Kapitel 6
Ich griff in die Chipstüte und zog eine volle Hand zurück. Ohne zu zögern, schüttete ich den Inhalt in meinen Mund, dann setzte ich mich wieder an den Laptop und recherchierte weiter. Es klopfte an der Tür und verwundert hob ich den Kopf. Mein Blick wanderte zur Uhr an der Wand. Es war viel zu früh für ein Zimmermädchen. Die Stirn in Falten gelegt lief ich zur Tür. Meine linke Hand lag ich auf dem Heft meines Dolches, den ich in einer Halterung am Gürtel am Hintern befestigt hatte. Ich zog ihn bereits ein wenig heraus, während ich die Tür aufschloss und sie langsam öffnete.
Ich seufzte, ließ den Dolch zurück in die Scheide fahren und stemmte die freie Hand in die Hüfte. »Was willst du hier?«
»Tut mir leid, Cat, aber ...« Er stockte. Er wusste nicht, wie er es erklären sollte.
»Komm rein«, sagte ich nur und trat zur Seite.
»Danke.« Sam betrat mit einer Tasche auf dem Rücken mein Hotelzimmer und sah sich um. »Wie lange wohnst du schon hier?«, fragte er, während er mein Chaos betrachtete.
»'ne Weile«, meinte ich und schloss die Tür. »Sam, was willst du hier?«
Der Mann wandte sich mir zu. »Dean und ich schlagen getrennte Wege ein.«
»Hat er dich ... Wollte er es so?«, fragte ich.
Sam schüttelte den Kopf. »Nein. Es war meine Idee. Es ist das Beste. Für uns beide.«
»Und was ... willst du hier?«
»Ich will dir ein wenig unter die Arme greifen. Bei den Recherchen.« Er bemerkte mein Zögern. »Keine Sorge, ich bleib' nicht lange. Ich hab' ein Motelzimmer hier in der Nähe. Im Great Plains.«
»Okay.« Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. »Willst du was trinken?«
»Gerne.«
Ich ging zum Kühlschrank und holte ein Bier heraus.
»Engel? Was hat das mit deinen Eltern zu tun.«
Ich wandte mich um. Sam hatte sich zu meinem Laptop hinuntergebäugt. Sofort war ihm die offene Seite aufgefallen.
»Bevor Azazel mir sein Blut gegeben hatte, war ich ein Nephilim«, erklärte ich und kickte mit dem Fuß die Tür des Kühlschranks zu.
»Ein Halbengel?«, fragte Sam und ließ sich vor meinem Laptop nieder.
»Ja.« Ich reichte ihm ein Bier. »Sie können nur durch mächtige Engel erschaffen werden. Die Auswahl ist da nicht so groß.«
Sam sah mich an. »Du meinst ...«
»Einer der vier Erzengel ist mein Vater, ja.« Ich setzte mich neben ihn. »Es ist irgendwie merkwürdig. Ich meine, ein Engel ist nur eine Seele. Er braucht eine Hülle, um eine Gestalt zu haben, die Menschen sehen können.«
»Und Dean ist Michaels passende Hülle ...«, meinte Sam.
»Ja ...« Ich öffnete die Flasche. »Wie auch immer. Er muss nicht mein Vater sein. Es gibt noch drei weitere.«
»Ja, Gabriel, Raphael und ...« Sam stockte.
»Er kann's nicht sein.« Ich erhob mich und begann durch den Raum zu laufen. »Luzifer war Jahrhunderte lang im Käfig eingesperrt. Ich kann dir sagen, dass ich nicht so alt bin.«
»Außer du wurdest immer wieder neugeboren«, erwiderte Sam.
»Ich bin ein Nephilim, kein Wunder Gottes«, sagte ich lachend.
»Ist es schwer?«, fragte Sam ruhig, als ich verstummt war. »Darüber zu sprechen, darüber nachzudenken, damit klarzukommen?«
»Womit klarkommen?«
»Mit dem, was du bist.«
»Mit dem, was ich war«, verbesserte ich. »Ich bin menschlich.«
Verwundert zog Sam die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«
»Der Glaube lässt mich zu dem werden, was ich bin. Nun, ich weigere mich, dem Glauben zu schenken - und so bin ich menschlich.« Ich lächelte den Mann zufrieden an, doch dieser schien von meiner Aussage nicht überzeugt. »Ich hab's versucht, Sam. Ich kann nicht mehr Gedanken lesen, Gedanken manipulieren oder die einfachen Tricks, die ich mit meiner dämonischen Seite ausgeübt hatte.«
»Ich weiß nicht ...«, begann Sam vorsichtig.
