Award der Musik 🎹

Mein OS für den Award der Musik von oO0Bella0Oo 🥰

Und Happy Hyunuk Day (er hat aber erst am 26.09. XD)

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Da ist sie wieder. Ganz leise, diese leicht melancholische Melodie, die jemand in die Klaviertasten hinter der Tür zum Musikraum schlägt. Wobei schlagen nicht das passende Wort dafür ist, so sacht, wie die Person die Töne erklingen lässt.

Dieser Jemand steckt wirklich viel Mühe ins Üben. Dieselben Passagen werden stetig wiederholt, zuerst langsam und vorsichtig, doch mit jedem Tag wird es flüssiger und harmonischer. Ich weiß noch, wie holprig die Töne vor einigen Wochen waren, doch mittlerweile erwacht das Lied zum Leben und ich kriege es nicht mehr aus dem Kopf.

Anfangs habe ich es noch nicht bewusst wahrgenommen, doch inzwischen lässt es mich nicht mehr los. Im Unterricht ertappe ich mich allzu oft dabei, wie die Melodie durch meine Ohren rauscht statt dass ich dem Lehrer zuhöre. In den Pausen gehe ich weitaus öfter am Musikzimmer vorbei, als ich müsste. Sogar Umwege und völlig unnötige Strecken plane ich dafür ein. Meine Schrittzählapp freut es.

Wie oft ich umsonst in der Nische saß, hinter der Tür, die nur eine Lehrkraft öffnen kann, habe ich nicht mitgezählt. Einmal habe ich am Knauf gedreht, ganz vorsichtig, aber die Person hat es mitbekommen und aufgehört zu spielen, deswegen mache ich das nicht mehr.

Inzwischen weiß ich, dass die Person fast nur dienstags und donnerstags spielt, wenn die Schule nach der wirklich allerletzten Stunde der Oberstufe wie ausgestorben wirkt. Aber nicht jeden Dienstag. Auch heute macht sich Enttäuschung in mir breit, als ich nach Schulschluss die Treppe zum Musikzimmer hinaufstürme, leise natürlich.

Es ist nichts zu hören. Ich bin schon drauf und dran innerlich zu seufzen und mich einfach in die Ecke zu werfen. Ist ja egal, ob ich hier oder draußen an der Haltestelle auf den letzten Bus warte. Doch die Tür sieht heut anders aus als sonst. Der Winkel stimmt irgendwie nicht, und so gut, wie ich diese eine Tür kenne, kann ich das genau beurteilen.

Sie ist nur angelehnt.

Es geht hier im Prinzip um nichts. Und doch pocht mein Herz so laut in meinen Ohren und meine Hand zittert ein wenig, als ich sie um den Knauf lege. Mir ist fast ein bisschen schlecht. Ganz langsam und vorsichtig öffne ich die Tür und stecke nur den Kopf hindurch zum spähen.

Der Raum ist leer.

Die Stühle sind hochgeräumt auf den Tischen, damit die Reinigungskräfte drunter durchwischen können, die Tafel ist zugeklappt, und das Klavier-

Der Deckel über den Tasten ist noch geöffnet und auf dem Notenfach sind Zettel. Hier war vor kurzem noch jemand und ist noch nicht fertig.

Hinter mir höre ich Schritte und lasse vor Schreck die Tür los. Zum Glück fällt sie nicht so einfach zu, doch das Klacken von diesem Dings, das sich löst, wenn man innen die Klinke runterdrückt, wirkt unnatürlich laut im fast leeren Gang.

Die Schritte verstummen und ich drehe mich gerade noch rechtzeitig, bevor der soeben noch schocksteif erstarrte Schüler sich hastig in Bewegung setzt und wegrennt, regelrecht sprintet, die große Treppe nach unten. Ich hab ihn kaum eine halbe Sekunde gesehen, doch die weit aufgerissenen Augen werde ich so schnell nicht vergessen. Die waren so dunkel, aber ich wette im Sonnenlicht sind die wunderschön. Außerdem hat er zwei unterschiedliche Augenlider, eins mit Lidfalte und eins ohne. Das ist irgendwie cool!

Einen Moment zu spät fällt ein ein, wozu Beine zu gebrauchen sind und renne hinterher. "Warte! Bitte! Bist du der, der hier immer spielt?" Das war vielleicht dumm zu fragen. Wenn er sich so vor mir erschreckt, beziehungsweise davor, dass ihm jemand zuhört, sollte ich nicht so mit der Tür ins Haus fallen. Wortwitz nicht beabsichtigt.

