Ein zauberhaft schrecklicher Montagmorgen

Es war kein guter Montagmorgen für Mrs. Amanda Jones. Es begann damit das der Wecker nicht klingelte, weswegen ihr Sohn zu spät zur Schule kam. Und als wäre das schon nicht genug, bekam sie auch noch einen Strafzettel wegen falsch Parkens. Nun war es elf Uhr und sie stand mit ihrer vierjährigen Tochter Alice auf der Metropolitan Police Station in West Hampstead. Die Polizeistation war ein altes zügiges Backsteinhaus. Amanda und Alice standen in der Schlange vor einem der zahlreichen Schaltern die kleinen Kabinen glichen und vor der Tür auf dem Boden ein dicker Strich die wartenden darauf hinwies Abstand zu halten.
„Das ist heute wirklich nicht mein Tag“ murmelte sie zu sich selbst als sie zufällig in einen Spiegel schaute der an der Backsteinmauer hing. Die ansonsten immer so gepflegten, leicht gewellten blonden Haare, waren strohig und zerzaust. Sie hatte keine Zeit gehabt sich die Haare zu bürsten dementsprechend sahen sie wie ein Wischmopp aus. Mit der Kleidung war es nicht viel besser: Mrs. Jones hatte nach den erst besten Kleidungsstücken gegriffen die sie fand, dementsprechend passte nichts zusammen. Erst jetzt in der Police Station hatte sie Zeit zu schauen was sie da überhaupt trug. Die Jeans die Alice gestern Nachmittag mit Filzstiften bemalen hatte und das weiße Shirt in dem sie sich mit Kaffee bekleckert hatte. Sie konnte von Glück reden, das sie darauf den grauen Strickmantel angezogen hatte der an der Garderobe hing, sonst könnte man sie doch wirklich für eine Obdachlose halten. Da fiel ihr Blick auf ihre Schuhe. Vor Schreck hätte Amanda fast geflucht den sie trug zwei verschiedene Schuhe. Nun ja, wer schaute schon auf Schuhe? dachte sie bei sich und stellte sich unauffällig gerader hin.
Vor ihr warteten noch vier Personen in der Schlange. Was dauerte da so lange? Unruhig schaute sie auf die Uhr. Hoffentlich brauchten die nächsten nicht auch so lange. Sie musst noch einkaufen und kochen bevor ihre Männer nachhause kamen.
„Aber wenn ich es ihnen doch sage: Ein Werwolf hat mich gebissen“ Eine laute flehende Stimme durchbrach ihre Gedanken. Stirnrunzelnd drehte sich Mrs. Jones in Richtung Auskunftsschalter. Hatte der Mann gerade gesagt das ihn ein Werwolf gebissen hatte? Auf dieser Welt gibt es auch nur noch Spinner, dachte sie sich und verdrehte die Augen. Leider versperrten ihr mehrere Wartende die Sicht auf den Mann. Zu Gern hätte sie den Sprecher gesehen.
„Mr. Thomas beruhigen sie sich bitte. Sie meinen ein Wolf hat sie gebissen“ erklang eine weibliche Stimme die deutlich genervt wirkte.
„Nein. Nein, es war ein Werwolf. Es war bei Vollmond und … er hat sich verwandelt. Mein Nachbar… Taylor Wood… glauben sie mir… ich habe ihn gesehen… es war grauenhaft“ Ein Schaudern erfasste den Mann und seine Stimme brach ab. Gänsehaut lief Amanda über den Rücken.
Ein Zupfen an ihrem Mantelsaum riss Mrs. Jones aus ihren Gedanken. Verwirrt wandte sie sich zu ihrer Tochter.
„Schau mal Mama“ Sie zeigte auf einen schlaksigen jungen Mann, der am anderen Ende des Raumes, ungefähr fünf Meter von ihnen entfernt, an der Mauer lehnte. Sein Gesicht war von einer Zeitung bedeckt. ‚DerTagesprophet‘ las Mrs. Jones auf dem Titelblatt. Sie hatte noch nie von einer Zeitung mit diesem Namen gehört. Stirnrunzelnd betrachtete sie den jungen Mann. Er trug dunkle verwaschene Jeans und einen grauen Trenchcoat dessen Kragen er aufgestellt hatte. Unter der Zeitung erkannte sie noch den Saum eines dunkelblauen Pullovers. Als er die Zeitung ein wenig senkte, erschien eine gerunzelte Stirn und dunkle kurze Haare. Die Nachrichten schienen ihn nicht sonderlich zu gefallen.
