41. Pfannkuchen

Müde hatte ich mich ins Bett gelegt und mich unter der Decke verkrochen, nachdem Manuel sich beruhigt hatte und wusste, dass ich nicht vorhatte zu gehen. Der Pfau hatte mich erleichtert angesehen, als ich ihm angedeutet hatte nur ein wenig nachdenken zu wollen und wie er es mir versprochen hatte, gab er mir Zeit und ließ mich in unser Zimmer gehen. Er war stattdessen zurück zu seinem Bruder gegangen und ich hatte nur zum Teil mitgehört, wie Michael ihn vorsichtig darum gebeten hatte bei ihnen bleiben zu dürfen, auch wenn er nur bleiben konnte, bis er sein eigenes Geld verdiente. Sofort hatte der Grünäugige erklärt, dass der Hybrid gerne so lange bleiben konnte, wie er wollte und dass wir zusammen so etwas wie eine Wohngemeinschaft sein konnten, wenn der Jüngere und ich einen Beruf gefunden hatten und eigenes Geld verdienten. Wir könnten uns an der Miete des Hauses beteiligen und dieses vielleicht aufteilen, sodass Michael zusammen mit Maurice die obere Hälfte bekam und Manuel zusammen mit mir im Erdgeschoss leben konnte, wobei wir die Küche und das Wohnzimmer teilen konnten. Ungläubig wollte Michael erst ablehnen, schließlich hatte er ihm schon viel zu lange grundlos auf der Tasche gelegen, doch Manuel bestand darauf ihn hier zu behalten und ihn bei der Suche nach einer geeigneten Arbeit zu unterstützen. Es freute mich zu hören, dass der uns beide auch trotz den neuen Umständen ohne zu zögern hierbehielt und sogar anbot bleiben zu dürfen, denn das würde kaum jemand anderes machen.

Mit geschlossenen Augen lag ich da und dachte darüber nach, was ich mir für einen Beruf suchen sollte und was ich überhaupt machen könnte. Viel blieb mit meiner fehlenden Fähigkeit zu sprechen nicht, denn schließlich schaffte ich es nicht einmal mit der Person wirklich zu sprechen, der mein Herz gehörte und mit mir völlig fremden Hybriden Worte zu wechseln, war für mich nahezu unmöglich. Rechnen und schreiben konnte ich jedoch genauso wenig, zeichnen erst recht nicht, und so blieb nichts mehr übrig, was ich zumindest probieren könnte. Noch immer war ich unnütz, selbst als Hybrid und ich fragte mich, wie jemand wie Manuel sich für mich interessieren konnte. Nichts hatte ich ihm zu bieten, was er nicht kaufen oder sich von jemand anderem besorgen konnte. Selbst, wenn ich eine Beziehung mit ihm eingehen würde, würde ihm diese irgendwann sicher zu langweilig werden und er würde mich rausschmeißen, also lohnte es sich überhaupt mit ihm zusammenzukommen? Ich wollte nicht auch noch von ihm verletzt werden, wenn ich von so vielen Hybriden schon mit Taten kaputtgemacht wurde und meinen Lebenssinn verlieren, denn schließlich hatte ich mich dem Jüngeren bei meinem Kauf verschrieben und ewige Treue geschworen. Wenn er mich verließ, hatte ich niemanden mehr und was nützte mir dann noch die Tatsache, dass ich ein Hybrid war? Niemand liebte mich ansonsten, wäre bereit mich aufzunehmen und ich wusste, dass ich allein niemals lange überleben könnte. Mir würde keine andere Möglichkeit mehr bleiben, als Suizid zu begehen, denn allein draußen überleben zu müssen, ohne Nahrung und jemanden, der mich wärmte, wollte ich nicht. Um nicht herausgeworfen zu werden, musste ich noch immer das tun, was mir Manuel sagte.

