6. Familienfrühstück

Blinzelnd öffnete ich meine Augen, sah mich orientierungslos im dunklen Raum um. Hinter mir erkannte ich deutlich Licht in das Zimmer scheinen, es kam vom Mond und nur ein ruhiger Atem neben mir verdeutlichte mir, ich war nicht allein. Deutlich erkannte ich die langen Haare meines Herren, welche ihm in sein Gesicht fielen und teilst seine Augen versteckten. Die Brust des Größeren hob und senkte sich immer wieder, zeigte mir, dass er schlief und sofort blieb ich reglos liegen, gab keinen Mucks von mir. Der Jüngere brauchte seinen Schlaf dringend, immer hin war sein Tag anstrengend und er benötigte für Morgen wieder Energie, um mich ein weiteres Mal zu ertragen. Es war nicht einfach mir ständig hinterher zu gehen mit Worten, ich hielt mich an viele seiner Aufforderungen nicht und bekam trotzdem meist ein Lob. Ich war in jeder Hinsicht eine Enttäuschung für den Pfau, doch ein großes Interesse schien er nicht daran zu zeigen.

"Alles gut, Patrick?", hörte ich die Stimme meines Besitzers leise hauchen, nebenbei suchte seine Hand nach meiner und umschloss diese vorsichtig, als er sie schlussendlich fand. Die Augen des Größeren blieben geschlossen, doch erkannte ich mit Hilfe des Mondlichts gut, wie er mit seinem Körper auf meine Regungen achtete. Nicht viel wusste ich über das Tier Pfau, doch diese Tiere hatten einen feinen Geruchs-und Gehörsinn, identifizierten Gefahren schon auf großer Entfernung und das allein durch ihre Ohren. Mir blieb nichts anderes übrig als zustimmend zu brummen. Ich konnte nicht mehr schlafen und innerlich wusste ich genau weshalb, doch das würde Manuel niemals verstehen können, niemand würde das tun. Es war zwei Uhr in der Nacht und für gewöhnlich kam um diese Zeit immer ein Wärter in die Zelle, um mich mitzunehmen und mit mir das sprechen zu trainieren, doch nie auf eine gute Art. Oft wurde ich nach den etlichen Versuchen mich zum reden zu zwingen achtlos in meine Zelle geworfen, wo ich kraftlos zurück zu meiner Wand krabbelte und versuchte einzuschlafen. Diese Zeit hatte sich in meinen Kopf eingebrannt und egal ob nun jemand kam oder nicht, um mich aus der Zelle zu holen, ich war wach.

"Sieht nicht so aus...", murmelte der Brünette und nun öffnete er blinzelnd seine Augen, ließ mich in das reflektierende Grün sehen. Ich wusste nicht wie gut er sehen konnte, doch war seine Sehkraft so gut wie meine es war, könnte er zu großer Wahrscheinlichkeit die Bahn meiner Tränen sehen, welche meine Wangen runtergeflossen war. Die Spuren meiner Träume waren leicht zu erkennen, doch ob Manuel schon länger wach war und keine Ahnung hatte, ob er mich wecken sollte, wusste ich nicht. Laut war ich während Alpträumen noch nie, das einzige was ich hin und wieder tat, war leicht zu zucken. "Du hast dich unruhig hin und her gedreht und dabei leise gewimmert, deshalb bin ich eben auch aufgewacht. Ist nicht schlimm, keine Sorge! Ich wollte dich nicht noch mehr nervös machen, als du es sowieso warst und deshalb habe ich auch gewartet, bis du von alleine aufwachst. Auf Berührungen scheinst du im Schlaf nämlich eher weniger gut zu reagieren, so wie ich es gemerkt habe...", sprach der Jüngere vorsichtig und instinktiv krallte ich mich in seiner Hand fest, als er mir ein wenig näher rutschte. Meine Vermutung hatte sich bewahrheitet, er hatte mich nicht geweckt, weil er keine Ahnung hatte ob er mich wecken sollte oder nicht. Ich hatte dem Pfau ein wenig seines dringend benötigten Schlafes geraubt und doch schien er alles andere als verärgert, eher begann er mir vorsichtig mit seinem Daumen über meine Haut zu fahren. Nur leicht, sodass ich unsere Hände jederzeit trennen konnte, doch immer noch bestimmend genug, dass ich merkte, ich war in diesem Moment nicht allein.

