34. Allein Zuhause
Konzentriert zeichnete ich zwei junge Männer nebeneinander, welche sich an den Händen hielten, der eine mit langen Haaren und einer Brille, und den anderen mit kurzen Haaren. Gleich neben sie malte ich zwei weitere Männer, von denen einer um einiges größer als der andere war und dem andern gab ich etwa schulterlange Haare, so wie er sie in echt trug. Beide hielten auch sie sich an ihren Händen, waren zusammen und ich gab all den Strichmännchen ein Lächeln, zeigte Manuel so, dass ich wollte, dass wir alle glücklich zusammen waren. Unterhalb der beiden Paare malte ich einen kleinen Menschen, mit langen Haaren und das war es, was meinen Besitzer schließlich sein Lächeln verlieren ließ. Ich wollte irgendwann einmal ein Kind haben, um das ich mich liebevoll sorgen und kümmern konnte. Manuel sollte dabei an meiner Seite sein und Maurice und Michael auch, wir wären dann, wie eine große, glückliche Familie, so wie ich sie niemals selbst haben konnte. Irgendwann wollte ich noch einem Menschen die Chance geben glücklich zu werden, doch das würde niemals geschehen, nicht so geschockt, wie der Jüngere in diesem Moment aussah.
„Wer ist das da?", fragte mich mein Besitzer vorsichtig, dabei deutete er mit seinem rechten Zeigefinger auf das zweite Strichmännchen von links und musterte mich aufmerksam, so als würde er mich nun genau analysieren. Ich verstand, wieso er es nicht erkannte, schließlich hatte ich der Figur eine Brille gemalt, welche der Pfau jedoch nur sehr selten trug, immer dann, wenn er lange etwas las. Ihn schien nicht das Kind zu schocken, welches ich zu unserer Gruppe gezeichnet hatte, sondern das Männchen an meiner Hand und obwohl er es versuchte zu verstecken, verrieten ihn seine Federn. Der Hybrid war eifersüchtig, das erkannte ich an seinen Federn, welche sich kaum merklich hinter ihm anhoben und leicht zu zittern begannen, so wie beim ersten Aufeinandertreffen mit Adrien, bei dem er ein deutliches Unheil gespürt hatte. Mein Herz hüpfte in die Höhe, da ich genau wusste, wie schrecklich der Grünäugige den Gedanken fand, dass ich jemand anderes an meiner Seite wollte und um ihn nicht noch mehr zu stressen, deutete ich erst auf das Strichmännchen und dann auf Manuel, welchem sofort ein Stein vom Herzen zu fallen schien.
„Dann sind das Micha und Maurice, aber wer soll das sein, Süßer?", schlussfolgerte mein Herr verwundert, dabei rutschte er mir näher und zog mich erneut auf seinen Schoß, so wie gestern schon, doch dieses Mal wusste ich, dass ich einen weiteren Kussversuch seinerseits nicht abblocken würde. Schutzsuchend schmiegte ich mich an meinen Besitzer heran und ließ mich liebevoll von seinen Armen sanft umschließen, so wie ich es gewohnt war. Kurz überlegte ich, ehe ich die Seite umdrehte und uns beide noch einmal malte, jedoch dieses Mal mit einem kleinen Kind zwischen uns, welches uns an jeweils einer Hand festhielt. Ich wollte, dass Manuel meine Familie war und dass Michael und Maurice mit uns für immer zusammenbleiben konnten. Noch war mein Herr zu jung für ein eigenes Kind, er war schließlich erst siebzehn Jahre alt und hatte noch sein ganzes Leben vor sich, wollte tolle Erlebnisse erleben und reisen, die Welt erkunden und nicht an ein Zuhause gefesselt sein, doch ich hatte zu all dem nicht die Möglichkeit. Mein Glück war von dem des Pfaus abhängig, denn wenn dieser entschied, dass ich Zuhause bleiben sollte, dann musste ich das auch tun. Sein Wille war für mich das Gesetz und entschied er, dass er kein kleines, nerviges Kind hier haben wollte, dann musste ich das akzeptieren.
