Kapitel 46

,,Hallo Kathi!" Aus einem Übungszimmer kam gerade eine Gruppe jüngerer Kinder, deren Morgenstunde beendet wurde. Ein Menschenjunge, kaum kleiner als ich und mit rosigen Wangen wank mir zu. ,,Liam!" Die Gruppe zerstreute sich, einige in Richtung Garten und Archiv, manche machten sich auf den Weg zu den Trainingshallen. ,,Schön dich zu sehen. Na, hattet ihr gerade eure Stunde bei Meister Yoda?" Ich lächelte. Die Sonne schien durch die noch offene Tür des Saals auf mein Gesicht und wärmte es. Eifrig nickte er. ,,Und weißt du was? Weißt du was?" Er war ganz aufgeregt. ,,Meister Kenobi war heute zu Besuch! Und er hatte" ,,Meister Kenobi? Aber ihr seid doch noch viel zu... Oh... nein vergiss das." Für einen kurzen Moment war mir alle Farbe aus den Gesichtszügen gewichen. Denn Mel hatte erzählt, dass wenn ein Meister einen Padawan ausbilden möchte, er sich genau überlegt wer zu ihm passt. In unserem Alter war es bereits üblich, dass bei manchen Trainingsstunden Meister, die auf der Suche nach einem Schüler waren, zu Gast waren. Sie beobachteten unser Training, wie wir abschnitten und wie wir uns verhielten. Danach würden sie uns beurteilen. Danach würden sie beurteilen, ob wir es würdig wären ihre Schüler zu sein. Schon drei waren bei uns gewesen. Allerdings waren wir bis heute noch alle Jünglinge.
Liam und seine Mitschüler allerdings waren noch viel zu jung, um als Padawane ausgebildet zu werden. Sie waren vielleicht sieben oder acht. Ich hatte ihn nie spezifisch nach seinem Alter gefragt.
Er war eines Tages einfach auf mich und Gungi zugerannt gekommen und hatte gefragt, ob wir mit ihm und seinen Freunden Verstecken spielen wollten. So einfach war das. Ich half ihm bei seinen Studien, wenn er nicht mehr weiterkam, ließ mich hin und wieder zu einer Partie Fangen überreden oder fragte ihn ab, wenn er lernen musste.

Unverständlich schaute Liam mich nun an. ,,Erzähl, was wolltest du sagen?" Angesichts der Tatsache, dass ich für mein Alter immer noch sehr klein war, war die Geste des sich in die Hocke zu setzen vielleicht nicht unbedingt nützlich, aber ich fühlte mich trotzdem besser, wenn ich auf die jüngeren Kinder nicht herabschauen musste. Ich legte die Hände auf den Oberschenkeln ab und wartete gespannt bis Liam die richtigen Worte fand.

,,Also wir hatten gerade Unterricht mit Meister Yoda, ja? Und... Und dann kam Meister Kenobi rein. Und weißt du wieso?" Lächelnd zuckte ich mit den Schultern. ,,Er hat einen Planeten verloren!" Ich blinzelte. ,,Er hat einen was?" ,,Einen Planeten verloren! Und dann kam er zu uns und Meister Yoda und hat um Rat gefragt und..." ,,Moment, moment Liam, ganz ruhig. Was genau meinst du mit Planet verloren?" ,,Na ein Freund hat ihm von diesem Planeten erzählt. Aber als er ihn gesucht hat war er nicht da. Auf keiner Sternenkarte. Futsch, weg." ,,Dann muss er im Archiv suchen. Wenn man dort etwas nicht findet, dann existiert es auch nicht." ,,Da war er aber doch auch schon." Er wurde langsam quengelig. Es war ihm abzusehen, wie ungeduldig er mit mir war. ,,Aber weißt du, dann hatten wir eine Idee. Also jemand aus meiner Klasse." Neugierig schaute ich ihn an. Er wollte mich auf die Folter spannen. Ich schmunzelte und verdrehte die Augen. ,,Und welche Idee?", fragte ich nach. Zufrieden mit sich selbst antwortete er nach einer halben Minute endlich, aber nicht ohne vorher gespielt gelangweilt an die Tempelwände zu starren.
,,Der Planet wurde aus dem System gelöscht!" ,,Aus dem System gelöscht?", murmelte ich. ,,Da ist doch der absolute Wahnsinn oder? Wir haben dem Meister Obi Wan Kenobi dabei geholfen ein Problem zu lösen. Das ist so cool !" Den Ausdruck benutzte er nur in meiner Gegenwart. Er hatte gehört wie ich ihn einige Male benutzt hatte, sonst aber bei niemandem. Er meinte es sei ein "Erdenwort" und dass es jetzt offiziell unser eigener Insider wäre.  So sehr ich den Kleinen auch für seinen Enthusiasmus schätzte, er kam manchmal in den falschen Momenten zum Vorschein.
Niemand kann etwas aus dem Archiv löschen. Niemand. Selbst wenn es in allen anderen Datenbanken entfernt wird, das Archiv vergisst nie. Und falls es den Planeten wirklich nicht mehr geben sollte, würde seine ehemalige Position trotzdem markiert bleiben. Aus dem Archiv wird erst dann etwas gelöscht wenn es eine Falschinformationen ist, ein Fehler. Und selbst dann könnten nur einige wenige Jedi diesen Vorgang vornehmen.
Es war schier unmöglich.