Beschämt schniefte ich und versuchte mühevoll meine Tränen zurückzuhalten. Es war peinlich nicht einmal ruhig schlafen zu können und selbst während strickten Ruhephasen noch meinen Herren zu stören. "Nicht weinen, ist doch alles gut!", sagte der Grünäugige nun beruhigend, doch noch bevor er weiter reden konnte, rutschte ich näher zu ihm und versteckte zitternd meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Nur noch Unterwürfigkeit würde mich nun davor retten könnte bestraft zu werden. Ich musste meine absolute Demut und Angst zeigen, es irgendwie schaffen Mitleid von meinem Herren zu bekommen, auch wenn es nicht möglich war. Niemand würde einer Schande wie mir Mitleid zukommen lassen, dafür gab es gar keinen Grund.

Es war still im ganzen Haus, nirgendwo hörte ich jemanden reden oder weinen. Diese Ruhe war ich nicht gewöhnt, sie gab mir mit jeder Sekunde mehr das Gefühl zu zerbersten und zeigte mir, wie kaputt ich innerlich war. Nicht einmal der starke Arm, welcher sich vorsichtig um meine Hüfte schlang und meinen Körper an den des Jüngeren zog, konnte mir dieses Gefühl der Unruhe nehmen. Mir fehlten die Schreie der anderen Menschen, welche irgendwo im Gebäude gequält wurden und mich so von meinen eigenen Gedanken ablenkten. Das bedrückte Schweigen der anderen, wenn jemand von einem rücksichtslosen Hybriden mitgenommen wurde und die darauffolgende Trauer, als man jemanden tot in der Zelle auffand, weil dieser das alles nicht mehr ausgehalten hatte. Mit spitzen Fingernägeln hatten sich schon einige Umgebracht. Unter großen Schmerzen lagen diese Menschen Stunden lang im Dreck, litten Höllenqualen und das nur, weil ihr Körper noch stark genug war zu kämpfen. Auch ich hatte diese Möglichkeit zu sterben schon oft in Betracht gezogen, doch mir wollten die Wärter dieses Ende nicht gönnen. Täglich wurden meine Fingernägel kontrolliert, ob ich damit irgendetwas anrichten konnte und sofort schnitt man sie mir kurz, sollten sie zu lang gewachsen sein.

"Kannst du auch schlecht schlafen, weil es still ist? Maurice und Michael haben dieses Problem auch, die beiden hatten erst richtig krasse Schwierigkeiten einzuschlafen, weil es auf einmal so ruhig war. Mit einem Handy und ein bisschen Musik scheinen die beiden ruhiger zu werden, also wenn du möchtest, kann ich hier den Fernseher anmachen und einen Radiosender suchen! Vielleicht hilft es bei dir auch...", fragte mich Manuel nach einer Weile, in welcher ich still versucht hatte zu wirken, als würde ich wieder schlafen. Sofort hatte der Jüngere meine gesamte Aufmerksamkeit und ich zuckte unsicher mit den Schultern. Von seiner Abwesenheit hatte ich kein bisschen etwas mitbekommen, so tief musste ich geschlafen haben und dass die beiden Größeren ebenso dieses Problem hatten, erstaunte mich. Es sollte für uns alle beruhigend sein zu wissen, dass wir hier sicher waren und niemanden mehr groß stören konnten, doch statt dessen wirkte diese Ruhe fast bedrohlich. Nicht nur ich war durch die Zeit im Knast kaputt gegangen, auch jeder andere Mensch hatte seine Probleme, welche mit unser aller Vergangenheit zusammenhingen und das gab mir das leichte Gefühl von Gemeinsamkeit.

"Einen Versuch ist es wert..."

(...)

In den Armen meines Herren aufzuwachen war gleichermaßen beruhigend, wie aufregend und komisch. Leicht lagen die starken Arme des Jüngeren um meinen Körper geschlungen, behutsam strich er mit seiner rechten Hand immer wieder im Takt über meinen Rücken und nur ein bisschen nahm ich seinen ruhigen Atem war, welcher auf meiner Stirn abprallte. Manuel schlief noch ruhig, wirkte friedlich und auch wenn es sich nicht gehörte jemand anderem beim schlafen zuzusehen, konnte ich nicht anders. Das gerade zu wunderschöne Gesicht des Jüngeren zog mich auch ohne dessen Augen in seinen Bann, ließ mich die helle Haut seiner Wangen mustern. Nicht ein Pickel verunstaltete sein Gesicht, nirgendwo war etwas, was ihn hässlich scheinen ließ und ich konnte ihn nur darum beneiden. Der Pfau wirkte beinahe wie ein kleiner Engel, sanft und lieblich.