„Du möchtest ein Kind haben?", fragte mich der Brünette mit großen Augen, ob er darüber jedoch erfreut war, konnte ich nicht deuten, doch da er mit seiner Vermutung richtig lag, nickte ich einmal und vergrub unsicher meinen Kopf in der Halsbeuge des Größeren. Er war nicht glücklich über meinen größten Wunsch, überlegte einige Sekunden, wie er nun handeln würde und ich begann mich selbst dafür zu verfluchen ihm meine Gedanken offenbart zu haben. Es war dumm und unreif zu denken, dass der Hybrid mich verstehen würde. Ich wäre in seinen Augen schon allein deswegen kein guter Vater, weil ich mit dem Kind nicht wirklich reden könnte und sicher wäre ihm das zu viel, mit seinem stressigen Job und uns dreien, die er allein zu versorgen hatte. Niemals würde er allein für mich ein Kind adoptieren, dafür hatte der Brünette gar keinen Grund. Mein Wunsch war nichts, was man unbedingt zu erfüllen brauchte, er existierte einfach und ich hatte mich schon längst damit abgefunden niemals so glücklich zu werden, wie ich es sein könnte, doch dass mein Herr mir erst sagte, ich konnte ihm alles sagen und mich dann für meinen Traum zu verurteilen schien, verletzte mich sehr.
Mit zittriger Hand schrieb ich über unsere beiden Köpfe das Wort Familie, da ich diese Situation sowieso nicht noch schlimmer machen konnte und wartete darauf von meinem Besitzer ausgelacht zu werden. Er betrachtete ruhig mein geschriebenes Wort, rührte sich nicht und erst, als ich traurig den Blick senkte, rührte sich der Jüngere. „Ich liebe dich so unglaublich sehr dafür, dass du mir deinen Wunsch verraten hast, Patrick! Dagegen ist meiner ja wirklich nichts. Du denkst schon richtig über die Zukunft nach und das macht mich so glücklich, weißt du? Hör bitte niemals auf an diesen Traum zu glauben, ja? Der ist nämlich so schön wie du!", hauchte mir Manuel ins Ohr, bevor er mich so sanft auf die Stirn küsste, dass mir wohlig warm wurde und dass ich mich schwerelos fühlte, einfach verliebt. Ich glaubte gar nicht, was dieser Hybrid gerade zu mir gesagt hatte und das ohne zu zögern. Er hatte mich nicht nur lieb, sondern er liebte mich und fand meinen Traum schön, was mir Hoffnung gab. Träume waren da, um sie sich zu erfüllen und wenn sich der Pfau im Moment noch nicht dazu bereit fühlte die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, dann durfte ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass er sich irgendwann später bereit dazu fühlte. Ein Kind sollte man nur dann bekommen, wenn man sich wirklich sicher war es auch wirklich zu wollen und so, wie der Jüngere mir für alles so viel Zeit gab, wie ich brauchte, würde ich es ihm gleichtun und warten, bis er sich wirklich sicher bei seiner Entscheidung war.
Schüchtern küsste ich den Größeren zurück auf die Wange, kuschelte mich nahe an ihn und lächelte selig.
(...)
Traurig senkte ich meinen Kopf, während der Hybrid sich neben mir seine Schuhe anzog und nebenbei einen wachsamen Blick auf Michael und Maurice warf, welche beide ebenfalls dabei waren sich ihre Schuhe anzuziehen, um unseren Herrn beim Einkauf zu begleiten. Wie er es gestern gesagt hatte, würde er mich Zuhause lassen und ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte, während niemand anderes Daheim war. Noch nie in meinem Leben war ich wirklich ganz allein gewesen, ich kannte das gar nicht und fürchtete mich davor, denn während niemand hier war außer ich, könnte so viel passieren. Jemand könnte klingeln und ich müsste aufmachen, erklären, dass mein Besitzer nicht Zuhause war und so wie ich mich kannte, würde ich mit meinem Leben überfordert sein und zu weinen beginnen. Oder wenn jemand einbrechen würde, könnte ich das Haus nicht verteidigen und wurde vielleicht sogar entführt, schließlich hatte ich die Täter gesehen und reingelassen, was meinen Herr wütend mache würde. Ich kannte mein Glück und wusste, dass ich in dieser Woche nur Pech hatte, verprügelt wurde und fast bestohlen, da war es auch möglich, dass das noch geschah.
Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen, stellte sich Manuel vor mich und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, und dass, obwohl Michael und Maurice anwesend waren. „Ich weiß genau, dass du hier gut allein zurechtkommen wirst, Engelchen! Du kannst alles machen was du willst und wenn etwas ist, dann schreib mir einfach eine Nachricht auf WhatsApp, so wie ich es dir gezeigt habe und dann kommen wir sofort her, versprochen. Das wird auch nur höchstens zwei Stunden dauern und wenn wir wieder da sind, können wir alles machen, was du willst! Aber bis dahin bleibst du schön brav hier und zeigst mir, dass du genauso stark bist, wie ich es von dir glaube!", redete mein Herr beruhigend auf mich ein und obwohl ich ihm am liebsten widersprechen wollte, die drei bei ihrem Einkauf begleiten wollte, nickte ich still und lehnte mich einfach schutzsuchend an den Jüngeren, ließ mir von diesem sanft den Hinterkopf kraulen. Seitdem ich am morgen aus reinem Instinkt geschmollt hatte, als der Brünette aufgehört hatte mich zu kraulen, schien er sich diese Tatsache genau gemerkt zu haben und nutzte meinen Wunsch nach Nähe schamlos aus, gab mir all seine Liebe und genoss es mich zufrieden in seinen Armen liegen haben zu können. Ich konnte nicht richtig glauben, welch ein Glück ich hatte bei dem Pfau gelandet zu sein und was es für eine gute Entscheidung war mich getraut zu haben den ersten Schritt zu gehen, den Grünäugigen im Gefängnis an die Hand zu nehmen und ihn vom gehen abzuhalten. Ohne meinen damaligen Mut würde ich nun immer noch immer jeden Tag um mein Leben bangen, Angst davor haben einen weiteren Tag in der Hölle leben zu müssen und nun durfte ich bei einem liebevollen, sorgsamen und warmherzigen Hybriden im Bett schlafen, immer warm und sicher umschlossen. Und hungrig musste ich auch nie mehr wieder sein, denn wir bekamen immer etwas zu essen.
„Mach dir nicht so viele Gedanken, dann wirst du sehen, dass die Zeit allein ganz schnell wieder vorbei ist!", lauteten die letzten Worte meines Besitzers, bevor er mich noch ein letztes Mal auf die Wange küsste und hinter der Eingangstür verschwand, mich somit das erste Mal in meinem Leben komplett allein ließ. Es war komplett still im gesamten Haus, ich hörte kein einziges Geräusch und je länger ich still im Flur stand, nicht wusste, was ich nun tun könnte und nach einigen Sekunden traurig meinen Kopf senkte. Diese Stille würde mich irgendwann in den nächsten zwei Stunden um den Verstand bringen, da war ich mir mehr als sicher, doch was sollte ich dagegen tun? Mir fiel nur der Fernseher ein, doch was sollte ich gucken und durfte ich das überhaupt? Ich wollte nichts kaputt machen oder verstellen, weil ich die Steuerung der Fernbedienung nicht verstand und deshalb beschloss ich weiterhin schreiben zu üben, da es zumindest produktiv war und keine Verschwendung meiner Zeit. Mit diesem Können würde ich schließlich auch Manuel weiterhelfen, je besser meine Rechtschreibung irgendwann wurde und je schneller ich schreiben konnte. Und vielleicht würde ich ihm damit eine Freude bereiten können, wenn er sah, dass ich mich anstrengte ihn zu beeindrucken und lernen wollte ihm in seinem Alltag zu helfen, ihn einfach unterstützen wollte.
Unsicher sah ich mich im Wohnzimmer um, doch niemand war da. Ich setzte mich einfach seufzend mit meinem Handy und einem linierten Collegeblock auf die Couch, musterte hoffnungsvoll das große Fenster vor mir, doch Jamie war dieses Mal nicht draußen ausgesperrt worden und deshalb schaltete ich mein Handy ein, wie mein Herr es mir gezeigt hatte und stellte mit großen Augen fest, dass im Hintergrund des Gerätes ein Bild von mir und meinem Besitzer zu sehen war. Beschützend hatte der Brünette seinen linken Arm um meinen Bauch geschlossen, während die meine linke Hand auf seiner lag und ich hatte mich klein gemacht, so wie ich es oft in der Nähe des Jüngeren machte. Noch müde waren meine Augen geschlossen und ich sah entspannt aus, hatte keine Angst, während der Größere süß in die Kamera lächelte und einen so liebevollen Blick aufgesetzt hatte, dass ich automatisch ebenso lächeln musste. Ich hatte keinen blassen Schimmer wann dieses Bild entstanden war, doch dem kaum zu erkennenden Hintergrund zu urteilen, welcher dunkel war und keine Schränke aufwies, so wie sie bei Manuels Mutter Zuhause standen, musste es irgendwann hier entstanden sein. Es war das erste Mal, dass ich selbst sah, wie glücklich und zufrieden ich in den Armen meines Besitzers war, ich merkte das gar nicht wirklich, wie gut mir der Hybrid tat und dass er sich mein Vertrauen doch wirklich verdient hatte, denn er gab seit er mich hatte nicht auf mir zu zeigen, dass er mir nichts Böses wollte und akzeptierte alles was ich tat.
