✧.* - Kapitel 1


26. April, Samstag

5 Uhr 27 zeigten die roten Leuchtziffern des Radioweckers, als mich ein lautes Rumpeln abrupt aus dem Schlaf riss. Mein Kopf ruckte in die Höhe und mein Herz wummerte so laut, dass ich zunächst gar nichts anderes mehr hörte und so tastete meine Hand automatisch auf die andere Bettseite, aber die war leer.

„Mingi?" Meine Stimme war so heiser und krächzend, dass sie wohl kaum bis in den Flur drang, also rappelte ich mich jetzt auf, hockte im Schneidersitz auf der harten Unterlage und stützte mich mit einer Hand ab, weil mir ganz schwindlig war. Außerdem hatte mich das laute Poltern direkt aus der Tiefschlafphase gerissen und entsprechend schwer fiel es mir, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Außer...

„Mingi?", raunte ich wieder, dieses Mal etwas lauter. Gleichzeitig strich ich mir durch die wirren Haare, kam endlich schwankend auf die Beine und bewegte mich ungelenk in Richtung Tür. Im Flur brannte Licht, was im ersten Moment so hell war, dass ich das Gesicht verzog und blinzelte, bevor ich hinaustrat. Es dauerte einen Augenblick, bevor ich überhaupt etwas sah, dennoch stolperte ich prompt über ein Paar Turnschuhe, die mitten im Weg lagen. Ich hatte mich gerade halbwegs gefangen, sah, dass die Wohnungstür nicht richtig geschlossen war und entdeckte gleich darauf, dass es noch jemanden gab, der die Turnschuhhürde nicht so gut geschafft hatte.

Mingi lag, gefällt wie ein Baum, halb im Flur, halb im Bad und das entlockte mir jetzt doch ein fieses Grinsen.

„Scheiße", kicherte ich amüsiert, drückte die Wohnungstür zu und tappte zu ihm hin. „Wie breit kann man sein, hm?"

Aber da Mingi sich nicht bewegte, nur leise stöhnte, überwog nun doch mein Mitleid und ich beugte mich zu ihm hinab, um ihm aufzuhelfen.

„Hey", raunte ich dabei. „Na komm schon, Großer, hoch mit dir." Aber noch mitten in diese Bewegung hinein entglitten mir alle Gesichtszüge. Von einer Sekunde auf die andere war jede Erheiterung dahin und wich purem Entsetzen.

„Mingi?" Schwer fiel ich neben ihm auf die Knie, meine bebende Hand schwebte Zentimeter über seinem Körper und ich versuchte zu begreifen, was ich sah.

Blut. Da war Blut. Und... Dreck, überall, auf seiner Kleidung, auf seiner Haut, in seinen Haaren. Er hatte kein Jackett an, sein Hemd war zerrissen, sein Gürtel hing auf einer Seite lose herunter, weil ein paar Gürtelschlaufen der Hose ausgerissen waren. Sein linker Schuh fehlte und die Socke war nass, kaputt und ebenfalls dreckig.

Und überall war Blut! Auf seiner Haut! Auf seinem Hemd! Selbst der schwarze Stoff seiner Hose fühlte sich ekelhaft steif an.

„Mingi?!"

Meine Stimme klang rau und fremd. Die Panik schlug wie eine Welle über mir zusammen und mein Kopf schien wie leergefegt.

„Um Himmelswillen, was ist passiert? Hast du...? Hattest du einen Unfall? Ist...?" Ich konnte nicht vernünftig denken, brachte kaum einen vollständigen Satz zusammen. Vorsichtig berührte ich ihn jetzt, versucht ihn herumzudrehen und wenn möglich, wurde meine Panik jetzt noch ein bisschen schriller.

Mit einem leisen Stöhnen rollte Mingi herum, murmelte dabei dumpf unverständliche Worte, bevor sein Kopf wieder auf die Bodenfliesen fiel. Mit zitternden Fingern berührte ich sein Gesicht.

