4. Autofahrt

Müde lehnte mein Kopf auf der Schulter meines Besitzers, welcher behutsam mit seinen Daumen über meine Seiten strich und aus dem Fenster guckte. Wir fuhren seit einigen Minuten, sicher schon seit dreißig und je länger ich in der wunderbaren Wärme saß, desto mehr wollte ich mich meinem Gefühl der Müdigkeit hingeben. Es tat gut meinen Körper zu entspannen, ihn nicht anstrengen zu müssen und ruhig vor sich hindösen zu können, das hatte ich in dem Gefängnis nur selten tun können. Dort war es zu laut, da die meisten miteinander geredet hatten und der Boden bestand aus harten Steinen, welche kälter waren, als Eis selbst. Man hatte es schwer schlafen zu können, mit so vielen Menschen in einem Raum und vielleicht, sollte Manuel tatsächlich so gütig sein uns eine Decke zu geben, konnte ich ein bisschen besser schlafen. Zwei Menschen im Zimmer zu haben, die leise miteinander redeten, war viel angenehmer, als eine riesige Menge, welche keine Rücksicht auf einzelne nahm. Die beiden würden das tun, wir waren nun eine Einheit, welche zusammenhalten musste.

Entspannt brummte ich auf, drehte meinen Kopf in Richtung der Autotür, sodass er in Manuels Halsbeuge lag und diese leicht berührte. Kein Wort sagte er dazu, eher begann er seinen Kopf ebenfalls an meinen zu lehnen und käme er mir noch ein bisschen näher, würden seine Lippen meinen Hals berühren. Die Nähe, welche er mir bewusst gab, tat mir unerwartet gut und ich hätte am liebsten für immer auf ihm gesessen. Es waren seine vorsichtigen Streicheleinheiten, mit denen er versuchte mich zu beruhigen und niemals würde ich von ihm denken, dass er mir jemals etwas tun könnte. Seit er mich ausgesucht hatte, ging er vorsichtig und beruhigend mit uns um, bemühte sich sichtlich mir zu zeigen, dass er uns gut behandeln würde. Ich konnte ihm nicht glauben, zu viele Hybriden hatten mich schon für Dinge bestraft, für die ein anderer Mensch höchstens einen Tag kein Essen bekommen hätte und bald würde auch Manuel anfangen mich zu strafen. Die Zeit, in welcher er mich behutsam behandelte, wollte ich noch genießen und das so lange wie möglich.

"Weißt du Patrick...mir ist es ganz egal, was alle anderen sagen. Du bist ein liebenswürdiger Mann und ich werde dich wieder vollkommen aufpeppen! Ich verstehe überhaupt nicht, was alle anderen gegen dich haben. Dass du nicht sprechen kannst ist definitiv nicht der Grund dafür, dass du so schlecht behandelt wurdest, also zumindest kann ich das nicht glauben. Die haben einen so hübschen Menschen mit ihren Taten einfach kaputt gemacht und es gibt einiges was ich verzeihen kann, aber nicht das! Den Blick dieses einen Grizzlys habe ich sehr wohl bemerkt und ich glaube mittlerweile, dass das alles ein Suizidversuch von dir war, oder? Ich meine, der hat dich angesehen, als wenn er mehr als wütend auf dich gewesen ist und du selbst hast dich auch versucht so schlecht aufzuführen, wie es nur geht. Der Tag wäre für dich heute nicht gut geendet. Es ist schwer zu fassen, dass du den Tod tatsächlich für eine bessere Lösung gehalten hast, als weiter zu leben! Ich verspreche dir hoch und heilig, du wirst bei mir niemals auch nur darüber nachdenken müssen, dass du sterben willst. Dir wird es gut gehen, dafür werde ich sorgen. Dich bekommen wir wieder auf Vordermann...", sprach Manuel auf mich ein, doch ich reagierte kein bisschen. Seine Worte drangen in mein eines Ohr hinein und aus dem anderen wieder hinaus, zu schwer fiel es mir nicht einzuschlafen. Es fiel mir schwer mich nicht zu versteifen, als der Grünäugige Frank erwähnte und auch er merkte, dass ich mich unwohl fühlte. Seine Hände wanderten meinen Körper hoch, streiften meinen Bauch, was mich dazu brachte zusammen zu zucken. Dort war ich schon immer sehr empfindlich, doch trotzdem blieb seine warme Hand auf ihm liegen.

