11. Neue Klamotten
> Jimin <
Warum muss unser Herd auch so heiß werden?
Verzweifelt stand ich in der Küche. Der Herd war mir völlig außer Kontrolle geraten: Das Rührei klebte an der Pfanne fest und der Pfannenwender ebenfalls. Mit all meiner Kraft versuchte ich das Besteck von der Pfanne zu zerren, musste jedoch bald darauf jede Hoffnung aufgeben. Das einzige, was mir noch übrig blieb, war Wasser und Spülmittel in die Pfanne zu gießen und diese daraufhin in die Spüle zu stellen. Ich würde nur noch mehr Schaden verursachen, also müsse Hobi sich später um die Pfanne kümmern. Vielleicht kann er das Besteck noch retten. Leider blieb der neue Pfannenwender, den Jin uns erst vor wenigen Wochen geschenkt hatte, nicht einmal vor meinen Händen verschont. Diese Hände waren wahre Boten des Teufels. Egal was ich auch in der Küche anfasste, egal ob es Buttermesser, Nudelsiebe, Kochtöpfe oder eben auch Pfannenwender waren, am Ende des Tages wandert doch wieder irgendetwas verbogen oder geschmolzen in unseren Mülleimer. Wenigstens war es heute nur der Pfannenwender und nicht der Herd. Das könnte dann wirklich teuer werden.
So setzte ich mich frustriert an den Tisch, direkt zwischen Hobi und Taehyung, und knabberte etwas an meinem Butter-Toast. Taehyung und Hobi lachten fröhlich vor sich hin, doch mir war irgendwie nicht danach. Mein allmorgendliches Missgeschick hatte mich weder traurig noch wütend gemacht, meine Gedanken sausten einfach um etwas viel wichtigeres als die Frage, wer welche Lieblingsfarbe hatte. Sie drehten sich einzig und allein um eine Person und diese Person, saß mir gegenüber, kaute an einem Stück Mochi herum und blickte ganz traurig aus dem Fenster. Es war Jungkook, der mit hängenden Ohren und müden Augen aus dem Fenster starrte, und genau das störte mich. Er war auf einmal so viel anders als gestern, so ruhig, so in sich gekehrt, so teilnahmslos. Ich wollte nicht, dass sich der Kleine einsam fühlt, ich wollte, dass er genau so fröhlich mit mir kichert, wie Taehyung mit Hobi, doch er tat es nicht. Es wirkte mehr so, als würde er sehnsüchtig auf jemanden warten, doch auf wen? Sein Bruder saß neben ihn und nach dem, was mir dieser über den kleinen Hasenhybrid erzählt hatte, hatte Jungkook keine anderen Freunde. Außer Hobi und mir natürlich, aber vielleicht traute er sich auch einfach noch nicht, mit Hobi und mir zu reden? Natürlich!
Der Kleine war einfach noch ein wenig schüchtern. Man müsse ihn, wie gestern auch, einfach noch ein wenig anstoßen, dann würde er sich auch etwas öffnen können. Ich muss nur den ersten Schritt tun. Und genau das tat ich auch: Ich beugte mich etwas zu ihm herüber und wollte fragen, was denn nun seine Lieblingsfarbe war, doch, bevor ich überhaupt zu meiner Frage ansetzen konnte, wurde ich auch schon unterbrochen. Plötzlich klingelte es an unserer Tür.
Taehyung und Jungkook schreckten hoch, die beiden hatten sich noch nicht an die lauten Geräusche gewöhnen können, und sahen uns mit großen Augen an. Sie hatten an so einer frühen Stunde wohl nicht mit Besuch gerechnet, doch Hobi und ich konnten sie beruhigen. Wir waren die Macken unserer Freunde schließlich schon gewohnt und wir wussten genau, welcher Störenfried es nur sein konnte. Ohne ein Wort zu sagen stand Hoseok auf und ging aus der Küche, den Flur entlang. Was danach passierte, konnte ich, weder Taehyung noch Jungkook sehen. Das einzige was wir hörten, war das knackende Türschloss, bevor es plötzlich laut rumste. Der Knall war so laut gewesen, dass mich schon die Angst überkam, ein riesiges Loch in der Wand mauern zu müssen, und Jungkook seinem Bruder ängstlich in die Arme gesprungen war. Hoseok bog lächelnd um die Ecke und ich atmete erleichtert auf. Die Wand hatte kein Loch! Ein weiterer Blick auf meinen besten Freund verriet mir, welchen Gast er mit im Schlepptau hatte: Jin. Dessen pink eingefärbter Mantel legte Hobi achtsam über die Lehne seines Stuhles, bevor es zum zweiten Male an diesem Morgen etwas lauter wurde. Jin ist zwar Arzt, jedoch auch ausgebildeter Sänger – eine Tatsache, die er uns nie vergessen ließ. Schon trällerte er durchs Haus:
„ Guten Morge~n!"