Mit einem besseren Gefühl als noch vor ein paar Minuten, begann ich mir ein YouTube Video rauszusuchen und die im Video zu sehenden Buchstaben in der Reihenfolge des Alphabets nachzuschreiben. Im Gegensatz zu meinen ersten Versuchen, welche ich gemeinsam mit Claus gemacht hatte, hatte ich mich schon sehr verbessert und man konnte zumindest erkennen, was ich hier gerade tat. Zu Anfang hatte nicht einmal Claus wirklich erkannt, dass ich mich an Buchstaben versuchte, da er mir gesagt hatte, dass ich den Stift in die rechte Hand nehmen sollte und probieren sollte mit diesem zu schreiben, doch es hatte sich so unglaublich falsch angefühlt, dass ich die Hand gewechselt hatte und so feststellte, dass es tatsächlich nur an der Hand gelegen hatte. Der Brünette hatte mir daraufhin erstaunt erklärt, dass es nur ganz wenige Menschen und Hybriden auf der Welt gab, die besser mit der linken Hand als mit der rechten umgehen konnten und ganz kurz hatte ich mich besonders gefühlt, doch das hielt nicht lang an. Diese Tatsache zeigte mir nur viel mehr, wie anders ich war als alle anderen und obwohl mir Manuel mit Sicherheit sagen würde, ich war besonders, wollte ich das nicht glauben. Mein Besitzer versuchte immer das beste aus der Situation zu machen und machte mir für so vieles Komplimente, doch wie etwas besonderes würde ich mich niemals fühlen.
Überlegend lehnte ich mich zurück, nachdem ich ein letztes Mal das Alphabet aufgeschrieben hatte und das ganz ohne zu gucken, einfach frei aus dem Kopf und die Buchstaben nebenbei mitgesprochen hatte, um sie mir so gut es ging einzuprägen. Es war gerade Mal eine halbe Stunde vergangen und ich hatte keine Ahnung, was ich nun noch tun könnte. Michael und Maurice nahmen ihre Aufgabe sehr ernst und hielten die Wohnung unseres Herrn stets sauber, sodass ich nicht einmal mehr aufräumen oder wischen musste. Ich hatte keine Aufgabe, der ich nachgehen konnte und hatte so keine Möglichkeit mich nützlich zu machen, was also konnte ich nun tun? Baden wollte ich noch nicht, ich hatte die leise Hoffnung, dass Manuel sich am Abend dazu entscheiden würde sich zu waschen und mich wieder mitnehmen würde, um die Zeit zum lernen seiner Texte zu nutzen, so mit fiel mir nichts anderes ein, als mit meinem Handy zu spielen und dessen Funktionen zu erkunden. Ich wusste bisher bloß, wie man Bilder aufmachte, YouTube öffnete und WhatsApp bediente, doch dieses Gerät musste noch viel mehr Funktionen haben, die mir vielleicht sogar helfen konnten mit meinen Freunden besser zu kommunizieren.