"Alles gut, Patrick. Einfach weiterschlafen, ja? Wir fahren noch eine ganze Weile...", murmelte der Brünette, doch nun konnte ich nicht mehr. So sehr meine Augen auch brannten, ich öffnete sie blinzelnd und zog meinen Kopf zurück, sodass meine Stirn in Windeseile kalt wurde. Draußen erkannte ich weitläufig nur grün, andere Autos und die Straße vor uns, doch meine Augen musterten interessiert die vielen Bäume, welche am Rande der Fahrbahn standen. Noch nie hatte ich sie aus der Nähe betrachten können, nur von oben aus dem Gitterfenster und so bald meine Füße es zuließen, würde ich Manuel bitten ein einziges Mal nur nach draußen gehen zu dürfen. Ich würde gerne wissen, wie sich Bäume anfühlten und ob Gras unter den Füßen wirklich kitzelte. Wie rochen Blumen? Gab es draußen weitere wilde Tiere, als Vögel? Konnte ich tatsächlich auf Eis laufen? Wie fühlte sich Schnee unter den Füßen an? Es gab so viele Dinge, welche ich gerne herausfinden würde und die ich noch nicht kannte. Nur bedingt war es möglich in meinem Gefängnis die Welt zu erkunden, Schnee hatte ich niemals in großen Mengen spüren dürfen, da er zu kalt war und von all den anderen Sachen hatte ich nur spärlich etwas mitbekommen, immer wenn andere darüber geredet hatten.

"Das ist aber nicht das, was man unter schlafen versteht!", merkte Manuel an und sofort schloss ich traurig meine Augen. Es gefiel mir die Außenwelt zu betrachten, immer hin hatte ich die letzten zwanzig Jahre keine Möglichkeit dazu gehabt und es machte mich traurig, dass der Pfau es mir nicht erlaubte die vielen Bäume zu mustern. Erneut ging er viel zu nachsichtig mit mir um, strich mir zaghaft über meinen Bauch, anstatt mir zu befehlen zu schlafen und so schwer es mir auch fiel, ich gab mir Mühe mich meiner Müdigkeit hinzugeben. Manuel gab mir die Möglichkeit dazu mich auszuruhen, zeigte mir mit Hilfe von vorsichtigen Berührungen, dass er mir helfen und mich schützen wollte. Seinen Herzschlag konnte ich nur zu gut an meinem Rücken spüren, er war schnell und regelmäßig, wirkte zusätzlich wie eine Art Mantra, welches mich beruhigte. Immer wieder klopfte der Muskel gegen seine starke Brust, verriet uns allen, dass der Pfau am Leben war und jede Sekunde dafür kämpfte, dass es auch noch lange so blieb.

"Sir Manuel?", erklang die leise Stimme Michaels und sofort lag meine Aufmerksamkeit auf ihr, wartete auf weitere Worte des Jüngeren. Bestätigend brummte der Grünäugige, drehte seinen Kopf nach hinten, um seinen Arbeiter fragend anzusehen. "Können wir vielleicht anhalten und uns erleichtern gehen?", fragte der Größere vorsichtig und auch Maurice brummte nun bestätigend, was ich auch tun würde, doch niemals würde mein Herr mir erlauben mich auf den dreckigen Boden zu stellen. Die Gefahr, dass sich meine Wunden am Fuß später entzünden würden, wollte er auf keinen Fall eingehen und so musste ich warten, bis wir Zuhause wären. "Klar! Los Claus, fahr irgendwo an einer Raststätte rechts ran. Ich bleibe mit Patrick lieber im Auto, der Boden dort tut meinen Federn nicht gut!", entschied Manuel. "Oder musst du auch mal?"

Automatisch schüttelte ich meinen Kopf, zeigte dem Brünetten genau das, was er von mir sehen wollte. Es gehörte zur guten Erziehung, dass man immer das tat, was sein Besitzer von einem wollte und er hatte klar geäußert, dass er mit mir im Auto bleiben wollte. Wir waren darauf trainiert ihnen ihre Wünsche von den Lippen abzulesen, noch bevor sie näher darüber nachdachten und auch, wenn ich sicher seit gestern nicht mehr auf der Toilette war, bemühte ich mich es nicht zu zeigen.

