7. Gespräche
> Hoseok <
Wir vier saßen zusammen am Tisch und aßen die klebrigen Süßigkeiten.
Ich hatte seit Ewigkeiten keinen Reiskuchen mehr gegessen und je mehr Bissen ich nahm, desto besser wusste ich wieso. Das süße Reis-Bohnen-Bällchen erinnerte mich an meine Kindheit, in der meine Eltern mit mir alle paar Jahre zu Neujahr nach Japan flogen und dort nicht nur Kyoto erkundeten, sondern uns auch mit allem möglichen Süßkram vollstopften. Sie waren so weich und klebrig wie damals, sodass sie mir an dem Zähnen kleben blieben wie weiches Karamell.
Die Dinger werden mir noch den ganzen Magen verkleben.
Mit Mühe gelang es mir dann endlich, diesen Reis-Bohnen-Klos herunter zu würgen. Anscheinend war ich jedoch nicht der Einzige, der damit kämpfte, diesen klebrigen Brocken zu kauen. Ein kurzer Blick zur Seite verriet mir nämlich, dass Taehyung ein ähnliches Problem zu haben schien. Der Mund des kleinen Hundehybrides war mit dem süßen Klebstoff vollgestopft und seine Wangen waren so aufgebläht, dass er mehr aussah wie ein kleiner Hamster als ein Welpe.
Dazu strahlten seine Augen wie hunderte kleine Sterne, die nicht nur die Nacht sondern auch mein Herz völlig erhellten. Zum ersten Mal sah ich diese schönen, braunen Augen ohne Tränen in sich. Sie waren auch nicht rot angeschwollen oder zuckten in alle Richtung vor Schreck, wie sie es gestern noch taten. Er versteckte sich vor mir nicht mehr, sondern er lachte und zeigte mir völlig ungehemmt sein wunderschönes Grinsen.
Wenn Taehyung grinste, sah es nicht einmal im Entferntesten so aus, wie alle anderen Menschen grinsen, die ich kenne. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Rechteck, was physikalisch doch eigentlich gar nicht möglich sein konnte, während mir so perlweiße Zähne entgegen strahlten, wie ich sie bisher nur selten gesehen habe. Dabei waren sie nicht einmal so schrecklich gebleicht, wie bei den ganzen Filmstars. Sie waren einfach nur genau so strahlend wie ihr Besitzer.
Wow! Taehyung war ein wirklich schöner Welpe. Er war so strahlend schön wie die Sonne, wie die Sterne in klaren Nächten oder wie ein Diamant. Ja! Er strahlte so schön wie ein Diamant - der kostbarste Edelstein der ganzen Welt!
Mein Herz fing plötzlich ganz stark an zu schlagen. Es pochte wie ein verrückt gewordener Presslufthammer und mit einmal verging mir jeglicher Appetit.
Ich wusste nicht, was auf einmal mit mir los war. Das letzte Mal hatte ich so ein seltsames Herzflattern bekommen, als ich in der Highschool war. Es war an dem Tag, an dem ich meinem großen Schwarm meine Liebe gestand. Ich weiß noch, wie Jimin tagelang auf mich eingeredet hatte, dem Kapitän unserer Basketball-Mannschaft endlich meine Liebe zu gestehen. Er quengelte damals wie ein kleines Kind, aber dennoch hat er es geschafft, mich zu überreden. So habe ich damals auf diesen Jungen gewartet bis sein Training vorbei war und ihn dann mit mir in einen kleinen Abstellraum der Schule geführt. Dort habe ich ihm die drei magischen Worte zu geflüstert und wir haben uns im Schutz der Dunkelheit geküsst.
Diese Romanze hielt zwar nur wenige Wochen, dennoch hat sich das Gefühl von damals tief in mein Herz gebohrt. Dass ich plötzlich dieses Gefühl wieder spürte, erschreckte mich. Habe ich mich etwa wieder verliebt?
Ich wusste nicht was mit mir los ist, aber irgendwie gefiel es mir. In der Zeit, in der Jimin und ich Trainees waren, war uns jede Art von Liebesbeziehung untersagt. Dazu waren wir beide heimlich schwul und wir wussten nur zu gut, was es bedeuten würde, wenn wir uns öffentlich geoutet hätten: Unsere Karriere wäre früher vorbei gewesen, als sie es eh schon war. Seitdem wir im Studio angefangen haben zu unterrichten, hatten wir beide keine Beziehung mehr, zumindest keine Beziehung, die glücklich war.
Warum also schlug denn jetzt mein Herz wieder so schnell? Hatte ich mich etwa in Taehyung verguckt? So schnell?
