28. Sorgen
> Hoseok <
Eilig rannte ich meinem besten Freund nach, der plötzlich wütend aus dem Haus gestiefelt war. Auch mich hat die Offenbarung unseres kleinen Häschens sehr überrascht, auch wenn sie mir weder abwegig noch schlecht vorkam. Im ersten Moment hatte ich einfach nur Freude für Jungkook empfunden und war dem Jüngeren liebevoll um den Hals gefallen, was es mir völlig schleierhaft machte, wieso Jimin ganz anders reagiert hat. Einige Meter vor der Haustür konnte ich den Kleineren schließlich aufhalten. Ich griff nach seiner Hand und drehte ihn rasch zu mir. Ohne dass ich damit gerechnet hätte, schlug mir mein Freund die Hand jedoch zornig weg und keifte: „Lass mich in Ruhe!" Bevor er sich in seinem Tobsuchtsanfall wieder von mir abwenden konnte, tat ich dass Einzige, was mir möglich schien, um ihn davon abzuhalten. Mit etwas Anlauf sprang ich auf Jimin drauf und wir beiden stürzten zu Boden. Mir machte der Fall nichts aus, aber Jimin schien von seinem neuen Job als Ganzkörperkissen weniger begeistert zu sein, da er mit all seiner Kraft versuchte, mich von sich herunter zu zerren. Weil ich jedoch nicht nur älter sondern auch größer und schwerer war als er selber, gestaltete es sich für den Jüngeren sehr schwierig, wenn nicht ganz unmöglich. Nach einiger Zeit gab Jimin schließlich auf und ich nutze meine Überlegenheit aus, um mit ihm das Gespräch fort zu führen, was er vorhin so uncharmant beendet hatte.
„ So, da du dich jetzt endlich etwas beruhigt hast, kann ich dich sicherlich etwas fragen: Was ist dein Problem? Was war das für eine asoziale Nummer vor Jungkook? Ich dachte du willst das Beste für den kleinen Hasen, warum freust du dich denn nicht?"
„ Ernsthaft?! Wir saßen doch im selben Boot. Warum verstehst du nicht, was ich jetzt fühle?"
„Jimin, hör auf so einen Stuss zu reden. Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst!"
„ Versteh es doch: Gerade weil ich das Beste für ihn will, kann ich mich nicht für Kookie freuen!"
Während meiner Ansprache war meine Stimme immer lauter und wilder geworden. Ich wollte endlich wissen, was mit Jimin los war, doch kaum hatte mir der Kleine Antwort gegeben, war von meiner absoluten Empörung nichts mehr zu spüren. Was meint er damit? Äußerst irritiert von seinen Worten, ließ ich von meinem Gegenüber ab, den ich, ohne dass ich es merkte, an den Schultern gegen den Boden gedrückt hatte. Vorsichtig krabbelte ich von Jimin herunter, richtete mich wieder auf, bevor ich ihm meine Hand helfend reichte. Anders als vorhin - nahm der Jüngere sie nun dankend an und ließ sich an ihr hoch ziehen. Als wir beide wieder auf unseren Beinen standen und uns den Dreck von unseren Hosen geklopft hatten, deutete Jimin mir an, mit mir ganz allein und in Ruhe über das Ereignis sprechen zu müssen. So holte ich also mein Handy aus der Tasche und schrieb meinem Schatz, dass Jimin und ich erst später nach Hause kommen würden und sie sich deshalb keine Sorgen machen müssten. Nachdem die Nachricht verschickt wurde, machten wir beide uns auf den Weg zu unserem geliebten Kaffeehaus.
Dort angekommen blieb die Stimmung so gedrückt wie am Anfang. Apathisch bestellte sich jeder für sich sein Getränk, in denen wir eine Weile drinnen herum rührten, bis die Kaffees kalt waren. Erst dann blickten wir beide uns erneut an und mein bester Freund erzählte mir, was los war.
„Also wegen Jungkookie...", verlegen fasste Jimin sich an den Nacken. „Ich weiß, ich hätte nicht so reagieren dürfen. Es war falsch, vor allem da ich wusste, dass es ja nicht unser Jungkookie selbst war, der uns das Prospekt gezeigt hatte. Er hatte selbst einfach zu große Angst, dass wir wütend und abweisend reagieren würden, und was habe ich getan?! Genau das! Ich war die Person, die ich selbst nie sein wollte, die anderen die Träume raubt. Das habe ich ja ganz toll angestellt..."
