Kapitel 4
»Ich hol das Salz, ihr die Waffen«, verkündete Sam, während wir die Straße überquerten.
»Nein«, sagten Dean und ich sofort und der ältere Winchester fügte noch ein bestimmtes »Wir gehen zusammen« hinzu.
»Dean, es ist gleich da drüben. Wir ziehen das durch wie Profis«, meinte Sam hinter zusammengebissenen Zähnen. Der Mann hob seine Waffe hoch, lud sie und ließ mich und seinen Bruder allein. Dean seufzte missbilligend, dann wandte er sich ab und lief los. Ich folgte ihm.
»Wie viele brauchen wir? Zwölf? Ich bezweifle, dass die Schwangere eine bedienen will«, sagte ich, als wir den Waffenladen betraten.
»Nimm so viel mit, wie du tragen kannst«, brummte Dean und verschwand zwischen den Regalen.
Ich nickte, auch wenn er es nicht mehr sah, und suchte selbst nach. Als ich einige gefunden hatten, nahm ich sie von der Halterung und lief damit im Arm zu Dean.
»Pack sie hier rein.« Er schmiss seine Tasche auf den Boden, ohne mich anzusehen, und wandte sich ab.
»Dean ...«, begann ich vorsichtig, und kaum hatte ich seinen Namen ausgesprochen, wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan.
Mit einem ernsten Ausdruck sah der Mann mich an. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt. »Was, Cat? Was willst du mir sagen? Vielleicht, dass es dir leid tut?«
»Das wär' ein Anfang«, sagte ich leise.
»Och, komm schon. Ich will's nicht hören. Ich will gar nichts hören. Nicht von dir. Ich hab' dir gesagt, du sollst dich aus meinem Leben verziehen, und nun? Du bist hier. Du bist verdammt noch mal hier, obwohl ich dir gesagt hab', dass ich dich nie wiedersehen will.«
»Ich bin wegen Sam hier«, erwiderte ich. »Nicht deinetwegen. Er hat mich gebeten, zu helfen.« Euch zu helfen, dachte ich, aber sprach ich dies nicht aus.
Dean sah mich an, blinzelte und blickte durch das Schaufenster hinaus. Er hatte die Arme nun in die Hüften gestemmt, sein Blick war ernst. »Sam hat dich also gebeten, hierherzukommen ...«
»Ja ...«, sagte ich. Ich öffnete den Mund ein weiteres Mal, um etwas hinzuzufügen, doch da hatte mir der Mann bereits das Wort abgeschnitten.
»Gut, dann machen wir unseren Job und dann verschwindest du.«
»Was?« Perplex starrte ich ihn an.
»Ich sagte, ich will dich nie wiedersehen. Es ist Sammys Schuld, dass du hier bist. Also machen wir unseren Job und dann lässt du mich und Sam in Ruhe. Klar?« Deans grüne Augen durchbohrten mich beinahe. Mein Herz drohte zu zersprengen, ich spürte, wie sich ein riesiges Loch auftat.
Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich.
Obwohl ich Dean am liebsten angeschrien hätte, ihn meinen Schmerz deutlich gemacht hätte, setzte ich eine ernste Miene auf und straffte meine Haltung.
»Klar«, sagte ich.
Ich ergriff die Tasche und verließ mit ihr den Laden. Dean folgte mir. Wir betraten den kleinen Supermarkt, von welchem Sam das Salz holen wollte. Das Klingeln eines Windspiels am Türrahmen kündigte uns beide an. Im ersten Moment sah nichts ungewöhnlich oder verdächtig aus, aber dennoch ließ Dean ein besorgtes »Sammy?« von sich. Wir fanden den jungen Winchester mit Rubys blutgetränktem Messer in einem Gang, zu seinen Füßen lagen zwei tote Dämonen. Ich bemerkte den Blick, den Dean seinem Bruder zuwarf, einen Blick voller Abscheu.
»Lasst uns gehen«, sagte ich deswegen und ergriff schnell das Salz, bevor ich mit Sam als erstes den Laden verließ.
In der Kirche zeigten Ellen, Sam, Dean und ich den Überlebenden, wie man Steinsalz herstellte und Waffen lud. Irgendwann, als alle es halbwegs konnten, setzte Sam sich auf eine kleine Treppe. Etwas lastete auf ihm, das spürte ich, doch bevor ich ihm Gesellschaft leisten konnte, kam sein Bruder und setzte sich zu ihm. Einige Augenblicke lang sah ich zu den beiden, aber schließlich wandte ich mich ab - es ging mich nichts an.
»Ist 'ne Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, erklang plötzlich Ellens Stimme neben mir und ich sah auf. »Hab' gehört, du warst mit den Jungs unterwegs.«
»Ja«, sagte ich. »Eine Zeit lang.« Ich senkte meinen Kopf und stellte weiter Steinsalz her.
»Du bist nicht mit den beiden hergekommen ...«
»Nein, bin ich nicht«, meinte ich, ohne aufzusehen.
»Zwischen euch ist was vorgefallen«, bemerkte Ellen.
