22. Fressfeinde

Müde saß ich auf der Couch, betrachtete in Gedanken versunken den dunklen Himmel und hörte nebenbei Claus zu, wie er mit Michael und Adrien redete. Drei Stunden hatten die beiden mit dem Mädchen beim Arzt verbracht, sie wurde komplett durchgecheckt, geröntgt und schlussendlich hatte sie einen Gips um ihr linkes Bein bekommen, was danach allerdings passiert war, konnte ich nicht unbedingt sagen. Sie hatte wohl so eine Angst vor allem gehabt, dass sie einfach umgefallen war und da der Polizist es nicht für gut gehalten hatte, sie schon jetzt in ein Heim zu bringen, fragte er mich, ob ich sie unter meine Fittiche nehmen konnte, bis sie aufwachte. Bei mir schien sie zumindest ruhig zu bleiben, wenn ich ihr vorsichtig durch das Haare fuhr und so nickte ich nur, setzte mich auf die Couch und passte auf die Blonde auf, deren Name mir nun endlich bekannt war, Ashley. Schon vor einigen Minuten hatte sie sich bewegt, war aufgewacht und hatte sich unruhig umgesehen, doch als sie merkte, dass ich bei ihr war und auf sie acht gab, lächelte die Blauäugige müde und ließ sich weiterhin von meinen Streicheleinheiten verwöhnen.

Erst, als ich das Klimpern eines Schlüssels im Schloss vernahm, deutete ich an aufzustehen und stürmte glücklich in die Richtung der Eingangstür, erblickte einen erschöpft aussehenden Manuel dort stehen. Sofort klopfte mein Herz glücklich gegen meine Brust und noch bevor der Brünette etwas sagen konnte, umschloss ich seinen Nacken fest mit den Armen und quietschte fröhlich auf. Einen ganzen Tag hatte ich ohne den Pfau verbracht und mir war mehr schreckliches passiert, als die ganze Woche zuvor zusammen. Ohne ihn fühlte ich mich nicht vollkommen, doch sobald sich seine Arme um meinen frisch gewaschenen Körper schlangen und mich an sich zogen, war alles vergessen. Ein seliges Lächeln lag auf meinen Lippen und ich sah dem Größeren aufgeregt in die Augen, blitzte glücklich und kämpfte mit den Tränen, die vor Freude in meine Augen stiegen.

"Hallo Engelchen, gehts dir gut? Hast du mich vermisst?", begrüßte mich mein Besitzer grinsend, während er mir einen Kuss auf die Wange drückte und mir ein wenig näher kam, so dass sich unsere Lippen fast berührten. Diese Nähe hatte ich mehr als nur vermisst, in seinen warmen Armen liegen zu dürfen und den beruhigenden Geruch zu riechen, den ich nur teilweise hatte am Tage wahrnehmen können. Automatisch nickte ich, schämte mich nicht einmal mehr dafür es zu bestätigen. "Ich habe dich auch vermisst, Patrick! Magst du mich kurz loslassen, damit ich mich ausziehen kann? Dann können wir gerne weiter kuscheln...", fragte mich der Grünäugige lächelnd und sofort nahm ich meine Arme von seinem Nacken, senkte schüchtern den Blick und versuchte mein schnell schlagendes Herz zu beruhigen, welches vor Freude und Aufregung, denn in wenigen Sekunden würde sich herausstellen, ob Ashley für die nächste Zeit bei uns bleiben durfte. Wir hatten dem Hybriden noch nichts darüber erzählt, dass das Mädchen hier war und dass wir beim Einkaufen angegriffen wurden, er würde es jedoch spätestens gleich an Claus sehen, welcher ein paar Kratzer und blaue Flecken hatte. Mir war nichts passiert, dem Handy ebenso wenig und auch vor seiner Reaktion auf den Polizisten hatte ich Angst.