„Die Bilder auf der Zeitung bewegen sich Mama“ erklärte Alice erstaunt.
„Wie meinst du das Schätzchen?“ verwirrt betrachtete sie ihre Tochter. Dann lachte sie und fuhr ihr durch die feinen blonden Haare. „Das hast du dir nur eingebildet Kleines. Bilder können sich nicht bewegen“
„Aber Mama. Der Mann auf dem Foto hat gewunken, ich bin mir ganz sicher“ erklärte Alice trotzig, doch Mrs. Jones beachtete sie nicht mehr. Endlich kam der nächste dran und die Schlang bewegte sich vorwärts. Langsam sehnte sie sich eine Kanne Kaffee herbei.
„Mr. Thomas, ich sage es ihnen zum letzten Mal: es gibt keine Werwölfe“ ertönte wieder die weibliche Stimme, nun eine Spur ungeduldiger. Es schien so als hätte der arme Mr. Thomas den Geduldsfaden der Beamtin deutlich überspannt. Die bräuchte auch eine Kanne Kaffee, dachte sich Mrs. Jones feixend. Oder ein Schwimmbad voll.
Wieder zupfte es an ihrem Mantel. „Was ist denn?“ fragte sie genervt. Der Kaffee Entzug machte sich langsam bemerkbar.
„Bekomme ich auch einen Maulwurf? Bitte“ bettelte Alice.
Verwirrt schüttelte Mrs. Jones den Kopf. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Die Frau da hat einen Maulwurf in ihrer Manteltasche. Ich habe es genau gesehen. Bitte Mama, darf ich auch einen haben? Bitte! Der ist so süß. Bitte Mama!“ flehte Alice und zog einen Schmollmund.
„Welche Frau?“ wollte Mrs. Jones wissen.
Freudestrahlend zeigte Alice auf eine junge Frau mit langen gelockten schwarzen Haaren. Sie saß auf einem weißen Sofa nicht weit von dem jungen Mann entfernt und starrte verträumt auf eine Tür. Sie trug wie der junge Mann schwarze verwaschene Jeans mit einigen Löchern, dazu einen dunklen Pullover mit Carmen ausschnitt, einen schwarzen Mantel darüber und ihre Füße steckten in Bikerboots. Sie war das vollkommene Gegenteil zu dem jungen Mann an der Wand. Sie wirkte auf Amanda ein wenig verrückt.
„Darf ich nun einen Maulwurf haben? Darf ich? Darf ich?“ Ungeduldig sprang die Kleine auf und ab.
Mrs. Jones seufzte. „Ein Maulwurf ist kein Haustier. Ich bin mir sicher, dass die junge Frau keinen in ihrer Manteltasche hat“
„Aber…“ wollte Alice protestieren.
„Keine aber“ unterbrach sie ihre Mutter. „Ein Maulwurf ist ein wildes Tier. Ich kauf dir, wenn du brav bist ein Stofftier aber damit ist Schluss“
Schmollend drehte sich Alice ab.
Seufzend wandte sich Amanda zur Schlange wo endlich der nächste dran kam. Bald ist es vorbei.
Bilder die sich bewegten und Maulwürfe in Manteltaschen: Was für ein verrückter Tag.
Endlich kam der letzte in der Schlange vor Mrs. Jones dran. „Nun haben wir es bald hinter uns dann koch ich uns was Gutes. Was hättest du den gerne?“
„Kürbispastete“ freudestrahlend blickte Alice zu ihrer verwirrten Mutter auf.
„Kürbispastete?“
„Ja, das hat die Frau da gerade zu ihrem Freund gesagt“ Alice zeigte auf eine rothaarige junge Frau, die gerade überschwänglich einen schwarzhaarigen jungen Mann umarmte. Die junge Frau trug einen grauen Faltenrock, dazu schwarze blickdichte Strumpfhosen, darauf rote Strümpfe bis knappunter den Knien, schwarze Samtboots, einen dunkelbraunen Strickmantel und darunter einen roten Strickpullover. Eine zweifelhafte Klamottenwahl. „Das es im Pub ‚Zum heulenden Wolf‘ die beste Kürbispastete gibt. Gehen wir dort hin? Bitte!“
Was war heute nur los? Woher kamen diese seltsamen Leute? Amanda wollte nur noch raus aus dieser Polizeistation. Endlich wurde ihre Nummer aufgerufen. Eilig zog sie Alice in die Kabine und zahlte schnellstmöglich ihre Strafe.
