~5~
Es war der nächste Morgen, die Sonne schien durch das Fenster, doch ich wachte erst auf, als es bereits Mittags war. Das Schlafsofa war zwar nicht besonders bequem gewesen, aber nach unserem nächtlichen Einsatz war ich wie ein Stein ins Bett gefallen und hatte tief und fest geschlafen. Als ich wach wurde, war nur Sam da. Er packte schon seine Sachen zusammen. „Gut das du aufgewacht bist, wir müssen weiter. Nach einer Jagd ist es nicht besonders gut auch in der Stadt zu bleiben..." sagte er und lächelte mich an. Ich nickte nur schläfrig und machte mich auf ins Badezimmer. „Wo ist Dean?" fragte ich ihn. „Er erklärt gerade die neuen Leichen dem Sheriff." sagte Sam. „Er versucht es zumindest." Ich nickte nur und duschte kalt, das brauchte ich morgens einfach um wach zu werden. Als ich fertig war, kam auch schon Dean zurück und wir checkten aus dem Hotel aus. Nachdem wir alles im Impala verstaut hatten, gingen wir noch in ein nahe gelegenes Café um zu frühstücken. Es war ein nicht besonders teurer Laden, die Möbel sahen abgenutzt aber wohnlich aus und die Bedienungen trugen gepunktete Kleider aus den sechzigern. Dieser Laden hatte wirklich Stil. Während Dean sich mehr bestellte als Sam und ich zusammen, lies ich mir nur ein Sandwich und einen Kaffee bringen. Es war eine ruhige Atmosphäre und es dauerte etwas bis jemand etwas sagte. Dean lies sich die Zeitung bringen und überflog sie schnell. „Findest du es nicht etwas zu früh nach einem neuen Fall zu suchen?" fragte Sam seinen Bruder. „Du meintest selbst das Routine genau das ist was wir brauchen. Und das ist es doch, was wir die ganze Zeit machen, oder? Jagen!" sagte Dean und blätterte mit vollem Mund weiter in der Zeitung. „Wir haben uns ein paar Tage Freizeit verdient, Dean!" sagte Sam. „Vielleicht ist es wirklich etwas früh für..." warf ich ein, doch Deans vorwurfsvoller Blick lies mich mitten im Satz stoppen. „Hey, wir müssen unser Karma aufbessern!" sagte Dean ernst, doch man merkte das er es nicht ganz so meinte. „Daran glaubst du doch nicht wirklich!" Sam lachte. Nun war die Stimmung wieder entspannt und ich lehnte mich zurück. „Wenn du unbedingt einen Fall willst können wir später im Internet danach suchen. Es findet sich sicher etwas auf den Webseiten für seltsame Vorfälle. Dieses Café hat nur keinen Internetzugang..." wandte Sam ein. Dean willigte missmutig ein, allerdings eher weil es um das Internet ging. Als die Bedienung uns die Rechnung brachte, biss sich Dean leicht auf die Unterlippe. Ich erkannte diesen Blick, den gleichen hatte er bei den Frauen an der Bar drauf gehabt. Dean bezahlte und gab extra viel Trinkgeld, doch die Bedienung lächelte ihn nur an und verschwand dann hinter die Theke. „Ha." Dean lachte. „Die Kleine steht auf mich!" sagte Dean. Sam nickte nur: „Bestimmt..." sagte er ironisch und grinste, während er sich seine Jacke wieder anzog. „Wetten ich krieg ihre Nummer?" sagte er noch und war schon aufgestanden. „Zwanzig Dollar das du es nicht schaffst!" erwiderte ich. Dean hatte wohl keine Antwort erwartet, denn er war schon losgelaufen. Doch er zeigte mir mit einem Handzeichen, dass er mich sehr wohl gehört hatte und die Wette einging. „Weißt du Dean hat so eine Wirkung auf die meisten Frauen..." begann Sam um es mir schonend beizubringen das ich gleich wohl um Zwanzig Dollar armer wäre, doch ich lehnte mich nur cool an ihn und lachte leise. „Das werden wir ja sehen..." sagte ich und wir beide beobachteten Dean. Er sprach etwas mit der Frau, die ihre hübschen, rötlichen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Dean hatte es wirklich drauf, er setzte sich gut in Szene und flirtete mit seiner Körpersprache unglaublich gut. Ich hatte ein gutes Auge, schließlich hatte ich bei May in der Bar oft solche Leute beobachtet. Besonders als ich noch jünger war, damals hatte ich wenig in der Bar zu tun gehabt und viel Freizeit, die man auf dem Land eben mit nicht sehr viel sinnvollem verbringen konnte. Als Dean wiederkam, hatte er tatsächlich einen Zettel in der Hand. „Zwanzig Dollar bitte!" sagte er und klatschte mir den zusammengefalteten Zettel in die Hand. Sam sah mich schon mit einem Blick an, der etwas wie ‚Ich habs dir ja gesagt' ausdrücken sollte, doch ich lachte nur. „Ja, Zwanzig