Das Licht der Sonne erhellte das Zimmer, wodurch ich das erste Mal den Fernseher richtig betrachten konnte. Er stand auf einem schwarzen Schrank, neben dem zwei weitere Schränke standen und Souvenirs aus aller Welt hielten. Neben dem Schrank links stand ein teuer aussehendes Klavier, mitsamt einem Schemel und mein Instinkt sagte mir, mein Herr würde dieses Instrument spielen können. Mit seinen dünnen, langen Fingern hätte er die perfekten Voraussetzungen dafür und vielleicht, wenn ich etwas wirklich gutes getan hätte, würde er mir etwas dafür vorspielen. Beim Einschlafen hatte der Pfau einen Radiosender herausgesucht, auf dem Klassische Musik gespielt wurde und immer hatten mich die Klänge des Klaviers berührt, welches sanfte Melodien spielte. Es beeindruckte mich, mit was man alles so starke Gefühle hervorrufen konnte, wenn man seine ganzen Emotionen hineinsteckte.

Blinzelnd öffneten sich die Augen meines Gegenübers, erlaubten mir den Blick in das wunderschöne Grün. Auch wenn ich es sollte, schaffte ich es nicht den Blick von ihm abzuwerfen und errötete leicht, als sich ein Lächeln auf seine Lippen legte. So liebevoll hatte mich noch nie jemand nach dem aufwachen angesehen, geschweige denn berührt, denn ganz vorsichtig legten sich seine Lippen auf meine Stirn und huschten mir einen Kuss auf diese. "Guten Morgen, kleiner Fratz...hast du Hunger? Viktoria hat uns Pfannkuchen gemacht, aber ich habe sie weggeschickt, weil du noch geschlafen hast. Maurice ist auch schon wach und hilft meiner Mutter beim Sachen tragen, nur Micha schläft jetzt noch!", murmelte der Brünette mit dunkler Stimme, welche mir sofort eine Gänsehaut bereitete. Dieser Mann tat wirklich alles dafür, dass wir drei wieder zu Kräften kamen. Er ließ uns ausschlafen und erlaubte es fernzusehen, beziehungsweise mit seinem Handy Musik zu hören, nur um uns so viel Ruhe zu gönnen wie möglich und ich wusste nicht wieso, doch wollte ich dem Größeren meine Dankbarkeit zeigen. Bei jedem anderen Besitzer wäre ich für mein Verhalten schon längst gesteinigt worden, doch er behandelte mich mit Ruhe und Sorgfalt, wollte mir wirklich helfen.

Unsicher senkte ich meinen Blick, hauchte dem Brünetten einen Kuss auf die Wange und vergrub darauf hin schutzsuchend meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Das Herz des Pfaus beschleunigte leicht, ich spürte es deutlich und auch ohne es wirklich zu fühlen, berührte meine rechte Hand den Rücken des Brünetten. Zärtlich fuhren meine Fingerspitzen seinen Rücken auf und ab, warteten auf einen Befehl meines Herren, dass ich das zu unterlassen hätte und doch drückte sich der Grünäugige mir näher. Lächelnd legte er sein Kinn auf meinem Kopf ab und ließ mich mit meinen vorsichtigen Berührungen fortfahren, genoss diese in vollen Zügen. "Du bist so süß, Kleiner und ich wünschte, du würdest mir das glauben!", hauchte er nach einer Weile, in welcher ich versucht hatte ihm ein wenig Zuneigung zu zeigen und sofort spannte ich mich an, wusste nicht zu reagieren. Er sprach es so direkt aus, ohne einen Blatt vor den Mund zu nehmen und ich tat mich sichtlich schwer damit seinen Worten glauben zu schenken. Ich war nicht süß, sondern versuchte sein Verhalten nachzuahmen, um ein wenig mehr seiner Zuneigung zu bekommen. Es gefiel mir in seinen Armen zu liegen und mich beschützen zu lassen, wenn auch nur indirekt.

