29. Schlimmer geht immer!
> Jungkook <
Mittlerweile war es Abend geworden. Mehrere Stunden waren vergangen, in denen Ich mit meinem Bruder zusammen im Wohnzimmer saß und auf die Heimkehr unserer beiden Freunde wartete. Zwischendurch hatte Taetaes Handy angefangen zu klingeln: Hobi-Hyung hatte ihm geschrieben, dass er und Jimin noch etwas Zeit bräuchten und erst später nach Hause kämen, und wir beide deshalb unbesorgt sein sollten. Leichter gesagt als getan... Mit jeder weiteren halben Stunde, die verging, sank in mir die Hoffnung, dass der heutige Tag noch einen fröhlichen Abschluss finden könnte.
Ich fühlte mich wie ein Verbrecher, der bei seiner Tat ertappt worden war und den man ohne ein Wort zu verlieren in eine Zelle gesperrt hatte. In dieser Zelle saß ich nun und mir blieb nichts Weiteres über, als über das Geschehene nachzudenken. Immer wieder spielte sich die Szene vor meinem inneren Auge ab, ließ die Härchen an meinem Körper starr aufstellen und drückte mein Herz ganz fest zusammen. Bald schon empfand ich nichts anderes mehr als Scharm und Reue. Mit einmal bedauerte ich es aufrichtig, diesen Traum gehabt zu haben, welcher mir vor wenigen Stunden noch meine ganze Welt bedeutete. Aber jetzt hatte mein Traum alles zerstört.
Unruhig lehnte ich mich an meinen Bruder. Er kraulte mir sanft durch meine dunklen Locken und versicherte mir aufmunternd, dass alles in Ordnung sei. Immer wieder sagte er mir, am Träumen sei doch nichts verkehrt und er würde mich immer unterstützen, aber das alles erschien mir unwichtig. Ich liebte meinen Bruder aus ganzem Herzen und glaubte ihm jedes einzelne Wort, das er mir sagte, doch der Zweifel tief in mir ließ sich dadurch nicht überwinden. Ich weiß doch, dass mein Bruder immer für mich da sein wird, doch ich würde es viel lieber noch von Jimin hören wollen. Seit einiger Zeit war ich mir nun auch sicher, dass ich Jimin liebte. Er bedeutete mir alles, sein Wort war Gesetz und mir kam es gar nicht in den Sinn, an Jimins Liebe zu zweifeln. Wieso sollte ich es auch, immerhin habe ich mich die letzten Wochen und Monate bei Jimin so sicher, geborgen und geliebt gefühlt, wie ich es noch nie konnte, doch all diese Gefühle waren innerhalb weniger Augenblicke zerstört worden. All die Liebe war mir genommen worden und denn einzigen, den ich dafür verantwortlich machen konnte, war ich selbst.
Deprimiert löste ich mich aus Taetaes Umarmung und trottete traurig ins Badezimmer. Dieses war der einzige Raum in unserem beschaulichen Zuhause, dessen Tür man abschließen konnte, um allein gelassen zu werden und im Moment wünschte ich mir nichts lieber, als nur für mich zu sein. Ich trat in das kleine Badezimmer ein, schloss die Tür hinter mir, legte mich auf den flauschigen, warmen Teppich und blieb einfach so liegen. Allmählich verlor ich das Gefühl für Raum und Zeit und erschöpft schlief ich auf dem Boden ein.
Ich erwachte aus meinem traumlosen Schlaf durch ein schwaches Klopfen an der Badezimmertür. Erst wollte ich es ignorieren. Ich dachte, niemand könne mich aus meinem sicheren Reich herauslocken, doch als plötzlich seine Stimme ertönte, änderte ich meine Entscheidung. Langsam stand ich auf und ging zur Tür herüber. Jeder Schritt, welcher mich näher zu ihm führte, fiel mir schwerer und schwerer, doch irgendwie hatte ich es dennoch geschafft. Ängstlich entriegelte ich das Schloss und stieß die Tür auf. Hinter ihr wartete Jimin schon auf mich. Seine dunklen Augen ernst auf mich gerichtet hielt er mir seine Hand entgegen. Zögerlich nahm ich sie an und wir gingen vor die Tür. Es war schon dunkel draußen, doch die zahlreichen Straßenlaternen erhellten für uns die gruselige Dunkelheit. Während Jimin noch seine dicke Jacke trug, mit der er vor einigen Stunden auch aus der Wohnung gestiefelt war, zitterte ich unter dem dünnen Pullover, den ich trug, sehr. Es war kalt und unangenehm windig, doch ich ließ mir nichts anmerken.
„Jungkook, ich muss mit dir sprechen.", fing Jimin an zu erzählen. „Erst einmal wollte ich mich dafür entschuldigen, wie ich vorhin reagiert habe. Das war ziemlich blöd von mir und es tut mir leid."
Ich nickte anerkennend, traute mich jedoch nicht ihm in die Augen zu blicken. Hätte ich das gemacht, hätte ich vielleicht den Kampf gesehen, welchen Jimin gerade mit sich selber austrug. Um alles auf dieser Welt versuchte er stark zu bleiben und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn dieses Thema schmerzte, doch von all seinen Mühen spürte ich nichts.
Er fuhr fort: „Ich würde mich auch wirklich gern für dich freuen, doch das kann ich einfach nicht. In all den letzten Wochen habe ich dich kennlernen dürfen, du bist mir so vertraut wie sonst kein Zweiter und deshalb muss ich dir die Wahrheit sagen. Ich glaube voll und ganz, dass die Kpop-Industrie nichts für dich ist. So eine kleine, süße Person, wie du es bist, wird es in diesen schweren Beruf nicht schaffen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es nicht nur Talent braucht. Du musst Ehrgeiz und Disziplin haben und ich weiß einfach, dass du-"
„ Dass ich das alles nicht habe, oder? Du denkst ich kann es nicht schaffen und bist enttäuscht von mir, oder? Du hast mich die letzten Wochen kennengelernt und denkst, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin, dass ich auch wirklich gar nichts kann, oder?"
Hysterisch schrie ich Jimin an. Die Tränen sprudelten mir nur so aus den Augen. Jedes weitere Wort, was Jimin mir gesagt hatte, schmerzte mehr und mehr. Ich bekam das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen. Als mich die Erkenntnis erreichte, was Jimin wirklich von mir dachte, wandelte sich all mein Schmerz in Wut um und ich konnte dieses Gefühl nicht mehr kontrollieren. Mit vor Schmerzen brennenden Augen starte ich Jimin einfach nur fassungslos an. Wie in Trance begann ich plötzlich unaufhörlich all meinen Zweifel, meine Enttäuschung und meine unerwiderte Liebe heraus zu schreien. Ich knallte meinem Gegenüber Beschimpfungen an den Kopf, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie kenne, bevor ich weinend in die Wohnung zurück rannte.
Jimin ließ ich einfach wortlos zurück. Später kam er mit verheulten, rot angeschwollenen Augen zurück in die Wohnung, doch wir sprachen den ganzen Abend kein Wort miteinander. Die Nacht über schlief er auf der Couch, während ich mich in unserem Bett einkuschelte, ganz fest mein Kopfkissen drückte und mich in den Schlaf weinte.
Das war mit Abstand der schlimmste Tag in meinem gesamten Leben.
(1 052 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 20.10.2017
Überarbeitet am 07.02.2021
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