„Was ist passiert?", fragte ich erneut. „Mingi, hey..." Ich wagte es nicht, ihm auf die Wange zu schlagen, noch nicht mal leicht, weil auch sein Gesicht völlig entstellt war. Blutergüsse, Schrammen, Dreck, Erde und überall getrocknetes Blut.

„Scheiße", hauchte ich, fasste behutsam unter seinen Kopf und hob ihn leicht an, sodass ich ihn wenigstens halb auf meinen Schoss ziehen konnte. Mit zitternden Fingern strich ich durch seine Haare.

„Baby? Sieh mich an, kannst du... kannst du mir sagen, was passiert ist? Kannst du..." Mein Blick glitt von seinem Gesicht hinab über seine Brust, über das kaputte Hemd und die nackte, dreckige Haut darunter. Auch hier war überall Blut, ein paar Knöpfe fehlten, genau wie der Knopf der Hose. Von Mingi kam unterdessen nur ein weiteres undefinierbares Murmeln.

„Scheiße", wimmerte ich wieder, spürte, wie sich heiße Tränen in meinen Augen sammelten und atmete ein paar Mal tief durch. Ich blinzelte, bis sich mein Blick wieder etwas klärte, raufte mir einen Moment lang die Haare, bevor ich mich wieder im Griff hatte und ihn nun doch ein weiteres Mal berührte.

„Baby...", hauchte ich. „Du... musst ins Krankenhaus, okay? Wir müssen ins Krankenhaus. Wir..." Gehetzt sah ich mich um, riss das nächstbeste Handtuch herab, faltete es zusammen und schob es unter Mingis Kopf, bevor ich schwankend aufstand und zurück in das Schlafzimmer stolperte. Dort drehte ich mich zwei Mal kopflos im Kreis, bevor ich die erstbesten Klamotten überstreifte, die ich zu fassen bekam. Schon rannte ich wieder hinaus, schlüpfte in eben jene Turnschuhe über die ich Minuten – Stunden – Jahre zuvor gestolpert war und riss meinen Schlüssel vom Board.

Dann kauerte ich wieder bei Mingi, der mich jetzt mit riesigen Augen anstierte.

„Was...?", krächzte er dumpf.

Vorsichtig schob ich einen Arm unter ihn und richtete ihn langsam auf. „Wir fahren ins Krankenhaus, okay?"

Mingi reagierte nicht darauf, brabbelte nur irgendwas und stöhnte leise schmerzerfüllt auf, als ich ihn auf die Beine zog.

„Baby, du musst mir helfen", presste ich heraus. „Wir fahren ins Krankenhaus. Alles okay. Wir kriegen das wieder hin." Ich strich ihm die schmutzigen Haare aus der Stirn und küsste ihn auf die Schläfe. Scheiß auf das Blut und den Dreck.

„Wir kriegen das wieder hin", wiederholte ich und meine Stimme zitterte vor Angst.


*


Wie lange wartete ich jetzt schon hier? Schnaubend strich ich mir durch die Haare und stieß genervt die Luft aus. Wieder griff ich nach meinem Handy, das ich gerade eben erst auf dem kleinen Tisch mit den Zeitschriften abgelegt hatte und tippte die Oberfläche an. Unser letzter Chat ploppte auf und zum gefühlt hundertsten Mal las ich die beiden Nachrichten, die das Ende markierten.

Hey Babe, bist du noch wach? Ich könnte einen Fahrer brauchen – 0:42

Schlafmütze ;) Ich nehm ein Taxi – 0:44

Fast ein Uhr nachts! Und was war dann passiert?! Je mehr ich darüber nachgrübelte, desto schlimmer wurden die Bilder in meinem Kopf und am Ende sprang ich auf, weil ich das Stillsitzen und Warten einfach nicht mehr ertragen konnte. Die Frage, ob ich es hätte verhindern können, wenn ich den Signalton meines Handys nicht überhört hätte, verursachte mir ein flaues Gefühl im Magen. Zum wiederholten Mal tigerte ich den langen Gang entlang, holte mir einen Kaffee aus dem Automaten, der zwar nicht besonders gut, aber wenigstens heiß war. Mit dem Becher in der Hand kehrte ich zurück und wollte mich eben setzen, als rasche Schritte mich innehalten ließen. Angespannt drehte ich mich um, dachte an den zuständigen Arzt und starrte verwirrt auf die beiden uniformierten Beamten, die geradewegs auf mich zuhielten.