"Lässt du mich aufstehen, kleiner Fratz? Ich bin gleich wieder da und dann können wir frühstücken. Nicht aufstehen, ja?", fragt mich Manuel nach einer Weile und sofort zog ich meine Arme zurück, rutschte von dem warmen Körper weg, so gerne ich auch seine Nähe spürte. Sofort wurde mir kälter und ich zog die Decke ein wenig höher, was den Pfau belustigt schnauben ließ. "Setzt dich lieber aufrecht hin, damit du nicht kleckerst!", lautete der Rat meines Besitzers, welcher darauf hin aufstand, sich einmal streckte, wobei sich seine Federn leicht anhoben, und schnell verließ er sein Zimmer. Sein Wunsch war mein Befehl, weshalb ich mich wie schon gestern in den Schneidersitz begab und mich unsicher im Raum umsah. Der Blick aus dem Fenster erlaubte mir die Sicht auf einen kleinen Garten, mitsamt zwei Bäumen, einer Hängematte, einem großen Blumenbeet und einem Pool. Gestern schon hatte ich immer wieder traurig nach draußen gesehen, besonders als Maurice barfuß nach hinten ging und sich in Begleitung von Michael und Claus, lachend auf den Grasboden setzte. Zu gerne wollte ich auch diese Freiheit auskosten, welche die beiden hatten und doch würde Manuel mir niemals erlauben mir meinen Füßen auch nur diese Etage zu verlassen, doch um ehrlich zu sein, wollte ich das erstmal nicht. Die Schmerzen von gestern wollte ich kein zweites Mal spüren, als mir mein Herr die kleinen Steine aus der Wunde gesammelt hatte.

Einige Minuten saß ich schweigend und mit gesenktem Kopf auf dem Bett, knetete nervös meine beiden Hände, bis sich die Tür öffnete und ein grinsender Manuel das Zimmer betrat. Hinter ihm liefen Michael und Maurice in den Raum, beide bepackt mit einem silbernen Tablett, auf welchem Teller, Besteck und Pfannkuchen lagen. "Aufgepasst Patrick, jetzt gibts ein kleines Familienfrühstück! Platz machen, die zwei wollen schließlich nicht auf dem Boden sitzen...", lächelte mich der Brünette an, während er sich neben mich setzte und wie automatisch seinen rechten Arm um meine Hüfte legte, selbst durch das große Shirt, welches meinen Körper verdeckte, Wärme spendete. Wir automatisch rückte ich näher zu ihm und sah vorsichtig in seine Augen, welche wunderschön und sanft glänzten. Der Größere legte scheinbar Wert auf unseren Zusammenhalt, wenn er beschloss von nun an gemeinsam mit uns zu frühstücken. Wenn ich dieser Aussage Glauben schenken durfte, sah der Pfau uns nun als seine neue Familie und in meinem Herzen wünschte ich mir nichts sehnlicheres als das. Eine Mutter und einen Vater zu haben, welche ich um Rat fragen konnte. Niemals würde ich eine wirkliche Familie haben, doch die Konstellation zwischen Manuel, Maurice und Michael kamen dieser schon recht nahe.

Eilig stellten die beiden Größeren die Tabletts nebeneinander auf das Bett, sodass sie vor uns standen, und verteilten sowohl die Teller, als auch das Besteck. Kein Mal beachteten sie die vorsichtige Weise, in welcher Manu mich berührte und nicht gerade langsam schloss ich daraus, dass ihnen das alles unangenehm war. Wir lernten von klein auf, dass diese anstößigen Berührungen von Hybriden einen gewissen Instinkt weckte und diesen sollten wir nur dann weiter mit ähnlichen Bewegungen wecken, wenn es unser Herr wirklich wollte. Mich schien er dafür ausgewählt zu haben, denn im Gegensatz zu den anderen behandelte er mich stets ein wenig anzüglicher und gewagter. Irgendwo, tief in ihrem Inneren wollten sie mich vor einem Fehler bewahren, denn hatte ich mich einmal in dieses Unterfangen begeben, würde Manuel mich nie mehr wieder anders behandeln. Ich müsste Tag und Nacht bereitstehen, um seine Begierden zu erfüllen und auch wenn ich es nicht wollte, würde er kein Mitleid mit mir haben.