Es war unglaublich, dass sich auf so einem kleinen Gerät so viele Dinge versteckten und dass man damit so viel machen konnte. Ich erkannte schon beim anschalten eine App wieder, die ich auch schon auf dem Fernseher gesehen hatte. Ihr Hintergrund war schwarz und im Vordergrund befand sich ein rotes N, doch wie genau die App hieß, konnte ich nicht sagen. Um entziffern zu können, was die sieben Buchstaben zusammen für ein Wort ergaben, brauchte ich einige Sekunden und war schließlich stolz sagen zu können, dass unter der App das Wort Netflix stand. Manuel hatte uns als wir hier ankamen gezeigt, dass wir, wenn uns einmal langweilig war, gerne einen Film oder eine Serie gucken konnten und dass jeder von uns einen eigenen Account hatte, sodass dieser auf unsere Interessen angepasst war. Bisher hatte ich noch nichts auf meinem Account geguckt, ich wusste einfach nicht, was ich gucken sollte und was interessant war. Mir die Beschreibungen durchzulesen würde viel zu lange dauern, bei meiner Lesegeschwindigkeit und so war ich dazu gezwungen durch die kleinen Videos, welche kurz den Inhalt des Films oder der Serie vorstellten, zu entscheiden, ob es interessant oder spannend war und ob ich es gucken wollte oder nicht.
Neben Netflix war WhatsApp und daneben YouTube, doch was die App daneben bewirken sollte, konnte ich nicht genau sagen. Interessiert öffnete ich die App, welche einen roten Hintergrund hatte und der Bildschirm vor mir wurde weiß, nur noch unten über dem Homebutton ploppte ein roter Knopf auf. In der Mitte des Bildschirms waren nun Sekunden zu sehen, welche in zweier Schritten höher gingen, von null Sekunden bis acht und ich verstand nicht, was das sollte. Rot war eine Warnfarbe und das bedeutete, dass ich den roten Knopf nicht drücken sollte, doch auch bei Netflix war rot zu sehen und doch meinte Manuel, wir durften es benutzen. Unsicher tippte ich auf den Knopf und bekam einen kurzen Schock, als sich ein Timer öffnete, der immer weiterlief und panisch, wie ich war, da ich dachte, nun hatte ich das Handy kaputt gemacht, schloss ich die App und legte das Gerät beiseite. Ohne Manuel an meiner Seite würde ich es nicht mehr anschalten, dieser kannte sich viel besser damit aus und würde mir vielleicht erklären können, was ich falsch gemacht hatte, doch bis dahin musste ich warten und hoffen, dass er mir nicht böse sein würde, dass ich geguckt hatte, was man alles so mit dem Handy machen konnte.
Unsicher schaltete ich schließlich den Fernseher an und drückte auf den Knopf der Fernbedienung, auf welchem das Wort Netflix stand. Ich hatte Michael und Maurice schon ein paar Mal dabei zugesehen, wie sie sich einen Film ausgesucht hatten und so saß ich sicher zwanzig Minuten einfach nur da, sah mir die Trailer unzähliger Filme und Serien an, bis ich einen Film gefunden hatte, der mich sofort ansprach. Am Anfang fand ich es langweilig, da nichts Spannendes geschah. Eine junge Papagei-Hybridin durchlebte ihren zwanzigsten Geburtstag und irgendwie ging alles schief, was nur schief gehen konnte. Sie wachte auf, ging zur Uni und blamierte sich vor ihren Kollegen, indem sie in einen Brunnen stolperte und schlussendlich im Regen dastand. Ihr Freund machte mitten auf dem Gelände der Universität mit ihr Schluss und nach einer Geburtstagsparty, welche ihre beste Freundin für sie organisiert hatte, lief sie allein durch eine dunkle Gasse und wurde von einer schwarzgekleideten Person, welche eine weiße Maske trug und wie mein Besitzer ein Pfau zu sein schien, einfach umgebracht. Kaltblütig stach er ihr ein Messer in den Rücken, lachte in einer dunklen und rauen Stimme, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Noch nie hatte ich etwas so Brutales gesehen, zumindest nicht mit eigenen Augen und obwohl ich wusste, ich war definitiv allein im Haus, fühlte ich mich auf einmal von allen Seiten beobachtet. Die Musik wurde mit jeder Sekunde schneller und bedrohlicher, in denen der maskierte Mann das Mädchen verfolgte und mein Herz schien mir vor Angst aus der Brust zu springen, doch statt das ganze zu beenden, den Abspann zu zeigen, begann der Tag des Papagei-Hybriden von neuem.