Blöderweise hole ich ihn nicht ein und höre ihn auch nicht mehr. Die Schule ist gespenstisch still. Da mein Rucksack noch oben rumliegt, mache ich kehrt. Die Tür ist auch noch offen. Sollte ich die schließen? Es gibt immer Ärger, wenn man die nicht zumacht, wegen der wertvollen Instrumente im Orchesterlager, das man durch die Nebentür hinterm Klavier erreicht. Zudem ist selbiges noch nicht ordentlich hinterlassen.

Die Sachen des Schülers sehe ich hier aber nirgends, also muss er vielleicht eh nicht mehr in den Raum. Daher räume ich auf - Notenfach hochklappen und Tastendeckel runter, die Noten oben aufs Klavier legen.

"Vois sur ton chemin" steht in der Kopfzeile, was ich nicht aussprechen kann, aber ich notiere es mir für später. Es ist bestimmt DAS Lied, ich bin mir zu 1000 Prozent sicher. Naja, zu 99,8 vielleicht. Ich bin kein Ass im Noten lesen und kann nicht exakt sagen, wie das klingen müsste, was auf diesem Notenblatt steht. Aber ich kann auf Youtube oder so nachschauen.

Und es IST DAS Lied! Abends im Bett weine ich fast, weil ich so viele Passagen daraus wiedererkenne. Es ist wunderschön, aber nicht ganz so wunderschön, wie wenn er es spielt. Da fehlt irgendwie... seine Handschrift darin, wenn man das so nennen kann. Und sein Herz.

Spätestens jetzt wird mir bewusst, dass es mir nicht mehr reicht, ihm nur zuzuhören. Ich will ihn unbedingt kennenlernen.

Leider gestaltet sich das schwierig, da er nicht mehr spielt, weder am Donnerstag noch den folgenden Dienstag. Auch sonst sehe ich ihn nirgends, obwohl ich eigentlich meinen würde, sein Gesicht wiedererkennen zu können. Nun bin ich wieder in der Phase des viel zu oft Herumschleichens, die ich eigentlich hinter mir hatte.

Das ist purer Frust.

Mir das Lied auf dem Handy anzuhören ist kein Ersatz. Nicht für all die Mühe, die er ins Üben steckt. Nicht für das Gefühl, ihm, wenn auch mit einer geschlossenen Tür dazwischen, live zuhören zu können. Auch wenn diesbezüglich das Gewissen an mir nagt - denn es war nicht okay für ihn. Wenn ihn das so sehr schockt, dass er jetzt gar nicht mehr spielt...

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Erst recht nicht, nachdem ich sein Gesicht kenne und es die ganze Zeit vor Augen habe, jedes Mal, wenn ich das Lied höre oder nur daran denke. Es hat sogar eigentlich einen Text und selbst der, obwohl ich die instrumentale Version viel besser kenne, steckt inzwischen in meinem Ohr fest.

Sich bei dem anderen Schüler fürs Lauschen entschuldigen wäre wohl das Mindeste. Irgendwann wird er schon ins Musikzimmer zurückkehren, oder? Ich gehe rein aus Gewohnheit zehnmal am Tag daran vorbei und tatsächlich höre ich Freitagnachmittag ganz leise vertraute Töne.

Mein Herz schlägt sofort höher. Direkt danach könnte ich mir in den Arsch beißen. Ausgerechnet heute! Heut fahren wir zu Omis Geburtstag und ich muss wirklich dringend den nächsten Bus schaffen. Ich debattiere nur einen Wimpernschlag lang mit mir selbst. Fix entschuldigen, dann zum Bus rennen, lautet der Plan. Meine Familie kann ich nicht versetzen, aber ich kann auch meine Gefühle nicht im Stich lassen.

Daher reiße ich nach kurzem Klopfen am Knauf und mache damit die Tür auf - die offen ist???

Der Schüler hört augenblicklich auf und sieht mich an. Er wirkt überraschend gefasst. Ich verbeuge mich und entschuldige mich in aller Förmlichkeit: "Verzeih bitte das unerwünschte Lauschen! Ich finde es wirklich schön, dir zuzuhören und würde dir gern irgendwann nochmal zuhören dürfen, falls das okay wäre für dich, und jetzt muss ich leider dringend los, aber ich fänd es wirklich wunderschön!"

Er starrt auf seine Noten und beißt sich nachdenklich auf seine gleichmäßigen Lippen. Dann nickt er und richtet seinen Blick langsam wieder auf mich.

Oh. Mein. Gott.

Ich darf!!!