Müde hörte ich den Jüngeren gähnen, während er sich aufrichtete und streckte, wobei sich seine dichte Federtracht leicht erhob. "Ist das Essen schon fertig? Ich habe echt Hunger...", fragte mich der Brünette, weshalb ich nickte und daran zurückdachte, wie Maurice stumm in der Küche gestanden hatte und Nudeln mit Käsesoße kochte, während ich auf das Blonde Mädchen aufgepasst hatte und Claus, zusammen mit Adrien und Michael noch einmal losgezogen war, um für uns einzukaufen. Der Schneeleopard hatte eigentlich vorgehabt sich neue Lebensmittel zu kaufen, doch dann kam der Vorfall mit uns dazwischen und er hatte es nun nachgeholt, während Claus mit Michael ein neues Halsband für mich besorgt hatten, jedoch in orange, statt schwarz. Mir gefielen bunte Sachen viel besser, als triste und graue, das hatte ich den beiden mit zwei Stiften mitgeteilt, die mir Manuel gekauft hatte, um mich besser ausdrücken zu können. Ich traute es mich nach dem heutigen Tag nicht zu noch einmal rauszugehen, auch, wenn zwei starke Jungen und Männer dabeigewesen wären, deshalb hatte mir Claus meinen Wunsch erfüllt.

Gemeinsam gingen wir in die Richtung des Wohnzimmers, doch wie auch schon Adrien vorhin, verlangsamte er seinen Schritt und sah sich aufmerksam im Gang um. Es war interessant zu sehen, wie der Pfau aus Manuel hinauskam und seine Handlungen bestimmte, denn anders als sonst, lief er bewusst vor mir und drängte mich zurück, wobei ich am Rücken spüren konnte, wie seine Schleppe sich anhob. Beruhigend nahm ich mir seine linke Hand und suchte nach seiner Aufmerksamkeit, welche ich jedoch nicht bekam. Konzentriert achtete er auf jedes kleinste Geräusch in der Wohnung, musterte mich nur beiläufig einmal von Kopf bis Fuß, ehe er ein wenig an der Türschwelle vorbei lugte und einen lauten Schrei losließ, als er den Schneeleoparden erspähte. Mit hungrigen Augen starrte dieser in unsere Richtung, spannte seine Muskeln an und kämpfte mit sich, um nicht auf den Pfau los zu stürmen. Groß wurden meine Augen, als ich die Angst meines Freundes spürte und ihn an der Hand zurück zog, einfach von dem Hybriden weg. Schnell schliff ich ihn in sein Zimmer und verriegelte die Tür, sodass wir nun eingesperrt waren.

"Patrick, was sucht der hier?! Hast du eine Ahnung, wie gefährlich der ist? Seid ihr alle eigentlich komplett bescheuert?!", fragte mich der Pfau laut, weshalb ich ängstlich meine Augen aufriss und mich unbewusst kleiner machte, mich langsam umdrehte und mir die Frage stellte, ob die beiden sich kannten. Manuels Schrei war das Produkt seiner Angst, für gewöhnlich warnten Pfauen sich untereinander mit diesem vor Gefahren oder Unwettern, doch niemand hier hatte vor ihm etwas zu tun. Es war alles normal, außer, dass sich ein Gast im Haus befand und deshalb verstand ich seine Reaktion nicht. Noch immer war sein Rad aufgestellt, zitterte vor Angst und zeigte, dass es sein Mischtier war, welches nicht mit dieser Situation klarkam und ihn so reagieren ließ. Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Kopf zu schütteln und dabei zuzusehen, wie der Jüngere aufgebracht durch den Raum stolzierte. So aufgeschreckt hatte ich ihn noch nie gesehen und deshalb sah ich ihm stumm dabei zu, wie er auf und ab ging, bewegte mich nicht.

