Blue Lagoon 🍹
Ich leere das dritte Glas, da ich nicht weiß, was ich sonst machen soll, seit Isaac, der mich hierher geschleppt hat, mit seiner neuen Bekanntschaft abgedüst ist. Weil ich sonst nie in Bars gehe, amüsiere ich mich nicht sehr prächtig, aber zum nach Hause gehen scheint es mir zu früh zu sein.
Bevor ich ein weiteres Glas Schnaps bestellen und mich hier durch die ganze Karte saufen kann, spricht mich ein kleiner Typ an. "Hallo!", sagt er laut und fröhlich. Ohne dass ich seine nette Begrüßung erwidern kann, stellt er eine interessante Frage: "Wollen wir miteinander schlafen?"
'Klar, wieso nicht?', meint mein vom Alkohol leicht benebeltes Gehirn. Aber ein Schritt nach dem anderen... "Wollen wir erstmal küssen?", schlage ich vor.
Begeistert nickt er. Bei genauerer Betrachtung ist er gar nicht so klein, er wirkt nur so, weil ich auf dem hohen Barhocker sitze. Sobald ich runterrutsche, sind wir fast auf Augenhöhe. Ich greife sanft in seinen Nacken und betrachte einen Augenblick seine schönen Lippen, ehe ich meine darauf drücke. Sie sind wunderbar weich und schmiegen sich perfekt an meine eigenen, während wir sie gegeneinander in harmonischem Einklang bewegen.
Ich hätte nicht erwartet, dass mir hier sowas passiert. Vielleicht sollte ich öfter in Bars gehen? Oder den Kerl sogar mit nach Hause nehmen? Doch nach dem Kuss fallen mir seine Augen auf. Sein Blick ist unruhig und er scheint nicht mehr ganz beisammen zu sein.
"Wie heißt du?"
"Inho."
"Ich bin Hyunuk."
"Ich weiß." Selig lächelt er.
"Oh? Woher denn?"
"Ich kenn dich von der Uni... ich finde dich schon lange ganz toll!", erzählt er freudestrahlend. Wäre er bei klarem Verstand, würde er mir das sicher nicht so offen sagen.
"Und wieso sagst du mir das ausgerechnet jetzt?"
"Ich weiß nicht... ich trau mich einfach und die anderen haben auch gesagt, dass ich das machen soll." Das klingt nicht gut. "War eine gute Idee, oder? Du hast mich ja sogar geküsst..."
"Klar, du bist ja auch süß."
Wie ein kleines Kind, das gerade Schokolade bekommt, freut er sich über das Kompliment und dreht sich verlegen hin und her.
"Komm mit, Inho."
"Schläfst du jetzt mit mir?"
"Nicht hier... komm einfach mit."
Ich nehme ihn an die Hand und führe ihn zu den Toiletten, wo das Licht besser ist. Erwartungsvoll schaut er zwischen mir und einer der Kabinen hin und her. Nein, ich werde jetzt keinen Sex auf dem Klo mit ihm haben, und auch sonst nie. Öffentliche Toiletten sind eklig.
Unter der Neonröhre am Spiegel über dem Waschbecken sehe ich ihm tief in die Augen. Sie sind so dunkel, dass man die Pupillen kaum sieht, doch ich betrachte ihn eingehend und stelle fest, dass die Pupillen nur stecknadelkopfgroß sind. Ich zücke mein Handy und leuchte ihm mit der Taschenlampe hinein. Irritiert blinzelt er, doch die Pupillen verändern sich nicht, auch nicht nachdem ich das grelle Licht wieder ausmache. Das ist nicht normal.
"Was hast du genommen, Inho?"
"Genommen?", fragt er ahnungslos und strahlt mich weiterhin an. Wenn er selber nicht weiß, ob er Drogen genommen hat, muss ihm jemand anderes welche verabreicht haben.
"Was hast du denn getrunken?"
"Ääääähm... eine Cola... und drei Kurze... und so einen Drink, der war ganz blau und hat auf der Zunge gekribbelt und war so komisch bitter...", zählt er auf. Blau und bitter klingt nicht gut, denn der einzige intensiv blaue Cocktail namens Blue Lagoon, den ich auf der Karte gesehen habe, müsste quietschsüß sein. Nun, da ich Inhos Stimme dank fehlender Hintergrundmusik besser höre, merke ich auch, dass er sehr undeutlich spricht.
"Mit wem bist du hier?"
"Mit Leuten von der Uni..."
"Lass uns gehen."
