Kapitel 20

Ich wartete im Motelzimmer. Als Dean kam, wirkte er noch wütender als zuvor. »Was willst du hier, Cat?«
»Mit dir reden.« Ich erhob mich vom Bett. »Ich mach' mir Sorgen.«
Dean lachte. »Du machst dir Sorgen?« Seine Miene wurde ernst. »Steck's dir sonst wo hin!«
Ich seufzte. »Dean ...«
»Nein, Cat. Halt einfach die Klappe und verschwinde. Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
Allmählich wurde auch ich sauer und wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Weißt du, wie oft ich mir den Arsch für dich aufgerissen hab'?«
»Ich hab' dich nicht darum gebeten«, gab Dean tonlos zurück und begann sein Jacket aufzuknöpfen.
Tränen stiegen in meine Augen. Gott, warum war ich so weinerlich und verletzlich? »Ich hab' mein Versprechen gebrochen, um deine Eltern zu retten! Ich hab' versucht, normal zu sein, für dich. Ich hab' versucht meine himmlischen Fähigkeiten einzusetzen, für dich.«
»Und Sam?«, hackte Dean nach. Unachtsam schmiss er das Jacket auf das Bett.
»Ihm muss ich nichts beweisen. Er hat mir verziehen.«
Dean lachte. »Der gute, alte Sammy. Immer so naiv.«
»Du sprichst von deinem Bruder«, rief ich ihm ins Gedächnis.
»Wenn er mit dir Umgang hat, ist er so gut verloren«, meinte Dean.
Ich wollte gerade etwas kontern, als die Tür aufging und Sam eintrat - vollkommen außer Atem und mit einem schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Er schien verstört und irgendwie auch ängstlich.
»Alles okay, Sam?«, fragte ich besorgt.
»Nein. Ganz und gar nicht«, meinte Sam und legte den Koffer auf den Tisch, dann begann er sich umzuziehen.
Fragend sah Dean ihn an. »Und?«
»Ein Dämon hat die Medizin-Klinik kurz nach mir mit diesem Koffer verlassen. Als wir beide das letzte Mal da waren, hab' ich ihn auch schon gesehen.«
»Was hat ein Dämon mit dieser Sache zu tun?«, fragte Dean, der sich mittlerweile auch umgezogen hatte und mich null beachtete.
»Ich hab' nicht die geringste Ahnung.«
»Ich glaube nicht, dass Amor das Hauptproblem ist«, meinte ich. »Die Sache scheint viel größer zu sein.«
Dean sah mich finster an. »Darauf auch schon gekommen?«
»Nein, hab' gerade nur so getan«, gab ich mit einem sarkastischen Unterton zurück.
Sam legte seine Hand an seinen Kopf und verzog wie vor Schmerzen das Gesicht.
»Alles in Ordnung?«, fragte Dean seinen Bruder besorgt.
»Ja, ich komm schon klar«, sagte Sam sofort.
Ungläubig sah Dean ihn an, dann wandte er seinen Blick auf den Koffer. »Na, los, knacken wir ihn. Was kann schon passieren?«
»Wenn es Dämonen haben wollen«, ich trat mit verschränkten Armen auf ihn zu, »wahrscheinlich etwas Schlimmes. Vielleicht bringt es uns um, wenn ihr ihn öffnet.«
Dean warf mir einen verhassten Blick zu, begann aber das Schloss des Koffers zu knacken. Sam half ihm, und als sie den richtigen Code gefunden hatten, klappte der Deckel auf. Ein weißes helles Licht erstrahlte, welches nach wenigen Augenblicken erlosch.
»Was, zum Teufel, war das?«, rief Dean.
»Das war eine menschliche Seele«, erklang Castiels Stimme, der mit Fastfood-Tüten in der Hand hinter Sam und Dean erschienen war. »Allmählich ergibt alles einen Sinn.« Er biss von einem Burger ab.
»Was meinst du?« Ich trat langsam auf den Engel zu.
»Seid wann isst du eigentlich?«, fragte Dean verwundert.
Cas deutete mit dem Burger auf ihn und nickte energisch. »Ganz genau. Mein Hunger ist ein Hinweis.«
»Worauf?«, fragten Sam und Dean gleichzeitig.
»Diese Stadt leidet nicht an einer Art Liebeskummereffekt oder sowas. Sie leidet an Hunger. Oder um es noch deutlicher ausdrücken: Wir reden hier von einer Hungersnot.«
»Hungersnot?«, wiederholte ich ungläubig.
Cas nickte.
»So wie bei dem Reiter?«, fragte Sam.
»Na, klasse«, sagte Dean. »Also, das ist wirklich klasse.«
»Ich dachte, Hungersnot bedeutet nur verhungern«, begann Sam, »wenn man nichts zu essen hat.«
»Ja, eigentlich schon.« Die Tüte raschelte, als Castiel seine Hand bewegte. »Aber es ist nicht nur das Essen. Jeder scheint nach irgendetwas hungrig zu sein. Sex, Drogen, Aufmerksamkeit, Liebe.«
»Das würde auch die jungen Verliebten erklären, die Amor angefixt hat«, sagte Dean.
»Genau.« Cas nickte. »Er hat dafür gesorgt, dass sie sich nach Liebe sehnen, und dann kam die Hungersnot und sie wurden praktisch tollwütig.«
»Okay, aber was ist mit dir?«, fragte Dean. »Seit wann stehen Engel denn auf Fastfood?«
»Das ist meine Hülle. Jimmy. Sein Appetit nach Fleisch ist von der Hungersnot verstärkt worden.«
»Die Hungersnot kommt also einfach in die Stadt und alle drehen durch?« Ungläubig sah Dean den Mann im Trenchcoat an.