Ich fasse es ja nicht. Ich bin ein bisschen zu geschockt mich zu rühren. Dann fällt mir siedend heiß Oma ein, ich stolpere mit einer weiteren Verbeugung und einem hastigen "Tut mir leid, bis nächste Woche!" aus der Tür und erhasche tatsächlich noch, wie in seinem Gesicht ein kleines, amüsiertes Lächeln aufblüht.

Ist ja der Wahnsinn!

Mein Herz rast bereits, bevor ich losrenne. Gerade so schaffe ich meinen Bus. Beim Geburtstag ermahnen mich meine Eltern mehrmals, ich solle nicht so dubios vor mich hingrinsen, wenn ich nicht sagen will, was los ist. Aber in Worte fassen kann ich das vor ihnen nicht.

Ich freu mich schon so auf die folgende Woche, und rein aus Gewohnheit, und sicherheitshalber - man weiß ja nie - gehe ich natürlich täglich zigmal am Musikzimmer vorbei.

Jedoch höre ich nichts. Wie schade. Ist er nicht da? Die Tür ist angelehnt, so wie am Freitag und wie auch gestern. Also öffne ich sie.

Da steht er am Fenster, dreht sich langsam um, und sobald er mich sieht, fängt er an zu lächeln. "Hi!" Seine Stimme ist ruhig und tief, doch die Art, wie er einfach nur dieses eine Wort sagt, klingt so unfassbar sanft.

"Du bist wunderschön!", platzt es aus mir raus, wovon er augenblicklich rot anläuft. "Äh, ich meine, wenn du am Klavier sitzt. Und wie du spielst. Ähm. Genau." Er nickt nur hochpeinlich und schaut weg.

"Ich hab gehofft, dass du kommst", erklärt er dem Fenster.

Er hat auf mich gewartet???

Seine roten Wangen und dieser nachdenkliche Blick, dazu weiche, fransige Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fallen. Er ist wirklich wunderschön. Als ich das denke, fangen meine Wangen auch an zu glühen. Er wischt sich seine Hände an der Hose ab, räuspert sich, verheddert sich beim Sprechen - aber was er mir sagen möchte, kommt trotzdem bei mir an und sorgt dafür, dass mein Herz höher schlägt. Nichts lieber als ihm zuzuhören! Genau jetzt!

Also sage ich sofort ja.

Zurück am Klavier ordnet er seine Notenzettel ein wenig. Nachdem er mir noch einen nervösen Blick zuwirft und seine Augen auf die Klaviertasten senkt, klinke ich die Tür hinter mir ein und setze mich auf eine der Tischplatten, damit ich nicht so wie bestellt und nicht abgeholt rumstehe.

Nun spielt er nur für mich. Ich könnt hier stundenlang sitzen und ihm zusehen. Ich hab mich so in dieses Lied verliebt! Genau. In das Lied. Je länger ich ihn ansehe, regelrecht anstarre, vielleicht nicht nur in das Lied...

Für diesen Gedanken gebe ich mir eine innerliche Backpfeife. Ich kenne ihn ja kaum und es war ihm so schon unangenehm genug. Um durchzuatmen schaue ich weg, dabei wandert mein Blick an der Uhr über der Orchestertür vorbei, ein Stück weiter, dann hastig zurück.

"Scheiße!", springe ich vom Tisch auf. Mein Klavierspieler erschrickt - "meiner"?? - aber längst nicht so sehr wie ich als mir die Zeit klarwird. So spät schoooon???

"Ich muss den Bus schaffen! Tut mir leid! Und vielen Dank fürs Spielen!", erkläre ich im Eiltempo.

"Ah", nickt er, doch bevor er noch was sagen kann, entschuldige ich mich nochmal: "Sorry für letztens. Ich hatte schon Angst, du spielst gar nicht mehr."

"Ah, doch. Ich meine... das war nicht deine Schuld, ich war nur erkältet und nicht in der Schule. Wir haben zuhause kein Klavier, deswegen wollte ich unbedingt wieder üben, und es ist auch okay, wenn du zuhörst. Ich war nur... überrascht, das ist alles."

Puuuh, dann war er tatsächlich nicht meinetwegen nicht mehr am Klavier? Ich weiß nicht, ob ich jetzt erleichtert sein soll. Und ich muss dringend los. "Du machst das toll. Dann... bis zum nächsten Mal?"

"Ja." Er nickt nochmal und ich bin schon drauf und dran, loszustürzen.

"Hey, äh... wie heißt du eigentlich?" Wie ultra-unhöflich bin ich eigentlich, dass ich ihn nie nach seinem Namen gefragt habe? In meinem Kopf war er immer nur mein, äh, der Klavierspieler.

"Hyunuk", stellt er sich mir vor. "Han Hyunuk aus der 9b."