"Aber wir wollten doch-", fängt er an zu protestieren und streckt die Hände nach mir aus. Er setzt einen Blick auf, der wohl verführerisch wäre, wenn er einen klaren Kopf hätte.
"Wir gehen zu mir nach Hause, okay?"
"Gefalle ich dir denn so sehr, dass du mich gleich mitnehmen willst?", kichert er.
"Ja... du gefällst mir", antworte ich. Das entspricht sogar der Wahrheit. "Also kommst du mit?"
Strahlend nickt er und lässt sich an der Hand aus dem Sanitärbereich führen. Es macht mir ein bisschen Angst, wie er mir bedingungslos folgt. Am besten stecke ich ihn gleich ins Bett und lasse ihn von dem Stoff runterkommen, der ihm eingeflößt wurde. In dem Zustand wäre es sehr gefährlich, ihn sich selbst zu überlassen.
"Ich muss noch meine Sachen holen."
Ich begleite ihn zu einem Tisch, an dem ein Haufen nervig aussehender junger Menschen sitzt.
"Heyyy", ruft Inho und schnappt sich seine Jacke, "ich geh jetzt mit ihm nach Hause!"
"Lol, was bist du denn für ein Arschloch?", fragt ein blondes Mädel, das so stark geschminkt ist, dass man ihr Gesicht für eine Maske vom Theater halten könnte. Hat sie echt gerade Lol gesagt?
"Weiß doch jeder, dass man niemanden in so einem Zustand ausnutzt", fügt sie scheinheilig hinzu. In mir keimt das starke Bedürfnis auf, ihr meinen Stinkefinger zu zeigen, obwohl das überhaupt nicht meine Art ist. Stattdessen werde ich gleich handgreiflich und packe sie am Kragen ihres Oberteils, das so knapp sitzt, dass ich sie ungewollt fast entkleide. Gut angezogen ist was anderes. Ängstlich schaut sie zu mir hoch.
"Ihr seid also diejenigen, die ihm das Zeug eingeflößt haben? Interessant." So hinterlistig, wie ich lächle, bekommt sie gleich noch viel mehr Angst, genau wie die restlichen Leute am Tisch auch. Nur Inho bekommt von allem nichts mit und lächelt vor sich hin.
"Haltet euch fern von ihm", knurre ich mit tiefer, bedrohlicher Stimme. Dann lasse ich sie los, sodass sie mit verstörtem Gesichtsausdruck zurück auf ihren Stuhl plumpst. Die anderen würdige ich keines Blickes. Ich schnappe mir Inhos Hand und ziehe ihn weg von denen. Die sind ein ganz schlechter Umgang für ihn.
"Sind das deine Freunde?", frage ich ihn, sobald wir aus der Bar raus sind.
"Weiß ich noch nicht. Ein paar kenne ich von der Uni, aber ich bin heut das erste Mal mit ihnen ausgegangen, als sie mich eingeladen haben."
"Versprich mir, dass du ihnen aus dem Weg gehst. Die sind nicht gut für dich."
"Na wenn du das sagst, wird das wohl stimmen. Ich verspreche es dir!" Mir wird schlecht dabei, wie einfach er sich dieses Versprechen abnehmen lässt. Wer weiß, was alles hätte passieren können, wenn er in dem Zustand an die falschen Leute geraten wäre... wobei er ja schon davor mit den falschen Personen unterwegs war. Hoffentlich erinnert er sich morgen daran, dass er es versprochen hat.
In der Bahn lehnt er sich an mich und schläft fast ein. Er sieht wirklich süß aus.
Inho kann kaum noch die Augen offen halten, bis wir es zu mir nach Hause schaffen. Ich ziehe ihm die Hose aus und bugsiere ihn ins Bett. Zähne putzen lasse ich ausfallen, auch wenn ich das morgen sicher bereuen werde. Kaum liege ich neben ihm, kommt er angerobbt. "Du wolltest doch mit mir schlafen", nuschelt er.
"Wir sind beide müde... also kuscheln wir, okay? Miteinander schlafen können wir auch morgen noch", rede ich mich heraus.
"Aber..." Tief gähnt er. Bevor er noch etwas sagen kann, nehme ich ihn fest in den Arm.
"Schlaf gut, Inho."
"Du auch, Hyunuk."
Er schmiegt sich eng an mich, wodurch ich seinen Ständer an meinem Oberschenkel fühlen kann. Gut, dass er meinem Schritt fern bleibt und nicht merkt, dass ich auch einen habe, sonst würde er womöglich versuchen mich wirklich noch zu verführen.
