Kapitel 31

Sioux Falls, South Dakota, Bobby Anwesen

Es war komisch, wenn man bedachte, wie alles angefangen hatte. Und wenn ich »angefangen« sagte, meinte ich nicht nur die Apokalypse, nein, sondern wie mein Leben angefangen hat. Mein wirkliches Leben. Vor zwei Jahren hatte ich es entdeckt. Ich war der Scheinwelt entkommen, obwohl ein Teil von mir immer schon gewusst hatte, dass alles anders war, als es auf dem ersten Blick wirkte.
Und nun war ich hier. Ich hatte dieses Leben. Ein Leben, welches für manche grauenvoll und absurd war, doch für mich war es genau richtig. Ich hatte alles, was ich mir je hatte vorstellen können. Ich hatte das Wichtigste und Mächtigste auf der ganzen Welt - eine Familie.
Es war egal, ob ich Mensch, Halbdämon, Halbengel oder alles drei zusammen war. Es war ihnen egal. Und mittlerweile hatte ich es verstanden. Ich hatte verstanden, wie die Dinge liefen und das alles, was jemals geschah, einen Sinn hatte. Es war wie ein Puzzleteil, genau wie Michael damals gesagt hatte - und ich bin nicht stolz darauf, zu sagen, dass er recht hatte -, dass erst mit vielen anderen Teil ein großes wunderschönes Bild ergab.
Egal, ob Himmel oder Hölle, Luzifer oder Michael, Leben oder Tod - es zählte das, was wir erreicht hatten, was wir aus unserem Leben gemacht haben. Und nichts und niemand könnte uns dies nehmen. Denn wir sind der Herr unserer Selbst und keiner hat das Recht uns vorzuschreiben, was wir zu tun hatten.
Sam und Dean wussten dies mittlerweile. Dean verstand und akzeptierte die Entscheidung seines Bruder - auch wenn er sie nicht guthieß. Doch darum ging es nicht. Sam hatte sich entschieden. Er würde Ja sagen, und keiner könnte ihn daran hindern. Selbst ich tat es nicht, denn auch ich akzeptierte es, sowie ich mich selbst akzeptierte.
Doch die Angst war da. Natürlich. Es könnte passieren, dass ich einen meiner liebsten Menschen verliere - oder vielleicht sogar zwei oder alle. Wir würden uns Luzifer stellen und bei dem Kampf dabei sein, und wir hofften sehr, dass wir es alle überstehen würden. Doch die Angst war da.
Ich hatte noch nie das gespürt, was ich jetzt spürte. Nicht so viel auf einmal. Verzweiflung, Hass, Trauer, Angst, Liebe. Damals, vor dem Kampf gegen den gelbäugigen Dämon stand nicht so viel auf dem Spiel wie jetzt. Und das war der Grund, wieso ich zu ihm ging. Jetzt war die einzige Chance, noch einmal alles zu sagen, alles, was einem auf dem Herzen lag.
Ich schlenderte auf ihn zu, die Hände in der Hosentasche, ganz locker und entspannt.
»Woher diese Ruhe?«, fragte Dean grinsend, während er an seinem Impala herumschraubte.
»Hm, ich weiß nicht. Liegt vielleicht an der frischen Frühlingsluft.« Ich atmete mit geschlossenen Augen tief durch, dann sah ich ihn wieder an. »Dean?«
»Hm?« Der Mann blickte auf. »Was ist?«
»Ich muss mit dir reden.«
Dean schmiss den Schraubenschlüssel in die Werkzeugkiste und wischte sich die Hände an einem schäbigen Tuch notdüftig ab. »Was ist los?«, fragte er noch einmal.
»Dean, ich ...«
Der Mann stieg über die Kisten zu mir herüber. Ich beobachtete ihn bei jeder Bewegung, vollkommen abgelenkt von dem, was ich eigentlich sagen wollte.
»Ja?« Er blieb vor mir stehen und musterte mein Gesicht. Er war fast einen Kopf größer. Seine grünen Augen leuchteten, als die Sonne darauf traf.
Nervös strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. »Kannst du dich noch an unsere merkwürdige Beziehung letztes Jahr erinnern? Ich war gefangengenommen worden von den Engeln, kam wieder, wir haben beide ...«, ich atmete tief durch, »oder auch nicht - wir können uns ja nicht daran erinnern - und dann ging es nur noch bergab.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Dean vorsichtig.
Ich seufzte, dann, ohne zu überlegen, ergriff ich seine Hand. »Ich weiß nicht, wie du das siehst, Dean, aber ich ... ich weiß, dass ich dich liebe. Ich weiß das, Dean.« Meine Lippen bebten. Ich hatte Angst, die folgenden Worte auszusprechen. »Aber meine Zukunft, unsere Leben zusammen ... Da waren Dinge, die ich eigentlich erledigen sollte, als sie da waren.« Tränen stiegen in meine Augen. Ich umklammerte seine Hand fester. »Ich sollte erwachsen werden, entscheiden, ob ich Kinder und eine Familie gründen möchte, alt werden ... Ich sollte das ein Leben lang machen, aber jetzt ... Jetzt ist alles fort.« Ich begann zu schluchzen. »Es ist alles hinüber, weil ich das bin, was ich bin, doch du ... du kannst ein Leben führen, Dean. Ohne das alles hier. Du kannst normal sein. Du kannst eine Familie gründen.« Dean wollte etwas erwidern, doch ich kam ihm zuvor. »Ich weiß, dass du etwas für Lisa Braeden empfindest. Sam hat mir erzählt, dass du vor ein paar Monaten bei ihr warst. Kämpfe um sie, Dean. Sie ist deine Möglichkeit auf ein Leben, eine Zukunft.«
»Hab' ich eine Wahl?«, fragte der Winchester. Tränen waren in seine Augen getreten.
»Nein.« Ich lächelte leicht. »Nicht, wenn es um mich geht.« Ich ließ ihn los und trat zurück. »Wie auch der Kampf ausgehen wird - ich werde nicht zurückkommen, Dean.«