"Er ist ein Leoparden-Hybrid, Leoparden sind natürliche Fressfeinde von Pfauen! Was tut der hier und wer ist er überhaupt?! Ich habe doch sofort geahnt, dass etwas nicht stimmt, als ich dieses Auto in der Einfahrt gesehen habe. Der könnte mich mit einem Schlag umbringen und ich könnte nicht fliehen, sein Blick war doch klar und deutlich zu erkennen gerade! War das ein Mordversuch, oder was?!", regte sich der Grünäugige weiter auf, dabei fuchtelte er wild mit den Armen herum und ich riss schockiert die Augen auf, fiel auf die Knie und neigte meine Stirn dem Boden zu, entschuldigte mich wortlos bei ihm. Es war mir nicht bekannt, dass Leoparden und Pfauen Feinde waren, ich wusste nichts über diese Tiere und sah auch nur selten einige dieser zwei Arten, da sie kaum vorkamen. All mein Wissen über Hybriden zog ich aus Begegnungen mit diesen, nur so konnte ich etwas über sie und ihre Verhaltensweisen lernen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich merkte, dass der Brünette wegen mir einem Fressfeind gegenüber stand. Wäre ich nicht am Leben, wären wir dem Polizisten niemals begegnet und niemand wäre in Gefahr gewesen, besonders nicht dieser Junge. Es war unverzeihlich, er hätte sterben können.

Schluchzend kugelte ich mich zusammen, fiel zur Seite und atmete stoßweise, bekam deutlich mit, wie mein Herr auf mich zukam und mich auf seinen Arm nahm. Tränen der Angst und Verzweiflung rannen mir meine Wangen hinunter, wurden von dem dunklen Hoodie des Brünetten aufgesogen, als er sich mit mir auf sein Bett setzte und mich auf seinem Schoß runterließ, meinen zitternden Körper an seinen drückte. Wild schlugen unsere beiden Herzen, doch dieses Mal nicht vor Freude, sondern vor Angst und Schock. Auch, als mich mein Besitzer beruhigend zu streicheln begann, schluchzte ich und wünschte mir ihm sagen zu können, wie leid es mir tat und dass ich nie mehr wieder mit einem Leoparden sprechen würde, doch diese Möglichkeit wurde mir genommen. Ich konnte ihm nichts mitteilen, außer meinen tiefsten Scham und selbst das war schwer, immer hin konnte ich nichts sagen.

"Tut mir leid, ich habe schon wieder überreagiert...", entschuldigte sich mein Herr mit ruhiger Stimme, dabei schmiegte er seine Stirn an meinem Kopf an und wartete leise, bis ich mich beruhigte. Er hatte dieses Mal nichts falsch gemacht, es war die Angst vor seinem Feind, die ihn dazu trieb mich so laut anzugehen und könnte ich, würde ich ihm nun meine Entschuldigung aussprechen, doch dies blieb mir verwehrt. Liebevoll streichelte mich der Pfau, suchte meine Nähe und hielt mich sicher bei ihm, stoppte nur ein einziges Mal kurz, als wir eine Tür vernehmen konnten. Seine Ohren waren besser, als die jedes anderen und ich entspannte mich erst wieder, als sich sein Körper entspannte. Es wurde ruhig, niemand redete mehr und auch ich fand meine Fassung wieder, öffnete erschöpft die Augen und griff vorsichtig nach der rechten Hand meines Herren, suchte nach seiner Nähe. Ich fühlte mich elendig, als hätte ich ihn beinahe umgebracht und wollte ihm am liebsten zeigen, dass es mir leid tat und dass ich mich entschuldigen wollte, doch wusste ich nicht wie.