"Cool! Ich bin Hwang Inho! 10a. Also dann!" Nun renne - rase - ich glücklich grinsend zum Bus. Hyunuk also. Jetzt geht mir nicht mehr nur das Lied aus dem Kopf. Sondern auch er.

Natürlich bin ich einen Nachmittag später wieder vor Ort.

Und er spielt wieder. Die Tür ist nur angelehnt - das wird langsam zur Gewohnheit und ist, als ob er mich regelrecht einladen würde - also mache ich sie vorsichtig auf und spähe in den Raum. Dort sitzt er, am Klavier und spielt ganz versunken dieses Lied. Als er sich verspielt, seufzt er und hält inne, dann blickt er auf und erschrickt leicht, als er mich bemerkt.

"Ähm. Hallo Hyunuk", begrüße ich ihn. Seine Antwort ist ein Nicken, er scheint wieder etwas nervös zu sein. Er winkt mich zu sich rüber. "Hi Inho... Willst du dich setzen?"

Ich stutze einen Moment. Auf der Klavierbank ist nicht viel Platz, aber Hyunuk rutscht ein Mü rüber und klopft mit der flachen Hand neben sich. Oh Gott. Jaa!! Ich quetsche mich neben ihn. Mein Herz stolpert, weil sich unsere Knie berühren. Wenn ich mir das nicht nur einbilde, dass es ihm auch so geht...

Meine Hände stecke ich zwischen die Oberschenkel und wartet aufgeregt, dass es losgeht, er legt seine sacht auf den Tasten ab. Dann fängt er an zu spielen. Es klingt so gut! Ich will nie wieder nur von draußen zuhören.

Das wird mein neuer Lieblingsmoment - nebeneinander am Klavier auf dieser schmalen, länglichen Bank, auf der wir gerade so Platz haben, aber mir gefällt's. Ich trau mich kaum ihn anzusehen, weil mir das Herz bis zum Hals schlägt. Er kommt ins Stocken. "Entschuldige. Ich bin etwas nervös."

"Nicht schlimm", versichere ich ihm und verliere mich in seinem Gesicht. Es ist umso liebenswerter und je öfter er vorn anfängt, desto öfter kann ich ihm zuhören und ihn umso länger ansehen.

"Ich wollte dich eigentlich letztens schon fragen, aber da war ich auch zu nervös", meint er mit Blick auf die Noten.

Das ist so süß! Aber ich steh grad auf dem Schlauch. Sein Gesicht ist so nah. Er hat ein schönes Profil. Grübchen wie mein Bestie hat er nicht, aber einen ganz kleinen Leberfleck mitten auf der Wange und eine schöne große Nase, die gut in sein Gesicht passt. "Was fragen?"

Nun läuft er rot an - meine Güte, kann man noch bezaubernder werden?? - und sagt: "Ob du neben mir sitzen möchtest."

In diesem Augenblick setzt mein Herz aus und mein Hirn verabschiedet sich. Alle Gedanken sind weg und rasen gleichzeitig durch meinen Kopf, meine Worte verschwinden und überschlagen sich und das nächste, woran ich mich konkret erinnern kann, ist seine Hand, nicht mehr auf den Tasten, sondern auf meinem Oberschenkel, der anfängt zu brennen.

ALARM.

Ich kann nicht mehr klar denken.

Soll ich ihn jetzt kü-

Hastig schaue ich weg und atme schnappartig ein. Ohgottohgottohgottohgott, seine Hand drückt leicht zu und das Kribbeln zieht durch meinen ganzen Körper. Entweder übergebe ich mich gleich oder kippe um.

"Ich kann auch den Text", murmele ich von ihm abgewandt, nur um irgendwas zu sagen. Irgendwas, was nicht bescheuert klingt. Hoffe ich zumindest. Wen interessiert jetzt der Text?? Mein Bein zittert leicht. Er lässt los. Neeeeeeei-

Traurig wende ich mich zurück zu ihm. Nicht loslassen!! "Magst du es singen?", fragt er, fängt direkt bei der Strophe an und spielt einhändig nur die Melodie, dazu summt er. Die andere Hand liegt auf seinem Bein. Ob ich die anfassen dürfte...?

"Iiiich kann grad nicht", gebe ich unnatürlich hoch von mir. Unsere Oberschenkel kleben noch aneinander. Er nickt. Dann pausiert er, dreht sich kurz zu mir und drückt mir einen lautlosen Schmatzer auf, der recht hart auf meiner Wange landet. Es geht so schnell, dass ich mir einen Moment später nicht mehr sicher bin, ob das wirklich passiert ist.