Polizei?!

Bevor ich Zeit gehabt hätte, das zu hinterfragen, oder die Zusammenhänge zu begreifen, wurde ich schon angesprochen.

„Jeong Yunho?" Der Beamte zückte einen Ausweis, stellte sich vor, aber das alles ging an mir vorüber wie ein gleichförmiges Rauschen. Ich wurde gebeten mitzukommen, wollte mich weigern, weil ich immer noch darauf wartete, dass ich zu Mingi durfte, wurde aber dennoch mitgenommen. Einer der Beamten griff sogar meinen Arm und führte mich, nicht grob, aber doch sehr eindringlich. Gleich darauf fand ich mich in einem Warteraum wieder, hockte dort auf einem der Stühle und bemühte mich zu verstehen, was hier gerade geschah.

Angriff, hämmerte es in meinem Kopf. Überfall. Von einem Club war die Rede, den ich zwar dem Namen nach kannte, den ich aber noch nie besucht hatte, auch nicht mit Mingi zusammen. Ich schüttelte den Kopf. Immer wieder. Nein, ich wusste nicht, ob Mingi dort hinwollte. Ich wusste nicht, ob er mit jemanden unterwegs war. Ich wusste gar nichts!

Der Beamte redete immer noch, stellte immer mehr Fragen, die ich erst fast mechanisch beantwortete, ohne wahrhaftig zu begreifen und schließlich aufgebracht abwiegelte.

„Was soll das?!", blaffte ich. „Ich war nicht dabei! Ich weiß nicht, was passiert ist. Wenn ich dabei gewesen wäre..." Ja und jetzt wurde mir wieder schlecht.

Wenn ich ihn abgeholt hätte, wie ich es angeboten hatte. Wenn ich nicht schon geschlafen hätte. Wenn ich – ein leises Schluchzen drang aus meiner Kehle und ich wandte mich ab. Erneut kamen die Tränen, ungewollt, unaufhaltsam. Ich presste die Hände auf meine Augen und atmete bebend ein und aus, aber es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich beruhigt hatte.

„Ich will zu ihm", murmelte ich heiser. „Kann ich jetzt zu ihm?"

Die Beamten sahen sich an und etwas lag verborgen in dieser stummen Kommunikation, was ich noch nicht verstand.

„Das entscheidet der Arzt", sagte der eine und erklärte gleichzeitig, dass sie fürs Erste hier fertig wären. Er drückte mir eine Karte in die Hand, auf der er händisch eine Telefonnummer notiert hatte und bat mich, später aufs Revier zu kommen.

Stumm nickte ich, auch wenn ich kaum mitbekam, wozu ich gerade meine Zustimmung gegeben hatte. Ich wollte nur hier weg, raus, endlich mit dem Arzt sprechen, endlich zu Mingi. Als ich in den Flur zurückkehrte, wurde ich dieses Mal vom Arzt abgefangen, der offenbar schon auf mich gewartet hatte.

„Sie wurden als Notfallkontakt angegeben", erklärte der Arzt und noch während ich stumm nickte, sprach er weiter.

„Die medizinische Befundsicherung wurde abgeschlossen, seine Verletzungen wurden soweit versorgt, dennoch würden wir Herrn Song gerne noch für die nächsten 24 Stunden zur Überwachung hierbehalten. Wenn Sie also-"

Mit wachsendem Entsetzen starrte ich ihn an. „Was?", hauchte ich mittendrin. Die Worte des Arztes summten wie ein aufgeregter Insektenschwarm durch meinen Kopf. „Be-Befundsicherung? Was meinen Sie damit?"

