6. Am Morgen
> Taehyung <
Ich lag in einem Bett, das so weich war, wie ich es nur selten gespürt habe, und döste friedlich vor mich hin. Hin und wieder drehte ich mich oder grub mich tiefer in meine warme Bettdecke, deren Duft ich mit einem tiefen Atemzug in mir aufnahm. Er war herrlich! Ich drückte mein Näschen noch tiefer an den Stoff und es kam mir so vor, als steckte ich inmitten eines Bienenhauses. Es roch nach Honig und einer Note von Tannennadeln. Sofort dachte ich, ich müsse verrückt geworden sein! Wer kletterte denn eine dieser gigantischen Tannen hoch, um sich von Bienen stechen zu lassen? Doch dann verblasste mein schöner Traum, ich öffnete meine Augen und fand mich nicht auf Geäst wieder, sondern in feinen Lacken und zum Glück stachen mich auch keine Bienen, eher kitzelten die Sonnenstrahlen in meiner Nase.
Etwas schwerfällig richtete ich mich auf und streckte als erstes all meine Glieder stöhnend von mir.
„Woah!"
Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen. Gerade wollte ich die Decke von mir strampeln und mich danach aus dem Bett schwingen, als es auf einmal neben mir grummelte. Zu meiner Rechten war ein riesiger Deckenhaufen aufgestockt, unter dem Füße und Hände hervor lugten. Diese waren jeweils unbedeckt, weder zogen sich bunte Socken über die Zehen noch prangten Ringe an den langen Finger, doch war eine der beiden Hände in einer Schiene gebettet. Sofort wusste ich, welches liebenswerte Monster unter der Decke schlummerte: Es war Hoseok.
Dann musste es auch Hoseok sein, von dem dieser herrliche Duft ausging. Der Duft, der warm, voll und gleichzeitig frisch roch, der mir jetzt ein leichtes Lächeln auf meine Lippen zauberte und durch denn ich gestern Nacht einen ruhigen Traum fand.
Gestern Nacht!
Mit einmal zerplatzte meine süße, nach Honig duftende Seifenblase und alle Erinnerungen der letzten Nacht machten sich in meinen Gedanken breit.
Ich erinnerte mich an meinen kleinen Kookie, wie er ganz schwach in meinen Armen geweint, gewimmert und gezittert hat und ich hätte fast geschrien vor Schreck. Wo ist mein kleiner Bruder? Panisch springe ich aus dem Bett. Kaum habe ich auch nur einen Schritt vor den anderen gesetzt, stolper ich über irgendetwas und falle zu Boden. Ich blicke auf und sehe, was mich zum Stolpern gebracht hat, und mir jetzt ein Anblick offenbarte, der mich höchstens zum Quietschen bringen würde.
Ich bin über Jimins Fuß gefallen. Dieser liegt mit ausgestreckten Beinen auf seinem Teppich und kuschelt mit meinem Bruder, als wären die beide ein frisch verliebtes Pärchen. Kookies Arme haben sich um Jimins viel größeren Oberkörper geschlungen, während die Hand des Älteren zwischen den schwarzen Locken meines Bruders verschwunden war. Oh, sehen die süß zusammen aus! Da haben sich aber wohl zwei gefunden. Ich schmunzel und beschließe, dass Haus etwas zu erkunden, immerhin wollte ich keinen der drei wecken. Das war gestern eine ziemlich anstrengende Nacht für uns gewesen und vor allem Kookie brauchte jetzt mehr als genug Schlaf.
Ich guckte in jeden Raum bis ich mein Ziel erreicht hatte: Die Küche.