Mein Körper ist so angespannt, dass mir mittlerweile der Rücken wehtut. Atmen fällt mir schwer. Obwohl die Situation so eindeutig ist, bin ich mir nicht ganz sicher, ob das, was ich fühle, auf Gegenseitigkeit beruht oder gar real ist. Nachzufragen traue ich mich aber auch grad nicht. Normalerweise bin ich nicht auf drn Mund gefallen!

"Ich muss bald gehen", meint Hyunuk leise und seufzt dann fast tonlos. Er fängt nochmal von vorne an, ackert sich so gut es geht durch, stockt ein paarmal, aber macht unbeirrt weiter. Klavierspielen ist harte Arbeit und ich bewundere es so sehr, wie er nicht aufgibt und immer besser wird. Ich wette, er kann es schon bald auswendig und fehlerfrei spielen!

Mitzusingen traue ich mich aber heute nicht. Das kostet Überwindung und mein Herz rast zu sehr. Ich werde später Zuhause üben, dann singe ich beim nächsten Mal für ihn. Er spielt ja auch so viel für mich, obwohl er es nicht perfekt kann und es ihm anfangs bestimmt peinlich war.

Nach dem letzten Akkord atmet er auf und faltet seine Hände in seinem Schoß. "Wollen wir zusammen singen? Du singst sehr schön."

Ich- was??

Da ich ihn so überrascht ansehe, fügt er hinzu: "Du summst das doch manchmal auf dem Gang, oder nicht?"

AAAAAAAAAaaaaaaaaahhhhHHHHH.

Wann hat er mich denn dabei erwischt?? Peinlich - was völlig grundlos ist, da ich weiß, dass meine Stimme eigentlich ganz gut ist und ich gern singe. "Ich kann nur kein Französisch. Das ist doch Französisch, oder?" Ich singe das einfach so nach, wie ich es höre, aber meine Aussprache ist bestimmt trotzdem komisch.

"Ich auch nicht, aber dafür können wir ja üben." Gutes Argument. Ich nicke. Dann fängt er an aufzuräumen, schiebt seine Noten zusammen und schließt den Klavierdeckel. Es macht mich ein bisschen traurig. Aber ich müsste auch so langsam zum Bus. Keiner von uns beiden macht Anstalten aufzustehen. Er starrt auf die Zettel in seiner Hand und ich starre ihn an.

"Warum spielst du eigentlich dieses Lied?", frage ich nach, nur um ihn noch einen Moment hierzubehalten. Es ist genau die falsche Frage, weil es ihm unangenehm zu sein scheint, er die Nase verzieht und sich leicht wegneigt. "Ahh, sorry. Du musst das nicht beantworten, wenn du nicht magst!"

"Nein, es ist nur...", lenkt er ein und kreist mit den Daumen übers Papier. "Es ist gar kein so besonderer Grund. Ich hab es vor ein paar Jahren bei der Kinderchorrüstzeit meiner Gemeinde mitgesungen und fand es einfach schön, und wir haben die Notenzettel geschenkt bekommen, und weil Klavierunterricht immer so teuer war, habe ich mir vorgenommen, es irgendwann selbst zu schaffen, es spielen zu können. Ähm, ja. Das ist schon alles", endet er und sieht mich vorsichtig an.

"Ich finde, das ist eigentlich ein voll schöner Grund." Nun schenkt er mir eines seiner süßen Lächeln und bringt mich damit automatisch mit zum Lächeln. Dann sagt er bedeutungsvoll "So!", und steht auf. Das heißt dann wohl Schluss für heute. Ich folge ihm.

"Wir sehen uns morgen, ja?", fragt er an der Tür. Sein Blick wirkt so hoffnungsvoll. Und ich sehe ihn so gerne an!

Er grinst verschmitzt in sich hinein, als seine Finger meine Hand streifen. Ausgehend von unserer ersten Begegnung, als er vor Schreck davongerannt ist, hätte ich nicht gedacht, dass er so... so forsch sein kann. So... "flirty". Manchmal traut er sich richtig was und manchmal sieht er mich kaum an. Ich weiß noch nicht, was er denkt, aber ich weiß, dass ich ihn mag. Er gefällt mir immer mehr und ich möchte ihn richtig kennenlernen und noch viel mehr über ihn erfahren. Ich freue mich schon so darauf mit ihm zu singen und zu üben!

Egal, zu was es führen wird - dieses Lied wird für immer etwas Besonderes sein und mich mit ihm verbinden.






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Wer weiß, vielleicht läuft es bei den beiden so gut, dass sie sich Ende des Schuljahres für den Talentwettbewerb in der Aula anmelden oder so? ^-^

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