Kapitel 7

Das unaufhörliche Klingeln riss mich aus dem Schlaf. Ich stöhnte genervt auf, während ich mein Handy vom Nachttisch fischte.
»Ja?«, sagte ich mit rauer Stimme.
»Cat?«
»Sam ...« Verschlafen fuhr ich mir mit der Hand über die Augen. »Was ist ...?«
»Ich muss mit dir reden ... Es ist dringend ...«
»Sam, es ist mitten in der Nacht«, beschwerte ich mich.
»Ich hab' niemanden bis auf dich.«
Ich seufzte. »Du hast Dean.«
»Nein.« Sams Stimme war ernst. »Ich hab' ihn angerufen und er ... er will nicht ...«
»Was will er nicht?«, fragte ich. »Komm schon, Sam, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.«
»Luzifer.«
»Was? Dean will nicht ... Luzifer?«
»Nein, Luzifer ... er war bei mir ...«
»Was?« Nun war ich hellwach.
»Er war bei mir, im Motelzimmer. Ich bin ... ich bin seine Hülle ...«, erklärte Sam. »Ich hab's Dean erzählt und ihm gesagt, dass ich wieder im Geschäft bin, aber ... er will nicht. Er meint, dass wir dadurch schwächer sind. Er vertraut mir nicht. Er denkt, ich bin auf Rache aus.«
Ich schwieg.
»Cat?«
»Ja?«
»Du ... sagst nichts ...«
»Ja, das stimmt.«
»Willst du nichts ... dazu sagen?«
»Doch, ich ... ich muss es nur erst mal ... verdauen ...«, meinte ich.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte Sam mit zittriger Stimme.
Ich atmete tief durch. »Schlaf 'ne Nacht drüber, Sam. Vielleicht hast du das alles geträumt.«
»Ist das dein Ernst?« Der Mann klang fassungslos.
»Was soll ich den tun?«, rief ich. »Mich Luzifer stellen und ihm sagen, er solle dich gefälligst in Ruhe lassen?«
»Du glaubst mir nicht!«
»Sam ...«
»Du denkst, das ist ein Scherz.«
»Nein, tu ich nicht«, erwiderte ich. »Es ist nur mitten in der Nacht und ich bin müde. Wenn du willst, lass' ich mir morgen was einfallen. Ich werd' dir helfen. Wobei auch immer.«
»Danke«, sagte Sam erleichtert. »Wirklich.«
»Kein Problem«, meinte ich. »Schlaf gut. Bis morgen.«
»Bis morgen, Cat.«
Ich legte auf und schmiss mit einem Seufzen das Handy auf mein Bett. Müde fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Draußen war es noch dunkel. Ich ließ mich zurück ins Kissen fallen und starrte nachdenklich die Decke an.
Luzifer, der Teufel, Satan - er hatte unzählige Namen, doch das änderte nichts an seinem Ich. Dass Sam seine ideale Hülle war, machte die Sache nicht besser. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte nichts tun, denn ich hatte nicht die nötige Macht. Ich war nur ein Mensch.

Am nächsten Tag war ich früh auf den Beinen. Ich ging in die Stadt, um mir einen Kaffee zu holen - allmählich gewöhnte ich mich an das Zeug. Auf einmal klingelte mein Handy. Sofort holte ich es aus meiner Handtasche und nahm ab. »Ja?«
»Hey, Cat, hier ist Chuck.«
»Chuck? Oh, äh, hi. Woher hast du meine Nummer?«
»Hab' davon geträumt.«
»Ähm, okay ...«
»Ja, äh, du fragst dich sicher, wieso ich anrufe ...«
»Ach, nein, wie kommst du darauf?«, sagte ich ironisch.
»Ich ...«
»Was gibt's?«, fragte ich genervt. Ich klemmte mein Handy zwischen Schulter und Ohr und trank abwartend einen Schluck von meinem Kaffee.
»Ich hab' hier so 'n Päckchen. Das ist an dich adressiert«, erklärte der Mann.
»Wieso hast du 'n Päckchen von mir?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Es stand auf einmal vor meiner Tür.«
»Okay, warte. Ich komm vorbei.«
»Ja. Ja, ich ... klingel dann einfach«, sagte Chuck.
»Ja, mach ich. Bis nachher.« Ich legte auf und schmiss mein Handy zurück in die Tasche. Erst jetzt fiel mir auf, wie bizarr die Sache war, doch beließ ich es dabei und ging zum Auto.