Nachts wache ich auf, weil sich neben mir etwas bewegt. Im Normalfall liege ich allein im Bett, weshalb ich mich verwirrt umdrehe und mir einfällt, dass ich Inho mit nach Hause genommen habe. Im halbdunklen Zimmer sehe ich eine Träne seine Wange hinabrollen.
"Was ist los, Inho?"
"Mir ist kalt und alles tut so weh..."
Ich rücke näher ran und nehme ihn in den Arm. Sein Shirt ist komplett durchgeschwitzt. "Warte kurz."
Kurzerhand stehe ich auf und hole ihm ein neues Shirt. Er zittert, als ich ihn umziehe.
"Brauchst du noch was? Was zu trinken?"
Zunächst schüttelt er den Kopf, geht dann aber in ein Nicken über. Ich hole ihm schnell ein Glas Wasser, das er komplett austrinkt. Dann kuschele ich mich an ihn, um ihm Körperwärme abzugeben.
"Danke... du bist schön warm", flüstert er. Ich brumme nur zustimmend und schlafe bald wieder ein.
Später ist es bereits hell, als ich aufwache. Inho liegt halb auf mir und schaut mich an, sobald ich mich rege. Er sieht ziemlich fertig aus.
"Wie geht es dir?", erkundige ich mich.
"Beschissen." Wenigstens ist er ehrlich. "Mir tut alles weh, der Kopf, der Rücken, der Magen..." Seine Mundwinkel zucken nach oben. "Aber es ist schon ein Erlebnis, verkatert neben seinem Schwarm aufzuwachen."
"Erinnerst du dich an alles?", frage ich ihn amüsiert.
"An vieles... Gott, was ich dir alles erzählt habe... Was haben die mir nur ins Getränk getan?"
"Ich hab nicht nachgefragt, aber ich hoffe, du passt in Zukunft besser auf dein Glas auf und freundest dich nicht mit denen an."
"Garantiert nicht. Hab ich dir ja auch versprochen."
"Gut", freue ich mich. "Aber mit mir?"
"Hä? Nee? Ich will mich nicht mit dir anfreunden!"
Perplex schaue ich ihn an. Ich fühle mich gerade sehr vor den Kopf gestoßen.
"Ich will mit dir flirten", erklärt er, "aber ich muss erstmal wieder fit werden."
Schmunzelnd sehe ich ihn an. "Sonderlich anstrengen musst du dich aber nicht... ich finde dich ja schon toll."
Überrascht weiten sich Inhos Augen. "Wirklich?"
"Hab ich dir nicht gestern schon gesagt, dass du mir gefällst und ich dich süß finde?", frage ich grinsend.
"Mhh... kann sein, dass ich mich daran sogar erinnere, aber für voll genommen habe ich das nicht."
"Erinnerst du dich auch an die Küsse?"
Er runzelt die Stirn, während er angestrengt überlegt. "Hatten wir denn mehrere?"
Ich lehne mich rüber und küsse ihn zärtlich. "Jetzt schon."
Schüchtern lächelt er und senkt den Blick. Um ihn noch mehr in Verlegenheit zu bringen, sage ich zwinkernd: "Und mit dem Sex warten wir, bis du fit bist."
Er rollt die Augen und schlägt die Hände vors Gesicht. "Das war so peinlich gestern! Wenn du mich nicht bis eben noch umarmt hättest, wäre ich sicher schon heimlich abgehauen, weil ich mich so sehr schäme!"
"Ich fand es niedlich. Du musst dir keine Sorgen deswegen machen. Ich freue mich, dass du noch da bist. Und außerdem bin ich sehr froh, dass du bei mir gelandet bist und nicht bei jemandem, der dich ausgenutzt hätte... das hätte echt schlimm enden können."
Inho schenkt mir ein dankbares Lächeln. "Das finde ich echt toll von dir. Dass du meinen Zustand nicht ausgenutzt hast und mir sogar geholfen hast, meine ich." Nachdenklich sieht er mir direkt in die Augen. "Wenn ich in Zukunft ausgehe, bist du dann auch an meiner Seite?"
"Nicht nur, wenn du ausgehst. Ich kann gern auch einfach so an deiner Seite sein, wenn du das möchtest."
Erfreut rückt er näher. "Ja, möchte ich."
"Aber ausgehen können wir auch gern."
"Allein? Also nur wir beide? Auf ein Date?"
"Ja."
Sanft streichle ich ihm über die Wange. Es war also doch eine gute Entscheidung, gestern in diese Bar zu gehen.
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