Ein Held 🍲
Mein Beitrag zu meiner eigenen Kurzgeschichten-Challenge auf WPTAKEOVERS XD
THEMA: Held
_____________________________
Zufrieden setze ich mich mit meiner leckeren Nudelpfanne auf den Balkon und lasse es mir schmecken. Ich bin so froh, keine rauchenden Nachbarn mehr zu haben! Zumindest ist mir in den paar Monaten in der neuen Wohnung noch keiner aufgefallen, dessen Rauch bis zu mir ziehen würde. Endlich kann ich zu jeder Tageszeit die frische Luft draußen genießen.
Was mir jedoch aufgefallen ist - auf dem Balkon des Nachnarn direkt nebenan steht schon wieder ein Becher Fertignudeln, die billigste Sorte. Letztens haben sich die Becher dort gestapelt, aber anscheinend hat er den Müll weggeräumt und fängt nun einen neuen Stapel an.
Isst der denn echt nichts anderes? Das ist doch keine gesunde Mahlzeit!
Naja, kann mir eigentlich egal sein, muss er selbst wissen, was er isst.
Als er jedoch geraume Zeit später, als ich bereits fertig mit essen bin und noch ein wenig auf meinem weich gepolsterten Balkonstuhl entspanne, aus seiner Wohnung tritt und sich einen Becher Ramen reinpfeift, besorgt mich sein Anblick. Er wirkt geschafft, die Haare glanzlos und struppig und unter den müden Augen dunkle Schatten. Das dreckige schwarze Shirt hatte er schon die ganze Woche an.
Was auch immer bei ihm los ist - ich möchte nicht mit ihm tauschen müssen.
Kaum ist er fertig, stellt er den leeren Becher in den bereits vorhandenen aufs Fensterbrett. Die Stäbchen steckt er den Bund seiner Jogginghose. Er tritt an die Brüstung, stützt sich dort ab und seufzt leise, beinah lautlos. Zwei Sekunden schaut er in die Ferne, dann dreht er sich um und zuckt erschrocken zusammen, als er bemerkt, dass ich rüberschaue.
"Ähm, hi", sage ich, er verbeugt sich knapp und verzieht sich verschüchtert nach drinnen.
Vielleicht hat er keine Zeit und keinen Nerv, sich etwas Ordentliches zu kochen. Wenn ich ihm im Treppenhaus begegne, was selten vorkommt, ist er auch immer knapp angebunden und wirkt eher introvertiert und zurückhaltend. Zumindest sind seine Haare gekämmt, wenn er vor die Tür geht.
Ich frage mich, womit er wohl fertigwerden muss. Welche Sorgen er hat. Es geht mich nichts an, nur... ist er jemand, der andere nach Hilfe fragt, wenn er sie braucht, oder kämpft er allein mit allem?
Mama meinte immer, ich solle nicht immer an andere denken, sondern auch mal an mich selbst. Aber wenn es mich buchstäblich nichts kostet, etwas Gutes für jemanden zu tun, warum sollte ich es lassen?
Ich wollte morgen eh Eintopf machen, da kann ich immer zwei oder gar drei Tage von essen, also könnte ich ihm einfach eine Portion abgeben... muss mir nur überlegen, wie.
_____________________________
Es regnet, während ich koche.
Schade. Bei Regen habe ich meinen Nachbarn noch nie draußen essen sehen. Ansonsten hätte ich ihm den Eintopf einfach rübergereicht. Aber hätte gut sein können, dass er dann ablehnt, wenn er bereits Nudeln in der Hand hat.
Ich schnappe mir einen Stift und denke nach, was ich ihm schreiben möchte, während der Eintopf köchelt. Ich denke sehr lange nach, denn ich möchte weder, dass er mich für aufdringlich noch für bescheuert hält oder so.
Eine Stunde später stelle ich ihm eine Tupperschüssel vor die Tür. Han Hyunuk heißt er. Ich klingele kurz, eh ich hinter der Ecke zum Treppenaufgang verschwinde. Dass ich ihn für zu schüchtern halte, mit mir zu reden, ist nur eine Ausrede - es ist mir nämlich irgendwie peinlich, sowas zu machen. Was mag er nur von mir halten nach so einer Aktion?
Mit verwirrtem Blick und wirrem Haar und demselben Shirt wie gestern öffnet er die Tür. Er will sie wieder zumachen und ich fast auf ihn zustürzen, da entdeckt er die Schüssel und den Brief auf seiner Fußmatte. Naja, es ist eher ein Zettel. Han Hyunuk bückt sich danach, verzieht verwundert die Lippen, als er merkt, dass die Schüssel warm ist, und faltet das Briefchen auf.
Die Reaktion, die von ihm kommt, hätte ich am wenigsten erwartet. Während des Lesens fangen seine Hände leicht an zu zittern und sein Gesicht verzieht sich, als würde er gleich anfangen zu weinen.
Dann schleicht sich tatsächlich eine Träne seine Wange hinab. Er kümmert sich nicht darum, sie wegzuwischen. Verblüfft, als könne er es gar nicht fassen, sieht er sich um und ich ziehe den Kopf schnell um die Ecke. Leise schniefend tritt er wieder nach drinnen und drückt die Tür zu.
Ich weiß gar nicht, warum mein Herz so rast.
_____________________________
Es klingelt.
Für einen kurzen Moment denke ich, es könnte mein Nachbar sein. Wer sonst sollte heut kurz nach der Mittagszeit bei mir aufkreuzen?
Aber ich fänd es auch unwahrscheinlich, wenn Han Hyunuk jetzt vor der Tür stünde. Vielleicht hat er nur die Schüssel zurückgegeben.
Als ich die Tür öffne, finde ich tatsächlich die Schüssel auf der Fußmatte. Sie ist leer. Lächelnd hebe ich sie auf und erstarre, als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme.
Es ist Han Hyunuk, er hat sich einen sauberen Pullover übergezogen und seine Haare etwas gebändigt.
"Ähm... äh... hi... ich... ich wollte dir erst auch was schreiben, aber ich wusste nicht genau was, und... ich wollte nur...", stammelt er und knetet nervös seine Finger.
Meine Erwiderung ist ein Nicken, da ich gerade sprachlos bin. Er steht tatsächlich vor mir und redet mit mir!
"Danke", sagt er schließlich. Es ist nur dieses kleine Wort, doch es ist ehrlich und voller aufrichtiger Dankbarkeit. Als wäre ich sein Held oder so.
"Kein Problem, gerne!", antworte ich schnell. "Ähm... magst du einen Nachschlag... oder so? Ich hab noch ganz viel da", biete ich ihm an und schaue ihm abwartend in die Augen. Sie sind sehr warm und wirken nicht ganz so kraftlos wie sonst. Ich meine, einen klitzekleinen Schimmer in ihnen aufleuchten zu sehen, als er unsicher anfängt zu nicken und sich unmerklich näherlehnt.
"Komm rein", lade ich ihn ein. "Du bist jederzeit willkommen."
In dem Moment ahne ich noch nicht, dass ich ihn künftig jeden Tag bei mir haben werde und nicht mehr missen möchte.
♡
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top