„Auf nach Spencer!" Sam reichte mir die Zeitung nach hinten, wo er einen Artikel schon mit einem roten Stift umkreist hatte. „Blutleere Leichen, Einstichwunden am Hals – wahrscheinlich gibt es dort ein Vampirnest." sagte Dean während ich mir den Artikel durchlas. Ich nickte nur. „Wie lange jagst du schon Avery?" fragte mich Sam nun. „Ich bin gerade mal dreiundzwanzig, also gerade mal ein paar Jahre. Und auch nur dann wenn mich meine Tante irgendwohin mitgenommen hat, wir sind nicht so umhergezogen wie ihr..." sagte ich. „Kannst du schießen?" fragte Sam. „Ja, aber ich bevorzuge Messer und Macheten." entgegnete ich. „Mädel, wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert!" sagte Dean und lachte. Sam verdrehte leicht die Augen doch drehte sich dann wieder nach vorne. „Wir sind gerade erst hinter der Grenze von West Virginia, es dauert noch etwas bis wir in Spencer sind." sagte Dean. Langsam drehte er die Musik auf und ein Black Sabbath Song ertönte aus dem Radio. Dean drehte sofort lauter auf und Sam und ich seufzten gleichzeitig. Das konnte ja was werden.
Was tat ich hier eigentlich? Kein normaler Mensch verließ einfach seine Familie, oder was er dachte was seine Familie wäre, und zog mit zwei Fremden Typen durchs Land um Monster zu jagen und darauf zu warten das ein Dämon einem Anweisungen gibt um ein noch viel größeres Monster zu töten. Aber ich war auch kein normaler Mensch, das musste ich zugeben. Wenn mein Vater der König der Hölle war, war ich so gesehen die Prinzessin. Nein, mit dem Gedanken konnte ich mich nicht anfreunden. Ich war noch nie prinzessinnenhaft gewesen, nicht mal als Kind. So seltsam es auch klingen mochte, ich fühlte mich wohl dabei hier zu sein. Ich vermisste May und Jasper nicht, weil ich wusste das sie in Sicherheit waren und so ein bisschen andere Luft konnte mir bestimmt nicht schaden. Trotzdem musste ich die ganzen neuen Eindrücke erst ein Mal verarbeiten und döste, den Kopf gegen das Fenster gelegt ein, obwohl so laut Musik lief.
Ich war wohl eingeschlafen, denn als ich aufwachte hatte sich die Landschaft etwas verändert. Ich blinzelte kurz, beschloss dann aber die Augen geschlossen zu halten, denn ich hörte Sam und Dean leise reden. Sie wollen mich offenbar nicht damit wecken. „Wir können ihr nicht vertrauen Sam, sie ist eine von Crowleys Marionetten – vielleicht ist sie sogar ein Dämon, wir wissen es nicht." sagte Dean leise. „Ohne Crowley wüssten wir nicht von der Hydra, ich verstehe es vollkommen das er eine eigene Kontaktperson mitschickt. Ich würde uns auch nicht mehr trauen wenn ich ein paar mal in Ketten im Keller gesessen hätte und gefoltert worden wäre..." sagte Sam. Dean wiegte nickend den Kopf zur Seite. „Aber wir haben trotzdem keine Ahnung wer sie ist!" flüsterte er. „Das lässt sich ja noch rausfinden..." sagte Sam ruhig und versuchte seinen Bruder nicht noch nervöser zu machen. „Komm schon, Dean, jetzt lass uns einfach mal ruhig jagen gehen. Wir brauchen die Routine und diese kleinen Fälle. Ein wenig Unterstützung kann da ja auch nicht schaden...wir müssen ihr ja nicht trauen, lass sie uns einfach beobachten." sagte Sam noch, doch Dean sagte gar nichts mehr. Ich öffnete nun die Augen. „Wie lange habe ich geschlafen?" fragte ich nach vorne. „Eine ganze Weile!" sagte Sam jetzt deutlich lauter. „Wir sind fast da!"