Nur leise, kaum hörbar öffnete sich die Tür des Zimmers und ich schlug wie gewohnt meine Augen auf, erkannte jedoch nicht meinen Freund, der sich dazu entschloss sich zu mir ins Bett zu legen, sondern den kleinen Noah. Vorsichtig lugte er in den Raum hinein und trat ein, ließ die Tür jedoch einen Spalt breit offen, sodass das Licht das Zimmer ein wenig erhellte. Mit tapsigen Schritten ging der Pfau auf das Bett zu und krabbelte wortlos über Manuels Seite hinweg zu mir, um seine Stirn müde an meine Brust zu lehnen und sich vor mir einzukugeln. „Darf ich bei dir schlafen, Onkel Patrick? Mama und Papa haben gesagt, dass sie noch ein bisschen hier bleiben wollen, aber ich bin müde...", fragte mich der Braunäugige müde und mein Herz schlug Alarm, so niedlich hoffnungsvoll sah der Junge zu mir hinauf und ich begann automatisch sanft zu lächeln, denn diese unschuldigen, viel zu niedlichen Augen machten mich glücklich. Der Jüngere hätte überall schlafen können, er hätte in das Gästezimmer gehen können, doch stattdessen kam er zu mir und legte sich neben mir, als wäre es selbstverständlich. Wieder stieg in mir der Wunsch auf ein Kind zu haben, welches ich lieben und beschützen konnte, und welches sich so widerstandslos an mich schmiegte, wie der Brünette vor mir. Sanft legte ich ihm meinen rechten Arm um den Rücken, sodass er merkte, ich war da und beschützte ihn, und begann leise zu schnurren.

„Gute Nacht, Onkel Patrick!"

(...)

Ruhig lag Noah an meine Brust geschmiegt da, ließ sich von nichts beim Schlafen stören und ich blieb die ganze Zeit liegen, bewegte mich kein Stück. Meine Ohren fokussierten sich auf die leisen, für mich kaum verständlichen Worte meines Geliebten, welcher im Moment ein wenig über die Idee sprach gemeinsam einen Familienausflug zu machen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, denn scheinbar hatte er meinen Wunsch nicht vergessen in einen Wald zu gehen und ein wenig die Natur zu betrachten. Peter meinte, er hätte keine Zeit, da er arbeiten musste und Daniela ging es recht ähnlich, doch dem Vorschlag, dass wir ihnen Noah einfach abnehmen könnten und mit ihm einen Ausflug machen könnten, stimmten beide schlussendlich zu. Sie vertrauten Manuel und mir ohne zu zögern ihr Kind an, was ihr Vertrauen in uns zeigte und ich freute mich darüber, denn es war das erste Mal, dass ich hörte, wie jemand über mich sagte, dass ich verantwortungsbewusst genug war, um auf ein kleines Kind aufzupassen. Sicher trug Manuels Anwesenheit einen großen Teil dazu bei, dass sie uns erlaubten ihren Sohn auf einen Ausflug mitzunehmen, doch trotzdem freute ich mich darüber und malte mir aus, wie ich gemeinsam mit Manuel und dem Kleinen an der Hand durch einen Wald lief, vielleicht ein paar Tiere sehen konnte und dem Braunäugigen ein Lächeln auf die Lippen zaubern würde.

Irgendwann, es war schon längst dunkel und ich war kurz davor einzuschlafen, da hörte ich leise Schritte und lauschte aufmerksam. Allein an dem Rascheln von Federn erkannte ich, dass es sich um Manuel handelte und da ich wusste, dass dieser mir nichts tun würde, blieb ich einfach ruhig und wartete darauf, dass er sich zu uns legte. Sicher wollte er einmal nachsehen, ob alles in Ordnung war und würde gleich wieder gehen, sobald er sah, dass es uns beiden gut ging und dass ich nichts machte, was Noah nicht auch wollte. Ein belustigtes Schnauben war zu vernehmen und die Schritte entfernten sich wieder, nur um ein paar Sekunden später wieder zu kommen, doch mit noch einer zweiten Person im Petto. „Guck Mal, da scheinen sich wohl zwei gefunden zu haben!", flüsterte mein Freund mit einem Lächeln auf den Lippen und leise brummte die andere Person bestätigend, bei der es sich klar um Daniela handelte. Still lauschte ich den Worten der beiden Pfauen, strich der Weile im immer gleich bleibenden Takt durch die Haare des Jungen und wurde daraufhin von diesem umschlugen, was mich ihn sicher fassen ließ. Der Braunäugige schien sich in meinen Armen sichtlich wohlzufühlen und ruhig zu schlafen, was mich glücklich machte. Ich schien ruhig genug zu sein, dass der Kleine schlafen konnte und ihn nicht dabei zu stören, so wie ich es am Anfang noch mit Manuel gemacht hatte. Der Gehörsinn von Pfauen war empfindlich und dadurch, dass ich absolute Ruhe beim Schlafen nicht gerne hatte, hielt ich den Grünäugigen durch einen extra für mich laufenden Fernseher wach. Doch solange der Brünette nicht neben mir lag, wollte ich wach bleiben.