Aber eigentlich wusste ich ganz genau, was damit gemeint war und wollte gar keine Bestätigung dafür hören. Andererseits musste ich es womöglich hören, weil es überhaupt nicht zu begreifen war. Weil es nicht wahr sein konnte! Weil es nicht geschehen sein konnte! Nicht ihm! Nicht Mingi! Nicht meinem Babybären.

„W-was?", stammelte ich also wieder, schwankte dabei leicht und rammte mit der Schulter die Wand, womit ich völlig aus dem Gleichgewicht geriet.

„Die Spuren und Verletzungen legen die Befürchtung nahe, dass Ihr Freund Opfer eines sexualisierten Gewaltverbrechens wurde", sagte der Arzt sehr leise und so ruhig, dass die Bedeutung seiner Worte nur tröpfchenweise in meinen Verstand sickerte. Ich schwankte erneut.

„Er... Was? Sie meinen..."

„Bitte setzen Sie sich", sagte der Arzt nun rasch, fasste nach meinem Arm und wollte mich zurück auf einen der Sitze ziehen, doch ich riss mich mit einem Keuchen los, machte zwei taumelnde Schritte aus seiner unmittelbaren Nähe und streckte die Hand nach der Wand aus, um mich daran abzustützen.

„Nein!", fuhr ich den Arzt an. „Ich... Was soll das heißen, hm? Wollen Sie damit andeuten, dass...?"

„Wir gehen von einer Vergewaltigung aus, ja", vereinfachte der Arzt nun, was es im Grunde nur noch schlimmer machte, weil es jetzt nicht einmal mehr einen Spielraum gab, das Unfassbare abzuschmettern.

„Herr Song konnte uns zwar zu den Geschehnissen keine Angaben machen, weil er sich nicht erinnert, aber die gesicherten Spuren ergeben ein eindeutiges Bild."

Das konnte doch nicht sein! Das... Hilflos drehte ich mich um, versuchte zu verstehen, versuchte zu atmen, versuchte den Worten Sinn zu verleihen, aber alles, was gerade in meinem Kopf vonstatten ging, war pures Chaos. Abrupt fuhr ich wieder herum.

„Und die Polizei...?"

„Wurde auf unsere dringende Empfehlung und Wunsch des Patienten hin informiert. Ich kann Ihnen versichern, dass wir-"

Mit einer knappen Geste schnitt ich ihm das Wort ab. Ich wollte das nicht hören! Speichel sammelte sich unter meiner Zunge und ein saurer Geschmack stieg in meiner Kehle auf.

„Mir wird schlecht", stieß ich rau hervor, machte wieder einen Schritt und atmete dabei ein paar Mal tief durch. Für einen Moment glaubte ich wirklich, ich würde mich jeden Augenblick übergeben müssen und nur langsam wurde es besser. Schließlich schlug ich beide Hände vors Gesicht und lehnte mich mit der Stirn an die Wand. Alles drehte sich, der Boden schwankte und ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten.

Das durfte einfach nicht wahr sein. Das musste ein Albtraum sein, aus dem ich hoffentlich gleich erwachen würde. Hektisch atmete ich ein und aus und spürte, wie ich zu zittern begann. Plötzlich war der Arzt neben mir und legte eine Hand auf meine Schulter.

„Möchten Sie zu ihm? Er war sehr verwirrt und verständlicherweise sehr verängstigt, also hat er ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen und wahrscheinlich schläft er jetzt, aber wenn Sie wollen, können Sie trotzdem zu ihm."

„Ja." Ich stieß mich von der Wand ab, strich mir fahrig über die Augen und nickte schroff. „Ja, will ich."

Der Arzt nickte freundlich, wies in einer schwachen Geste voraus, also folgte ich ihm schweigend. Das Zimmer hatte von außen nur einen Knauf, konnte ohne entsprechende Karte nicht geöffnet werden und erst als der Arzt seine Karte vor den Sensor hielt, sprang die Tür mit einem leisen Klicken auf.

„Bitte." Wieder wies der Arzt voraus. „Wenn Sie irgendetwas brauchen, einfach klingeln, oder Sie melden sich an der Stationskanzel, gleich hier." Damit deutete er auf einen Raum schräg gegenüber, dessen Front vollkommen verglast war und in welchem sich gerade ein Pfleger und zwei Schwestern tummelten.