Je länger es still blieb, niemand mehr redete, wünschte ich mir einschlafen zu können und doch konnte ich es nicht. Die Angst, dass ich meinem Herren auf den Schoß pinkeln würde verfolgte mich schwer, denn sollte das passieren, würde er mich sicher an einen Baum binden und langsam sterben lassen. Ich hätte niemals die Möglichkeit allein in der Wildnis zu überleben, kein bisschen wusste ich, was ich essen durfte und wo ich einen sicheren Unterschlupf finden konnte. Draußen zu schlafen würde bedeuten, ich musste mir ein Versteck finden und aufpassen, dass mich niemand mitnehmen würde. Es wäre mein Ende erneut in diesem Gefängnis zu landen oder von einem Hybriden mitgenommen zu werden, welcher nicht so liebevoll mit mir umging, wie Manuel es tat. Ich würde es als Chance betrachten draußen zu leben, auf ein wenig Freiheit und ein paar Tage, in denen ich die Welt erkunden konnte. Mir wirkliche Tiere aus der Nähe ansehen und die Umgebung untersuchen zu können.

Claus parkte einige Minuten später an einer Raststätte, einige andere hatten die selbe Idee und als ich die ganzen Hybriden sah, welche ihre Menschen wie armselige Tiere behandelten, wurde mir unwohl zumute. An Leinen mussten sie ihren Besitzern hinterherlaufen, den Kopf senken und teilweise humpelten sie so, als wenn ihre Beine verletzt wären. "Geh mit den beiden mit, Claus. Ich will nicht, dass jemand sie dumm anpöbelt, weil sie schwächer sind und keine Klamotten tragen!", wies Manuel den Hünen an, welcher sofort nickte und ausstieg. Laut schmiss er die Tür zu und nahm die beiden Jüngeren an die Hand, begleitete sie zu einem kleinen Gebäude aus Backstein. Unruhig sah ich hin und her, betrachtete meine Umgebung genau. Angeekelt sah man die drei Männer an, während sie das Gebäude betraten und selbst durch die Scheiben konnte ich hören, wie sie sich über das Aussehen meiner beiden Partner beschwerten. Es war Pflicht als Mensch an öffentlichen Orten ein Halsband zu tragen und von seinen Besitzern mit einer Leine geführt zu werden.

"Kannst nicht mehr schlafen, was?", fragte mich mein Käufer mit sanfter Stimme, dabei lächelte er liebevoll und zwang mich mit seiner rechten Hand, ihn ebenfalls anzusehen. Überfordert schüttelte ich meinen Kopf, senkte ihn leicht, jedoch so, dass ich ihn noch ansehen konnte. "Gut, ist nicht so schlimm. Ich konnte früher auch nie im Auto schlafen! Für dich ist das ja noch viel schlimmer, weil du noch nie in einem Auto gesessen hast. Und ich muss sagen, dafür machst du das wirklich super, Patrick! Jemand anderes hätte bestimmt schon gekotzt...", lobte mich mein Herr und sofort beschleunigte mein Herz, denn Komplimente bekam ich äußerst selten. An das letzte Mal konnte ich mich nicht einmal erinnern, es war schon Jahre her, wahrscheinlich bekam ich sogar noch nie eines und als der Grünäugige sah, wie meine Mundwinkel leicht nach oben zuckten, begannen seine Augen erfreut zu glänzen. Sie wirkten auf einmal lebensfroh, was ich als hübsch empfand. "Zur Belohnung bekommst du nach dem Mittagessen noch was Süßes, wenn du magst!"

Unsicher sah ich ihn an, wusste nicht, ob ich diese Geste annehmen sollte. In meinen Augen war es keine große Leistung nicht beim fahren zu kotzen, es war alles andere als das und doch wollte ich meinen Herren nicht kränken. Er versuchte mir zu zeigen, dass er uns für gute Taten belohnen würde, was wir in unserem Gefängnis nicht bekommen hatten und so bald er merken würde, dass ich zögerte, würde er zu großer Wahrscheinlichkeit damit aufhören. Deshalb nickte ich fast unmerklich, schmiegte dankend meine Stirn an seine Wange. Die ganze Zeit gab er mir seine Nähe und Wärme, kuschelte mit mir und ich würde ihm ein wenig entgegenkommen, auch wenn ich es als schwer empfand. Ihm vertrauen, dass er mir nichts tun würde, konnte ich noch nicht, der Brünetten würde sich mein Vertrauen erst verdienen müssen und doch wollte ich ihm zeigen, dass sein behutsamer Umgang mir zusagte.