„Sieht wohl so aus! Ich hätte eigentlich gedacht, dass Noah deinen Süßen mit seiner Aufdringlichkeit nerven würde, aber scheinbar haben die beiden sich doch ganz gerne. Die zwei sind aber auch niedlich zusammen, das muss man denen lassen! So wie es aussieht, fahren wir wohl heute ohne Noah nach Hause. Macht dir das was aus, wenn er über die Nacht hierbleibt? Ich hole ihn dann einfach morgen früh ab...", fragte die Hybriden den Bruder ihres Mannes und nun hoffte ich, dass er zusagen würde, denn den Kleinen nun loslassen, wollte ich auf keinen Fall. Er wirkte so unglaublich müde und lieb, schien sich in meinen Armen spürbar wohlzufühlen und ich würde ihn am morgigen Tag gerne fertigmachen, ihm Frühstück zubereiten und dabei zusehen, wie er aufwachte. Vielleicht konnte ich mit ihm noch ein wenig Fernsehe gucken, bevor seine Mutter kam und ihn zum lächeln bringen, so wie es sich für diesen kleinen Engel gehörte. Auch, wenn ich mein Leben lang von den verschiedensten Hybriden behandelt wurde wie Dreck, hieß das nicht, dass ich mich nun bei einem so niedlichen Jungen wie Noah rächen musste. Der Jüngere hatte Liebe und Zuneigung verdient, welche ich ihm gerne gab, wenn er es zuließ und da er bis auf weiteres die einzige Möglichkeit für mich war mich um jemanden zu kümmern, der meine Hilfe brauchte, wollte ich mich bemühen ihn so gut zu behandeln, wie es mir möglich war.

„Überhaupt nicht, nein! Er kann gerne bleiben, das weißt du doch, Dani. Das freut Patrick bestimmt auch, weißt du? Ich habe ihn vor ein oder zwei Tagen gefragt, ob er einen Wunsch hat und du glaubst gar nicht, was seine Antwort darauf war. Er wünscht sich nichts was man einfach so kaufen kann, sondern er möchte eine eigene Familie und ein Kind haben! Sieh dir doch an, wie er mit Noah umgeht. Ich bin mir absolut sicher, dass beide sich darüber freuen würden, wenn der Kleine einfach Mittags immer zu uns kommt und dann, wenn du von der Arbeit kommst, abgeholt wird. Das ist sowieso eine tolle Idee! Patrick wäre sicher glücklich darüber auf Noah aufzupassen!", erzählte mein Mitbewohner leise, während er die Tür schloss und so dafür sorgte, dass sein Neffe nicht so leicht aufwachen konnte. Ein verliebtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, als Manuel diese Worte aussprach und ich wünschte mir ihm in diesem Moment für seine Aufmerksamkeit danken zu können, doch dazu musste ich noch ein bisschen warten. Leise erzählten die beiden Pfauen im Flur, bald hörte ich auch schon Peter dazukommen und ich dachte, er hätte etwas dagegen, dass ich Nachmittags auf sein Kind aufpassen könnte, doch er nahm diesen Vorschlag meines Herrn mit Begeisterung an und die beiden Eltern beschlossen mich morgen zu fragen, wenn Daniela ihren Sohn abholte. Es würde den zwei Braunäugigen sehr helfen, wenn ich am Nachmittag auf Noah aufpasste, schließlich konnten sie dadurch die Kosten für jemanden sparen, der auf den Dreijährigen aufpasste, während sie beide arbeiteten und ich wusste schon jetzt, dass ich auf jeden Fall annehmen würde. Gemeinsam mit Michael und Maurice könnten wir Filme oder Serien gucken, malen, basteln oder lernen, was auch immer der Kleine machen wollte.