Es war eine sehr moderne Küche. Die Theke und die Arbeitsplatten waren von hellen Brettern aus Keramik bedeckt, die Türen der Schränke glänzten hellblau und der kleine Kühlschrank in der Ecke sah so aus, als hätte man ihn aus den 1950ern gestohlen. Zudem hingen überall an den Wänden bunte Bilder von Jimin, Hoseok und der Familien, wie ich vermute. Ich sah mir die Bilder etwas genauer an: Auf einigen Bildern umarmte Jimin einen älteren Mann und eine ältere Frau, wahrscheinlich seine Eltern, während Hoseok eine Menge an Peace-Zeichen in die Kamera hielt. Dabei lachte er und seine Lippen verzogen sich zu einen großen, roten Herz. Wow! Er hat wirklich das schönste Lachen, das ich je gesehen habe. Ich blieb an diesen Bildern hängen, betrachtete verträumt weitere Bilder, auf denen er so wunderschön lachte, bis sich mein Herz plötzlich zusammen zog. Ich starrte auf ein Bild, auf dem mich kein rotes Herzchen angrinste.
Auf diesem Bild küsste Hoseok einen anderen Mann auf den Mund.
„Morgen Taehyung, warum bist du denn schon so früh wach? Oh! Siehst du dir Hobi und meine Foto-Wand an?"
Erschrocken fuhr ich zurück. Hinter mir stand Jimin und lächelte mich freundlich an.
Irgendwie fühlte ich mich ertappt, ich fühlte mich so schüchtern wie ein kleiner Junge, der mit seinem Fußball das Fenster der Nachbarin eingeschlagen hatte, und ich spürte, wie meinen Wangen ganz warm wurden. Ich grüßte kleinlaut zurück und Jimin fing plötzlich an lauthals zu lachen. Warum auch immer?
„Dir muss es doch nicht unangenehm sein. Jedes Mal, wenn wir neue Freunde mit nach Hause bringen, starren sie erst einmal unsere Wand an. Das ist für uns beide schön völlig normal. Wir müssen jedoch unbedingt noch ein Foto von Hobi, Jungkook, dir und mir zusammen machen und es da aufhängen. Immerhin seid ihr ja jetzt auch unsere Freunde" Er schenkte mir ein fröhliches Lächeln, ehe er sich von mir abwendete und zu dem kleinen Retro-Kühlschrank zusteuerte.
„Willst du mir beim Kochen helfen? Ich bin mir sicher, dass die beiden Schlafmützen auch jeden Moment aufstehen werden. Was essen Jungkook und du denn alles so?"
„Naja, ich esse alles, außer vielleicht so einem komischen Salat. Ich kann mit dieser ganzen Rohkost einfach nichts anfangen. Jungkook dagegen liebt all das Knabberzeug. Ich glaube es liegt daran, dass er zur Hälfte ein kleiner Hase ist, denn Kookie isst auch kein Fleisch oder Fisch, aber wer weiß das schon."
„Naja, Jin könnte das wissen. Jin ist der Arzt von gestern und er hat sich auf dem Gebiet Hybrid spezialisiert."
Wir sprachen noch eine gefühlte Ewigkeit über Essen und all die verrückten und vielleicht auch verstörenden Essgewohnheiten von Jimin und Hobi. Während Jimin mir erzählte, wie er angefangen hat, Parmesan mit Honig zu essen, durchforstete ich die Schränke und stoß dabei auf einen wahren Schatz. Ich fand eine kleine Dose mit japanischer Rote Bohnenpaste und vor Freude sprang ich kurz in die Luft.
„ Jimin! Jimin! Jimin! Können wir Mochies zum Frühstück machen?"
Er sah mich kurz etwas verwirrt an, bis sich seine Augen zu zwei schmalen Mondsicheln verzogen und er abermals laut lachte. Er nickte und schon standen wir beide vor dem Herd und rührten eifrig im Topf herum.
Nach einer Stunde waren die gefüllten Reisbällchen auch schon fertig und Hoseok und mein Bruder waren auch endlich zu uns gekommen. Gemeinsam hatten wir uns dann an den kleinen Esstisch in der Küche gesetzt und angefangen zu quatschen, auch wenn sich Kookie noch ganz schön zurück hielt. Es war ein nettes Gespräch und uns alle umgab eine so friedliche und freundliche Aura, dass ich mich zum ersten mal so fühlte, als wäre ich endlich zu Hause angekommen.
(1104 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 16.06.2017
Überarbeitet am 09.06.2019
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