"Alles gut, nicht mehr weinen, ja? Du hast nichts falsch gemacht, ich bin der, der sich bei dir entschuldigen sollte...ich sollte nichts mehr sagen, bevor ich nicht weiß, wie es zu etwas kam und deshalb gehen wir jetzt zu Claus, der wird mir meine Fragen sicher beantworten...", raunte Manuel irgendwann leise, doch bevor ich von ihm runter gehen konnte, öffnete sich langsam die Tür zu unserem Zimmer. Lange, braune Haare waren zu sehen und ich versteckte meine verweinten Augen schüchtern in der Halsbeuge meines Herren, ließ mich noch stärker von ihm umarmen, als zuvor. Das erste Mal sah ich den Braunäugigen mit gesenktem Kopf, hörte, wie er die Tür wieder schloss und sich ein wenig abseits von uns auf dem Bett niederließ. Kein Ton verließ seinen Mund, so als wäre er stumm und ich wusste, dass er Angst vor dem nun kommenden Gespräch hatte. "Erklärst du mir, was dieser Hybrid hier gemacht hat, Claus? Du weißt doch eigentlich, dass Leoparden und Pfauen sich nicht miteinander vertragen. Wer war der Kerl? Und wieso hast du überall Pflaster kleben?", fragte Manuel seinen Bruder mit sanfter, vorsichtiger Stimme und genau wie sein Herz, schien er sich beruhigt zu haben. Nicht einmal seine Federtracht war noch gehoben, sie lag regungslos auf der Matratze und wirkte schon viel gesünder, als heute Morgen noch.

"Ich war mit Patrick einkaufen, so, wie du es mir gesagt hast. Wir haben ihm ein Handy gekauft und ich habe gut auf ihn aufgepasst! Er hat zwar ein bisschen geweint, weil er mit den vielen Hybriden um ihn herum überfordert war, aber das war alles gar kein Problem. Und dann sind wir rausgegangen, weil es keinen Sinn gemacht hätte, wenn wir für ihn nach einem Halsband gesucht hätten und auf einmal hat es geregnet. Wir haben uns also ein bisschen abseits des Eingangs hingesetzt und ich habe mit dir geschrieben, das war so ungefähr, als du deinen Nudel Wunsch geäußert hast. Ich habe nicht genug auf unsere Umgebung geachtet und dann kam eben eine Gruppe von drei Amsel-Hybriden auf uns zu, die uns das Handy abnehmen wollten! Keine Sorge, Patrick ist nichts passiert, ich habe ihm gesagt, er soll weglaufen, wenn etwas passiert und er hat Hilfe geholt, während zwei der Hybriden mich zusammengeschlagen haben. Dieser Schneeleopard ist ein Polizist, der gerade eine Woche frei hat und er hat uns nach Hause gefahren, damit wir nicht noch einmal so überfallen werden konnten. Ich hätte ihn auch nach Hause geschickt, nach dem er uns hier abgesetzt hat, aber einerseits liegt auf der Couch ein verletztes Mädchen, welches Patrick in einem Gebüsch gefunden hat, von dem wir noch nicht genau wissen, was wir mit ihr machen sollen und andererseits mag ich ihn! Vielleicht sogar ein bisschen mehr, als das...", erklärte Claus dem Brünetten, ohne aufzublicken und mein Herz tat weh, als ich ihn so verletzt und kaputt sah, mit eingesunkenen Schultern. Seine Stimme brach ab, so als wäre er kurz davor zu weinen und ich konnte allein anhand von Manuels Atem spüren, welcher begann langsamer zu werden, dass er schockiert war über unseren Tag. Es waren so viele Informationen auf einmal, die der Grünäugige erst verarbeiten musste und ohne es zu wollen, nahm ich mir seine eine Hand und brummte beruhigend.