Aufmunternd legte ich meinem deprimierten Freund die Hand auf sein Knie. Stumm bat ich ihn, fort zu fahren, und nahm dabei einen großen Schluck aus meiner Tasse. „Mach dich deswegen jetzt nicht selbst so nieder. Wichtiger ist doch viel mehr, warum du so reagiert hast, oder?" Auf meine Frage antwortete Jimin mir einem traurigen Nicken, bevor er eine Erklärung beifügte:
„Wenn ich ehrlich bin, kann ich gar nicht beschreiben, was mir plötzlich durch den Kopf ging, als ich das Prospekt gesehen habe. Das einzige, an das ich denke konnte, war wie ich selber als Jugendlicher so einen Aushang in unserer Tanzschule gesehen hatte. Damals hat mein Herz sofort schneller geschlagen. Mit dem Traum, irgendwann einmal auf der großen Bühne stehen zu können, war ich dann zum Vortanzen gegangen und wurde in das Unternehmen aufgenommen. Bis heute glaube ich, dass war einer der schönsten Momente meines ganzen Lebens, doch alles was danach kam, war die Hölle auf Erden. Erschöpfung, Schmerzen, Demütigung, das Gefühl, nie gut genug zu sein, und die Beleidigungen, die ich über meinen Körper bekam, haben meine gesamte Traineezeit bestimmt. Ich habe Jahre lang diese mentale Folter über mich ergehen lassen, doch am Ende hat es sich einfach nicht gelohnt. Wir wurden keine berühmten und erfolgreichen Idols, man hat uns voller Selbsthass und Erschöpfung am Ende einfach fallen gelassen. Ich ... ich konnte plötzlich einfach an nichts anderes mehr denken, als an damals. Ich möchte nicht, dass mein Häschen diesen ganzen Scheiß auch durchmachen muss. Ich möchte nicht, dass er in dieselbe Situation kommt, in der wir waren. Verstehst du mich jetzt?"
Ich nickte. Zum Ende seiner kleinen Ansprache, fiel es Jimin immer schwerer, sich selbst und seine aufkommenden Erinnerungen sowie Gefühle unter Kontrolle zu halten. Einige Tränen hatten sich in seinen Augen gesammelt und ich fühlte mich, als würde ein Dolch mein Herz durchstoßen, als ich meinen besten Freund so leiden sah. Ohne Umschweifen hatte ich ihn in eine dicke Umarmung gezogen, strich ihm beruhigend über den Rücken und litt still mit ihm. Selbst ich erinnerte mich nur ungern an diese Zeit zurück.
Wir waren, nachdem unser Debut im letzten Moment abgesagt wurde, einfach weinend zusammen gebrochen. Wir standen urplötzlich vor dem nichts, hatten weder Geld noch Kraft weiter zu machen und wären womöglich sonst wo geblieben, wenn Jin uns damals nicht aufgesammelt und unterstützt hätte. Vor allem dem Jüngeren hatte der ständige Leistungsdruck zugesetzt. Er hatte erschreckend viel Gewicht und all sein Selbstvertrauen verloren. Das wieder her zu stellen, hatte sehr lange gedauert und war ein wahrer Höllentrip gewesen.
Selber würde ich es keinem anderen wünschen, diese Erfahrung persönlich durchmachen zu müssen, doch mehr konnte ich auch nicht tun. Im Endeffekt war die Zeit vor allem ein wichtiges Erlebnis, das jeder, der es wirklich vom tiefsten Herzen aus wollte, selbst durchlaufen sollte. Wenn es wirklich Kookies größter Traum war, auf der Bühne zu stehen, dann sollten wir ihn selbst die Entscheidung treffen lassen, oder? Allmählich löste ich mich von meinem besten Freund, der sich noch die letzten Tränenspuren von der Wange wischt. Ich schenke ihm ein aufbauendes Lächeln, bevor ich ihm andeute, mit mir zusammen aufzustehen. Er bleibt unwissend vor der Eingangstür stehen, als ich zum Tresen ging, um unsere fast nicht angerührten Getränke zu bezahlen. Kaum stand ich wieder neben ihm, fragte er, was wir jetzt eigentlich machen würden, und mit einem Grinsen auf den Lippen antwortete ich:
„Wir gehen jetzt zurück nach Hause. Du und Jungkook müssen ein ernstes Gespräch miteinander führen."
(1209 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 10.10.2017
Überarbeitet am 05.01.2021
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