Unbewusst griff ich nach seiner linken Hand, begann nervös mit ihr zu spielen und während dessen Ausschau nach den drei Männern zu halten. Ruhig ließ der Pfau alles über sich ergehen, lächelte liebevoll auf mich herab. "Willst du vielleicht lieber was spielen, anstatt meine Hand zu kneten? Warte kurz, ich kann dir gerne mein Handy geben...", fragte mich Manuel mit hochgezogener Augenbraue, während er in seiner Hosentasche herumkramte und mir kurz darauf das schwarze Gerät hinhielt, mit welchem er vorhin Claus gerufen hatte. Hell leuchtete es gegen das Licht an, welches durch die dichten Wolken von der Sonne kam und zitternd griff meine rechte Hand danach, betrachtete es genauer. Verschiedene Apps waren auf dem Startbildschirm zu sehen, nicht eine davon kannte ich, deshalb musterte ich hilflos meinen Herren und fühlte sogleich seine beruhigende Hand auf meiner Hüfte.

"Du kannst mit deinen Fingern über den Bildschirm wischen und dann auf irgendwas drauf klicken, dann öffnet sich die App! Probiere dich aus, ich bin ja da, um dir zu helfen!", erklärte mir der Grünäugige und mein Herz schlug schneller, als ich merkte, was ein Vertrauen er zu mir hatte. Dieses Gerät war teuer, einige Wärter hatten ebenso welche und nur zu gut wusste ich, dass es den meisten Hybriden am Herzen lag. Man konnte viele lustige Dinge damit machen, wie Fotos schießen oder Spiele spielen, doch ich sah es nicht als besonders wertvoll an. Durch Geräte wie dieses konnte man seine Zeit vergessen, man konnte süchtig werden und das Licht, welches sie abgaben, war in zu großen Mengen schlecht für die Haut. Viele ignorierten diese Tatsache und nutzten da Handy ohne darüber nachzudenken, doch so lange ich es nur ein wenig nutzte, würde es nicht allzu viele Schäden hinterlassen.

Kurz wischte ich nach links, guckte nebenbei, ob Manuel es in Ordnung fand und dann tippte ich auf die Kamera App. Einige Wärter hatten mich mit ihren Handys schon dabei gefilmt, wie ich weinte oder vor Schmerzen litt. Erschrocken zuckte ich zurück, als ich mir selbst in meine Augen blickte. Ich erkannte auf Anhieb meine zerkratze Wange und den Bluterguss um mein linkes Auge, welcher von einer Auseinandersetzung zwischen zwei Wärtern kam. Anstatt sich gegenseitig zu schlagen, prügelten sie auf mich ein und Tränen stiegen mir in die Augen, als ich das hübsche Gesicht meines Käufers mit dem meinen verglich. Keine Narbe war zu erkennen, nichts, was den Pfau in irgendeiner Weise entstellte, wohingegen mein Gesicht einem Schlachtfeld ähnelte. Es war blass, zeigte nur zu gut, wie schlecht es mir mein Leben lang erging. Manuels sah durch die Kamera nahezu niedlich aus, mit seinen sanften Augen und den langen Haaren, welche sein Gesicht umrahmten. Er hatte noch nie etwas so grausames erlebt, sein Gesicht sah gepflegt und rein aus, zeigte keine Pickel oder Kratzer.