Spencer war eine kleine Stadt mit knapp zweitausend Einwohnern und Dean parkte seinen Wagen als erstes auf dem Parkplatz eines örtlichen Hotels. Wir stiegen aus und als Dean das Gepäck auslud, hielt er mich kurz dazu an ein Eisenmesser zu halten. „Dean, ich bin kein Dämon. Das hättet ihr mich auch fragen können." sagte ich und war beunruhigt, wie wenig die beiden mir vertrauten. Ich hatte zwar ihr Gespräch mitbekommen, aber offensichtlich trauten sie mir alles zu. Zum Zeichen das ich kein Dämon war hielt ich das Messer mit beiden Händen und gab es dann Dean zurück. „Man kann nie sicher sein..." sagte er nur und beachtete mich gar nicht.
Das Hotel war ländlich eingerichtet und ein wenig kitschig. Es war zwar nur ein Zweibettzimmer, aber das Sofa konnte man ausfahren, sodass Platz für eine dritte Person war. Ich seufzte als ich das Sofa ausklappte: Ich fühlte mich leicht wie ein Kind behandelt und warf den beiden Jungs einen vernichtenden Blick zu, als das Personal auch noch die Bettwäsche für das Klappsofa brachte. Mit bunten Kreisen, Vierecken und anderen Mustern. Ich erkannte ein leicht hämisches Lächeln auf Deans Lippen doch machte mich lieber daran nach zu sehen, was ich in meinen Taschen fand. Ich fand immerhin eine Packung Zigaretten, mein Feuerzeug, etwas Geld und meinen Ausweis. Mein Handy lag noch in einem Fach unter der Bar, aber vielleicht war es besser so. Ich würde May alles erklären können wenn ich zurück war, aber jetzt war das alles viel schwieriger und so sehr ich sie auch mochte und so sehr ich wollte das sie sich keine Sorgen machte – dauernde Anrufe würden nur nerven. Trotzdem, ich vermisste schon jetzt die ganzen kleinen Handyspiele ich besaß... Viel war das ja nicht, Crowley hätte wenigstens noch ein paar Shirts mitschicken können. „Wir gehen uns gleich mal beim Tatort umsehen." sagte Sam als er sich hinter einer Trennwand umgezogen hatte. Nun trug er einen schwarzen Anzug und darunter ein blaues Hemd, beides stand ihm ausgesprochen gut. „Als FBI? Schon klar, ich passe da nicht sonderlich gut rein..." gab ich zu. Ich kannte die meisten Methoden, May ermittelte auch meistens unter einer Tarnung. Allerdings gab es bei uns weniger Aussehen, wenn sich May aus Aushilfe des Sheriffs ausgab und nicht als FBI-Beamtin, May sah man ja noch öfter in der Bar. „Gut das du das verstehst!" sagte Dean als er aus der Dusche kam und ebenfalls umgezogen war. Im Anzug wirkte er professionell und er stand ihm auch extrem gut. „Natürlich, aber wartet mal – Crowley hat mich ohne meine Sachen hier her geschickt. Ich kann nicht ewig in den gleichen Sachen rumlaufen..." begann ich, doch Dean unterbrach mich. „Nimm das gut verdiente Pokergeld und kauf dir davon was, auf das Teenager heute so stehen." sagte er und gab mir nach dem die beiden schon fast im Türrahmen waren einen Hunderter Schein. „Ich bin dreiundzwanzig, hast du das in der kurzen Zeit vergessen?" fragte ich ihn vorwurfsvoll und verschränkte die Arme. „Nein." sagte Dean und grinste, dann fiel die Tür auch schon ins Schloss. Ich hatte das Gefühl fehl am Platz zu sein und die beiden bei ihren Ermittlungen zu stören. Aber ich wollte es durchziehen, wenn ich die Menschen vor etwas Großem, Bösem retten konnte war das ein guter Grund für mich. Ich sah mich im Zimmer um und entdeckte in Sams Tasche das Bild der Frau, die die Hydra sein sollte. Sie war groß, schlank und hatte blonde, voluminöse Haare. Es war ein Foto einer Überwachungskamera und man erkannte deutlich ihre stechenden, grünen Augen. Ihre Arme waren mit Blut bespritzt und ich bekam Gänsehaut als ich sie ansah. Endlich hatte ich das Bild auch mal gesehen, ich hatte mich von Crowley und auch von Dean und Sam bis jetzt ein wenig übergangen gefühlt. Ich schüttelte den Kopf um mich von den Gedanken zu befreien, steckte das Bild