Spät in der Nacht fuhren wir nach Detroit, Michigan. Luzifer sollte sich dort aufhalten und dort würde Sam Ja sagen und wir würden den Teufel zur Hölle schicken - so der Plan. Sam, Dean und Cas saßen im Impala. Ich fuhr bei Bobby mit, der knapp drei Meter hinter dem Trio fuhr.
»Dean hat mir von eurem Gespräch erzählt«, sprach Bobby in die Stille hinein.
Ich sah ihn von der Seite an.
»Er meinte, du willst nicht wiederkommen. Stimmt das?«
Ich blickte wieder auf die Straße. »Er hat recht, ja.«
»Wieso?«
Ich seufzte. »Keine Ahnung, Bobby. Ich denke, es ist das Beste. Vielleicht werd' ich mich Cas anschließen oder gleich dem Himmel. Wie dem auch sei, Dean wird sein Leben leben. Ein normales Leben.«
Bobby lachte, doch nicht, weil er es lustig fand. »Du tust das für Dean.«
»Was würdest du denn tun?«, rief ich. »Ich kann nicht bei ihm bleiben. Ich kann nicht hier bleiben.«
»Kannst oder willst nicht?«, hackte Bobby nach.
»Beides«, meinte ich. »Wenn wir versagen, wenn Sam wirklich ...« Ich stockte. Ich wollte den Gedanken nicht aussprechen. »Dean würde das Wichtigste in seinem Leben verlieren. Ich wär' nur eine Erinnerung. Mein Anblick würde ihm wie ein Messer immer wieder in dieselbe Wunde stechen. Sie würde immer wieder aufreißen. Er könnte niemals Ruhe finden. Er könnte niemals wirklich loslassen.«
Bobby antwortete nicht, und ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe und starrte hinaus in die schwarze, unheimliche Nacht.