Liam wanderte vor mir herum. Er war total aufgekratzt. ,,Liam. Hat Meister Kenobi noch irgendetwas anderes gesagt? Hast du irgendetwas gehört?" Er zuckte mit den Schultern. ,,Liam das ist wichtig, hörst du?", fragte ich und packte ihn möglichst sanft bei den Schultern. Ich wollte ihn nicht verunsichern oder gar ihm Sorgen bereiten. Aber er musste verstehen, dass die Sache mir wichtig war.

,,Er hat nichts mehr gesagt. Zumindest nichts, von dem ich weiß." Seine grünen Augen stierten mich unschuldig an. ,,Versprochen." Ich seufzte. Danach bemerkte ich erst dass ich ihn ungewollt wohl doch etwas grober angepackt hatte. ,,Danke Liam. Du hast mir wirklich sehr geholfen." Seine Blicke wichen nicht von mir ab.

,,Na komm, geh zu deinen Freunden. Die warten bestimmt schon alle auf dich. Ich alte Oma halte dich doch nur auf." Er kicherte.

Liam hatte mir schon den Rücken zugewandt, als er fragte: ,,Ist alles in Ordnung?" Ich zögerte. ,,Du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Es war die Wahrheit. Das brauchte er wirklich nicht. Er war ein Kind.

Ich blickte auf meine Oberschenkel. Kniend saß ich auf dem Tempelboden und sah dem Jungen hinterher, wie er sich hüpfend wieder seiner Gruppe anschloss, danach starrte ich zurück auf meine Hände.

Die einzige Ironie bestand darin.
Ich war doch auch noch eines.

,,Meister Kenobi. Bitte kommen. Meister Kenobi, hört ihr mich? Könnt ihr mich empfangen?"
,,Ich höre dich Kathi. Doch ich befürchtete die Verbindung wird nicht lange halten." Es knackte in der Leitung. ,,Habt ihr euren vermissten Planeten gefunden?" Ich kam direkt zum Punkt. ,,Woher..." ,,Ein Jüngling hat mir davon erzählt. Also, habt ihr ihn gefunden?" Er seufzte. ,,Ja. Ja das habe ich." Er sah müde aus. ,,Ihr wirkt besorgt, Meister. Was habt ihr dort gefunden?" Keine Antwort. Ich konnte spüren, dass etwas nicht stimmte. ,,Meister ich weiß, dass es ganz und gar nicht einfach ist, etwas aus dem Archiv zu löschen. Es sei denn es ist eine Falschinformation. Und da ihr vor wenigen Minuten wohl noch einen Fuß auf die Oberfläche dieses Planetens gesetzt habt, kann er keine Falschinformation gewesen sein." Er zog eine Augenbraue hoch. Er wusste, dass ich so nur mit ihm reden würde. Es war kein Zeichen der Respektlosigkeit. Es war ein Zeichen der Freundschaft.
,,Warum wurde dieser Planet von den Augen aller verborgen? Was befindet sich darauf, von dem niemand etwas wissen darf? Und warum wollt ihr mir nicht antworten? Ich weiß, ich bin nur ein Kind. Ein 13-jähriges Kind, das den Umgang mit einer Laserklinge erlernt. Ein 13-jähriges Kind, das als 'Wächter des Friedens' aufgezogen wird. Ein Kind." Ich war lauter geworden als ich wollte.