wieder zurück und lies mir dann an der Rezeption einen zweiten Schüssel geben. Ich hatte Glück und fand gleich einen Kleidungsladen. Ich entschloss mich für einige Hemden, Pullover und vor allem eine dicke Jacke. Ich wusste schließlich nicht wohin wir mal kommen würden. Das Geld reichte auch noch für eine weitere Hose, ein paar elegante Schuhe die zu einem eigentlich sehr hässlichen Blazer passten. Er war schlicht und schwarz, aber er gefiel mir trotzdem nicht wirklich, da er so seriös wirkte. Aber ich sorgte vor, irgendwann würde ich bei den Untersuchungen dabei sein. Als was auch immer Sam und Dean mich ausgeben würden. Ich sollte für alle Eventualitäten vorbereitet sein, daher erwarb ich auch noch eine billige Reisetasche. Als letztes kaufte ich mir ein neues Handy, allerdings ein altes Klapphandy, das zudem noch relativ billig war. Ich hatte kaum noch Geld übrig und langsam war mir die Frage in den Sinn gekommen, wie mich Crowley denn anrufen wollte wenn ich kein Handy hatte. Nun hatte ich eines, dann würde er auch herausfinden welche Nummer ich hatte, schließlich besaß er so einige Macht als Dämon.
Als ich in das Hotel kam, waren Sam und Dean schon wieder da. „Und?" fragte ich sie, da ich auch über den Fall informiert sein wollte. Während ich meinen Sachen die Preisschilder abschnitt und sie dann in die Tasche packte, erklärte mir Sam freundlicher Weise was passiert war. „Es ist die dritte Leiche in dieser Stadt, die so blutleer gefunden wurde." sagte er. „Gemeinsamkeiten?" fragte ich ihn. „Alle Opfer sind weiblich und wurden in der der Nähe dieser Straße gefunden..." sagte Sam und zeigte auf einer Karte auf eine Straße. „Wart ihr schon da?" fragte ich die beiden und sie sahen mich vorwurfsvoll an. „Dort ist nichts besonderes, keine verlassenen Hallen oder so etwas." sagte Dean. „Vampire können auch sozialisiert sein." sagte ich und in Deans Augen blitzte etwas auf, was ich als Kampfgeist deuten würde. Nur das es sich hier auf unser Gespräch bezog. „Achso? In der Straße sind noch ein paar Läden und eine Schule, meinst du das Vampirnest hat sich dort versteckt?" fragte er ironisch, antwortete mir aber wie aus der Pistole geschossen. Meine Antwort lies auch nicht lange auf sich warten: „Nein, aber ich denke einige Vampire könnten gelernt haben das es für sie besser ist so zu tun als wären sie normale Menschen!" erwiderte ich zischend. „Und du meinst die Lehrerin beißt in der Pause ein paar Schüler? Ganz tolle Idee!" kam es von Dean zurück. „Leute – beruhigt euch!" sagte Sam nur, der uns beiden belustigt zugesehen hatte. Dean und ich hatten uns voreinander aufgebaut und sahen uns direkt in die Augen. Erst als Sam dazwischen ging, lies ich von ihm ab und drehte mich ohne Worte um um mich aufs Bett zu setzen. Ich brauchte erst ein Mal Platz von den beiden, Dean fühlte sich offenbar in seiner Alpha-Stellung angegriffen, und das von einem Mädchen das gut zehn Jahre jünger war als er. Erst jetzt fiel mir der Altersunterschied auf, den ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Ich hatte mir gar keine Gedanken gemacht wie alt die beiden waren, aber im Schätzen war ich relativ gut. Für die beiden war ich wirklich noch ein Teenager, aber ich hoffte das zu ändern. Ich kam mir vor als verkaufte ich mich unter wert, die beiden waren bis jetzt nicht besonders überzeugt von mir und das wahrscheinlich nicht nur weil Crowley mich geschickt hatte. „Lass uns noch mal die Straße untersuchen, vielleicht finden wir ja eine alte Absteige oder so... Das Vampirnest muss schließlich irgendwo sein. Vielleicht haben wir was übersehen." sagte Sam und sah mich und Dean kompromissbereit an. Dean und ich gaben nur gleichzeitig einen Laut des Verachten von uns, der jeweils für den anderen gedacht war, dann drehte ich mich um und ging als erste aus der Tür.