Schleunigst verwerfe ich den Gedanken. Warum sollte ich mich denn auch ausgerechnet in Taehyung verlieben. Ich kannte ihn doch kaum. Oder war es Liebe auf dem ersten Blick. Insgeheim habe ich schon immer daran geglaubt, dass so etwas wie eine übernatürliche Macht existieren musste. Wie konnte man sich denn sonst all die sogenannten „Zufälle" erklären? Aber, warum sollte dass Universum denn mich und Taehyung für irgendetwas auserkoren haben?
Bei meinem Glück ist der kleine Welpe doch eh hetero.
Was! Was dachte ich mir denn da! Ich war doch nicht in diesen wildfremden Hundehybriden verliebt! Das konnte doch gar nicht sein. Oder?
Ich wollte eigentlich nicht mehr daran denken, dass sich womöglich ein paar wenige Schmetterlinge in meinem Bauch versteckt haben könnten, dennoch drehte es sich in meinem Kopf nur noch um das eine Thema. Es beschäftigte mich einfach zu sehr, ob ich bei Taehyung irgendwann eine Chance haben könnte, dass ich ganz aufgeregt wurde. Schließlich war ich so hoch gepuscht, dass ich es einfach nicht mehr unterdrücken konnte und Jimin deshalb unverschämt unterbrach, wie er gerade mit Taehyung plauderte:
„Jungkook, Taehyung, darf ich euch kurz etwas fragen? Habt ihr eigentlich irgendwas gegen Schwule?"
Die beiden sahen uns ganz verdutzt an. Selbst von Jimin konnte ich einen scharfen Blick in meinem Nacken spüren. Ich musste nicht hingucken um zu wissen, dass er mich mahnte. Er hatte nun wirklich nicht gewollt, dass ich unser „Geheimnis" so offensichtlich lüfte, aber ich konnte einfach nicht anders. Die beiden würden so oder so irgendwann erfahren, dass Jimin und ich es mit Männern trieben., da sollten sie besser vorbereitet sein.
Die Gesichter der beiden Hybriden schienen sich etwas rosa verfärbt zu haben, das Thema war ihnen also wirklich mehr als nur unangenehm, dennoch antwortete mir der kleine Welpe:
„Nein! Kookie und ich haben nun wirklich nichts gegen Schwule oder Lesben oder gegen sonst irgendjemanden. Warum sollten wir auch? Wir sind doch selber queer."
Dieses Outing schockierte scheinbar nicht nur mich. Ich hörte, wie Jimin sich an seinem Kaffee verschluckte und diesen über den ganzen Tisch spuckte. Besorgt starren die beiden Brüder meinen Kumpel an, wie er verzweifelt nach Luft schnappte und Taehyung stand sogar auf, um Jimin beruhigend auf den Rücken zu klopfen. Jungkook hingegen blieb auf seinem Stuhl sitzen und kniff die Augen schmerzhaft zusammen. Das laute Geräusch musste ihn etwas erschreckt haben. Armes kleines Häschen.
Kaum hatte sich Jimin etwas beruhigt, entspannte sich auch die Situation um einiges. Wir erklärten unseren plötzlichen Ausbruch und sorgten dabei gleich für neuen Gesprächsstoff.
„Achso. Jimin und du, ihr beide seid auch schwul. Daher also die Frage."
„Ja. Hobi-Hyung und ich sind mindestens genauso schwul, wie du es bist, Taehyung. Aber was ist mit dir, Jungkook."
„Ähm... Also ich glaube, ich bin bi, aber ich weiß es noch nicht so recht. Auf jeden Fall mag ich Mädchen aber auch Jungs."
Wir lachen und quatschten, selbst der kleine Hase schien etwas aufzutauen und kicherte hin und wieder schüchtern auf, bis plötzlich alles verstummte.
Ich hatte Taehyung gerade eine kleine Geschichte aus Jimins verkorksten Liebesleben erzählt und wurde von diesem sogleich schmerzhaft geschlagen, als Jungkook plötzlich anfing zu wimmern. Der kleine Hybrid war auf seinem Stuhl zusammen gesunken und hielt sich mit zu gekniffenden Augen sein rechtes Öhrchen. Tränen kullerten unter den geschlossenen Lidern hervor und verfingen sich in seinen langen Wimpern. Er begann zu schluchzen und zu zittern. Taehyung, Jimin und ich tauschten besorgte Blicke unter einander, bevor sich der kleine Welpe vorsichtig zu seinem Bruder hockte. Er fragte ihn, was denn los wäre, doch er erhielt keine Antwort. Das Einzige, was Jungkook von sich gab, war ein herzzerreißendes Weinen, bevor er seine kleine Hand von seinem Ohr weg zog. Er zeigte uns seine kleine Hand und uns stockte das Blut in den Adern.
Seine Hand war rot. Sie war blutrot.
(1258 Wörter)
Erstmals veröffentlicht 18.06.2017
Überarbeitet am 23.06.2019
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