Auch jetzt nickte ich nur, trat dann in das Zimmer und zog die Tür hinter mir zu. Vollkommene Stille empfing mich. Kein Piepsen von Maschinen oder dergleichen. Mingi lag in dem Bett der vom Fenster abgewandten Seite, die Vorhänge waren halb zugezogen und dämpften das strahlende Sonnenlicht ein wenig.

Und er schlief offenbar tief und fest.

Abrupt blieb ich stehen und betrachtete das blasse Wesen, das in dem vollkommen weißen Bett beinahe zu verschwinden schien. Wie war das möglich? Mingi war weder klein, noch zierlich, doch hier in diesem Bett wirkte er so verloren wie ein Kind. Seine Haare waren ganz durcheinander, fielen ihm in hellen, wirren Strähnen in die Stirn und ließ ihn noch jünger wirken. Auf seiner blassen Haut zeichneten sich unzählige Blutergüsse ab, die jetzt bereits die unterschiedlichsten Farbschattierungen aufwiesen. Eine Verletzung an seiner Lippe war dick verkrustet, ein Schnitt oberhalb seines rechten Auges war mit zwei Klammerpflastern versorgt. Da waren Kratzer und Striemen auf seinem Hals, auf seinen Unterarmen und je länger ich ihn anstarrte, desto schwerer fiel es mir zu atmen. Schließlich presste ich energisch die Lippen aufeinander und blinzelte gegen die erneut aufkommenden Tränen an. Ich bewegte mich, nur um der Starre zu entkommen und näherte mich langsam dem Bett.

Warum? Das war die Frage, die unaufhörlich in meinem Kopf kreiste. Warum hatte es geschehen müssen? Warum Mingi? Warum gab es Menschen, die zu so etwas fähig waren? Warum hatten sie ausgerechnet ihn ausgewählt? Warum mein Baby?

Warum?

Gewaltsam riss ich den Blick von Mingis blassem Gesicht los, sah mich um und holte dann einen der Stühle heran, um ihn neben dem Bett zu platzieren. Auf dem Wagen neben dem Bett standen eine ganze Reihe von Medikamentenfläschchen, außerdem eine Flasche Wasser und ein kleiner Stapel Pappbecher von denen ich jetzt einen nahm und mir etwas von dem Wasser einschenkte. Ich trank einen Schluck, um den säuerlichen Geschmack in meinem Mund loszuwerden und setzte mich.

Vorsichtig fasste ich nach Mingis Hand. An seiner rechten klemmte irgendein Messgerät, in seiner linken steckte die Infusionsnadel und mein Blick folgte dem Schlauch bis zu dem Beutel am Metallständer, dessen Flüssigkeit langsam tropfend in die Infusion floss. Zwei verschiedene Etiketten waren auf den durchsichtigen Beutel geklebt, womöglich Hinweise zu den Medikamenten. Behutsam umschloss ich seine Finger und mein Daumen rieb sacht ein Stück weit über seine Haut. Seine Fingerknöchel waren zum Teil aufgerissen, seine Handinnenflächen ebenfalls völlig zerschürft, als wäre er über Kies oder Asphalt geschlittert.

Dafür waren seine Fingernägel penibel sauber und ich ahnte, dass das von der Spurensicherung herrührte.

Vorsichtig hob ich Mingis Hand etwas an, presste sie an meine Wange und hielt sie dort fest. Mein Herz schlug hart und schmerzhaft gegen meine Rippen und meine Kehle war so eng, dass ich glaubte, keine Luft mehr zu kriegen. Da waren so viele Emotionen, Traurigkeit, Schuld, Hass, Angst, Wut, Verzweiflung, und sie alle wüteten in mir und raubten mir schier den Atem. Mit einem bebenden Atemzug schloss ich die Augen, aber es brachte nichts. Die Tränen quollen unter meinen geschlossenen Lidern hervor und tropften auf die weiße Decke.


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