"Nicht weinen, alles gut! Das verheilt wieder und dann siehst du wunderschön aus, noch viel besser, als du es jetzt schon tust! Komm her, dir wird nichts mehr passieren. Bald bist du bildhübsch, versprochen...wir werden dich Zuhause waschen und dann sorge ich dafür, dass du eine Beschäftigung für die nächste Woche bekommst! Dir wird nicht langweilig und ich kümmere mich um dich, du bist nicht mehr alleine. Manu ist da, ich bin da...", versuchte der Jüngere mich zu beruhigen, sein nervöses Stottern ließ mich dabei leise wimmern und ganz leicht hauchte er mir einen Kuss auf die Wange, umschlang mich ein wenig stärker. Der Pfau wusste nicht, wie er mich dazu bringen konnte aufzuhören zu weinen, hatte keine Ahnung, was man zu einem zerstörten Mann sagen musste, um ihn aufzumuntern. Seine Komplimente überhörte ich einfach, statt mich zu beruhigen, schluchzte ich auf und klammerte mich an den Größeren, schüttelte kraftlos meinen Kopf. Baden hatte mit Wasser zu tun, dem Element, mit dem ich am wenigsten Kontakt haben wollte. Diese waren die schlimmsten Strafen, jene, bei denen mir durch Wasser die Möglichkeit genommen wurde zu atmen. Alle Wärter wussten, wie sehr ich dieses geschmacklose Zeug verabscheute und grinsten animalisch, je mehr ich weinte.

"Wenn du so weiter machst, weine ich auch gleich! Ich mag es nicht dich traurig zu sehen, ein Lächeln steht dir viel mehr...", murmelte der Brünette mir ins Ohr und tatsächlich schimmerten Tränen in seinen Augen, als ich vorsichtig zu ihm hoch sah. Ich brachte ihn allein mit meinem Aussehen zum weinen, was mir erneut bewies, was für ein schlechter Mensch ich war. Er sollte nicht wegen mir Tränen vergießen, auch wenn ich es noch so sehr nachvollziehen konnte und allein deshalb drehte ich meinen Kopf näher in seine Richtung, hauchte ihm einen Kuss auf den Hals und schmiegte mich so sehr an ihn, wie ich nur konnte. Überwältigt sah er mir dabei zu, wie ich mich kurz danach aufrichtete und ihm fest in die Augen sah, auf ihn deutete, meinen Kopf schüttelte und mir mit meinem rechten Zeigefinger über die Wange strich, was eine Träne symbolisieren sollte. Es war das letzte, was er machen sollte, wegen mir zu weinen und sich fertig zu machen. Dieses Gefühl von Verbundenheit zu mir war ich nicht wert, der Pfau sollte diese Gefühle für jemanden empfinden, der sich auf seiner Ebene befand und nicht für mich, einen einfachen Menschen.

Seine warme Hand legte sich auf meine geschundene Wange, zeigte mir seine Anwesenheit und dass er da war. "Ich kann nicht aufhören zu weinen, wenn du es nicht tust! Es macht mich traurig dich so zu sehen. Allein der Gedanke, dass du ein wunderhübscher und vor allem aufgeschlossener Kerl hättest sein können, ist Grund genug zu weinen. Vielleicht hätte ich dich schon viel früher gefunden, wäre ich mit meinen Eltern mal mitgefahren und dann wärst du schon jetzt genauso an mich gewöhnt, wie Claus es ist. Ist auch ok, ich verstehe, wieso du mich so vorsichtig behandelst und Angst vor mir hast, aber ich kann dir auch versichern, dass es nicht so sein muss. Lass dir so lange Zeit, dich an mich zu gewöhnen wie du brauchst und zeig mir, wenn dir etwas nicht gefällt! Manchmal reagiere ich ein wenig voreilig und ich würde mich freuen, wenn du dich wohl in meiner Umgebung fühlst. Du wirst nämlich nur teilweise den anderen bei der Arbeit helfen, ich habe für dich noch etwas anderes, um das ich dich später bitten möchte. Keine Sorge, es ist nichts, was ich dir aufzwingen will und du darfst selbstverständlich auch sofort nein sagen, wenn du dich nicht bereit für sowas fühlst! Nachher erkläre ich dir alles genau, aber erst hörst du auf zu weinen!"

(...)