Leise verabschiedeten sich Peter und Daniela von Manuel, verließen unser Haus und ich lauschte still, hörte Manuel im Badezimmer seine Zähne putzen und wie er das Licht im Wohnzimmer ausschaltete, ehe er fast geräuschlos unser Zimmer betrat und sich neben mich legte. Unsicher schien er nicht zu wissen, ob er sich an mich schmiegen sollte oder nicht, schließlich hatte ich ihm noch immer nicht endgültig gesagt, ob ich ihm verzieh, doch dass er sich nun von mir abwandte wollte ich nicht. Vorsichtig legte ich dem Jüngeren meinen rechten Arm um die Hüfte, brachte ihn dadurch zum zusammen zucken, da er nicht erwartet hatte, dass ich noch wach war, und zog den Größeren näher zu mir. Ohne sich zu beschweren, ließ der Schauspieler mich machen und ich ruhte erst, als er schlussendlich so nahe an mir lag, dass sich unsere Stirnen berühren konnten. „Ich dachte, du würdest schon schlafen, Süßer...", flüsterte der Grünäugige ruhig, dabei sah er mich mit verwunderten Augen an und ich genoss den seicht nach Minze riechenden Atem des Brünetten auf meinen Lippen, verspürte den Wunsch diese zu küssen, doch hielt mich etwas davon ab. Es war die Angst noch einmal an diesem heutigen Tag abgewiesen zu werden, die unbegründet war, schließlich hatte mir mein Gegenüber mindestens tausend Mal versichert, er wollte mich auch küssen, doch verfolgen würde mich diese Angst noch länger. „Nicht ohne dich!"

Das Herz des Pfaus beschleunigte bei meinen Worten, die ich einfach unbedacht von mir gab und ich errötete ungewollt, da ich ihm gerade gestanden hatte, dass ich ihn zum ruhig schlafen brauchte. Eigentlich könnte er es einfach so wissen, schließlich war es seit er mich gekauft hatte nie anders gewesen und ich hatte schon in der einen Nacht Schwierigkeiten zu schlafen gehabt, in der Claus mit in seinem Bett schlafen sollte, doch scheinbar war er nicht so glücklich, wie ich es mir erhofft hatte, und er zog seinen Kopf zurück. Seufzend wandte er sich von mir ab, was ich nicht verstand. „Weißt du, es ist in Ordnung, dass du ein wenig Zeit brauchst und noch nicht sicher bist, was deine Gefühle zu mir angehen. Aber dann tu mir bitte den Gefallen und spiel nicht so mit meinen Gefühlen, Patrick! Das tut weh."

(...)

Mit dunklen Augenringen wachte ich am Morgen auf, ohne Noah neben mir und mit einem Manuel, der weit von mir weggerutscht war. Noch immer schmerzte mein Herz allein bei dem Gedanken an die Worte des Pfaus und ich bekam riesige Schuldgefühle, denn obwohl er oft das Gegenteil davon zeigte, gefielen ihm meine liebevollen Gesten und Worte nicht so, wie ich es mir erhoffte. Der Jüngere schien mir verletzt zu sein, nahm meine Gesten als Spiel auf, dabei wollte ich alles andere als mit seiner Liebe zu mir zu spielen. Stumm hatte ich die Nacht über nachgedacht und überlegt, wie ich den Brünetten wieder zum Lächeln bekommen konnte und ihm zeigte, dass ich nicht mit ihm spielen wollte. Ich hatte es mich nach seinen Worten nicht mehr getraut ihn um Nähe zu bitten, so wie er sie mir sonst immer gab und hatte ihn in Ruhe gelassen, doch schlafen konnte ich genau aus diesem Grund nicht. Meine Gedanken um meinen Freund hielten mich wach, ließen mich nach einer Lösung suchen ihm zu zeigen, dass ich mich bessern würde und aufhören würde mit ihm zu spielen, doch wusste ich nicht einmal, wann er dachte, ich spielte mit ihm. Offensichtlich dann, wenn ich ihm sagte, ich wollte ihn bei mir haben und wenn diese Worte das bewirkten, dann würden meine Taten wie das Suchen nach Nähe genau das gleiche zeigen, was bedeutete, ich musste ihm um nicht mit ihm zu spielen fernbleiben. Aber das wollte ich auf keinen Fall, ich brauchte die Zuneigung des Pfaus und konnte nicht ohne diese leben. 