Detroit, Michigan

»Dämonen. Zweidutzend«, sagte Bobby, als er zurückkam. »Du hattest recht. Da braut sich was zusammen.«
»Mehr als nur was«, meinte Dean. »Er ist hier, ich weiß es.« Dean wandte sich ab und ging zum Impala.
Langsam lief Bobby auf Sam zu. »Wir sehen uns, Junge.«
Sam nickte. »Wir sehen uns.«
Einige Sekunden Stille, dann drückte Bobby den Winchester fest an sich.
»Wenn er da drin ist«, sagte Bobby, als er sich von Sam löste, »dann lass dich auf keinen Fall in die Ecke drängen, verstanden? Bleib dran, gib nicht nach. Keinen Millimeter.«
»Ja, Sir.«
Bobby trat zurück und Sam atmete tief durch, fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht und trat auf Cas zu.
»Und du passt gut auf die Jungs und Cat auf, okay?«, sagte Sam und schüttelte Cas' Hand.
»Das schaff' ich nicht mehr«, meinte der machtlose Engel.
Sam lachte leise. »Versuch es wenigstens.«
»Dann müsst' ich lügen.« Cas lächelte. »Ach, du wirst schon sehen. Die drei kriegen das hin.«
»Ja, bitte, hör einfach auf zu reden«, bat Sam. Er ließ Cas los und schließlich wandte er sich an mich.
Tränen rannen meine Wangen hinunter. Immer wieder wischte ich sie mir mit dem Ärmel meiner Jacke weg, doch flossen sie wie das Wasser aus einem endlos aufgedrehten Wasserhahn. »Warum, Sam?«, flüsterte ich.
Sam lächelte zuversichtlich. »Ich werde dich vermissen, Cat.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sag' das nicht. Alles, bloß nicht das.«
Der Mann lachte. »Du bist meine kleine Schwester, Catherine, und du wirst es auch immer bleiben.«
»Ich bin älter als du«, erwiderte ich.
»Ich weiß.« Sam grinste. »Aber nur ein paar Monate.«
Ich presste die Lippen aufeinander und sah ihn aus einem Tränenschleier hindurch an. »Wieso kann ich nicht mitkommen, Sam? Wieso muss ich hierbleiben?«
»Luzifer will dich«, meinte Sam. »Wir sollten ihm nicht auch noch dich ausliefern.«
Ich begann zu schluchzen und der Mann nahm mich in seine Arme. »Pass auf dich auf, Cat«, raunte er in mein Ohr.
»Du auf dich auch«, flüsterte ich.
Er löste sich von mir, dann ging er zu Dean, der an dem offenen Kofferraum des Impalas gewartet hatte. Ich wusste genau, was sich darin befand - das Dämonenblut. Ich warf Sam und Dean noch einen letzten Blick zu, bevor ich mit Bobby und Cas verschwand.

Ich wartete im Impala, während Dean, Cas und Bobby die Nachrichten auf den Bildschirmen im Schaufenster beobachteten. Luzifer war in Sams Körper, so weit, so gut, doch hatten Sam und Dean versagt - der Teufel war immer noch auf freiem Fuß, und die Apokalypse rückte immer näher.
Ich sah, wie Dean und Cas miteinander diskutierten. Der Engel hatte mir den Rücken zugedreht, so dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, doch Dean wirkte verzweifelt und aufgebracht. Wenig später lief der Winchester auf seinen Wagen zu. Er setzte sich ans Steuer und startete den Motor.
»Wo geht's hin?«, wollte ich wissen.
»Frag mich was Leichteres«, sagte Dean und fuhr los.