Dollar!" sagte ich und sah dann vom Zettel auf. „Aber von dir an mich." sagte ich und hielt ihm den Zettel hin. „Für das Mädchen" stand dort in großen geschwungenen Buchstaben vor einer ebenso schön geschriebenen Nummer. „Du hast ihre Nummer nicht bekommen..." sagte ich lachend. „Und sogar ohne das ich etwas getan habe, man bin ich gut!" Dean sah mich verwirrt an und las den Zettel noch ein mal genau durch. Dann drehte er sich um, wo ihm die Bedienung einen entschuldigenden Blick zuwarf. Als sie mich sah zwinkerte sie mir zu. Ich lächelte kurz, ich hatte ihre Nummer eigentlich nicht mal gewollt und ich würde sie auch ganz bestimmt nicht anrufen. Aber ich war guter Dinge, schließlich hatte ich gerade etwas Geld verdient ohne etwas zu tun und deshalb zwinkerte ich noch zurück, bevor ich den Laden mit Sam und Dean verließ. „Woran hast du es erkannt?" fragte Dean grummelig und reichte mir das Geld. Ich steckte es ein und zündete mir auf dem Weg nach draußen eine Zigarette an. „Sie hat eben per Handy mit ihrer Ex-freundin gesprochen...es war ziemlich eindeutig." sagte ich in einem beiläufigen Ton, doch ich freute mich tierisch das ich die Wette gewonnen hatte. Dean sah mich nicht mehr an, doch man merkte, dass seine Wut nur oberflächlich war. Während Sam und Dean einstiegen wartete ich noch kurz draußen und rauchte zu Ende und erntete einige vorwurfsvolle Blicke von Sam. „Ich werde das Gefühl nicht los, ihr vergesst dauernd das ich kein Kind mehr bin!" sagte ich als ich die Zigarette auf dem Boden austrat und in den Impala stieg. Diese Blicke machten mich wirklich sauer, ich war schließlich erwachsen und konnte tun und lassen was ich wollte. Ich brauchte niemanden der mich zurecht wies und ich war es einfach nur leid. Sam sah das wohl ein, denn er nickte nur leicht und öffnete auf dem Handy eine Karte. „In etwa einer Stunde gibt es ein Motel an der Autobahn, dort können wir uns sicher für eine Recherche ins Internet einwählen..." sagte Sam und vergrößerte eine Stelle auf seinem Handy. Als er so auf sein Handy sah, fiel mir meines wieder ein. Schnell kramte ich es aus der Hosentasche und sah nach, aber ich hatte keine Anrufe. Ich atmete tief durch, ich hatte kurz den Schock gehabt, May hätte meine Nummer herausfinden können, aber wie auch. Es war besser wenn sie nicht wusste wo ich war, sie würde mir einfach nicht glauben. Oder sie würde mich sofort versuchen zu überreden zurück zu kommen. Ich konnte sie dabei einfach schlecht einschätzen. Aber das ganze hier tat mir gut, ich kam immerhin etwas herum. Ich öffnete leicht das Fenster und lies mir durch den Fahrtwind den Geruch von frischer Erde der Felder ins Gesicht tragen. Die Landschaft war relativ einseitig aber ich fand die Stimmung hier ganz anders, einfach freier.
Wir hielten an dem heruntergekommenen Motel kurz an und Dean parkte das Auto dicht an der Wand, sodass wir in Reichweite des Internetzugangs waren und Sam sich mit seinem Laptop mit dem Internet verbinden konnte. Außerdem wollten die Beiden danach einen Fahrerwechsel machen, damit Dean etwas Schlaf nachholen konnte, den er in der Nacht wohl nicht gekriegt hatte. Ich stieg ebenfalls aus und vertrat mir ein wenig die Beine. Während ich erneut eine Zigarette anzündete, ging Dean in den kleinen Laden der Tankstelle, die neben dem Motel lag. Außer den beiden Gebäuden sah man von hier aus nur die Straße und die dunklen Feldern, die sich bis an den Horizont erstreckten. Ich lehnte mich an den Kofferraum des Impalas und lies mir die Sonne auf den Rücken scheinen. Als Dean aus dem Laden zurückkam, lehnte er sich ebenfalls an sein geliebtes Auto. „Das ist echt nicht gesund..." sagte er und deutete auf die Zigarette. Ich blies etwas Rauch in den Wind. „Aber du." sagte ich nur knapp, denn ich hatte gesehen, dass Dean sich nur eine einzige Sache bei dieser Tankstelle gekauft hatte und das war eine große Flasche Whisky die er in der Innentasche seiner Jacke verstaut hatte. Er musste schmunzeln und trank direkt einen großen Schluck. „Ich bin nicht da um dir zu sagen was du zu tun und lassen hast." sagte er ernst, aber ruhig, bevor er noch einen Schluck nahm. „Gut das du das einsiehst..." sagte ich nur leise, ich war immer noch etwas genervt von den Beiden. Sich