Mit gesenktem Kopf verließ ich das Zimmer und machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer, in dem ich den kleinen Noah auf der Couch sitzen sah. Leise hatte er sich den Fernseher angeschaltet und sah sich eine Sendung mit einem gelben Wesen an, von dem ich nicht wusste, was es darstellen sollte. Belustigt kicherte er, als die Figur einen Witz machte und ich begann automatisch zu lächeln, als ich sah, wie fröhlich er allein wegen etwas eigentlich so Belanglosem war und so sehr davon in den Bann gezogen wurde, dass er mich nicht einmal wahrnahm, als ich den Kühlschrank öffnete und begann uns beiden Frühstück zu machen. Sicher würde er sich über Pfannkuchen freuen, mit Apfelmus und Zucker, das hätte ich an seiner Stelle getan. Würde mir jemand etwas zu essen machen und sich um mich sorgen, wäre ich dieser Person dankbar und das war ich auch, denn schließlich machte Maurice uns allen schon seit Anfang an stets Frühstück und beschwerte sich kein einziges Mal bei uns dafür, er sah es als seine Pflicht. Irgendwann würde ich mich bei ihm für seine liebevolle Art bedanken und dafür, dass er mich immer umsorgte, auf mich achtgab und mir immer ein Lächeln schenkte, wenn ich eines brauchte. Der Blonde mochte es vielleicht nicht zugeben, doch er war ein wahrer Engel und ich freute mich darüber, dass er mich als seinen Freund akzeptierte. Er hatte schließlich nicht die Pflicht dazu, das hatte niemand hier, doch trotzdem schienen mich alle im Haus positiv aufzunehmen.

Mit glänzenden Augen nahm mich der kleine Noah in Empfang, als ich ihm einen Teller mit einem Pfannkuchen drauf hinhielt, welchen er mit einem Grinsen auf den Lippen entgegennahm. „Setz dich zu mir und guck mit mir Fernseher, Onkel Patrick!", bat mich der Braunäugige mit einem so unschuldigen Blick, dass ich mich neben ihn fallen ließ und begann lieb zu lächeln, als der Jüngere neben mich rutschte und zu essen begann. Leise summte er den Titelsong der Serie mit und ich begann ebenso gebannt auf den Bildschirm des Gerätes zu schauen, verfolgte das Geschehen mit und begann nach ein paar Minuten ebenso Freude daran zu finden, wie es der Pfau tat. Lustig hüpften die vier Figuren im Bild herum, sangen und tanzten, was endlich ein Fernsehprogramm war, bei dem es nicht um Gewalt oder Drogen ging. Viele bunte Farben waren stattdessen zu sehen, die nicht langweilig und trist waren, wie grau oder schwarz, sondern etwas wie Freude und Glück aussagten, einfach freundlich wirkten. Es dauerte nicht lange, bis Noah sein Frühstück aufgegessen hatte und sich seine Zähne putzen ging, dabei so leise wie nur irgendwie möglich war. Ich verstand, weshalb der Kleine diese Serie mochte und obwohl sie für Kinder gedacht war, würde ich mir etwas wie das lieber ansehen als das, was Manuel schaute. Seine Filme waren immer so ernst und erschreckten mich oft, wenn eine Szene zu unerwartet passierte, doch Noahs Auswahl an Serien schien der meiner Interessen sehr nahe zu kommen. Es war vielleicht kindisch, doch gefielen mir diese gezeichneten und animierten Dinge sehr viel mehr, als es Filme taten, die von Hybriden gespielt wurden.

