3. Erwachen


> Taehyung <

Ich saß auf diesem großen Bett in diesem fremden Raum und hielt verängstigt die kleine Hand meines Brüderchens.
Ich sah ihn an, wie er in diesem riesigen Bett lag und in den weichen Lacken fast versank, sah einen Verband um seinen schwarzen Wuschelkopf wie seinem rechten Öhrchen und wie blass und dürr er wirkte.

„Mein Häschen, es tut mir so unfassbar leid. Ich konnte dich nicht beschützen, dabei bin ich doch dein großer Bruder. Ich habe dich enttäuscht und dazu auch noch verletzt. Es tut mir so unvorstellbar Leid. Darf ich trotzdem um etwas bitten? Ich hoffe es ist nicht zu viel verlangt. Bitte, kleiner Bruder, wach schnell wieder auf."

Ich hörte, wie sich die Tür plötzlich öffnete. Meine Ohren stellen sich gespannt auf, als ich zwei Paar Füße ins Zimmer schleichen hörte, und entspannen sogleich, nachdem ich sah, dass nur Jimin mit einem anderen Jungen zusammen, höchstwahrscheinlich seinem Mitbewohner, im Zimmer stand. Mein Blick blieb dennoch weiterhin auf die Bettdecke gerichtet.

Sie sollen meine Tränen nicht sehen.

Ich wischte mir die Tränen von den Wangen, als Jimin mich fragte, ob ich denn Hunger hätte, und sich mit dem anderen Jungen zu mir setzte. Dieser stellte sich mir dann als Hoseok vor, bevor er mir mit geschienter Hand eine Schale voll dampfender Suppe reichte. Dankend nahm ich sie an, er verließ daraufhin das Zimmer und nun saß ich allein mit Jimin und meinem verletzten Bruder in diesem wildfremden Zimmer. Eigentlich war das Zimmer sehr schön eingerichtet: Die Wände waren Himmelblau gestrichen und mit Postern behangen, auf weißen Kommoden standen pastelgelbe Dekorationen und ein beige gefärbter Fusselteppich bedeckte das helle Laminat.
Der Raum wirkte sehr modern, freundlich und verspielt. Es beeindruckte mich, mit wie viel Liebe und Sorgfalt dieser eingerichtet worden war, kannte ich doch nur das graue Zimmer ohne Fenster und Licht, indem mein kleiner Kookie und ich die letzten Jahre drinnen verbracht hatten.

Es fiel mir sehr schwer, meinen Blick von diesem schönen Schlafzimmer zu lösen, dennoch tat ich es, als sich Jimin an mich wandte. Er rutschte näher an mich, um seinen Arm auf meine Schulter legen zu können und mich in eine herzliche Umarmung zu ziehen. Bevor ich noch etwas von der Suppe verschüttete, stellte ich meine Schale auf einen kleinen Nachttisch, auf dem schon ein Schälchen für Kookie stand. Ich gab mich nun dem Trost von Jimin hin, er strich sanft über meinen Rücken und ich nickte traurig, während er mir zuflüsterte:

„Keine Angst Taehyung, dein Bruder wird bald aufwachen. Er muss sich nur etwas ausruhen und Kräfte tanken. Dass solltest du übrigends auch mal. Ihr beiden seid ja fast nur noch Haut und Knochen. Willst du nicht etwas essen?"

Ich schüttelte stur den Kopf, ich war einfach zu aufgewühlt zum Essen, doch mein Bauch hatte andere Pläne und knurrte laut los. Jimin schmunzelte und gab mir meine Schale, die ich hochrot annahm. Vorsichtig nahm ich den ersten kleinen Bissen, danach den zweiten und dann noch einen bis die Schale schließlich lehr war.
Ich hatte gar nicht gemerkt, was für einen Hunger ich hatte. Die letzten Wochen haben Kookie und ich uns mit dem wenigen Ersparten durch die Stadt gekämpft, wir kamen hin und wieder bei einer alten, liebevollen Großmutter unter, bekamen etwas Warmes zu essen und konnten ein paar Stunden schlafen, mussten am Ende aber doch wieder fliehen.
Wir Hybriden sind bei vielen Menschen nicht sehr erwünscht, dennoch können sie uns einfach nicht sterben sehen.

„Nah, hat's geschmeckt?"

Jimins Frage rüttelte mich aus meinen Gedanken. Eifrig nickte ich dem Größeren zu und stellte die Schüssel weg, worauf er mit mir ein Gespräch begann. Ich hörte ihm aufmerksam zu. Er redete über den Koch dieser leckeren Suppe, erzählte von dessen tollpatschigen Mann und ihrem kleinen Hybrid, eine Katze namens Yoongi. Seltsamer Name für ein kleines Kätzchen. Etwas schüchtern fragte ich ihn dann auch etwas, wieso sein Freund Hoseok denn beispielsweise diese Schiene trug, und ich erfuhr, dass er und Jimin als Tanzlehrer in einem ziemlich bekannten Studio arbeiteten. Sie waren Trainees für eine Idolgruppe, die nie debütiert hat, und haben sich dann dazu entschlossen, sich ihre Träume vom Tanzen auf einer normalen Tanzschule zu erfüllen.

Das klingt wirklich schön, wie die beiden ihr Leben leben. Sie wurden zwar bitter enttäuscht, haben aber nie aufgegeben und haben jetzt einen Job, der ihnen scheinbar sehr viel Spaß macht. Ich wünschte, Kookie und mir wäre das auch möglich. Aber, wir beide werden nie arbeiten gehen. Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt zur Schule gehen und unseren Abschluss machten durften.

Plötzlich rekelte sich etwas neben mir. Ich war ganz überrascht und erschrak, bis ich erkannte, dass es nur mein Bruder war. Erst dachte ich, der Kleine hätte sich im Schlaf nur gedreht, doch sahen mich auf einmal zwei braune, runde, glasige Kulleraugen an.

Er wachte auf!

Er blickte ganz verschlafen und, bevor er überhaupt bei Bewusstsein war, sprang ich ihm in die Arme und knuddelte meinen kleinen Hasen kräftig, während Freudentränen über meine Wangen liefen. Völlig orientierungslos blickte er durch Jimins Zimmer, was ihn scheinbar nur noch mehr verwirrte. Ich löste mich von dem Kleinen und wollte ihm alles erklären, als sein Körper sich auf einmal anspannte und zu zittern begann. Mein kleiner Bruder hatte seine Augen ganz weit aufgerissen, sich ins weiche Kissen hinein gequetscht und sein eines Pfötchen ausgestreckt. Verängstig zeigte er damit auf Jimin und schrie aus voller Kehle:

"Mensch!"

(895 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 02.06.2017
Überarbeitet am 27.04.19



Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top