"Seid doch nicht so schüchtern, Leute...vorhin habt ihr doch auch noch so fröhlich miteinander geredet! Ich will euch doch echt nichts Böses, sondern nur ein bisschen frühstücken und vielleicht reden. Ihr seid doch jetzt meine neue Familie und auf diese möchte ich acht geben!", sprach Manuel zu uns, doch als sein Blick auf die beiden Jüngeren traf, verlor er seinen Glanz. Unsicher blickten sie sich gegenseitig an, ließen sich zwar vor uns nieder, trauten sich jedoch nicht ihren Blick zu heben. In der Anwesenheit eines Hybriden durften wir Menschen es uns nicht einmal wagen diese anzusehen, es wurde als Ungehorsam und schlechte Eigenschaft empfunden, dafür konnte man in schlechten Händen aufs äußerste zusammengeschlagen werden. Sie hatten genauso eine Angst wie ich davor, immer hin hatten sie sich ihr Leben lang ansehen dürfen, wie ich für jedes noch so kleinste Detail verdroschen wurde. Einige Dinge hatten sie sich dadurch besser eingeprägt als ich, da sie meine Fehler nicht begehen wollten.

Leicht zog ich mit meiner linken Hand am Shirt unseres Herren, sodass dieser mich traurig musterte. Mich hatte er bisher noch nicht dafür bestraft, dass ich ihn angesehen hatte und so wollte ich meinen beiden Mitmenschen beweisen, sie hatten in diesem Falle nichts zu befürchten. Mir würden sie glauben, immer hin würde ich nicht bei jedem so einen Schritt wagen. Deshalb deutete ich auf ihn, wollte damit klar machen, dass er anfangen sollte von sich zu erzählen. Meine Augen lagen dabei auf seinen, versuchten so gut es ging herauszufinden, ob er meine Zeichen verstand. Ich wollte sein glückliches Glitzern wieder sehen, welches er mir mit jeder Sekunde zu zweit schenkte und auch wenn ich dafür meine Gesundheit aufs Spiel setzte, ging ich das Risiko ein. Es war immer hin meine Pflicht ihn zu erfreuen, zu belustigen und dieser würde ich ohne zu zögern nachgehen.

"Ich bin Schuld, dass die beiden Angst haben? Was tue ich...", mutmaßte der Jüngere verzweifelt, doch sofort schüttelte ich meinen Kopf und griff instinktiv nach seiner warmen Hand. Er verstand mich vollkommen falsch, doch wie sollte er mich auch mit nur einem Zeichen richtig verstehen? Ich war undeutlich und gab nur missverständliche Hinweise auf das, was ich wirklich meinte. Mit mir hatte man es schwer. Aufmerksam verfolgte Manuel meine rechte Hand, welche ihre vier Finger ein Paar mal in Richtung Daumen bewegte, was sprechen darstellen sollte, und danach den Zeigefinger, welcher sich erneut auf seine Brust legte. Anders könnte ich meinen Rat niemals darstellen, höchstens am Zeichnen könnte ich versuchen ihm klar zu machen, was ich meinte. Bisher hatte ich mich noch nicht getraut ihm zu beichten, dass wir nicht schreiben, lesen und rechnen konnten, doch irgendwann würde er es sowieso herausfinden. Besser in einem ruhigen Moment, als in einem, wo wir sein Ansehen bei Freunden herunterziehen konnten.

"Ich soll erzählen? Von mir?", fragte mich der Grünäugige unsicher und auffordernd nickte ich dieses Mal, rutschte ein kleines bisschen näher an den Größeren, musterte ihn dabei interessiert. Es war die ideale Chance etwas über ihn zu erfahren, wer wusste schon, wann sich mir diese erneut bieten würde. Die beiden Jüngeren saßen im Schneidersitz vor uns, den Kopf gesenkt und hinter ihrem Rücken, wo wir es nicht wirklich sehen konnten, hielten sie leise Händchen miteinander. Sie waren es bereits gewohnt sich gegenseitig zu beruhigen, verfielen ohne einander fast in eine Art Depression und allein deshalb hatte ich mich gestern dafür eingesetzt, dass Manuel auch Michael mitnahm. Die beiden brauchten einander mehr, als alles andere und einen toten Michael fand ich schlechter, als einen ängstlichen. Wir würden uns alle erst einmal an Manuel gewöhnen müssen, doch irgendwann würde dieser unser ganzes Vertrauen haben und auch wenn es lange dauern würde, lohnte es sich.