Wieder erlebte das Mädchen ihren Geburtstag, hatte scheinbar bloß geträumt, doch dieses Mal wusste sie, was geschehen würde und reagierte besser als in ihrem Traum. Statt in den Brunnen zu stolpern, nahm sie einen anderen Weg und bevor ihr Freund sich auf dem Schulhof von ihr trennen konnte, kam sie ihm zuvor und tat das, was er sonst mit ihr gemacht hätte. Bis zur Party schien alles gut zu sein, sie lief zusammen mit einem Typen durch genau die Straße, in welcher sie in ihrem Traum der Mörder überrascht hatte, doch dieses Mal sah man nur, wie er sich versteckte und mit einer Axt wartete. Auch das Mädchen sah sich immer wieder nervös um, dachte bis dahin noch, es wäre alles nur ein Traum und erst, als das Pärchen zusammen gekuschelt im Bett lag, tauchte der maskierte plötzlich aus der Dunkelheit auf und brachte mich dazu zu schreien. Ängstlich machte ich mich klein und sah schockiert dabei zu, wie das junge Mädchen mit der Axt umgebracht wurde und wie ihr Kopf über den Boden rollte, voller Blut und komplett entstellt. Tränen stiegen mir in die Augen, denn der Tag wiederholte sich immer und immer wieder, und mit jedem Mal wurden die Arten, wie der Maskierte das Mädchen umbrachte immer brutaler und ich wusste nicht wohin mit meinen Gefühlen. Bei jedem kleinsten Geräusch zuckte ich nervös zusammen, wimmerte leise und schaffte es nicht einmal meinen Blick von dem Bildschirm des Fernsehers abzuwenden. Ich hatte keine Ahnung, wie ich den Film ausmachte und wollte nichts kaputtmachen, so wie ich es sicher bei meinem Handy gemacht hatte und so sah ich einfach weiter zu, wimmerte und weinte leise, bis ich hörte, wie sich die Eingangstür öffnete.
Schluchzend sprang ich auf und sah mich nach einem Versteck um, hatte die größte Panik meines Lebens, bis ich die Stimme meines Herrn nach mir rufen hörte. „Patrick? Wo bist du...", waren seine Worte und als hätte mich eine Biene gestochen, rannte ich einfach in den Flur und stolperte geradewegs über einen Schuh in die Arme des Brünetten, schluchzte einfach mit geschlossenen Augen. Überfordert umschloss mich der Größere mit seinen beiden Armen und drückte mich sofort schützend an sich, konnte nicht verhindern, dass sich seine Federn hinter ihm zu einem Rad aufstellten. „Was ist los? Wovor hast du Angst, Süßer?", fragte der Jüngere mich ruhig und sachlich, dabei wanderte seine rechte Hand in meine Haare und kraulte mich dort, so wie ich es liebte, doch ihm antworten konnte ich nicht. Mein Herz klopfte so schnell, dass ich Angst hatte, es könnte jede Sekunde aus meiner Brust springen und mein Atem ging unregelmäßig, als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir. Pfauen hatten einen sehr guten Geruchs- und Gehörsinn, somit konnte der Mann vor mir genau spüren, dass ich etwas gesehen oder gehört haben musste, was mich so stark verstörte, doch was es war, konnte er noch nicht wissen.
„Könntet ihr beide vielleicht Mal ins Wohnzimmer gucken?", fragte Manuel seine beiden Begleiter, welche untergeben nickten und an uns vorbei gingen. Ich blieb einfach still und versuchte durch die Berührungen meines Herrn herunterzukommen, mich diesem einfach hinzugeben. Nie mehr wieder wollte ich mir einen Film aussuchen und diesen nie mehr wiedersehen, zu viel Blut und Gewalt hatte ich sehen müssen, doch das meinem Herrn mitzuteilen würde schwer werden. „Shhhh, alles ist gut, mein Süßer...nicht mehr weinen, du hast das gut gemacht und ich bin so stolz auf dich! Du hast dich super geschlagen und das, obwohl du es so sehr hasst allein zu sein. Lass uns...", sprach der Jüngere auf mich ein, doch mitten im Satz brach er ab und wandte seinen Blick dem Wohnzimmer zu, was mich nervös werden ließ. Ich wollte nicht noch einmal in dieses zurückmüssen, da der Film dort immer noch lief, ich hörte die laute Musik noch immer leise im Flur, doch Manuel schien anders darüber zu denken. Sein Blick hing starr auf dem hellen Raum und als Maurice plötzlich panisch aus dem Raum herausrannte, wurden seine Augen groß und er ließ mich los, um geradewegs das Wohnzimmer zu betreten und beinahe von Michael umgestoßen zu werden, welcher seinem Freund hinterherlief. Beide rannten sie direkt ins Badezimmer und als ich den Fernseher sah, auf dem das Mädchen erneut umgebracht wurde, wusste ich was los war. Der Blonde konnte kein Blut sehen, ohne dass ich schlecht wurde und um nicht den Boden dreckig zu machen, war er so schnell es ging zur Toilette gerannt, um im Notfall sich in diese zu übergeben.