„Morgen, Süßer! Hast du schon was gegessen?", vernahm ich die Stimme meines Herrn, welche mich jegliche Freude vergessen ließ, die ich noch Sekunden zuvor empfunden hatte. Sofort senkte ich unsicher und traurig meinen Kopf, machte mich unauffällig kleiner und brummte zweimal leise, um seine Frage zu verneinen. Er schien nicht mehr so abweisend wie am gestrigen Abend zu sein, ich hörte, wie er beim Sprechen lächelte, doch da ich Angst hatte ihm erneut das Gefühl zu geben, ich würde mit ihm spielen, sah ich ihn nicht an. Auf Dauer war das sicher keine Lösung, schließlich tat mir die fehlende Liebe meines Freundes schon nach einer Nacht ohne seine beschützenden Arme um mich weh, doch im Moment fiel mir nichts anderes ein, was ich anders machen könnte, um dem Brünetten zu zeigen, ich wollte ihn nicht traurig machen. Auch mit meiner Ignoranz würde er nicht zufrieden sein, doch eine andere Lösung als das hatte ich nicht. Mir fehlte der Mut, um den Grünäugigen auf seine Worte in der Nacht anzusprechen und ihm zu erklären, dass ich die meine nicht böse gemeint hatte und einfach nur zeigen wollte, dass ich ihn brauchte. Ich hatte das Gefühl immer alles falsch zu machen, obwohl ich es noch so gut meinte und Manu verstärkte dieses Gefühl mit seinen Anschuldigungen, obwohl er das mit Sicherheit nicht wollte.

Es dauerte einige Sekunden, ehe sich der Pfau mit zwei Tellern neben mich auf die Couch fallen ließ und mir den meinen reichen wollte, meinen betrübten Blick jedoch wahrnahm und sofort besorgt seine Augenbrauen zusammenzog. „Hey, was hast du denn?", wollte er fragen, während er die Teller auf den kleinen Tisch vor uns stellte und meinen Kopf am Kinn hochdrücken wollte, damit ich ihn ansah, doch ich ließ ihn nicht. Widerwillig drehte ich meinen Kopf zur Seite und wollte von dem Größeren wegrutschen, aber er reagierte schneller als ich und umschloss meine Taille mit seinem rechten Arm. Instinktiv zog er mich näher an sich heran, was mich ängstlich zusammenzucken ließ. Unterwürfig begann ich mich an ihn zu schmiegen, da ich Angst hatte sonst von ihm geschlagen zu werden und sofort ließ der Jüngere lockerer, behielt mich jedoch noch immer an sich gepresst. „Habe ich dir etwas getan, oder wieso willst du mich nicht angucken?", fragte der Grünäugige mich, doch eine Antwort bekam er nicht. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt nicht in Tränen auszubrechen, so vorwurfsvoll sah der Siebzehnjährige auf mich hinab und obwohl ich eigentlich frei war, nichts mehr zu befürchten hatte, zeigte ich Schwäche und Demut. Manuel schien nicht zu wissen, was er falsch gemacht haben könnte und sah mich ratlos an, begann mir vorsichtig durch das Haar zu streichen, um zu zeigen, er war mir nicht böse, doch ich regte mich keinen Zentimeter von der Stelle.

„Ich weiß zwar nicht so recht, was ich falsch gemacht habe, aber es tut mir leid! Bitte sei mir nicht böse, ja? Leider kann ich noch keine Gedanken lesen und weiß nicht, was du jetzt von mir hören möchtest...", gestand mir Manuel vorsichtig und mit ruhiger Stimme, doch aufsehen zu ihm tat ich noch immer nicht. So sehr ich auch wollte, ich konnte einfach nicht mit ihm reden und nun vielen mir Parallelen auf, denn immer, wenn ich bisher gesprochen hatte, hatte es einen von uns beiden traurig gemacht. Vielleicht war es ein Zeichen, welches mir zeigen sollte, dass ich aufhören sollte zu sprechen und es einfach lassen sollte, schließlich machte es nur Ärger. Ich würde so zwar niemals einen Beruf finden, den ich ausüben konnte, schließlich musste man für alles reden können, doch zumindest machte ich niemanden mehr traurig und würde Manuel nicht mehr ungewollt verletzen. Seine Trauer am Abend konnte auch einfach nur von der Aufregung des ganzen Tages kommen, er war schließlich ziemlich überfordert mit den ganzen neuen Erfahrungen und dem neuen Wissen über uns, doch es hatte mich schockiert, wie ich den Pfau mit einem eigentlichen Kompliment traurig machen konnte. Es war mit Sicherheit nicht seine Absicht, doch er gab mir ohne es direkt auszusprechen zu verstehen, dass ich ihm nur Ärger machte und sein Leben kompliziert machte. Es machte mich traurig zu merken, dass ich immer nur Schaden anrichtete und dem Grünäugigen niemals das gab, für was er mich gekauft hatte.