Es verging ungefähr eine halbe Stunde, eine endlose halbe Stunde voller Stille, dann hielt Dean irgendwo am Straßenrand. Er holte sein Handy aus der Tasche und rief jemanden an. Ich stellte keine Fragen. Mir war nicht danach.
»Ähm, nein, Chuck«, sagte Dean verwundert, als der Jemand abnahm. »Wer ist Misstress Magda? ... Ja, darauf wett' ich, sehr eng. Was ist mit Becky? ... Du hast echt so 'nen Hang zu diesen jungfräulichen Nutten, oder? ... Nein, Sam hat Ja gesagt ... Hast du auch gesehen, wo der Titelkampf steigen wird?«
Nun wurde ich doch aufmerksam und mit einer Handbewegung bedeutete ich Dean, das Handy lautzustellen.
»Die Engel halten es streng geheim. Sehr geheim. Aber ich hab's trotzdem gesehen. Der Vorteil, ein Prophet zu sein«, meinte Chuck stolz. Dann wurde er ernst. »Der ist morgen, 12 Uhr mittags. Der Treffpunkt wird ser Stull Cemetery sein.«
»Stull Cem- Warte, den kenn' ich. Das ist so ein altes Knochenfeld außerhalb von Lawrence«, sagte Dean. »Wieso Lawrence?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil es da enden muss, wo es angefangen hat.«
»Alles klar. Siehst du eine Chance, die Sache irgendwie zu verhindern?«
»Abgesehen von den Ringen? Nein. Tut mir leid.«
»Hast du 'ne Ahnung, was als Nächstes passieren wird?«, fragte Dean ungeduldig.
»Ich wünschte, ich hätte eine. Aber ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht.«
»Na, schön, danke, Chuck.«
»Äh, ja, kein Problem«, sagte der Autor. »Ähm, Dean, wie geht es Cat? Sie hat sich lange nicht mehr gemeldet.«
Dean sah zu mir. »Es geht ihr gut. Soviel gut, wie es einen unter diesen Umständen gehen kann. Hast du das nicht gesehen?«
»Bei ihr sind meine Vorhersagen nicht so ganz präzise wie bei allen anderen Dingen.«
»Verstehe«, sagte Dean. »Noch mal danke, Chuck. Wirklich.« Der Mann legte auf.
Schweigend fuhren wir zurück. Der Winchester parkte am Straßenrand in einer abgelegenen Gasse. Dean und ich stiegen aus und wollten gehen, als wir zurückgehalten wurden.
»Wollt ihr irgendwohin?«, erklang Bobbys Stimme in unserem Rücken.
Wir wandten uns um. Er und Cas standen uns gegenüber.
»Ihr habt doch irgendeine Dummheit vor«, meinte der Mann. »Das seh' ich an eurem Blick. Ihr habt so ziemlich den selben.«
»Ich will mit Sam reden«, sagte Dean ernst.
»Du gibst einfach nicht auf.« Fassungslos schüttelte Bobby den Kopf.
»Es geht um Sam!«
»Bobby, wir können ihn nicht einfach so ... Wir können Luzifer nicht einfach herumlaufen und die Welt zerstören lassen«, meinte ich.
»Wenn du ihn hier nicht erreichen konntest«, sagte Castiel an Dean gewandt, »wirst du's erst recht nicht auf dem Schlachtfeld schaffen.«
»Ich hab' ja nichts zu verlieren, wenn es sowieso zu Ende ist«, entgegnete Dean stur.
»Ich möchte doch nur, dass du das verstehst. Das Einzige, was du da draußen sehen wirst, ist Michael, der deinen Bruder tötet.«
»Sag das nicht, Cas«, knurrte ich. »Wenn wir keine Hoffnung haben, wer dann?«
»Cat, komm.« Dean stieg im Auto ein. Ich tat es ihm gleich.