Mit einmal war Jungkook gar nicht wieder zu erkennen. Seine Ohren hatten sich fest auf gestellt und er wirkte aufgeweckt. Plötzlich sprang der kleine Hase von Taehyungs Stuhl und er tat dies mit so einem Schwung, dass Taehyung fast zu Boden stürzte. Ich konnte ihn gerade noch auffangen, da war Jungkook schon längst aus der Küche verschwunden. Erst dachte ich, Jins Schreien hätte unseren kleinen Angsthasen erschrocken und er wäre deshalb aus dem Zimmer geflitzt, doch so war es nicht. Taehyung und ich verließen die Küche, gingen zu Hobi auf den Flur und sahen dort etwas, das uns völlig Perplex machte:
Jungkook war Jin in die Arme gesprungen und nun umarmten sich die beiden. Sie sahen fast schon so aus wie ein heimliches Liebespaar.
„Eomma! Du bist wieder gekommen. Danke! Danke! Danke! Ich habe dich so vermisst, Eomma."
„Ich dich auch, Jungkookie, aber jetzt bin ich ja wieder da Jungkookie."
Was?! Was geht denn hier plötzlich vor sich?
Die beiden lösten sich aus ihrer innigen Umarmung, sahen uns mit lieben Augen ganz unschuldig an, bevor Jin sich zu uns drehte und Taehyung und mich ebenfalls begrüßte. Auch wenn Jin uns ebenso stürmisch umarmte, war er deutlich weniger herzlich mit uns und das verwirrte mich sehr. Der kleine Hase und der junge Arzt kannten sich doch gerade einmal 24 Stunden, hingegen Jungkook und Taehyung schon mehrere Tage bei uns wohnten, mit uns aßen und redeten. Woher kam nur diese Vertrautheit? Auf einmal spürte ich, wie sich ein Kribbeln durch meinen Bauch, meine Knochen und meinem Herzen zog. Ich kann nicht erklären, woher dieses Gefühl kam, aber irgendetwas störte mich. Es störte mich, dass die beiden so vertraut miteinander umgingen.
Mit einmal schreckte ich aus meinen Gedanken. Ich hielt einen Beutel in meiner Hand, der in kräftigen Rot- und Pinktönen vor sich hin glitzerte. Dass Taehyung und Jungkook ins Bad gegangen waren, bekam ich nur am Rande mit, ich war viel zu beschäftigt damit, den Inhalt dieses mysteriösen Beutels unter die Luppe zu nehmen. Ich öffnete ihn und eine gewaltige Flut von hell- bis dunkelgrauen Pullovern und dunklen Jeans schwappte mir entgegen. Plötzlich machte es klick: Der Beutel gehört Jin und die Kleidung in diesem war bestimmt die aussortierte Garderobe eines ganz bestimmten Katers. Das hatte Jin also gestern gemeint.
Ich stellte den Beutel vor der Badezimmertür ab und während sich die beiden Brüder im Bad ihre neuen Klamotten widmeten, ging ich zurück in die Küche. Dort saßen Hobi und Jin an unseren Esstisch. Ich setzte mich auf den Stuhl neben Jin, welcher wie ein Schwein die über gebliebenen Butter-Toasts und Würstchen in sich hinein stopfte. Mit großen Augen sah ich den jungen Arzt an. Wie es möglich war, dass dieser zu jeder Zeit wahre Unmengen an Essen in sich hinein stopfen konnte und dabei niemals auch nur einen Kilogramm Gewicht zunahm, war mir ein unergründliches Rätsel.