"Oh Gott, es tut mir so unendlich leid, Claus! Ich hätte euch zwei nicht losschicken sollen. Danke, dass du Patrick beschützt hast und nicht einfach weggelaufen bist! Das hätte nicht jeder gemacht, aber ich verstehe nicht, wieso dieser Polizist hier geblieben ist, obwohl er euch sicher und unbeschadet hergebracht hat?", fragte der Grünäugige weiter und nun hob sich der Blick des Hünen, ließ uns in seine Tränengefüllten Augen sehen. Der Körper des Brünetten zitterte vor Wut oder Angst, was mein Herz beschleunigen ließ. In seinem Kopf mussten hunderte Gedanken umher schwirren, Worte und Erinnerungen, die er dem Pfau sicherlich an den Kopf knallen wollte und mir war bewusst, dass er nun mit der Sprache herausrücken könnte, sollte er nicht bei klarem Verstand sein. Oft handelte man aus Wut überstürzt, konnte seine Gedanken und Gefühle nicht kontrollieren, was ein großer Fehler sein könnte und ich fühlte mich mit jeder Sekunde unwohler, in der dem Jüngeren Tränen über die Wange liefen. Auch für diese hatte ich Schuld, denn ohne mich, würde Claus noch immer die Aufmerksamkeit bekommen, die er ohne Frage zu brauchen und nicht zu bekommen schien.

"Ganz einfach, ich habe ihn darum gebeten! Adrien ist nicht einfach zum Spaß hier geblieben, sondern weil ich ihm gesagt habe, dass ich mich bei dir nicht beachtet fühle! Er hat mich zumindest wirklich angesehen und mit mir gesprochen, anders als du, weil du nur noch Augen für Patrick hast. Egal was ich tue, du kümmerst dich mehr um ihn, als um mich. Nicht mal jetzt, wo ich für ihn Schläge kassiert habe, fragst du mich, ob es mir überhaupt gut geht und tröstest statt dessen ihn, obwohl ich derjenige bin, welcher eindeutig gelitten hat! Ich fühle mich vernachlässigt von dir, aber das interessiert dich kein bisschen! Er hat mich am heutigen Tag mehr beachtet, als du die letzte Woche insgesamt und das finde ich traurig, Manuel. Aber ist ok, kein Problem...", erklärte Claus seinem Bruder, was mich schockierte. Ich wusste selbst, dass die Welt ohne mich besser dran wäre, denn nach zu jeder würde von Manuel mehr beachtet werden, doch so klar hatte es noch nie jemand gewagt das in meiner Gegenwart auszusprechen. Es war kein Geheimnis, ich war ein ignoranter und selbstsüchtiger Mensch, der anderen Menschen ihr Glück versaute und das ließ mich traurig den Blick senken. Eigentlich sollte ich mich dafür schämen, immer hin war ich der Grund dafür, dass sich so viele Menschen schlecht fühlten und deshalb löste ich mich von meinem Herren, welcher sich erst an meinen Körper klammern wollte, jedoch schnell merkte, dass ich nicht mehr hier sein wollte und so gab er mich schweren Herzens frei, sah mir hinterher, bis ich die Tür hinter mir schloss.

Die gesamte Zeit blieb mein Kopf gesenkt, auch, als mich mein Weg zurück in das Wohnzimmer führte, wo Michael und Maurice in der Küche standen und redeten, während Ashley ihren Blick direkt auf mich richtete, als ich den Raum betrat. Mitleid und Angst war in ihren Augen zu erkennen, sofort und es wurde nicht weniger, während ich mich wieder zu ihr setzte und liebevoll begann durch ihre langen Haare zu fahren, ganz automatisch. Es beruhigte uns beide sehr, das erkannte ich schnell, als die Jüngere müde ihre Augen schloss und nach meiner anderen Hand griff, welche sie vorsichtig festhielt. Wir sahen uns direkt in die Augen, ihre glänzten im Licht der Deckenlampe und wie automatisch strich ich ihr über die warme Wange, merkte, wie diese sich unter meinen Berührungen erhitzte. Ich verstand nicht, wieso die Blauäugige allein mich an sich heranließ und niemanden anders, dabei hatte ich nichts getan, außer sie in diesem Gebüsch zu finden. Wegen mir waren ihre Freunde oder ihre Verwandten im Gefängnis gelandet, weil ich auf Polizisten gestoßen war und so müsste sie mich eigentlich von allen am wenigsten mögen, doch anscheinend dachte sie anders darüber.

