26. Geständnis
> Taehyung <
„Ich liebe dich, Hobi!"
Mir bleibt der Atem stehen. Vor wenigen Sekunden, schien mein Leben zu schön um wahr zu sein: Hobis Tanzeinlage, seine flüssigen Bewegungen und sein gefühlvoller Ausdruck ließen mich auf Wolke sieben schweben. Doch mit einmal verpuffte der weiche Wattebausch, auf dem ich träumte, ich fiel und landete in seinen Armen. Die Emotionen überkamen mich, mein Gehirn hörte auf zu arbeiten und in völliger Perplexität stieß ich das aus, was mein Herz schon so lange zu verstecken versuchte. Jetzt ist alles zerstört! Mir wird langsam bewusst, dass es unmöglich ist, die Worte, die meinem Mund entwischt waren, wieder zurück zu holen. Panisch legte ich mir die Hände auf meinen Mund, fast so, als würde ich um alles in der Welt verhindern wollen, abermals die Kontrolle über meinen Gedanken zu verlieren. „Du hast es ihm gesagt, jetzt wird er dich ablehnen. Du hast es ihm gesagt und damit eure Freundschaft zerstört.", sind Sätze, die plötzlich in meinem Kopf auftauchen und alle meine Gedanken verdrehen. Mir wird schlecht und die Welt um mich herum beginnt sich im Kreis zu drehen. Mit einmal ist mir alles egal, mich überkommt das unerklärliche Verlangen zu Rennen, soweit fort zu rennen wie es nur irgend möglich ist und – ohne das ich es bemerke – setzen sich meine Beine auch schon in Bewegung.
„Es tut mir so leid!", stoße ich verzweifelt aus meinen Lungen hervor. Es ist nicht viel lauter als ein Flüstern, denn in diesem Moment schaffe ich es nicht, mehr von mir zu geben. Nun renne ich in Richtung Nirgendwo. Alles verschwimmt und ich weiß weder, wo ich hin will noch wo ich hin renne. Ich weiß gar nichts, nein, eines weiß ich ganz genau: Ich will so schnell, wie es mir möglich ist, weg von Hobi, weg von meinem Geständnis und weg von der Realität. Tränen steigen mir in die Augen. Die salzige Flüssigkeit läuft meine Wangen herunter. Meine Sicht ist vollkommen vernebelt. Immer wieder stoße ich gegen Menschen und Straßenschilder. Nach einer Weile werde ich langsamer, immer lauter werden jedoch meine Gedanken. Was habe ich nur getan!
Außer Puste, mit zitternden, schmerzenden Beinen und klatschnassen Wangen lasse ich mich an dem schäbigen Geländer einer alten Brücke nieder. Meine kalten Hände umgreifen dabei schmerzhaft die rostigen Metallstangen, aus denen sich besagtes Geländer zusammen setzte, während ich müde meine vor Tränen brennenden Augen schließe. Stoßweise presse ich Kohlenstoffdioxid aus meinen Lungen, bevor sich jene wieder panisch mit Sauerstoff füllen. Dieser ist aber viel zu schnell aufgebraucht und erst nachdem einige Momente vergangen sind, schaffe ich meine Atmung wieder unter meine Kontrolle zu bringen. Der Griff meiner Hände lockert sich und vorsichtig öffne ich meine Augen. Der Himmel wolkenleer und strahlendblau. Die Brücke ist Menschenleer, doch in weiter Entfernung sehe ich einen kleinen Punkt hoch und runter wippen und stetig größer und noch größer zu werden. Bald schon verwandelte sich der Punkt und je größer er wird, desto scharfer wird das Bild eines jungen Mannes, den ich nur all zu gut kenne.
„Tae, da bist du ja! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Warum bist du den plötzlich weg gerannt?"
Keuchend stand Hobi vor mir. Sein erwartungsvoller Blick liegt auf mir, er erwartet dringlich eine Antwort , doch ich schaffe es nicht, auch nur ein Wort über meine Lippen zu bringen. Was soll ich denn auch sagen? Joa, das „ich liebe dich." war ernstgemeint, denn jedes Mal, wenn ich dich ansehe, da setzt mein Kopf aus und mein Herz tut einen Freudensprung? Traurig senkt sich mein Blick und ich lege meinen Kopf in meine Hände. „Es tut mir Leid, Hobi.", flüstere ich in meine Ärmel, bevor erneut die Dämme brechen. Ich erwarte tief in meine Einsamkeit zu versinken, hoffe, dass er geht und mich einfach zurück lässt, doch es kommt alles ganz anders. Der Ältere setzt sich zu mir, plötzlich spüre ich diese wohlige Wärme neben mir und seine starken Arme legen sich um mich und meinen zitternden Körper herum. Wir verharren in dieser Position ohne auch nur ein Wort zu sagen, doch mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde rutsch mein Kopf näher an seine Brust. Ich höre seinen gleichmäßigen, ruhigen Herzschlag und schließe genüsslich meine Augen. Seine Hand fährt durch meine Haare und mit einem Räuspern fängt er dann an zu sprechen:
„Tae, solltest du das, was du mir gesagt hast, ernst gemeint haben, dann sollst du wissen, dass ich genauso empfinde. Ich liebe dich auch, mein kleiner Welpe. Ich hatte nur Angst, es dir zu sagen, da ich nicht wusste, wie du empfindest. Es hat mich innerlich zerrissen, meine Gefühle für mich zu behalten – ich weiß also wie du dich fühlst. "
Mein Herz pocht wild gegen meine Brust. Unglaubwürdig hebt sich mein Blick, mit feuchten Augen suche ich nach Bestätigung und zum ersten Mal am heutigen Tag, finde ich sie. „Meinst du das ... ernst?" Als Antwort erhalte ich ein zaghaftes Nicken. Hobi meint das tatsächlich ernst! Das ist kein Traum, oder? Er liebt mich. Oh mein Gott, er liebt mich! All der Schmerz, der bis eben noch in mir hauste, war wie in Luft aufgelöst, und meine Gedanken, die von all der Angst in die Mangel genommen wurden waren, waren freier denn eh und je. Überglücklich mobilisieren sich in mir Kräfte, die ich selbst nicht kannte, und ich springe dem Älteren in die Arme. Meine Lippen drücken sich an die seinigen und seine Zunge umspielt meine. Stöhnend lösen wir uns von einander und ich lasse mich erschöpft in seine Arme gleiten, die mich breit und schützend wiegen. Es ist ganz still, als Hobis Handy klingelt. Er guckt kurz auf den Bildschirm, bevor er mit einem breiten Grinsen sein Smartphone wieder in seine Jackentasche stopft.
„Eine Nachricht von Jin. Er hat mir geschrieben, dass es Jungkook schon wieder besser geht. Wir sollen warme Gemüsesuppe zum Abendessen mitbringen, das eilt aber nicht. Bevor wir in ein paar Stunden Zuhause sein müssen, darf ich meinen festen Freund noch auf einen Tee einladen?"
„Ja, das darfst du."
Wir rappeln uns auf, putzen uns den Dreck von der Hose, bevor wir zurück in Richtung Innenstadt schlendern. Den gesamten Weg über umschließt seine Hand meine und ein prickelndes Gefühl erwärmt mein Inneres, es sagt mir: Das ist wahre Liebe.
(1032 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 29.09.2017
Überarbeitet am 20.09.2020
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