,,Ein Kind, das seinen Eltern entrissen wurde", fügte ich flüsternd hinzu. Seine Augen weiteten sich. Wir sollten diese Unterhaltung nicht über einen Komlink halten müssen, aber so war es nun gekommen. ,,Katharina. Das ist nicht fair. Und das weißt du." ,,Meister Kenobi, ihr wart es, der mich meiner Familie genommen hat und mir diese neue gab. Und ich bin dankbar diese Familie, dieses zu Hause zu haben, es bedeutet mir mehr als alles andere. Aber stellen wir uns den Tatsachen: Ihr habt mir dafür ein anderes Leben genommen. Ein Leben, von dem ich nicht einmal mehr weiß, wie es hätte sein können. Wir wurden auf das Loslassen trainiert. Auf das Vergessen. Und das tat ich. Ich ließ mein Leben los, meine Familie. Vergaß mein Leben. Ich tat es für den Orden. Ich gab dem Orden mein Leben. Und dafür finde ich schuldet ihr mir etwas." Durch die Verzerrung der Projektion konnte ich seine Gesichtszüge nicht gut deuten, doch ich sah, wie er die Hand vor den Mund hielt. Für Menschen, die ihn nicht kannten, sah es wohl so aus, als würde er nachdenklich über seinen Bart streichen. Aber diese Position nahm er hauptsächlich ein, wenn er niedergeschlagen war.

Ich seufzte. ,,Obi Wan", versuchte ich sanfter. ,,Ich mache mir Sorgen. Und zwar auch um euch."

,,Der Planet heißt Kamino." Knisternd drang seine Stimme zu mir durch. Sie zerschnitt die Stille. Überrascht hob ich den Kopf. ,,Die Bewohner... Sie haben eine Armee aufgestellt."
Obi Wans Worte trafen mich wie ein Hammer vor den Kopf. ,,Warum eine Armee? Wir befinden uns in Friedenszeiten!" ,,Offiziell." Seine Wort verunsicherten mich. ,,Aber... Die Republik ist wehrlos. Wir haben doch gar keine Soldaten, ausgebildet genug um in den Krieg zu ziehen. Die Kaminoaner können doch nicht einer wehrlosen Zivilisation einfach so den Krieg erklären!" ,,Das tun sie auch nicht. Es ist nicht ihre Armee. Sondern die der Republik."

Eine Armee der Republik. Eine Armee? Wofür brauchen wir in Friedenszeiten eine Armee? ,,Meister, was hat das zu bedeuten? Wieso entwickelt ein fremder Planet eine Armee für eine Gesellschaft von der sie kein Teil ist?" ,,Ich weiß es nicht. Aber es sind böse Mächte im Spiel, die nichts Gutes verheißen."

,,Meister? Denkt ihr, dass es zu einem Krieg kommen wird?" ,,Ich weiß es nicht Katharina. Ich weiß es nicht."

Es passierte nicht selten, dass ein Erwachsener die Antworten auf meine Fragen nicht kannte. Aber dies war das erste Mal, in dem es mir Angst machte. Es macht einem Angst, wenn niemand Antworten hat. Wenn nicht nur man selbst, sondern auch alle anderen im Dunkeln tappen.

Aber sollte ich Angst vor einem womöglichen Krieg haben? Ja. Vermutlich.
Aber habe ich die letzten Jahre meines Lebens nicht für einen Kampf trainiert? Mit Waffen gelernt? Mit Schlachtsimulationen geübt? Ebenfalls, ja.

Das einzige was mir in diesem Moment Angst machte, war die Frage "ob", und die Tatsache, dass mir keiner eine Antwort auf meine Frage geben konnte.




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