"Möchtest du auch etwas essen, Patrick?", erklang die fragende Stimme von Michael, welcher mit einem Teller voll Nudeln und Käsesoße auf uns zukam und diesen der Amsel-Hybridin übergab, welche sich aufsetzte und ihr gebrochenes Bein auf dem Glastisch platzierte. Leicht schüttelte ich meinen Kopf, denn nach Essen war mir gerade nicht zumute. Die Worte von Claus hallten immer wieder in meinen Gedanken umher, wie er andeutete, dass ich schuld daran war, dass Manuel ihn so wenig beachtete und mir war bewusst, er hatte absolut recht. Immer war der Grünäugige bei mir, kuschelte mit mir und interessierte sich allein für mich, dabei ignorierte er unbewusst jeden anderen und ich bekam die leise Angst, dass er so die Beziehung zu Michael und Maurice ganz zerstören würde. Die beiden hatten beschlossen ihm zu gestehen, was sie füreinander fühlten und sie hatten Angst vor seiner Reaktion, das sah man ihnen deutlich an. Als wir in das Haus eingetreten waren, hatte Claus uns grinsend berichtet, lagen die beiden Oberkörper frei in ihrem Bett und kuschelten zusammen, wurden nur von einer dünnen Decke verdeckt und obwohl uns klar war, was wären unserer Abwesenheit passiert war, schwiegen wir darüber.

Still aß das Mädchen neben mir ihre Nudeln, wobei ich sie unsicher und interessiert betrachtete. Schon beim Mittagessen hatte sie ordentlich zugeschlagen, so wie wir bei unserer Ankunft und ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie lange die Kleinere schon nichts mehr zu Essen bekommen hatte. Mit großen Augen hatte sie den Topfkuchen angesehen, welchen Michael gebacken hatte und ich sah ihr mit einem Lächeln dabei zu, wie sie glücklich in den Kuchen hineinbiss und sich nebenbei an mich kuschelte. Ihr Verlangen nach Nähe stillte sie bei mir, schon von Anfang an und obwohl ich meinen Herren hatte, der sich mit mir beschäftigte, empfand ich es als schön mich um jemanden kümmern zu dürfen. Ashley war wie mein eigenes Kind, welchem ich Essen brachte und mit dem ich kuschelte, wenn es ihm schlecht ging. So nahe würde ich einem eigenen Kind in naher Zukunft nicht mehr kommen, egal wie sehr ich eines wollte und deshalb wollte ich die Zeit mit ihr nutzen, so lange sie bei mir bleiben durfte.

Im Flur hörte ich eine Tür aufgehen, was mich dazu brachte meinen Blick zu senken und der Blauäugigen ein wenig näher zu kommen. Es war Manuel, dessen Federn wie so oft auf dem Boden schliffen und mich aufhorchen ließen, denn auch Claus war dabei. Michael und Maurice senkten sofort ihre Stimmen, als sie merkten, dass unser Herr auf uns zukam und in dem Moment, wo er den Raum betrat, hob ich vorsichtig meinen Kopf an. Stolz präsentierte er uns seine Brust, kam mit erhobenem Haupt auf uns zu und ließ sich schlussendlich neben Ashley auf die Couch fallen, welche mir ängstlich näher rückte. Vorsichtig legte ich der Jüngeren einen Arm um die Taille, nahm ihr den Teller ab und gab ihr ein wenig die Sicherheit, welche ihr zu fehlen schien.

