15 März 1931

Ich sah ihn zum ersten Mal, als ich mit Rémi und meiner Mutter auf einem kleinen Spielplatz war. Sie saßen auf Bänken, und schauten mir zu, wie ich auf kleine Holzpferde kletterte. Ich konnte gerade erst laufen, aber ich hatte unglaublich viel Spaß daran, immer wieder in den Sand zu fallen.

Und dann tauchte der Mann auf. Ich weiß nicht wieso, ich ihn so doll spürte, doch irgendwie zog er meinen Blick an. Er hatte eine dunkle Aura, und sah auch so aus. Er hatte einen schicken schwarzen Mantel und glänzend schwarze Schuhe. Seine Haut war unfassbar bleich, und die schwarze Brille, die er trug, stach stark raus. Er hatte kurze, schwarze Haare, die sorgfältig nach hinten gekämmt waren. In der Hand hielt er einen rechteckigen, kleinen schwarzen Kasten, den er sich regelmäßig ans Ohr hielt und dann irgendwas sagte, so als ob es ein Telephonapparat wäre. Aber das war gar nicht möglich, nicht in dieser Zeit, nicht für einen Menschen.

Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass dieser Mann kein Mensch war.

Er beobachtete mich. Zu dem Zeitpunkt war ich Einundhalb Jahre alt, ich wusste nicht, dass man nicht einfach zu fremden Leuten gehen sollte. Und der Mann zog mich einfach irgendwie an.

Also ging ich wie hypnotisiert auf ihn zu. Meine Mutter hatte ihre Augen geschlossen und den Kopf auf Rémis Schulter gelegt, aber er schaute besorgt zum Mann, zu dem ich gerade lief. Dann schüttelte er leicht meine Mutter, und als diese ihre Augen aufschlug und ihn fragend anschaute, nickte er zum fremden Mann.

Ich hatte meine Mutter noch nie so schnell aufspringen sehen. Sofort lief sie auf mich zu und nahm mich in den Arm, bevor sie drohend auf den Mann zeigte.

"Du!" Schrie sie mehrmals. "Du... Du... Du Idiot!"

Rémi stand auf und kam näher. "Kennst du diesen Typen?" Fragte er und legte ihr schützend einen Arm um ihre Schulter. Meine Mutter drückte mich fester an sich. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, er hat nur... nichts. Es ist nicht wichtig."

Der Mann lachte trocken auf, drehte sich um und verschwand hinter der nächsten Hausecke.

Meine Mutter zitterte. Sie drückte sich an Rémi, der nach dem Mann Ausschau hielt. Er kam nicht wieder.

Zwei Wochen später sah ich ihn nochmal. Er saß an einem Tisch im Außenbereich eines Cafés und trank einen Kaffee, diesmal trug er einen grauen Anzug und einen grauen Hut.

Meine Mutter hatte mich auf dem Arm, sie lief schnell, da wir Rémi bei seiner Arbeit abholen sollten.

Eigentlich war es nicht gern gesehen dass eine Frau alleine mit ihrem Kind irgendwo hinging, aber seit dem Krieg war es etwas anders. Frauen arbeiteten, kümmerten sich um die Sachen, worum sich die Männer eigentlich kümmerten. Frauen waren freier.

Ich zeigte mit meinem kleinen Zeigefinger auf den Mann und zerrte am Kragen meiner Mutter rum, und er drehte sich zu uns um. Diesmal hatte er keine Brille an und ich sah seine Augen.

Sie waren schwarz. Schwarz wie die Nacht, ich sah nicht wo seine Iris aufhörte und seine Pupille begann. Falls er überhaupt eine hatte. Meine Mutter schnappte nach Luft, zog sich den Hut tiefer in die Stirn und wollte weiterlaufen, doch auf einmal stand der Mann vor uns.

"Maria." Sagte er liebevoll. Meine Mutter schüttelte den Kopf. "Sprich nicht mit mir." Er schmunzelte und schaute mich an. "Wie heißt sie? Wie hast du sie gennant?" Fragte er. Ich streckte meine Hand nach ihm aus.

"Warum sollte ich dir sagen wie meine Tochter heißt, wenn du noch nie Interesse an ihr hattest? Warum jetzt?" Fauchte sie leise. Der Gesichtsausdruck vom Mann wurde traurig. "Du weißt doch dass mein Bruder mir verboten hat mit dir zu bleiben." "Aber jetzt erlaubt er es dir? Bitte, lass mich in Ruhe. Ich habe jemanden neues. Meine... Bianca hat einen Stiefvater." Sein Gesichtsausdruck hellte sich auf. Er murmelte meinen Namen immer wieder, nahm meine kleine Hand in seine riesige, von einem Handschuh überzogene Hand. "Bianca. Bianca Di Angelo. Das passt zu ihr." Murmelte er. "Als ob du irgendwas von ihr wüsstest." Fauchte Maria. Er schaute sie wieder an, ihr Gesichtsausdruck wurde weicher. "Ich habe euch beobachtet. Euch gesehen. Jeden Moment in Biancas leben mitverfolgt." "Warum hast du uns dann nie geholfen!" Schrie meine Mutter, und ein paar Leute drehten sich um, bevor sie sich wieder ihren Geschäften zuwandten. Der Mann schaute weg, ließ meine Hand los. Ich schaute meine Mutter fragend an.

"Mama?" "Wer ist das?" Fragte Ich nuschelnd und zerrte an ihrem Kleid. Sie seufzte.

"Bianca, tesorino, dieser Mann ist dein Vater."

Ihre genauen Worte verstand ich damals nicht, für mich war Rémi immer das, was man Vater nannte, aber Jahre später dachte ich oft an den Moment zurück, an dem ich meinen Vater kennenlernte.

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