Es brauchte eine lange Überwindung, fast die gesamte restliche Fahrt, doch nahm ich mir Manuels Hand und legte sie auf meinen Bauch. Sie fühlte sich rau an, warm und sanft, doch gefiel mir seine liebevolle Art, wie er mich streichelte. Entspannt waren meine Augen geschlossen und ich bemühte mich noch immer sehr, nicht gleich auf meinen Käufer zu pinkeln. Er merkte, wie ich mich immer mehr anspannte und fühlte anhand meines Bauches, dass etwas zu sein schien, doch sagen tat er kein Wort. Nur seine Blicke schenkte er mir ab und zu, um sicher zu sein, dass ich nicht erneut zu weinen begann oder Schmerzen hatte. Ich wusste nicht zu reagieren, war das plötzliche Interesse an meiner Gesundheit und meinem Glück nicht gewohnt. Hybriden waren selbstsüchtige und ekelhafte Wesen, alle außer mein neuer Besitzer. Er versuchte sich gut um mich zu kümmern, was ich ihm hoch anrechnete. Sollte es nur einen einzigen Hybriden auf der Welt geben, der nett und zuvorkommend war, hatte ich das Glück von diesem ausgesucht worden zu sein.

"So, soll ich deinen Kleinen wieder nehmen?", erklang die tiefe Stimme von Claus, welcher das Auto auf einer Einfahrt parkte und grinsend seine Arme verschränkte. Vernichtend musterte der Pfau den Größeren, ich machte mich automatisch kleiner und zuckte erschrocken zusammen, als er dem Brünetten ins Gesicht rief, "Halts Maul!" Ich befand mich vielleicht zwei Stunden in seiner Obhut und bisher war der Jüngere ruhig geblieben, erhob kein einziges Mal seine Stimme gegen einen von uns, was sich nun schlagartig geändert hatte. Es ließ meinen Puls sofort in die Höhe schnellen, instinktiv Deckung in den Armen des Grünäugigen suchen und nervös meine Augen schließen. Klein machen und Unterlegenheit zeigen, so hatten wir es alle im Gefängnis gelernt und es gab nichts, was ich mehr verinnerlicht hatte, als das. Diese Reaktion wurde uns als eine der ersten antrainiert, noch vor dem kochen lernten wir, dass wir Menschen von den Hybriden unterdrückt wurden und wie wir im besten Falle Gnade bekommen würden. Je jünger man war, desto besser lernte man gewisse Instinkte hervorzuheben oder zu unterdrücken.

Auch Michael und Maurice senkten automatisch ihre Köpfe, drückten sich nervös aneinander. "Bleib Mal flauschig, kleiner Mann! Das war eine ernstgemeinte Frage. Ihr solltest echt mal an eurer Wahrnehmung arbeiten, eure königliche Großklappe!", klärte Claus seinen Vorgesetzten auf, welcher verärgert seinen Blick abwendete und sich bemühte liebevoller zu gucken, sobald unsere Augen sich trafen. Nun sah er, was seine Aussage bewirkt hatte und öffnete schuldbewusst seinen Mund, als er die Reaktionen von uns bemerkte. Der Jüngere war es gewohnt, dass man seine vorlaute Stimme nicht zu ernst nahm, ansonsten hätte Claus es nicht gewagt einen Spruch zu bringen. Wir jedoch, Michael, Maurice und ich, waren kein bisschen an seinen Umgang gewöhnt und brachten laute Stimmen mit Ärger in Verbindung. "Es tut mir leid...", murmelte der Grünäugige leise, dabei lehnte er schuldbewusst seine Stirn an meinen Kopf und schloss die Augen. Claus stieg aus dem Auto aus, schmiss seine Tür zu und öffnete erst die hintere, um Michael und Maurice stumm zu befehlen, sie sollten aussteigen und dann die vordere, um mich vorsichtig auf den Arm zu nehmen. Instinktiv wollte ich nach Manuel greifen, in seiner warmen und geborgenen Nähe bleiben, doch ließ der Hüne das nicht zu.

Mit mir auf dem Arm, ging er auf ein großes Haus zu, welches weiß gestrichen war und einen kleinen Vorgarten aufwies, mitsamt einem Baum und Blumen. Zitternd schlang ich meine Arme um den Nacken von Claus, versuchte von ihm Wärme zu bekommen. Es dauerte einige Sekunden, doch kamen Maurice und Michael auf uns zugelaufen, der Blonde hielt einen kleinen jungen in den Armen. Er hatte ein rundes Gesicht, mit langen braune Haaren, welche zu einem Zopf zusammengebunden waren, und kleine graue Ohren auf dem Kopf. Nur leicht konnte man seine ebenso graue Rute sehen, welche nervös hin und her zuckte. Ein kleines Kätzchen. Ich hatte es nicht bemerkt, doch nun wusste ich den Grund, weshalb Manuel mich nach vorne nahm. Der junge Hybrid hatte den Platz mehr verdient, als ich und bekam ihn ohne zu fragen. Allein, dass er beim schlafen leise schnurrte und sich unbewusst an der Schulter Maurice festhielt, ließ ihn niedlich aussehen.