"Du bist also Ashley?", begann der Pfau ein Gespräch, während er liebevoll lächelte und den Augenkontakt zu dem Mädchen suchte, welches sich ängstlich an mich drückte. Sie wusste genau, wer nun neben ihr saß und hatte Angst davor hier weg zu müssen, denn auch ich würde nichts mehr für sie tun können. Mir war es nicht gestatten Anforderungen zu stellen, ich war nur ein einfacher Mensch und hatte nicht das Recht dazu meinem Herren einzureden, dass die Jüngere es bei uns besser haben würde, als in einem Heim. Sie war gerade Mal siebzehn und somit fast volljährig, konnte sehr gut selbst entscheiden, wo sie sein wollte und wo nicht, doch wenn der Grünäugige entschied, dass sie gehen musste, dann würde sie das auch tun müssen. So sehr ich sie auch vor der grausamen Welt dort draußen beschützen wollte, ich durfte sie nicht hier behalten. "Alles in Ordnung, iss ruhig weiter! Ich möchte dir nichts tun, sondern nur mit dir reden. Claus hat mir gerade erzählt, wieso du hier bist und jetzt wollte ich dich auch Mal kennenlernen. Du scheinst dich hier bei Patrick ja recht wohlzufühlen, wie es aussieht!"

Die Augen, welche ich schöner fand als die jedes anderen Lebewesens, richteten sich für einen kleinen Moment auf mich und so wie immer, schienen sie vor Liebe zu strotzen. Er wollte mir sagen, dass alles gut war und ich sollte mir keine Sorgen machen, doch sein Lächeln konnte ich nicht erwidern. Nicht, wo Claus anwesend war und mir still dabei zusehen musste, wie ich wieder die Aufmerksamkeit des Hybriden bekam und er leer ausging. "Ich heiße Ash!", widersprach die Amsel-Hybridin leise, mit zittriger Stimme und sowohl ich, als auch Manuel selbst, musterten sie nun erstaunt. Bisher hatte sie mit keinem anderen als mir gesprochen, besonders hatte sie bis jetzt noch keinen Widerspruch geleistet und deshalb stärkte ich den Druck um ihre Taille leicht, zeigte ihr so still meinen Stolz. Mir fiel auf, dass der Körper des Brünetten sich bei meiner Geste leicht anspannte und ich fragte mich, ob er wieder voreilige Schlüsse zog und mein Verhalten falsch deuten würde, dachte, dass ich Interesse an der Blonden hatte. Sie war wirklich niedlich, keine Frage, doch ich hatte mein Herz dem Pfau geschenkt und würde es auch nicht für jemand anderen zurückfordern.

"Ich hoffe du weißt, dass wir dich hier nicht behalten können, oder? Du bist noch minderjährig und ich bin es auch, das heißt, wir können dich hier nicht für längere Zeit aufnehmen. Der einzige in diesem Haus, der Volljährig ist, ist Patrick und der ist kein Hybrid und hat deshalb nicht das Recht ein Kind zu adoptieren, so gerne wir dich hier aufnehmen würden. Es tut mir leid...", lächelte Manuel nun traurig, doch statt sich gegen seine Entscheidung zu wehren, so wie sie es bei jemand anderen getan hätte, blieb sie stumm und nickte einmal. Meine Augen wurden ganz groß, als der Jüngere vorsichtig mit dem Mädchen sprach und hoffte, sie nicht zum weinen zu bringen. Wie lange sie noch bleiben durfte, war mir nicht bekannt und ich wusste, ob sie wollte oder nicht, nun musste sie in ein Krankenhaus gebracht und durchgecheckt werden, um danach in ein Heim übergeben zu werden. Es war nur noch ein Jahr, welches sie dort verbringen musste und wahrscheinlich würde niemand sie bei sich aufnehmen, immer hin war sie zu alt, um noch einem Elternpaar Freude zu bereiten. Auch ich hatte in meinem Gefängnis schon jede Hoffnung aufgegeben, dass mich jemand bei sich aufnehmen würde, ich war schon zu alt und hässlich noch dazu, mit meinen ganzen Wunden. So würde es der Blonden auch gehen, bis sie volljährig war.

"Es ist schon jemand unterwegs, der dich abholen wird. Du hast noch zwanzig Minuten ungefähr! Iss noch auf und behalte die Klamotten ruhig. Und wenn du den Weg hier her findest, so bald du erwachsen bist, kannst du gerne noch einmal vorbeischauen, ja?"

~3890 Worte, hochgeladen am 31.05.2020

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