Schockiert sah Manuel den beiden hinterher, schien danach aber zu verstehen, was mir so eine Panik gemacht hatte und nahm sich die Fernbedienung, um den Film zu pausieren und ihn danach auszuschalten, ins Menü von Netflix zurückzugehen. „Komm her, Engelchen!", wies mich der Pfau an, während er sich auf die Couch setzte und dreimal auf seine Oberschenkel klopfte, mich so offensichtlich einlud mich auf diese zu setzen. Noch immer zitterte mein ganzer Körper und ich schniefte leise, folgte der Anweisung meines Herrn und ließ mich sicher von diesem umschließen. Unsicher schmiegte ich mich an seinen warmen Körper und genoss seine Zärtlichkeit, wie er mir immer wieder einen Kuss auf den Hals hauchte und mir über die Seiten strich. „Du hast dir da gerade einen Horrorfilm angesehen, Süßer. Die werden extra dafür gemacht, um den Zuschauern Angst zu machen und alles, was du da gesehen hast, ist niemals so im echten Leben passiert, ja? Dieses Mädchen dort ist nicht tot und das ganze Blut ist auch nicht echt. Es wird extra für Filme und Serien künstlich hergestellt! Alles was du in Filmen und Serien siehst ist nicht real und niemals wirklich passiert. Der Mann mit dieser Maske, der das Mädchen die ganze Zeit umgebracht hat, wird am Ende des Films übrigens auch ermordet und sieh mich an, ich bin noch am Leben!", erklärte mir der Brünette mit einem liebevollen, ehrlichen Lächeln auf den Lippen und als er seinen letzten Satz vollendete, wurden meine Augen groß. Er hatte den Axtmörder gespielt? Wurde am Ende des Films umgebracht und stand noch immer lebendig vor mir? Wie funktionierte das? Ich kannte mich mit Filmen und Serien kein bisschen aus, wusste nicht genau, wie sie gemacht wurden und um zu lernen, wie das alles gemacht wurde, war ich trotzdem an der besten Quelle. Wenn es soweit war, wollte ich meinen Besitzer einmal mit zu einem Dreh begleiten und mir ansehen, wie das alles entstand.
Einige Minuten saßen wir so da, Manuel beruhigte mich und ließ mir alle Zeit der Welt um mich von meinem Schock zu erholen, bis Michael sich zu uns gesellte, gefolgt von Maurice. Beide waren sie mindestens genauso aufgelöst wie ich und als sich der Blonde auf die Couch setzte, direkt von seinem Freund in den Arm genommen wurde, wurde der Blick unseres Herrn mitleidig. Wir alle waren Gewalt schon unser Leben lang gewöhnt, waren damit aufgewachsen, doch keiner von uns hatte jemals mit ansehen müssen, wie einem Hybriden der Kopf abgesäbelt wurde und wie das ganze Blut spritzte. Für Manuel war das einfach zu verkraften, er hatte sein Leben lang Filme sehen können und wusste, wie sie entstanden, konnte genau sagen, dass es nichts real geschehenes war, doch wir drei konnten das nicht. Für uns sah es echt aus und ohne Manuel, welcher mir gesagt hatte, dass niemand wirklich umgekommen war, würde auch ich das sicher noch glauben und schockiert sein über das, was ich da gesehen hatte.