„Kann es sein, dass ich dich traurig gemacht habe, weil ich gesagt habe, dass du nur mit meinen Gefühlen spielst?", fragte mich der Pfau nach ein paar Sekunden, in denen wir beide schwiegen und ich brauchte einen kleinen Moment, um letztendlich vorsichtig zu nicken. Schuldbewusst sah ich auf meinen Schoß und schmiegte mich schutzsuchend an den Körper des Größeren, welcher mir vorsichtig seine beiden Arme um die Taille schlang. Unsicher lehnte ich meinen Kopf an den des Brünetten an. „Oh Patrick, das war nicht so gemeint, wie du es aufgefasst hast, wirklich nicht! Ich war einfach nur müde und irgendwie geschockt von diesen ganzen neuen Dinge, die ich gestern erfahren habe. Du bist eine treue Seele und ich weiß, dass du einfach nur ein wenig mehr Zeit brauchst und vielleicht irgendwann dazu bereit bist mich als die Person zu akzeptieren, die mit dir zusammen sein darf! Aber manchmal neige ich bei Müdigkeit dazu mir Dinge einzureden, die nicht stimmen und oft sehe ich etwas Schlechtes in Situationen, obwohl alles gut ist! Ich weiß nicht mal wirklich wieso, aber ändern kann ich diese Eigenschaft an mir auch nicht und das will ich auch nicht. Es ist nun mal so wie es ist und ich weiß, dass du traurig bist, aber es tut mir leid! Manchmal rutscht mir sowas einfach raus und ich denke nicht darüber nach, dass ich andere damit verletzen könnte! Das wollte ich wirklich nicht."

Still schmiegte ich mich an den warmen Körper meines Herrn. Ich wusste, dass er dazu neigte unter Müdigkeit unbedacht zu handeln und es wäre ungerecht ihn deswegen nun zu ignorieren, schließlich konnte er für diese Eigenschaft nichts. Er akzeptierte mich auch mit meinen Stärken und Schwächen, war mir nicht einmal böse, dass ich es nicht schaffte immer vor ihm zu sprechen und da ich seine zärtlichen Streicheleinheiten vermisste, die mich in den Schlaf geleiteten, begann ich erneut vorsichtig zu nicken. Mit dem Brünetten streiten wollte ich nicht, er war mir mein Leben wert und ich konnte nicht einmal ruhig einschlafen mit dem Gedanken, dass der Jüngere mir für irgendetwas böse war, es trieb mich in den Wahnsinn. Ich wollte ihn stolz sehen, mit leuchtenden Augen und einem lieben Lächeln auf den Lippen, einfach zufrieden mit der Welt, so wie er es verdient hatte. Für seine liebevollen Gedanken, die er mir stets gegenüber hatte und auch für seine Zuneigung, die er mir immer wieder gab, wenn ich sie brauchte, für seine Mühen und die Zeit, die er dafür investierte, dass es uns gut ging. Noch nicht jetzt, doch irgendwann würde ich etwas finden, was ich ihm für all seine guten Taten zurückgeben konnte. Im Moment schien einer seiner sehnlichsten Wünsche zu sein, dass er mich küssen konnte, wann immer er wollte und auch, wenn es das einzige war, von dem ich im Moment klar wusste, er wollte es haben, war ich noch nicht dazu bereit ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Meinen Gefühlen zu ihm war ich mir sicher, ich liebte den Pfau von ganzem Herzen, doch das Gefühl noch einmal von ihm abgewiesen zu werden, verfolgte mich seit dem gestrigen Tag sehr.

