4. ,,Mensch!"

,, Mensch! ''

> Jimin <

Zwei große, tränende, braune Augen starren mich an und ich bekomme das Gefühl, als könnte ich all die Angst des kleines Hasen sehen und in mir spüren. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich war völlig gefesselt von diesem wunderschönen Braun, den langen, tiefschwarzen Wimpern und den vielen kleinen Tränen, die sich aus seinem Augenwinkeln lösten und über seine Wangen flossen. Sie glitzerten wie die salzigen Wellen am Strand meiner geliebten Heimatstadt Busan und seine milchig weiße Haut erinnerte mich an weichen Strandsand. Plötzlich verschwand die wunderschöne Weiche. Sein Kopf lief hochrot an, während seine Knöchel ganz bleich von diesem kräftigen Griff, mit dem er sich an seinen Bruder geklammert hatte, wurden. Tränen tropften auf das dunkelgraue Oberteil, das locker auf Taehyungs Brust lag und in welches der Hase sich mehr und mehr versteckte. Bald war nur noch sein schwarzer Wuschelkopf zu sehen. Sein kleiner Körper zitterte wie Yoongi beim Twister-Spielen und seinem Bruder kamen ebenfalls die Tränen. Er verzweifelte völlig bei dem Versuch, Jungkook zu beruhigen. Erschöpft sah Taehyung zu mir.

Ich verstand sofort und verließ das Zimmer.
Die beiden hatten die letzten Wochen vieles durch gemacht und Dinge erlebt, die ich mir nicht einmal in meinen Träumen vorstellen könnte. Waren beide wirklich von ihrem Ziehvater oder möglichen anderen Erwachsenen misshandelt worden, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen, was dem Kleinen gerade durch seinen Kopf ging. Er war traumatisiert und brauchte jetzt mehr denn je die Zeit mit seinem großen Bruder.
Ich hasse mich dafür selbst, aber ich konnte es mir einfach nicht nehmen. Ich wusste nicht einmal warum - entweder war ich neugierig oder besorgt - aber ich blieb an der Tür stehen. Ich hockte mich hin und drückte mein Ohr an die Holztür, um zu lauschen und einen kleinen Blick durch das Schlüsselloch auf das Geschehen im Raum zu werfen. Gedämpft nahm ich die tiefe Stimme des Hundes war, die viel ruhiger klang als das letzte Mal, an dem ich sie gehört hatte. Er zischte und schrie nicht mehr, er sprach ganz sanft und vorsichtig, strich dabei durch die rabenschwarzen Locken von Jungkook.

„Shh~ Hab keine Angst Kookie, du musst nichts mehr befürchten. Er wird dir und mir nichts tun. Nachdem du bewusstlos geworden bist, kam er zu uns und hat uns geholfen. Er hat den Jungen vertrieben und uns zu sich nach Hause gebracht. Sein Freund hat uns untersucht und verarztet. Dank ihm geht es dir jetzt besser. Sein zweiter Freund hat uns sogar etwas zu essen gebracht. Sie sind alle ganz nett."

„Das ... das ist nicht wahr. Sie sind Menschen wie Abeijo. Sie schreien, sie schlagen, sie treten und sind einfach nur grausam. Du kennst die doch gar nicht! Warum sagst du, sie sein nett? Er hat uns im Haus ganz allein zurück gelassen, ist nie mehr wieder aufgetaucht und wir wären in diesem Raum fast verhungert. Er hat uns geschlagen und danach hat er uns eingesperrt zwei Tage lang ohne Nahrung. Zwei Tage! Warum sollte er es nicht auch tun?"

Taehyung zitterte und ich auch. Zum ersten Mal habe ich die Stimme von Jungkook gehört und ich war völlig überrascht und entsetzt zugleich. Ich weiß nicht, was ich mir genau vorgestellt hatte, vielleicht ein kleines, quietschendes Stimmchen, aber sicherlich nicht so etwas. Seine Stimme war wunderschön, sie klang wie Honig und warme Milch an einem Winterabend vor dem Karmin, aber gleichzeitig so kalt und gefühlsfern. Ich musste schlucken. Eine so traumhafte Stimme hatte jedes Recht, zu kichern, zu lachen und vor Freude zu singen, um jeden den bloßen Atem zu rauben. Das sie es nicht konnte, brach mir das Herz.

Warum wurde ihnen so etwas Schreckliches angetan? Sie sollten verhungern und in einer elendigen Ecke verrecken. Welcher normale Mensch, würde so etwas seinen Ziehkindern antun?

Auch, wenn es mich etwas erleichterte, dass meine schlimmste Befürchtung nicht eingetreten war, konnte ich nicht ruhen. Taehyung versuchte weiterhin auf Jungkook ein zureden, dass Hobi-Hyung und ich den beiden nichts antun würden. Ich hoffe er hat damit Erfolg, denn eins ist sicher: Die beiden werden auf keinen Fall wieder zurück geschickt. Sie werden mit uns leben, wir werden uns um beide kümmern und wir werden für sie eine Arbeit finden, egal was das bedeuten wird. Die beiden haben es verdient, mehr als jeder andere.

Aus meinem Zimmer war nur noch ein kleines Wimmern zu hören und durch das Schlüsselloch konnte ich sehen, dass sich beide unter die Bettdecke gekuschelt hatten. Sie hielten sich gegenseitig im Arm und schliefen bald darauf hoffentlich friedlich ein. Ich blieb noch einige Zeit an der Tür stehen, um sicher zu gehen, dass den beiden an nichts fehlte, als plötzlich Hobi zu mir trat. Er gab mir eine Decke und ein Kopfkissen und gemeinsam gingen wir dann ins Wohnzimmer, um die Couch zum Gästebett aus zu ziehen, in dem ich heute schlafen werde.

Doch ich konnte einfach nicht einschlafen. Ich wälzte mich hin und her, lag einmal auf der linken und dann auf der rechten Seite der Couch und versuchte sogar, Schäfchen zu zählen, aber ich konnte nicht einschlafen. Schließlich gab ich die Hoffnung auf, rollte mich aus dem Gästebett und ging in die Küche. Vielleicht hilft ja ein warmes Glas Milch. Ich kochte die Milch auf dem Herd auf, füllte sie in meine Lieblingstasse, die ich für solche Fälle immer aus der hintersten Regalecke heraus kramte, und setzte mich an den Küchentisch. Nicht einmal das half noch irgendetwas. Mich beschäftigten die beiden Hybriden einfach zu sehr, ich hatte Angst, dass ihnen etwas passieren könnte und dieser elende Gedanke, fraß mich innerlich auf.

So stellte ich meine leere Tasse in die Spüle und schlürfte zu meinem Zimmer. Sollten die beiden endlich ruhig und friedlich schlafen, wollte ich sie auf keinen Fall stören, weshalb ich wieder einmal mein Ohr gegen die Zimmertür presste. Morgen wird sicherlich ein schöner großer Fleck zu sehen sein, wenn es weiter so geht. Zum Glück könnte ich nichts hören, kein Wimmern, kein Schluchzen. Alles war still. Zufrieden und erleichtert wollte ich mich schon umdrehen und zurück zu meiner Couch watscheln, als plötzlich ein Schrei, so laut und kräftig wie ich ihn noch nie gehört habe, mich, Hobi und unsere gesamte Wohnung erschütterte.

(1030 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 05.06.2017
Überarbeitet am 05.05.2019

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top