Als sie die Kabine verließ fiel ihr sofort auf das etwas fehlte: Das junge Pärchen war verschwunden. Als sie Richtung Ausgang ging sah sie auch das der junge Mann mit der Zeitung und das seltsame Mädchen auch fehlten. Seltsam! dachte sie kopfschüttelnd.
Auf dem weg zum Auto plapperte Alice vor sich her und Amandas Gedanken schweiften immer wieder zu den vier seltsamen Gestalten. Was die auf der Polizeistation wohl wollten? Was interessiert dich das Amanda? Du wirst sie hoffentlich nie wiedersehen.
Doch als ihr Blick in den Rückspiegel fiel wurden ihre Hoffnungen zu nichte. Dort hinten, nur wenige Meter von ihrem Van entfernt, überquerten der junge Mann im grauen Trenchcoat und die dunkelhaarige Frau in den Biker Boots die Straße. Immer wieder drehten sie sic um als wollten sie sicher gehen das ihnen niemand folgte.
„Alice, du bleibst kurz hier. Öffne niemanden die Türen hast du gehört? Mama muss nur mal kurz etwas kontrollieren. Ich komme bald wieder“ hörte sie sich sagen und da war sie schon auf der Straße. Nun, jetzt gibt’s kein zurück mehr, dachte Amanda und stapfte mit klopfendem Herzen bis zu dem Ort wo sie das ungleiche Paar gesehen hatte. Rechts von ihr führte eine Gasse in die Dunkelheit. Zwei große Müllcontainer versperrten ihr die Sicht. Leise Stimmen drangen aus der Gasse. Sie klangen bedrohlich. Mit bis zum Hals klopfendem Herzen stolperte sie weiter in die Gasse an übervollen stinkenden Mülleimern vorbei. Als sie schließlich um den Müllcontainer herumtrat erschrak sie: Vor ihr standen der Trenchcoat Träger und das Biker Mädchen. Sie hatten jeweils einen Arm ausgestreckt und zeigten mit etwas auf einen Mann der bewusstlos am Boden lag. Zitternd stolperte Amanda rückwärts. Ein ängstliche fiepsen verlies ihre Kehle. Erschrocken fuhren die beiden Angreifer herum.
„Ein Mensch“ stellte der junge Mann ihm Trenchcoat mit gerunzelter Stirn fest.
„Das ist die Mutter von dem neugierigen Mädchen das Jack gesehen hat“ erklärte die junge Frau unberührt. Dann zog auch sie die Stirn in Falten. „Wo ist das Mädchen?“ brach es aus ihr hervor. Amanda beobachtete wie sie eine Art Stock in der Innenseite ihres Mantels verstaute und auf sie zutrat. Erschrocken trat sie zurück und prallte rückwärts auf den Container. Das Mädchen hob beschwichtigend ihre Arme.
„Ich tu dir nichts. Wir sind sowas wie eine Spezialeinheit“ erklärte sie. Sie trat noch einen weiteren Schritt näher. Das Gesicht der jungen Frau war nun nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „Wo ist deine kleine Tochter?“
„Iiiim Aaaaaauto“ stammelte Amanda.
Leise fluchend drehte sich die Frau zu dem jungen Mann. „Du bleibst bei dem Werwolf und der Frau. Ich such das Mädchen“ Dann war sie verschwunden.
Zitternd stand Mrs. Jones an die kalte Wand des Containers gelehnt und beobachtete wie der Mann seine unruhigen Runden drehte. Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Minuten kamen ihr wie Stunden vor bis die Frau mit Alice an der Hand wieder aus dem nichts auftauchte. 
Alice stürmte zu ihrer Mutter. „Mama, Mama. Haylee hat mich vor einem bösen Mann gerettet. Der wollte mich fressen“ erzählte sie aufgeregt.
„Wwwwas? Ich versteh nicht“ Amanda hob den Kopf um sich bei der Frau zu bedanken, doch da war das seltsame Paar schon verschwunden.
Verwirrt drehte sich Mrs. Jones um ihre eigene Achse doch weder der Mann noch die Frau noch der bewusstlose waren in der Gasse aufzufinden.
„Wie? Wie ist das möglich? Sie waren doch eben noch hier?“ stammelte Amanda.
Ihre vierjährige Tochter zuckte nur die Schultern. „Na mit Zauberei, Mama“ erklärte sie augenrollend.

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