Schüchtern sah der Grünäugige auf seine Hände. "Ich weiß nicht so genau, was es zu mir zu sagen gibt, eigentlich...", murmelte er leise und mein Herz schlug höher bei dem unsicheren Blick des Größeren. "Ich bin sechzehn Jahre alt und habe noch vier ältere Geschwister, die jedoch weiter weg wohnen von hier. Mein Vater ist schon früh gegangen, kurz vor meiner Geburt und demnach bin ich fast gänzlich ohne ein männliches Vorbild aufgewachsen. Der einzige Mann in meinem Leben, der immer für mich da war, ist Claus und auch ihr drei müsstet gemerkt haben, wie vertraut wir miteinander umgehen, obwohl er ein Mensch ist und ich ein Hybrid bin! Mit euch dreien möchte ich genauso umgehen, aber das braucht Zeit und diese haben wir. Claus ist das perfekte Beispiel für ein gutes Verhältnis zwischen Mensch und Hybrid, ich kenne zumindest kein besseres und ich möchte wirklich nicht viel von euch dreien. Es reicht mir, wenn ihr im Haushalt helft, aber ich möchte euch zumindest bitten euch auf mich einzulassen. Ich bin wirklich nicht darauf aus euch irgendwie so zu missbrauchen, wie alle anderen Hybriden da draußen! Ihr drei dürft mich ansehen, ihr dürft jederzeit mit mir reden und euch auch beschweren, wenn euch etwas nicht gefällt! Für ein gutes Verhältnis ist es wichtig sich selbst einzubringen...", redete der Brünette vor sich hin, mit Blick auf die beiden Größeren und nur ein einziges Mal schaute er mich an, mit schüchternen Augen. Wie automatisch legte sich meine rechte Hand auf seine, verlangte stumm nach Nähe und war schlussendlich der Grund dafür, dass ich meinen Kopf schutzsuchend an die Schulter meines Herren legte. Seine Worte über Claus zeigten mir, dass es wahrscheinlich wirklich möglich war ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufzubauen, wenn auch in einer längeren Zeitspanne, denn die beiden brauchten auch ihr Leben lang, um so liebevoll miteinander umzugehen. Der Pfau hatte schon einige male den Grund dafür ihn zu schlagen, doch statt dessen schnauzte er den Hünen bloß an und bekam etwas gleichwertiges zurück. Manuel und ich befanden uns auf einem guten Weg dort hin, so vorsichtig wie er mich behandelte und auch die beiden würden sich bald an das Verhalten zum Grünäugigen gewöhnen.

Nur langsam hob sich der Blick von Maurice, unsicher und ängstlicher, als ich es jemals zuvor bei ihm gesehen hatte. Er sah erst mir in die Augen, eine Mischung aus Unsicher und Vorsichtig spiegelte sich in ihnen wieder, dann galt sein Blick unserem Herren. Michael schien immer noch ziemlich unsicher, ob er diesen Schritt wagen sollte. "Verzeiht uns unser schlechtes Verhalten, Herr...bitte, uns wurde beigebracht niemals auch nur ein bisschen unseren Blick in der Anwesenheit eines Hybriden zu heben. Vergebt uns...", bat der Blonde leise um Gnade und allein bei seiner vorsichtigen Wortwahl, wurde mein Herz ganz schwer. Es war für mich schon fast normal geworden den Brünetten anzusehen, ihn vorsichtig zu berühren und auch wenn ich teilweise noch zögerte, glaubte ich ihm. Er würde uns nichts tun, weil wir ihn ansahen oder ein kleines Widerwort gaben, sonst wäre ich schon längst verprügelt worden. Claus hatte den Pfau schon viel schlimmer angesprochen, als wir es jemals könnten und das einzige was er dafür bekam, war eine sanfte Nackenschelle.

"Ihr seid so unglaublich goldig, alle drei...bitte, seht mich so oft an wie ihr wollt! Ich befehle es euch meinetwegen auch, sprecht mit mir, seht mir in die Augen, versteckt euch nicht vor mir! Es gibt nichts, womit ihr mir mehr Freude bereiten könnt, als eine freundschaftliche Beziehung zu mir aufzubauen und mich als euren Kumpel zu sehen, nicht als euren Herren. Nennt mich Manuel oder Manu, ist mir eigentlich vollkommen egal, bloß nicht mehr Herr oder Sir! Ich weiß dass das alles hier neu und aufregend für euch ist, ein neues Haus, neue Hybriden um euch herum...deshalb lasst euch bitte Zeit, um ein bisschen Vertrauen zu mir aufzubauen, weil das kann und werde ich noch nicht von euch verlangen. Lasst uns erst mal ein bisschen frühstücken, nebenbei kann ich euch gerne Fragen beantworten oder ich erzähle euch blind was aus meinem Leben, was auch immer euch zusagt!"

~3650 Worte, hochgeladen am 07.04.2020

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