»So in etwa kann man das ausdrücken.«
Plötzlich ergriff die Frau mein Kinn und drückte unsanft meinen Kopf nach oben, so dass ich gezwungen war, ihr in die Augen zu blicken. »Pass auf, Mädchen. Es kommen 'ne Menge Gerüchte unter uns Jägern herum und bei Gott hoffe ich, dass keines der Wahrheit entspricht. Aber wenn doch, hättest du dir gewünscht, nie geboren worden zu sein.« Mit einer abfälligen Handbewegung ließ sie mich los und wandte sich dann ab. Einige der Anwesenden hatten die Drohung mitgehört, doch als ich sie wütend anfunkelte, begaben sie sich wieder an ihre Arbeit.
Ich blickte zu Sam und Dean. Ellen sprach nun mit ihnen und nach einigen Augenblicken verschwanden die Brüder vor der Tür. Sie ließen sie einen Spalt offen, so dass ich die beiden zwar nicht hören, aber sehen konnte - sie stritten, wie ich anhand ihrer Gesichtsausdrücke erkennen konnte. Plötzlich schubste Sam grob Dean gegen die Tür, wodurch Ellen auf die Brüder aufmerksam wurde.
Sam kam zurück und verließ uns dann mit der Frau. Auch Dean war wieder im Raum. Sein Blick war weiterhin ernst.
Ob sein Gesicht wohl eingefroren ist?, schoss es mir durch den Kopf.
Ich setzte mich an den Tisch und wartete - etwas anderes blieb mir auch nicht übrig.
Das panische Klopfen an der Tür riss mich sofort aus meinen Gedanken. Dean war zuvor unruhig hin und her gelaufen, doch nun lugte er durch den Spion und öffnete dann hastig die Tür. Ellen lief ohne ein Wort an ihm vorbei, während Dean verwundert die Tür schloss.
»Wo ist Sam?«, fragte er.
Die Frau sah den Winchester an. Ich erkannte Tränen in ihren Augen und als sie den Kopf schüttelte, setzte mein Herz kurzerhand aus. Langsam ließ Ellen sich mir gegenüber auf einem Stuhl sinken und Dean trat näher.
»Wurde er ... von Dämonen geholt?«, fragte eine Frau vorsichtig. »Oh, mein Gott! Was, wenn sie hier drinnen sind?«
»Können sie hier rein?«, fragte der Pfarrer Dean.
»Nein.« Der Winchester ergriff seine Waffe und wandte sich zum Gehen. »Verhaltet euch alle ganz ruhig. Ich muss ...« Er stockte. Langsam drehte er sich zu uns um und sah uns an. Verzweifelt verzog er das Gesicht. »Wir müssen einen Plan machen. Ellen, erzähl mir alles.«
Dean setzte sich zu mir und Ellen, während die anderen sich wieder zurückzogen.
»Dean, einer von ihnen ist in Jo«, meinte die Frau. »Wir müssen ihn rausholen, ohne ihr wehzutun.«
»Wieso wird eine Stadt wie diese von unzähligen Dämonen überfallen?«, fragte ich. »Das ergibt keinen Sinn.«
»Er nannte mich Miststück«, sagte Ellen.
»Hm, ein bisschen dünnhäutig neuerdings«, gab Dean zurück.
»Das meint' ich nicht damit. Er hat mich ein schwarzäugiges Miststück genannt.«
Dean stockte und verzog nachdenklich das Gesicht.
»Was für Dämonen sind das?«, fragte Ellen.
»Dean, das Blut ... Die Dämonen, die Sam umgebracht hat, haben geblutet«, erinnerte ich. »Er hat sie mit Rubys Messer getötet. Sie dürften nicht bluten.«
»Weihwasser und Salz prallen an ihnen ab«, stimmte auch Ellen mir zu. »Meine Tochter ist eigenwillig, aber nicht blöd. Sie trägt ein Amulett, um nicht besessen zu werden. Das alles ist wirklich eigenartig.«
»Das ist völlig verrückt«, meinte Dean.
»Was sagt dir dein Instinkt?«, fragte Ellen.
»Mein Instinkt?«, wiederholte der Mann. »Mein Instinkt sagt, Bobby anzurufen und um Hilfe zu bitten, oder Sam.«
»Tja, Pech. Wir haben nur uns, also müssen wir uns was einfallen lassen.«
»Na, schön. Gut. Weißt du, wieso Rufus in der Stadt ist? Gab es ein spezielles Omen?«
»Er sagte etwas von Wasser. Das ist alles, was ich weiß.«
»Pater, wissen Sie, was das bedeutet? Das Wasser?«, fragte Dean den Gläubigen.
»Der ... der Fluss ... er war auf einmal verschmutzt.«
»Wann?«
»Letzten Mittwoch«, erklärte ein Mann namens Austin.»Und dann fing die Sache mit den Dämonen an.«
»Sonst noch was? Irgendwas?«
»Vielleicht, aber das kann auch Zufall sein ...«, meinte der Mann.
»Zufälle sind gut«, sagte Dean.