„Lass uns diese Sache einfach vergessen und etwas essen, ja? Ich habe schon im Bett gerochen, dass du da etwas ganz Feines gezaubert hast, Süßer!", machte mir der Jüngere ein Kompliment, was meine Wangen erröten ließ. Es erwärmte mein Herz zu hören, wie hoch der Jüngere mich lobte und dabei nicht einmal aufgesetzt wirkte, einfach ein unfassbar niedliches Glitzern in den Augen trug, mit denen er mich direkt ansah. Ich brauchte in seiner Nähe nicht das Gefühl zu haben ihm unterlegen zu sein, der Pfau versuchte mir auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und gab sich große Mühe dabei mich sicher fühlen zu lassen, mich willkommen zu heißen und das brachte mich zum Lächeln. Wie liebevoll sein Blick schien, nachdem ich ihm seine Worte verziehen hatte, ich fühlte mich geschmeichelt und mochte den Gedanken, dass der Brünette sich um meine Meinung über ihn scherte. Er wollte, dass ich ein gutes Bild von ihm hatte und wusste, dass er mir nichts tun würde, er hatte spürbar das Bedürfnis gut dazustehen vor mir und mich nicht zu enttäuschen, setzte alles daran mich zufrieden zu stellen und das auch, als er noch gehofft hatte, ich wäre nur ein einfacher Mensch. Der Hybrid war bereit dazu um meine Gunst zu kämpfen und mein Herz für sich zu gewinnen, tat das mit voller Kraft und Überzeugung, doch dass er meine Liebe schon längst gewonnen hatte, schien er noch nicht ganz zu verstehen. Wie auch, ich gab zu wenig Anzeichen und hatte diese Worte noch nicht einmal von selbst ausgesprochen, doch das nahm ich mir fest vor, ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn mindestens genauso liebte, wie er mich.

Vorsichtig lächelte ich, während ich ohne Manuel von der Seite zu weichen seinen Teller nahm und ihm diesen hinhielt, mir meinen ebenso nahm, um mich erneut so nahe wie zuvor an ihn zu schmiegen. Dankbar sah der Jüngere auf mich nieder, hauchte mir einen liebevollen Kuss auf die Schläfe und begann sich den Pfannkuchen in kleinere Teile zu zerreißen, was ich ihm eilig gleichtat. Nebenbei wanderte mein Blick zurück auf den Fernseher, wo gerade eine neue Folge der Serie von Noah anfing und sofort sah ich gespannt dabei zu, wie die gezeichneten Figuren wild durch den Bildschirm tanzten und begannen ein Lied zu singen. Ich merkte gar nicht, wie ich unbewusst anfing meinen Kopf im Takt zu bewegen und von meinem Freund vorsichtig von der Seite gemustert wurde, allein auf die bunten Bilder fokussierte ich mich. Bisher hatte ich in der Gegenwart des Pfaus noch nicht einmal bei einem Film oder einer Serie Freude gezeigt, immer nur Unruhe oder Angst, doch dass ich ausgerechnet bei etwas wie diesem hier, für mein Alter nicht angemessenes, etwas wie Freude empfand, schien den Grünäugigen zu irritieren. Er selbst sah sich Kinderserien ungerne an, da sie einfach nicht seinem Geschmack entsprachen und doch blieb er still neben mir sitzen, so wie ich immer bei ihm blieb, auch wenn mir seine Auswahl des Fernsehprogrammes nicht gefiel. Sein Blick galt allein mir und als ich schließlich bemerkte, wie mich der Größere grinsend ansah, senkte ich unsicher meinen Kopf und war traurig. Es schien mir, als würde sich der Langhaarige über mich lustig machen und fühlte sich an, als würde man mir ein Messer durch das Herz stechen. 

Mit dem Zeigefinger drehte Manuel meinen Kopf zu sich, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte und sofort erkannte ich ein verliebtes Funkeln in ihnen. „Weißt du, Süßer? Du schaffst es irgendwie immer wieder etwas Neues zu finden, was dich noch viel niedlicher macht als vorher! Und ein guter Vater wärst du auch. Ich wünschte, dass ich als Kind auch so einen Vater wie dich gehabt hätte, der mit mir zusammen Fernsehguckt und mir etwas so Leckeres zu essen macht wie du...wer auch immer irgendwann einmal das Glück haben wird mit dir zusammen sein zu dürfen, auf diese Person werde ich wohl für immer neidisch sein!"

Wie er wohl gucken wird, wenn er erfährt, dass er auf sich selbst neidisch sein wird?

~4830 Worte, hochgeladen am 13.11.2020


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