20. Jungkooks Gefühle

„Was ist eigentlich zwischen dir und Jimin?"

> Taehyung <

Gespannt warte ich auf eine Antwort von meinem Bruder, der meine Frage jedoch nur mit einem ganz verwirrten Blick erwidert. Sekunden vergingen und ich sehe, wie es in seinem Köpfchen zu arbeiten beginnt, wie die Zahnräder in seinem Gehirn auf Hochtouren laufen, um dann mit einem winzigen „Oh!" den Knoten zum Platzen zu bringen. Seine Wangen färben sich augenblicklich tief rot und sein Blick senkt sich peinlich berührt zu Boden. Er spielt mit dem Saum seines Oberteiles und murmelt derweil leise vor sich hin: „Ich weiß ga-gar nicht, was du meinst. Da ist n-nichts ... glaube ich. Nein, wir sind nur gut befreundet." Dabei bricht seine Stimme etwas, er redet schnell, viel zu schnell und verweigert jeglichen Blickkontakt.
Ich muss lauthals los lachen. Mein Bruder ist manchmal auch einfach zu niedlich. Spätestens jetzt weiß ich, dass meine Vermutung wahr ist, und ich war mir sicher, auch meinen Bruder dazu zu bringen, sich seinen Gefühlen bewusst zu werden, auch wenn ich als sein großer Bruder es nicht kann. Wenigstens er soll mit sich selbst glücklich werden. „Wirklich?", fragte ich scheinheilig, „ Aber wenn du gar nicht weißt, wovon ich rede, warum werden denn dann deine Wangen ganz rot." „Nein, so war das nicht gemeint, ich wollte sagen, dass... Ähm... Also..." Ertappt! Nun hatte ich meinen Bruder! Verzweifelt versuchte er, irgendeine Ausrede zu finden, doch je mehr er es versuchte, in desto größere Wiedersprüche verwickelte er sich. Irgendwann gab Jungkook mit einem genervten Seufzer auf und dreht sich von mir weg.

Einige Sekunden des Schweigens vergehen, doch mein Bruder zeigt keine Anstalten, die lästige Stille zu brechen. So lege ich meine Hand auf sein Knie mit der Absicht, seine Aufmerksamkeit auf mich zu richten, doch kaum berühr ich ihn, wendet er sich nur weiter von mir ab, um ignorierend einen langen Schluck aus seiner Teetasse zu nehmen. Er sagt keinen Mucks und von meiner unbändigen Neugier getrieben erlaube ich es mir, einfach selbst die Initiative zu ergreifen. „Also, was ist nun? Du magst Jimin, oder?" Als Antwort auf meine Frage erhalte ich nur einen weiteren Seufzer. Erst denke ich, dass ich meine Chance verspielt habe, mehr über das genaue Verhältnis zwischen dem Tänzer und meinen Bruder herauszufinden, doch dann höre ich ein kleines Räuspern. Jungkookie dreht sich zu mir um, stellt seine Tasse auf dem Tisch ab und beginnt dann aus dem Nähkästchen zu plaudern:

„Wenn ich ganz ehrlich zu dir bin, Taetae, ich weiß es nicht. Ich spüre etwas, ich habe Gefühle, aber ich weiß nicht was sie bedeuten sollen. Immer wenn Jimin bei mir ist, fühle ich mich ganz seltsam. Wenn ich beispielsweise ihm in seine Augen sehe, habe ich so ein merkwürdiges Kribbeln im Bau, was mir sagt, hier bist du richtig. Ich fühle mich geborgen, wenn er mich in den Arm nimmt, ich fühle mich stark und selbstsicher, wenn er meine Hand nimmt und sagt, ich habe etwas gut gemacht, und ich bin glücklich, wenn er mich zum Lachen bringt. Es fühlt sich so unbeschreiblich gut an, bei ihm zu sein, aber gleichzeitig bin ich ganz nervös und mir wird heiß und kalt. Wenn er zur Arbeit geht, fühle ich mich einsam, aber ich bin nicht unruhig, da ich weiß, dass er jeden Abend wiederkommen wird. Allein der Gedanke, dass er zu mir kommt und mich in den Arm nimmt, wann immer ich ihn brauche, ist so unbeschreiblich schön, dass ich mir jedes mal denke: Mit ihm möchte ich mein gesamtes Leben verbringen und ihn auch nur eine Sekunde zu missen, macht mich traurig, sehr traurig sogar. Aber ist das Liebe?"

Ja, das ist sie. Ich bin sprachlos. Die Wörter sprudelten förmlich aus seinem Mund nur so heraus. Sie spiegeln seine tiefsten Gedanken wieder, die selbst mir bislang vorbehalten blieben, und wirken dabei so, als sein sie eine Scene aus irgendwelchen klassischen Dramen. In ihnen steckt so viel Kraft, so viel Ehrlichkeit, dass ich nicht glauben kann, dass sie aus meinem kleinen Jungkookie kommen – der Jungkookie, der die gesamte Zeit über mit gesenkten Blick gesprochen hatte. Als sich meine Gedanken zu ordnen beginnen und mir diese ganze Absurdität der Situation bewusst wird, sehe ich plötzlich die Ungewissheit und Unschuld in seinen Augen, welche ihn einzig und allein davon abhalten, glücklich zu sein. Mein armer Kookie. Ich werde ganz wehmütig. Das muss auch Jongkookie bemerkten haben, denn dieser fragt mich verlegen:

„Was ist Taetae, habe ich irgendetwas Falsches gesagt?"

Ich schüttel den Kopf: „Nein, du hast gar nichts falsch gemacht, aber ist dir gar nicht aufgefallen, dass du dir deine Frage eigentlich schon selbst beantwortet hast?"

Mit großen Augen sieht er mich an. Es wirkt fast so, als ob ich ihn mit meiner Feststellung vollkommen aus dem Konzept gebracht habe. Als ob er wirklich vorher nicht bemerkt hatte, nein, nicht einmal einen Gedanken an die Vorstellung verschwendet hatte, dass er sich in Jimin verliebt haben könnte, werden mit einmal seine Wangen ganz rot und seine Hasenohren legen sich langsam über seine Augen. Er nimmt die Hände vor sein Gesicht, bedeckt dieses so fast vollständig. „So fühlt sich also Liebe an?", ist das Einzige, was durch seine Finger hindurch bricht und zufrieden nicke ich. Dass mein Gegenüber meine Antwort gar nicht mitbekommen kann, wird mir erst später klar und ich ziehe den in sich eingerollten Haufen, in dem sich irgendwo mein Bruder versteckte, in eine feste Umarmung.

„Ja Jungkookie, das ist Liebe."

Stille herrscht einige Momente. Es ist so leise, dass wir das Ticken der Uhr laut und deutlich hören können. Wir bleiben fest in unserer Position, er lehnt sich an mich und ich streiche sanft durch sein Haar, bis Jungkook seinen Blick zaghaft aufrichtet. Seine Augen sind glasig und voller Angst fragt er mich:

„Was wird Jimin dazu sagen?"

(950 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 25.08.2017
Überarbeitet am 26.07.2020

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