Um die Straße anzusehen mussten wir uns nicht in Anzüge und Blazer werfen, aber Sam und Dean würden sicher ihren FBI-Ausweis dabei haben, um sicher zu gehen. Ich malte mir immer noch aus was ich sein würde, wenn uns jemand darauf ansprach. Zwei etwa dreißig-jährige FBI-Agents mit einem gerade volljährigen Mädchen. Was mussten eigentlich die Leute an der Rezeption gedacht haben? Ich kicherte in mich hinein, als wir ins Auto stiegen und in die besagte Straße fuhren. Nachdem ich das Auto auch mal genaustens von außen begutachten konnte, wusste ich auch das es ein Impala war. Ein eindeutig extrem cooler Wagen und leider musste ich sagen, dass der Wagen zu Dean passte.
Die Straße war eher klein und kaum mit Wohnhäusern besetzt. Und die die man fand waren sehr gepflegt und sahen so gar nicht nach Vampirnest aus. Wir teilten uns auf sahen uns jeden Laden genau an. Es wurde langsam Abend und es waren nur noch wenige Menschen auf der Straße, genauso wie langsam alle Läden schlossen. Aber so gut wir uns auch bei den Ladenbesitzern erkundigten und alle genaustens beobachteten, ob sie selbst ein Vampir wären, wir fanden nichts. Alle Menschen in dieser Straße waren nahezu unschuldige Lämmchen und würden nie einer Fliege etwas zu leide tun. „Ich hab nichts." sagte Sam, als er nach einiger Zeit auf mich zu kam und seinen Notizblock zerknüllte. „Die Frau aus dem Blumenladen hat mir vier verschiedene Geschichten von Vampiren, Geistern und Aliens in dieser Stadt erzählt, ich denke die können wir als Hilfe streichen!" sagte Sam und wirkte ziemlich genervt, was mich allerdings schmunzeln lies. „Ich habe auch nichts gefunden..." musste ich leider zugeben, also gingen Sam und ich wieder auf Dean zu, der gerade noch eine Frau befragte, die ihren Zeitungsladen schloss. „Warte mal, was ist das?" fragte ich Sam kurz, als sich zwischen zwei Läden eine kleine Treppe hinunter zu einer Wand hinab schlängelte. „Da wurde offenbar ein Keller zugemauert, so was hat man früher oft gemacht..." sagte er und versuchte mit seinem geschichtlichen Wissen zu punkten. Langsam stieg ich hinunter zu der Wand und sah mich dort um. Es war feucht hier unten und an den Wänden klebte der Schimmel, auch wenn wir nur knapp zwei Meter vom oberirdischen Geschehen weg waren, sah es hier unten aus wie in einer anderen, eindeutig abartigeren Welt. Die Wand sah mir allerdings nicht nach einer einfachen Wand aus, hier und da hatte sie Einkerbungen und wenn man alle, langen und weniger langen verfolgte, dann erkannte man einen Bereich den man rein oder raus drücken konnte.
„Ich glaube nicht das diese Tür komplett zugemauert ist..." sagte ich, hob einen nassen Zettel auf und ging wieder nach oben. Als ich ihn Sam zeigte, nickte er nur. Offensichtlich hatte ich diesmal gepunktet, meine Vermutung war richtig gewesen.
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