Stull Cemetery, Lawrence, Kansas

Es war helllichter Tag, als wir auf den Friedhof fuhren. Hohes, vertrocknetes Gras und Dornengebüsch überwucherte die Grabsteine. Mein Herz pochte wild. Ich hatte Angst. Auch Dean wirkte unruhig.
Vor uns tauchten zwei Gestalten auf. Äußerlich waren es Adam und Sam, doch in ihren Innern hausten weitaus mächtigere Gegner - Michael und Luzifer. Dean legte Musik ein und kurz darauf ertönte Def Leppards Rock of Ages. Michael und Luzifer wurden auf uns aufmerksam, und als der Teufel mich erkannte, erschien das altbekannte Grinsen in seinem Gesicht - ein anderes Gesicht und doch dasselbe Grinsen. Dean hielt einige Meter vor den beiden, dann stiegen er und ich aus.
»Hallo, ihr beiden«, begrüßte Dean die Erzengel, während er in der offenen Tür stand. »Tut mir leid, kommen wir unpassend?«
»Wir sollten reden«, meinte ich und Dean und ich traten auf die beiden zu. Ich hatte meinen Blick auf Luzifer gerichtet. Es war grauenvoll ihn in der Gestalt Sams zu sehen.
»Selbst für euch beide ist das unglaublich dämlich, muss ich sagen«, entgegnete Luzifer.
»Wir meinen nicht dich«, sagte Dean. »Ich will mit Sam reden.«
»Dean, du solltest wissen, dass du nicht mehr meine Hülle bist«, warf Michael ein. »Ihr habt kein Recht, hier bei uns zu sein.«
»Halt die Klappe, Michael«, zischte ich. »Niemand redet mit dir.«
Dean atmete tief durch. »Adam, wenn du da drin bist, es tut mir wahnsinnig leid.«
»Adam ist im Moment leider nicht Zuhause.«
»Zu dir komm ich später, Sackgesicht, aber jetzt brauch' ich fünf Minuten mit ihm.« Dean nickte Luzifer zu.
»Du kleine Made, du hast in unserer Runde nichts mehr verloren, klar?«, brüllte Michael.
All meine Angst war verschwunden, bereits als ich die beiden Männer gesehen hatte - in dieser Gestalt waren sie viel weniger furchteinflößend. »Hab' ich nicht gesagt, du sollst die Klappe halten?«
»Ich nehme keine Befehle entgegen von einem Halbblut«, zischte Michael angewidert. »Mir verdankst du, dass du noch am Leben bist, also, sei froh, dass ich dich noch nicht in Stücke gerissen hab'.«
»Hey, Dumpfnase!«, rief auf einmal eine bekannte Stimme.
Michael wandte sich um und in diesem Moment traf ihn eine Flasche mit Heiligem Feuer. Der Erzengel schrie vor Schmerzen auf und der grelle Piepton erklang. Michael verbrannte und löste sich auf einmal in Luft auf.
»Dumpfnase?«, wiederholte Dean ungläubig mit einem Blick auf Bobby und Cas, die einige Meter von uns entfernt standen.
»Er kommt zurück, und dann wird er sauer sein, aber jetzt hast du deine fünf Minuten«, meinte Cas.
»Castiel.« Mit einem ernsten Ausdruck trat Luzifer auf den Engel zu. »Hast du gerade etwa meinen Bruder mit heiligen Feuer weggebrannt?«
»Hör auf, zu heulen, Luzifer«, sagte ich. »Was, glaubst du, ist schlimmer? Wenn der Bruder mit heiligem Feuer weggebrannt wird und nach paar Minuten wiederkommt oder wenn man seinen Bruder eiskalt ermordet?«
Luzifer wandte sich an mich. »Niemand berührt Michael«, meinte er. »Niemand außer mir.« Der Erzengel hob die Hand und schnippste - und Castiel explodierte in Millionen Einzelteile. Entsetzt starrte ich auf die Stelle, an der er zuvor gestanden hatte. Ich konnte nicht glauben, was soeben geschehen war.
»Ich denke, du hast es verstanden«, sagte Luzifer süffisant.
»Sammy.« Dean trat auf Luzifer zu. »Kannst du mich hören?«
»Weißt du, ich wollte nett sein«, meinte Luzifer. »Sammy zuliebe. Aber du«, er fasste Dean am Kragen, »gehst mir so was von auf die Nerven. Ich hab' genug von dir.« Ohne zu zögern schleuderte er Dean durch die Luft, so dass der Mann auf die Heckscheibe seines Impalas fiel, die sofort zersprang.
»Dean!«, schrie ich.
Ich wollte auf ihn zurennen, doch da hielt Bobby mich zurück. Er hatte den Colt erhoben, und ich sprang aus der Schusslinie, und er schoss auf Luzifer ein. Blut trat aus der getroffenen Wunde. Langsam wandte sich der Erzengel um, Bobby schoss ein weiteres Mal, doch bis auf das Blut aus der Wunde tropfte, schien gar nichts zu geschehen. Luzifer sah an sich hinunter, dann blickte er wieder zu Bobby und mit einer Handbewegung brach er dem Mann das Genick.
»Nein!«, brüllte Dean.
»Hey, Luzifer!«, rief ich dem Erzengel zu. Ich konnte die Tränen noch zurückhalten - für mich schien alles wie im Traum. Luzifer wandte sich mir zu und mit einem finsteren Blick holte ich ein Engelsschwert hervor.
»Das willst du doch nicht wirklich tun.«
»Da kennst du mich aber ziemlich schlecht«, zischte ich und rannte auf ihn zu. Ich ignorierte Deans Rufe, und schlug zu, als ich Luzifer erreicht hatte. Der Mann parierte den Schlag, ergriff mein Handgelenk und zwang mich mit einem groben, schmerzvollen Griff auf die Knie.