»Glaub' mir einfach. Mehr musst du nicht tun«, sagte ich. »Es ist mir egal, wer von den vier Mistkerlen mein Vater ist.« Ich nickte dem Laptop zu. »Ich lebe jetzt mein eigenes Leben, ein menschliches Leben, mit Schmerz und Leid.«
In den nächsten Tagen kam Sam immer seltener vorbei. Er arbeitete jetzt in irgendeiner Bar in der Nähe seines Motels. Doch wir telefonierten fast jeden Abend - und der Name Dean fiel nie.
Lustlos schaltete ich durch die Kanäle. Ich hatte zuvor im Internet nach merkwürdiges Ereignissen gesehen, eventuell wäre ja ein neuer Fall dabei, doch es war nichts von großer Bedeutung.
Ich verharrte, als ich auf einen Nachrichtensender traf. Bilder von Naturereignissen zogen meine Aufmerksamkeit auf sich.
»Die Einwohner sagen, was gestern Nachmittag wie ein Hagelsturm begann, entwickelte sich zu einem starken Unwetter mit massiven Blitzeinschlägen.«
Noch während die Nachrichtensprecherin sprach, ergriff ich mein Handy und rief Sam an.
»Sam, siehst du das?«, fragte ich, ohne ein »Hallo« abzuwarten.
»Ja.« Er wusste, worüber ich sprach.
»Das dadurch ausgelöste Feuer vernichtete entlang der Route 17 schon mehr als 80 m² Land. Von offizieller Stelle wird den Anwohnern geraten, sich auf eventuelle Evakuierungen vorzubereiten.«
»Du weißt, was das bedeutet, oder?«, fragte ich in den Hörer, während ich den Fernseher leiser stellte.
»Ja«, sagte Sam.
»Für müssen unbedingt herausfinden, wie wir die Apokalypse aufhalten können«, meinte ich.
»Es gibt da eine Lösung.«
»Dean würde niemals zustimmen.«
»Cat, ich muss hier noch arbeiten. Vielleicht kannst du schon mal herausfinden, was diese Omen bedeuten.«
»Klar, kein Problem«, sagte ich und legte auf. Sofort setzte ich mich an meinen Laptop und begann zu recherchieren, und es dauerte nicht lange, da hatte ich es gefunden. »Und es ward ein Hagel und Feuer mit Blut vermengt und fiel auf die Erde«, murmelte ich. Hagel und Feuer war bereits eingetreten, Blut noch nicht.
Ich fuhr mir mit der Hand über mein Gesicht und seufzte. Ich wusste, warum Sam abblockte, auch wenn er es mir nicht direkt gesagt hatte. Er nahm nicht nur Abstand von seinem Bruder, sondern auch Abstand vom Jägerleben. Er hatte Angst, dass er rückfällig werden würde, und diese Angst machte ihn so anfällig.
Mein Blick fiel auf mein Handy und in der nächsten Sekunde ergriff ich es und wählte die Nummer.
»Hallo?«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch kam kein Wort über meine Lippen.
»Hören Sie mir mal zu. Ich bin keine Telefonzentrale. Also wenn Sie etwas sagen wollen, tun Sie's jetzt, wenn nicht, verziehen Sie sich in dem Drecksloch, aus welchem Sie gekommen sind!«
Ich wollte etwas sagen, wirklich, doch ich konnte nicht. Ich konnte nicht sagen, dass es mir leid tat, dass ich ihn nicht anlügen hatte wollen. Aber ich konnte es nicht.
»Wählen Sie nie wieder diese verdammte Nummer oder ich bringe Sie um«, erklang ein letztes Mal Bobbys Stimme, bevor er auflegte. Einige Augenblicke lang ließ ich das Handy piepen, dann drückte auch ich auf den roten Hörer.
1100 Wörter
Hättet ihr mit Bobby gesprochen, wenn ihr in der Cats Situation wärd?
Ich hab' gar keine Gifs mehr zum Schluss gemacht :0 Also hier kommen ein paar:
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