dort wie ein Reh auf der Autobahn herumirrte.
Genau so lief er mir in die Arme, nervös, überfordert und plötzlich Angst vor der eigenen Courage.
„Erstsemester?"
Nicken.
„Und erste Party?"
Ein zweites hektisches Nicken, sodass ich lachen musste.
„Lügner", flüsterte ich ihm zu und legte einen Arm um seine Schultern. „Wie ist dein Name?"
„Mingi."
Meine Gedanken schwammen träge durch Erinnerungen und zogen mich allmählich in den Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen hinüber. Womöglich war ich auch schon eingeschlafen, denn mittendrin erschrak ich fürchterlich, ohne zu wissen warum und registrierte erst mit einiger Verzögerung die warme Berührung. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich wach genug war, um zu verstehen, dann hob ich die Hand und strich über den wilden Haarschopf.
Mingi kauerte neben dem Sofa auf dem Boden, hatte die Arme um mich geschlungen und den Kopf auf meine Brust gebettet. Die langen Strähnen kitzelten mich am Kinn und selbst jetzt, wo ich schweigend durch sein Haar kämmte, rührte er sich nicht. Wie lange hockte er schon da? Er konnte doch unmöglich in der Position eingeschlafen sein?
„Mingi?" Meine Stimme klang rau und krächzend, merkwürdig fremd in der Stille.
„Mmh." Seine Arme gruben sich noch ein wenig fester um mich herum in die Polster und Kissen, aber er hob den Kopf nicht an.
„Es tut mir leid", nuschelte er nach einem Moment der Stille in meinen Pulli. „Ich mach das nie wieder. Ich krieg das wieder hin, versprochen."
Seufzend strich ich erneut durch seine Haare. Das hier war sicher nicht der geeignete Moment für Beteuerungen oder Aussprachen, aber es war ...
... ein Hoffnungsschimmer.
Umständlich versuchte ich mich aus seiner Umklammerung zu befreien, was mir in meiner Position nicht gelang. Also fiel ich seufzend wieder um.
„Mingi, lass uns ... morgen darüber reden, okay? Wir sollten jetzt wirklich ..."
Alles was ich sagen wollte, blieb ungesagt und ein leises Ächzen drang aus meinem Mund, als Mingi über mich krabbelte und sich halb auf, halb neben mich auf die Couch quetschte. Das Minisofa war ja schon für eine Person eine Zumutung, aber zu zweit hatte man eigentlich keine Chance.
Nun, eigentlich, denn Mingi sah offenbar keine Veranlassung aufzustehen und obwohl es fürchterlich unbequem war, zu beengt und auch zu warm, wehrte ich mich nicht. Ich schlang die Arme ebenfalls um ihn, schloss die Augen und atmete seufzend aus.
Gerade fühlte ich mich ihm so nah, wie seit Monaten nicht mehr und es hatte überhaupt nichts mit der körperlichen Nähe zu tun.
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