„Jin, kannst du uns mal sagen, was das da gerade mit Jungkook war. Ihr seid euch angesprungen wie ein verliebtes Pärchen oder wie Mutter und Sohn. Einen Moment mal! Gibt es da etwa irgendwas, was wir dringend wissen sollten?", fragte mein bester Freund unverblümt. Sofort kassierte er dafür eine Schelle von seinem Cousin, die wohl ordentlich im Nacken zwiebeln müsse. Auch wenn Jin so aussieht, als könnte er keine Fliege etwas zu Leide tun, hat der Mann es faustdick hinter den Ohren. Entweder war es das ständige Pizzabacken und das elendig lange Kneten des Pizzateiges oder aber die ständigen Streitigkeiten mit Yoongi, durch die Jin in den letzten Jahren einiges an Muskeln aufgebaut hatte. Sie waren zwar nicht so ausgeprägt wie bei Hobi und mir, aber dennoch war er jedem Angriff gewaffnet. Ich musste über meine eigenen Gedanken anfangen zu kichern und meine beiden Freunde starrten mich so an, als wären mir gerade giftgrüne Alien-Antennen aus dem Kopf gewachsen.
Jin wollte gerade ansetzen, Hobis Frage zu beantworten, da hörten wir schon die beiden Brüder, wie sie aus dem Bad stürmten. Mit einem geheimnisvollen „Ich erkläre es euch später." Hatte Jin sich Hobi und mir abgewandt und war aus der Küche gegangen. Wir folgten unserem Hyung und als wir plötzlich Taehyung und Jungkook gegenüber standen, blieb uns die Luft zum atmen weg.
Taehuyng trug einen hellgrauen Hoody. Trotz dessen, das der Hoody ihm viel zu groß war, stand er ihm jedoch äußerst gut. Sofort fiel mir auf, wie dünn Taehyung eigentlich sein musste. Yoongi war nun wirklich nicht viel breiter als eine Bohnenstange und ihm passte der Hoody letztes Jahr noch wie angegossen. Die Beiden müssen immer noch ziemlich abgemagert sein. Hoffentlich ändert sich das bald. Die schwarze Skinny-Jeans stand ihm jedoch perfekt. Dass einzige, was das Gesamtbild vielleicht etwas stören könnte, waren seine buschigen Haare. Sie standen ihn alle Richtungen ab, doch ich mich versehen konnte, war Jin mit seinem Kamm aus pink eingefärbten Hartplastik auf dieses Durcheinander zu gestürmt.
Ein kleiner Blick zur Seite verriet mir, dass Hobis Aufmerksamkeit voll und ganz dem kleinen Hündchen galt. Ich hatte das Gefühl, seine Augen würden sich in riesige, gaffende Herzen verwandeln und ich freute mich dafür. Vielleicht hatte sich Hobi endlich in jemanden verguckt, der seine Gefühle auch erwidern konnte. Kaum hatte ich von meinem besten Freund abgelassen, kam Jungkook auch schon schüchtern zu mir. Wie ein kleines Schulmädchen stellte er sich vor mir und zeigte mir stolz, aber auch etwas verlegen seine neue Kleidung.
Wow!
Jungkook trug einen längeren schwarz-dunkelgrau gestreiften Pullover, der ihm weit auf Knie-Höhe herunter hing. Dessen lange Ärmel verdeckten seine schmalen, kleinen Händchen. Im allgemeinen sah er so aus, als würde er im Stoff des dunklen Pullovers zu ertrinken drohen, als wäre er ein kleines einsames Häschen ganz allein im tiefen düsteren Wald. Lugte jedoch hin und wieder etwas Hand, Hals und Köpfchen hervor, schien all diese Unschuld wie verflogen. Er spielte mit dem weichen Stoff des Pullovers und plötzlich sah ich etwas, von dem ich heute Morgen noch kühn geträumt hatte. Mir blieb fast der Atem stehen. Der kleine Hase lächelte und er hatte dazu auch noch ein äußerst schönes Lächeln. Wenn ich jetzt so überlegte, mit der dunklen Jeans, die seine schmalen Beine eng und überaus vorteilhaft umspielte, sah er wirklich schöner, reiner und strahlender aus, als all diese magersüchtigen Models in den Katalogen und Magazinen. So schön konnte doch nur jemand aussehen, der von außen wie innen einfach nur perfekt wahr. Jimin, reg dich ab. Niemand ist perfekt, auch nicht Jungkook. Jedoch, sieh dir nur einmal diese putzigen Hasenohren an. Ich war völlig weggetreten, nur schwach konnte ich Jin hinter mir hören:
„Wie schön, ihr beiden seit fertig. Dann können wir ja jetzt endlich in die Stadt fahren."
(1822 Wörter)
Erstmals veröffentlicht am 16.07.2017
Überarbeitet am 22.08.2019
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