Ich parkte am Straßenrand, gegenüber vom Hauseingang. Großen Schrittes lief ich herüber und klingelte. Binnen weniger Sekunden wurde mir geöffnet.
»Hab' dich gesehen«, erklärte Chuck. Sein Blick wanderte an mir herab und verwundert zog er die Stirn in Falten. Ich trug ein Kleid, so dass ich ihm seine Reaktion nicht verübeln konnte.
»Ich will nachher noch einigen Leuten Besuch abstatten. Die Arbeit ruft mich«, sagte ich schnell.
»Äh, okay.« Eilig trat der Mann zur Seite. »Komm doch rein.«
»Danke.« Ich betrat das Haus und sah mich um.
»Im Wohnzimmer«, half Chuck mir. Er überholte mich und ergriff das Päckchen vom Tisch. »Hier.«
»Danke«, sagte ich, als ich den kleinen, grauen Karton an mich nahm.
»Willst du vielleicht nach oben gehen. Ich hab' dort ein Zimmer. Vielleicht willst du lieber allein sein.«
Ich sah den Mann an. Er war nervös, ein mitleidiger Ausdruck zierte sein Gesicht.
»Okay ...?«
»Ich zeig's dir.« Chuck schlüpfte an mir vorbei die Treppe hinauf. Er zeigte mir das Zimmer. Es war eingerichtet wie ein jugendliches Mädchenzimmer, was mich verwunderte, denn ich hätte nicht gedacht, dass Chuck Kinder hatte.
»Du hast eine Tochter?«, fragte ich.
»Nicht direkt ...«, meinte er.
»Wie kann man indirekt eine Tochter haben?«, wollte ich mit einem Grinsen wissen.
»Ich hätte ein Mädchen adoptiert, aber ... das Leben hat mich eingeholt.«
»Sie ist ... tot?« Fassungslos sah ich ihn an.
»Nein!«, rief Chuck sofort. »Nein, oh, Gott, nein. Sie hat bei einer anderen Familie gelebt. Letztendlich war es besser so ...«
Ich warf dem Mann einen mitfühlenden Blick zu. Ich wollte etwas erwidern, doch Chuck kam mir zuvor. »Fühl dich wie Zuhause«, sagte er und deutete auf das Zimmer.
»Ja, danke.« Ich betrat den Raum und Chuck schloss hinter mir die Tür. Mit einem Seufzen sah ich mich um. Vor dem Fenster war eine Nische, auf welche ich mich setzte. Ich öffnete die Kiste und zog den Brief und die Schatulle heraus. Auf dem weißen Papier stand in klarer, sauberer Schrift Für Catherine. Ich wusste, von wem sie war. Von Shaleen, meiner Patentante und Adoptivmutter.
Ich schluckte schwer. Zögernd öffnete ich die Schatulle. Ein klobiger Ring befand sich in dieser. Ein Ring, den ich normalerweise nie tragen würde. Mit zitternden Fingern hielt ich ihn fest, während ich den Briefumschlag aufriss. Ich faltete ihn auf, und obwohl ich noch nicht einmal angefangen zu lesen hatte, kamen mir die Tränen.

Liebste Catherine,

wenn du das hier liest, sind mein Mann und ich bereits tot. Ich wünschte, es wären anderen Umstände, doch man kann gewisse Dinge nicht verhindern.
Cat, wenn du diesen Brief liest, weißt du längst, was du wirklich bist. Doch dies ändert nichts daran, dass wir dich geliebt haben und dich immer lieben werden. Als du damals eines Tages urplötzlich in einer Kinderkrippe in unserem Schlafzimmer gestanden hattest, wussten wir bereits, was geschehen war. Deine Mutter hatte uns alles erzählt. Sie hatte es lange davor gewusst.
Was ich dir jetzt in diesem Brief noch sagen wollte, ist, dass du ein starkes Mädchen bist. Du wirst alles Böse überstehen, denn du bist stark und du hast ein gutes Herz. Denk immer daran!

In Liebe

deine Patentante Shaleen

PS: Der Ring hatte deinem Vater gehört. Er hätte sicher gewollt, dass du ihn erhälst.

Eine einsame Träne fiel auf das weiße Papier. Sofort wurde sie davon aufgesaugt, die Tinte an dieser Stelle verwischte.
Ich sah mir den Ring an. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und mit Tränen in den Augen legte ich meine Lippen auf das kalte Siegel. Ich begann zu schluchzen und langsam ließ ich den Ring und den Brief sinken. Alle Erinnerungen an meine Familie kamen wieder hoch. Ausgrechnet jetzt musste ich diesen Brief bekommen. Ausgerechnet jetzt, wo ich sowieso schon schwach und zerbrechlich war.
Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen, atmete einmal tief durch und erhob mich. Krampfhaft hielt ich den Brief und den Ring fest, während ich den Karton packte und die Treppe hinunter zu Chuck lief. Der Mann saß am seinem Computer und tippte irgendetwas ein, doch als er mich bemerkte, verharrte er und sah auf. Ein mitleidiger Ausdruck lag in seinen Augen - er wusste es.
»Ich ... geh' dann ... mal«, sagte ich und hob knapp die Hand.
»Brauchst du irgendwas? Ich kann dir was zu essen machen.«
»Nein ... Nein, danke.« Ich drückte den Brief fester an meine Brust. »Nein, wirklich. Danke für alles, Chuck.«
»Klar. Kein Problem.« Der Mann erhob sich. »Ich bring' dich noch zur Tür.«
Ich winkte Chuck zum Abschied, als ich die Straße zu meinem Auto überquerte. Kaum saß ich in diesem, legte ich die Sachen neben mich und lehnte den Kopf gegen den Sitz. Chuck war bereits im Haus verschwunden.
Ich fühlte mich so verdammt schlecht. Einsam und verlassen. Ein tiefes Loch klaffte an der Stelle, wo sich mein Herz befunden hätte. Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht und atmete tief durch.

1386 Wörter

Ich hab' ein bisschen was geändert. Bezüglich Chuck.

Was denkt ihr von Cat und Cats Leben im Augenblick? Irgendwann werde ich auch ein Video über ihr Leben vor den Winchestern hochladen und vielleicht schreibe ich auch eine kleine Vorgeschichte. Was sagt ihr dazu?

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