Seufzend schloss Manuel die Haustür auf, ließ uns der Reihe nach eintreten. Claus betrat den Eingang als erstes, danach folgte Maurice, Michael und schlussendlich Manuel selbst. Automatisch zogen beide sich ihre Schuhe aus, stellten sie auf einen kleinen Schrank, direkt neben der Tür. "Ist Mama Zuhause?", fragte der Pfau den Arbeiter seiner Eltern, welcher geistesgegenwärtig mit den Schultern zuckte. Ich begann automatisch meine neue Umgebung vorsichtig zu betrachten, roch sofort den mir bekannten Geruch meines Herren und sah verschiedene Bilder an den Wänden hängen. Alles war weiß gestrichen, die Decke, die Wände, nur der Boden bestand aus Holz und glänzte, so als wäre er frisch gewischt. "Gut, dann bring Patrick erstmal ins Wohnzimmer und leg ihn auf der Couch ab! Ich schaue mal nach, ob das Essen schon fertig ist...", entschied der Grünäugige, während er mir einen letzten vorsichtigen Blick zuwarf und an uns vorbeiging, rechts abbog.

Seufzend lief Claus in die andere Richtung, bog links ab und kam direkt in ein großes Wohnzimmer. Eine Eckcouch stand in der Mitte, mitsamt einem kleinen Tisch und einem Fernseher. An der Seite des Raumes befanden sich Schränke und wieder waren die weißen Wände mit Bildern geschmückt. "Gleich bekommst du neue Klamotten, ja? Bleibt ihr zwei bei ihm, euch bringe ich gleich etwas mit!", erklärte der Braunäugige, nachdem er mich auf der Couch abgelegt hatte und uns ein letztes Lächeln zuwarf, ehe er den Raum wieder verließ. Unsicher ließen die beiden Männer sich neben mich fallen, senkten ihre Köpfe und nahmen einander schützend in den Arm. Immer zu passte Maurice auf den Jungen auf, welchen Manuel ihm anvertraut hatte und setzte ihn schlussendlich auf seinem Schoß ab, bevor er sich an die Schulter des Grauäugigen lehnte. Sie gingen vorsichtig und liebevoll miteinander um, schenkten sich gegenseitig Sicherheit und mussten dafür nicht mal reden.

Es dauerte einige Sekunden, doch sah ich leuchtend grüne Augen aus der Dunkelheit des Flurs auf uns zukommen, welche zu einer jungen Frau gehörten. Ihre braunen Haare gingen ihr knapp bis über die Schultern, waren jedoch durch ein schwarzes Zopfgummi zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Auch auf ihrem Kopf erkannte ich zwei niedliche graue Katzenohren, welche aufmerksam in unsere Richtung zeigten und leicht zuckten, je näher sie uns kam. Sie musste ungefähr so groß sein wie ich, ihr Körper war in schwarze Klamotten gehüllt, welche ihr hübsches Aussehen nur noch niedlicher erscheinen ließ. Unsicher verdeckte ich meinen Schritt, als sie auf mich zukam und sich hinter mich setzte, behutsam damit begann mir über den Kopf zu streichen. "Ihr drei seht ja schrecklich abgemagert und kaputt aus! Gleich bekommt ihr was zu essen, ich habe nach Manuels Anruf gleich angefangen Nudeln zu kochen und dazu Käsesoße gemacht, damit ihr drei ein wenig zunehmt. So dünn wie ihr seid könnte man glatt meinen, ihr seid Papier und so lange ihr hier seid, bekommt ihr nur gutes Essen! Während ihr was esst, bereitet Manuel schon mal ein warmes Bad für den ersten von euch vor...", erzählte die junge Katze lächelnd und sofort war meine Anspannung wieder da, als ich das Wort Bad vernahm.

~4130 Worte, hochgeladen am 31.03.2020

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