nicht akzeptiert zu fühlen war kein schönes Gefühl, auch wenn es immer weniger wurde. Sam und Dean hatten bei der Jagd auf mich gezählt und das war doch schon mal ein großer Fortschritt. Nach einiger Zeit Stille begann Dean wieder zu sprechen. „Wo kommst du eigentlich her? Und wer bist du das Crowley dir vertraut?" fragte er mich und sah mich direkt an. „Wyoming." sagte ich nur und drehte meinen Kopf zu Dean. „Und ich weiß es nicht genau, Crowley wird seine Gründe haben." sagte ich und behielt das für mich, was er nicht wissen musste. „Wyoming...Das erklärt die Cowboy Stiefel!" sagte Dean und lachte, dann nahm er einen weiteren Schluck aus der Flasche und verstaute sie wieder in der Innentasche seiner Jacke. Er hatte gerade ein Viertel der ganzen Flasche getrunken, aber ich sagte nichts. Jeder brauchte wohl so seine Ventile. „Wo kommt ihr her?" fragte ich. „Wir sind schon so lange unterwegs, da ist das auch egal, Avery." sagte Dean, aber ich sah ihm an, dass er es mir nur einfach verschwieg. „Es ist nie egal wo man zu Hause ist..." sagte ich und trat meine Zigarette aus. „Ich glaube...inzwischen ist das hier unser zu Hause." sagte Dean und klopfte leicht auf seinen Impala. Ich lächelte, Dean mochte sein Auto wirklich unglaublich gerne. „Dann bin ich ja quasi bei euch eingezogen!" sagte ich lachend und stieg in den Wagen. Dean musste grinsen und ich war kurz stolz auf mich, ihn dazu gebracht zu haben, offensichtlich war die Vergangenheit der beiden ein schwieriges Thema. Irgendwann würde ich mehr über sie erfahren, das nahm ich mir fest vor. Als auch Dean wieder in den Wagen gestiegen war, zeigte Sam uns beiden ein offenes Fenster einer Internetseite. „Ich habe wirklich etwas gefunden!" sagte er und zeigte auf einen Beitrag. Es war ein Foreneintrag eines jungen Mädchens, etwa sechzehn Jahre alt. In ihrer Nachricht schrieb sie, sie sei verflucht und sie wäre schon ein paar Mal fast auf seltsame Weise gestorben. Ein Mal hatte sie Nadeln gehustet, ein anderes Mal wäre sie fast an Steinen erstickt, die nach dem Essen eines Muffins plötzlich in ihrem Hals entstanden waren und ein weiteres Mal hatte sie eine unsichtbare Macht versucht in der Badewanne zu ertränken. Für mich klang das alles etwas verrückt, aber das Mädchen bat ziemlich verzweifelt um Hilfe. „Hast du nichts besseres gefunden?" fragte Dean und zog eine Augenbraue hoch. „Das klingt für mich eher nach einem Teenager im Verfolgungswahn und nicht nach einem Fall." Sam seufzte. „Nein, das war das beste das ich gefunden habe. Sei doch froh das noch niemand gestorben ist." entgegnete er. „Ich glaube aber kaum das sie wirklich unter einem Fluch steht, dann wäre sie schon längst tot." wandte ich ein, doch Sam zuckte nur mit den Schultern. „Na dann, wo wohnt unser Freak?" fragte Dean. „In Pontiac, Illinois." sagte Sam. „Die acht Stunden Fahrt sollten ausreichen um zu schlafen..." sagte Sam und Dean nickte nur, bevor er sich schräg ans Fenster legte und die Augen schloss. Ich machte es mir ebenfalls gemütlich und sah eine Weile nur aus dem Fenster. Diesmal herrschte im Wagen keine angespannte Stille, sondern eher ein ruhiges Schweigen und nach einiger Zeit machte Sam das Radio an. Es war eindeutig nicht Deans Musik, denn er machte kurz ein Auge auf, doch zu meinem Erstaunen schloss er es gleich wieder und lies Sam seine Musik einfach weiter hören. Das überraschte mich ziemlich, in der kurzen Zeit in der ich mit den beiden zusammen war hatte ich schon gemerkt das Dean das Alphatier ziemlich stark raus hängen lies und eigentlich alles nach ihm laufen musste. Meistens gab Sam nach um Streit zu verhindern, aber bei manchen Sachen blieb er auch bei seiner Meinung. Um die Musik hätte es eigentlich eine wilde Diskussion geben müssen, bei der Dean am Ende mit den Worten ‚Mein Auto – meine Musik' gewann. Aber nun hatte er nicht mal ein Wort gesagt und das war doch schon verwunderlich. Ob es am Alkohol lag? So wie ich Dean einschätzte hatte die Menge kaum einen Einfluss auf ihn, also war es wohl wirklich nur guter Wille. Dean sagte sogar nichts als Sam und ich im gleichen Moment anfingen den Song mitzusummen. Ich hatte das Gefühl den Beiden ein Stück näher gekommen zu sein.
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