»Du kannst mich nicht besiegen, Cat«, sagte er. »Ich werde immer stärker als du sein.« Er riss mir das Schwert aus der Hand und packte mich am Shirt. »Also, pass auf, was du sagst.« Er schlug mir mit der Faust ins Gesicht und mit einem Stöhnen sank ich zu Boden. Nun wandte er sich wieder an Dean. Er trat auf ihn zu, riss ihn von dem Impala und begann auf ihn einzuschlagen.
Hilflos lag ich am Boden und sah mit an, wie Luzifer Dean deformierte.
»Sammy«, sagte der Winchester mit undeutlicher Stimme. »Bist du da drin?«
»Oh, ja, er ist hier drin«, meinte Luzifer und schlug ein weiteres Mal zu. »Und er wird fühlen, wie deine Knochen zerbrechen.« Ein weiterer Schlag. »Und zwar jeder einzelne - und wir werden uns schön Zeit dafür lassen.«
»Sam«, krächzte ich und versuchte mich aufzurappeln.
»Halt die Klappe, Catherine!«, befahl Luzifer. »Du wirst Sam nicht erreichen.« Er vollführte eine Handbewegung und ein unheilvoller Schmerz durchzog mich. »Spürst du das, Cat? Ich brauch' dich, aber zuvor kann ich dir die schlimmsten Schmerzen zufügen, die du je gespürt hast.«
Ich schrie und krümmte mich. Die Schmerzen benebelten meinen Verstand. Ich bemerkte nicht einmal, wie Luzifer Dean weiter zurichtete. Auf einmal verstarb der Schmerz. Ich keuchte und schnappte nach Luft. Mich zu erheben, war unmöglich, doch ich konnte mich auf den Bauch drehen. Ich sah Dean, der mit einem übelzugerichteten Gesicht vor Sam an dem Impala kraftlos lehnte. Ohne Zweifel, das war Sam. Dean hatte es geschafft und war zu ihm durchgedrungen.
»Es ist okay, Dean«, sagte er nach Luft ringend. »Alles wird wieder gut. Ich hab' ihn.«
Mit zitternden Fingern holte er die vier Ringe der Reiter, die zusammengeklebten, als wäre sie magnetisch, aus seiner Hosentasche. Sam schmiss sie ins Gras, dann sprach er Worte in einer anderen Sprache. Ein riesiges Loch tat sich auf. Die Sogkraft war enorm. Es war ein Wunder, dass Sam noch daneben stehen konnte.
Der junge Winchester sah zu seinem Bruder, der schwach zu Boden gerutscht war und den Blick seines Bruders mit Tränen in den Augen erwiderte. Sam wandte sich an mich. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Ich nickte schwach, und Sam wollte springen, doch wurde er zurückgehalten.
»Sam!«, rief Michael, der zurückgekommen war. »So kannst du's nicht beenden! Spring nicht!«
»Dann musst du es verhindern«, entgegnete Sam.
»Ich muss gegen meinen Bruder kämpfen, Sam. Hier und jetzt. Das ist mein Schicksal!«
Sam sah Dean und mich unruhig an, dann breitete er die Arme aus und wollte in das Loch springen. Michael brüllte und packte den Winchester am Kragen. Sam wehrte sich, fasste den Erzengel am Arm und stürzte zusammen mit ihm in die Tiefe. Ich schrie Sams Namen und wollte mich erheben, doch da schoss eine riesige Lichtsäule empor. Ich musste nicht die Augen schließen, ich hielt das Licht aus, und als sie erstarb, war das Loch verschwunden. Die vier Ringe der Reiter lagen weiterhin im Gras.
Schwach erhob ich mich und mit wackligen Beinen lief ich herüber zu Dean. Ich zog ihn hoch. Er lief wenige Meter, dann stürzte auf die Knie.
»Dean«, sagte ich leise und ließ mich an der Wand des Impalas heruntergleiten. Ich hatte keine Kraft mehr. Im Innern hoffte ich, dass das alles nur ein Traum war.
Auf einmal erschien Castiel vor uns. Auch Dean hatte ihn bemerkt, und entgeistert und überrascht sahen wir ihn an.
»Cas, du lebst«, sagte Dean.
»Sogar noch mehr als das.« Der Engel berührte das Gesicht des Mannes und mit einem Mal waren alle Wunden und Schwellungen verschwunden.
Dean war vollkommen überrumpelt. Langsam erhob er sich und ernst starrte er den Engel an. »Cas, bist du Gott?«
»Ist 'n nettes Kompliment, aber nein«, antwortete der Mann im Trenchcoat. »Obwohl ich glaube, dass er mich zurückgebracht hat und zwar«, Castiel wandte sich um und zog mich auf die Beine, »neu und besser.« Als er sich vergewissert hatte, dass ich stehen konnte, ging er herüber zu Bobbys Leichnam, berührte ihn an der Stirn und kurz darauf atmete der Mann wieder.
Ich blickte zu Dean und lächelte ihm aufmunternd zu. Der Winchester nickte nur. Ich konnte den Schmerz in seinen Augen förmlich sehen.
Sam war fort - und er würde nicht zurückkommen, denn es gab keinen Weg zurück. Doch ich hatte nicht nur ihn verloren. Ich hatte auch Dean verloren. Denn ich würde gehen, und wie ich ihm versprochen hatte, hatte ich nicht vor, zurückzukommen.

3514 Wörter

Das letzte Kapi von dem dritten Buch.

Ich hoffe, es hat euch bis hierher gefallen.

Lasst eure Meinung da :*

Eine Danksagung folgt ;)

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