„Wieso hat dieser Mann das Mädchen Umgebracht, Manuel?", fragte Maurice nach ein paar Minuten, in denen er einfach den Bildschirm angestarrt hatte und sofort guckte ihn der Hybrid aufmerksam an, schien zu merken, dass auch sie glaubten, das gezeigte wäre wirklich geschehen. Der Größere hatte unseren Besitzer tatsächlich bei seinem Namen genannt, ohne das Wort Sir oder Herr davor, was mir zeigte, der Grünäugige schien nun zumindest so viel Vertrauen in den Pfau gefasst zu haben, dass er ihm glaubte und ihn mit seinem Namen ansprach. Michael hingegen sah ihn nicht an, strich einfach im immer gleichbleibenden Takt durch über die rechte Seite des Jüngeren und schien vollkommen in seiner Welt gefangen zu sein. „Kommt beide Mal kurz her, ich zeige euch jetzt Mal was!", wies der Hybrid die beiden Menschen an und nur zögerlich taten sie, was er befahl, setzten sich mit ein wenig Abstand neben uns. Mit seiner rechten Hand, welche vorher noch durch meine Haare gefahren war, um mich zu beruhigen, nahm er sich sein Handy und tippte auf diesem herum. „Ihr beide habt das Mädchen gesehen, welches da gerade umgebracht wurde, oder?", fragte Manuel sanft und nachdem die beiden bestätigend genickt hatten, ging er auf WhatsApp und scrollte ein wenig runter, dabei bemerkte ich das erste Mal, wie verdammt viele Kontakte der Jüngere hatte, und tippte schlussendlich auf einen Chat, welchen er in meiner Gegenwart noch nie benutzt hatte. Statt jedoch zu schreiben, so wie man es für gewöhnlich mit dieser App tat, tippte er rechts oben auf eine kleine Kamera und sorgte so dafür, dass das Profilbild des Chats größer wurde. Ganz unten sah man nun einen kleinen Kasten, in dem ich mich selbst, jedoch auch Manuel und Michael und Maurice erkannte. Und sobald sich einer von uns bewegte, tat es das Bild gleich.
„Dieses Mädchen ist nicht wirklich tot. Was ihr da gesehen habt, ist nie so passiert und das seht ihr gleich, wenn die gute Marie hier Mal den Anruf annimmt!", sagte der Grünäugige mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen, dabei beobachtete er seine beiden Besitztümer, wie diese interessiert, jedoch noch immer kreidebleich den Bildschirm des Handys musterten. Auch ich sah mir den Bildschirm näher an und zuckte erschrocken zusammen, als sich auf einmal ein blondes Mädchen auf diesem abbildete, welches gerade erst aufgestanden zu sein schien. Verwundert musterte sie uns durch die Kamera, richtete sich nun auf und ich erkannte ein erfreutes Grinsen auf den Lippen meines Besitzers, kuschelte mich nebenbei schutzsuchend an ihn. „Morgen du Schlafmütze! Ich habe hier meine drei kleinen Engelchen, Michael, Maurice und Patrick, die gerade mit ansehen mussten, wie du von mir umgebracht wurdest. Magst du ihnen nur Mal kurz zeigen, dass du noch am Leben bist?"
Auf jeden von uns dreien deutete der Pfau einmal mit dem rechten Zeigefinger, dabei grinste er immer lieb und schien belustigt von der Verwirrung seiner Schauspielpartnerin. Ich kannte viele Hybriden und Menschen, die nach dem Aufwachen noch völlig neben der Spur waren und klar zu sehen, war die Papagei-Hybridin ebenso ein Morgenmuffel, wie es Michael war. Sie brauchte ein paar Sekunden, ehe sie nickte und sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht strich, welche jedoch sogleich zurück rutschte. „Ich bin noch am Leben, keine Sorge! Auch, wenn Manu manchmal ein Idiot ist, hat er mich noch nicht umgebracht. Darf ich jetzt wieder schlafen gehen? Ihr drei könnt ja später nochmal anrufen, oder so, wenn ich nicht mehr so scheiße aussehe und vielleicht wach bin. Oder ich rufe an, weil euch drei will ich definitiv kennenlernen! Besonders dich, Patrick. Weil, wenn ich herausfinde, dass Manuel dir diese blauen Flecken verpasst hat, bekommt der sowas von eins aufs Maul von mir!", erzählte die Blauäugige mit erhobener Faust und sofort wusste ich, sie war genauso lieb zu uns Menschen, wie es jeder aus Manuels Bekanntenkreis zu sein schien. Enger lehnte ich mich an meinen Herrn, welcher automatisch einen achtsamen Blick auf mich warf und mich näher zu sich zog. „Ist gebongt. Dann schlaf schön und hör gefälligst auf so lange zu zocken!"
Winkend verabschiedete sich Marie wieder von uns. „Seht ihr, sie ist noch am Leben!"
~5040 Worte, hochgeladen am 18.10.2020
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