»'ne Sternschnuppe. Zählt das? Eine richtig große, in derselben Nacht, Mittwoch.«
»Auf jeden Fall zählt das.« Sofort erhob Dean sich und begann in dem Bücherregal herumzukramen. Als er das richtige Buch gefunden hatte, setzte er sich wieder an den Tisch und begann darin herumzublättern.
»Und, äh, du denkst, das kommt alles aus dem Weltall?«, fragte Austin.
»Wir sind hier nicht bei Akte X«, gab Dean zurück. Er blätterte weiter und als er die richtige Seite fand, las er vor: »Da fiel ein großer Stern vom Himmel. Er loderte wie eine Fackel und fiel auf ein Drittel der Flüsse. Der Name des Sterns ist Wehrmut und viele Menschen starben.« Während er die letzte Worte sagte, hob Dean den Kopf.
»Offenbarung 8:10«, meinte der Pastor. »Wollen Sie damit sagen, es geht um die Apokalypse?«
»So ist es«, stimmte Dean zu. »Und diese speziellen Omen, wofür waren die der Auftakt?«
»Für die vier Reiter.«
»Und welcher Reiter hat das rote Pferd?«
»Der Krieg.«
Dean sah wieder zu Ellen. »Der rote Mustang, der draußen parkt.«
Die Frau nickte wissend.
»Sie glauben doch nicht, dass ein Auto ernsthaft -«, begann der Pfarrer.
»Ein modernes Pferd eben«, erwiderte Dean. »Ich meine das -«, er erhob sich, »- ergibt einen Sinn. Wenn der Krieg ein Kerl ist und er ist hier, manipuliert er vielleicht unsere Gedanken.«
»Und wiegelt uns gegeneinander auf«, sagte Ellen.
»Deswegen nannte deine Tochter dich ein schwarzäugiges Miststück«, meinte ich. »Wir denken, die sind Dämonen. Die denken, wir sind Dämonen.«
»Was, wenn die keine Dämonen sind und wir uns nur gegenseitig töten?«, warf Dean ein.
»Sekunde, nur um mich zu vergewissern«, sagte der Pastor. »Das hier ist die Apokalypse?«
»Tut mir leid, Pater«, antwortete Dean und setzte sich wieder.
»Wollt ihr uns etwa erzählen, dass es gar keine Dämonen gibt und dass der Krieg ein Typ ist?«, wiederholte Austin.
»Du hast doch schon viel Verrücktes erlebt«, gab Dean zurück.
In diesem Moment klopfte jemand gegen die Tür, dann folgte der panische Ruf: »Machen Sie endlich auf, Mann! Machen Sie auf! Ich bin's, Roger.« Austin sprang hastig herbei und öffnete die Tür. Der Mann in dem schwarzen Anzug stolperte herein, schwer atmend.
»Ich hab' sie gesehen«, sagte er. »Die Dämonen. Sie wissen, dass wir weglaufen wollen. Sie werden uns holen, einem nach dem ander'n.«
»Warte, warte, warte. Was?« Dean war verwirrt.
»Ihr sagtet doch, das sind keine Dämonen«, sagte Austin.
»Sind es auch nicht«, meinte ich.
»Wo waren Sie?«, verlangte Dean von Roger zu wissen.
»Ich wollte nur nachsehen, was da vorgeht!«, verteidigte sich der Mann.
»Wo waren die Dämonen und was genau haben sie gesagt?«, rief Dean.
»Wenn wir hier herumsitzen, sind wir tot«, meinte Austin.
»Nein, sind wir nicht«, erwiderte der Winchester.
»Sie werden uns töten«, meinte Roger. »Es sei denn, wir töten sie zuerst.«
Dean atmete tief durch. »Okay, warten Sie. Ganz ruhig.«
»Nein, Mann, wir haben hier Menschen zu beschützen.« Austin ergriff eine Waffe. »Wir werden gehen und die Dämonen jagen.«
»Woah, woah, woah, ganz ruhig. Das hier hat nichts mit Dämonen zu tun«, versuchte Dean die Leute zu zügeln, doch Austin verteilte bereits die Waffen.
Da ich knapp einen Meter hinter Dean stand, bemerkte ich, wie Roger dem Winchester zuzwinkerte. Er hob seine Hand hoch, so dass mein Blick auf den Ring fiel, dann deutete er auf uns. »Seht euch ihre Augen an. Das sind Dämonen!«
Die Leute wandten sich an uns. Die Schwangere schnappte nach Luft und einige der Männer begannen die Waffen zu laden. Da packte Dean mich und Ellen am Arm und zerrte uns zum Ausgang. Ein Kugel verfehlte uns knapp, schlug stattdessen in der offenen Tür ein. Ich wandte mich nicht um, sondern flüchtete mit Ellen und Dean nach draußen. Die Apokalypse war uns näher, als mir lieb war, und dass der erste Reiter, von denen ich nebenbei noch nie gehört hatte, direkt in meinem Nacken hockte, machte mir bereits mehr Angst als die Erinnerung an der Kirche, in welcher ich erwacht war.
1979 Wörter
Showtime ^^
Die vier Reiter der Apokalypse. Wer erinnert sich noch an die?
Dean hat wieder mal seine Meinung gesagt. Was sagt ihr dazu?
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