»Und ich sah und sehe ein schwarzes Pferd«, sagte Castiel. »Und der, der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. Und der Hunger des Reiters wird kein Maß kennen, denn er selbst ist der Hunger. Und sein Hunger wird austreten und die Luft verpesten. Die Hungersnot ist hungrig. Sie muss die Seelen ihrer Opfer verschlingen.«
»Also, das war in dem Aktenkoffer«, meinte Dean. »Die Seele von dem verfressenen Typen?«
»Luzifer hat seine Dämonen geschickt, um sich um die Hungersnot zu kümmern, um ihr Essen zu geben. Sicherzustellen, dass sie bereit ist.«
»Bereit wofür?«, fragte ich.
»Über das Land zu ziehen.«
Sam fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich geh' kurz ins Bad.«
»Die Hungersnot«, wiederholte Dean.
Cas ließ sich auf das Bett sinken, weiterhin essend. »Ja.«
»Soll das heißen, die Stadt wird nur essen und trinken und sich so zugrunde richten?«, hörten wir Sam aus dem Bad fragen.
»Wir sollten das verhindern«, meinte Cas.
»Hey, das ist 'ne tolle Idee.« Die Ironie in Deans Stimme war nicht zu überhören. »Und wie?«
»Wie habt ihr den letzten Reiter aufgehalten?«
»Der Krieg erhielt seine Kraft durch diesen Ring.« Dean holte das Schmuckstück aus seiner Jackentasche. »Wir haben ihn abgeschnitten und er ist abgehauen. Und alle, die unter seinen Einfluss standen, schienen aus einem Traum aufzuwachen. Glaubst du, die Hungersnot hat auch so einen Ring?«
»Ich weiß, dass sie einen hat«, meinte Castiel.
»Gut, dann lasst uns diesen Mistkerl suchen und ihm den Ring abschneiden«, sagte ich.
»Ja.« Castiel erhob sich und blickte in seine leere Tüte.
»Bist du jetzt etwa süchtig nach Burgern?«, fragte Dean.
»Ich hab' Geschmack am Rinderhack gefunden.«
»Hast du überhaupt mal versucht, es zu verhindern?«
»Ich bin ein Engel. Ich kann aufhören, wann immer ich will.«
»Wie du meinst. Sam, lass uns fahren.«
»Dean. Ich, ähm ...« Es schien Sam schwerzufallen, zu sprechen. »Ich kann nicht.« Er trat vor uns. Auf seiner Stirn perlte Schweiß. Er war ganz blass. »Ich kann nicht mitkommen.«
»Was meinst du?«, fragte Dean.
»Wie's aussieht, hat es mich auch erwischt. Ich glaub', ich bin hungrig darauf.«
»Hungrig worauf?«
»Dämonenblut«, sagte ich. »Sam, der Dämon, der den Koffer hatte ...«
»Er ist entkommen«, erklärte er. »Aber ich wollte es. Ich wollte sein Blut.«
»Ich glaub', ich spinne.« Dean wandte sich an Cas. »Du musst ihn hier wegschaffen. Meinetwegen beam' ihn nach Montana. Er muss hier weg.«
Der Engel schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht. Er ist schon infiziert. Der Hunger würde einfach mit ihm reisen.«
»Was machen wir dann?«, rief Dean hilflos.
»Ihr solltet euch beeilen und diesem Mistkerl den Finger abschneiden«, meinte Sam.
Sein Bruder nickte. »Dann los.«
»Aber, Dean, bevor ihr geht, solltest du mich ... mich besser fesseln. Aber richtig.« Sams Stimme zitterte. Tränen glitzerten in seinen Augen.
Dean legte seinem Bruder Handschellen um und befestigte diese an dem Abwasserrohr des Waschbeckens. »Also, versuch, durchzuhalten. Wir kommen wieder, so schnell es geht.«
»Ja, beeilt euch und seid vorsichtig. Nehmt Cat mit. Alleine schafft ihr das nicht.«
Dean erhob sich und sah zu mir. »Die Sache ist zu heikel. Sie könnte ebenfalls dem Blutrausch verfallen.«
»Sie steht neben dir«, bemerkte ich. »Und bisher spür' ich nichts von der Hungersnot.«
Dean zögerte, doch dann nickte er. »In Ordnung.« Als wir das Bad verließen, schloss er die Tür und Castiel schob einen Schrank als doppelte Sicherung davor. Dann gingen wir los.
Wir fuhren zur Medizin-Klinik, in welcher Sam zuvor gewesen war. Dean musste dort ebenso schon mal gewesen sein, denn er sprach einen der Assistenten beim Namen an. »Hey, Marty, ist Dr. Corman da?«
»Haben Sie's nicht gehört?«, fragte Marty.
»Was gehört?«
Marty brachte uns in die Obduktion, wo der Doktor auf einem Tisch lag.
»Der Mann ist die letzten zwanzig Jahre trocken gewesen«, meinte Marty. »Aber heute Morgen ging er von hier aus in seine Wohnung, wo er sich dann totgesoffen hat.«
»Das ist die Hungersnot«, meinte Castiel.
»Wie bitte?«
»Können Sie uns einen Augenblick allein lassen?«, bat Dean.
Marty nickte. »Klar.«
»So ein Mist«, fluchte Dean. »Ich konnte diesen Kerl gut leiden.«
Castiel legte seine Hand auf den Bauch des Doktors. Nach wenigen Lidschlägen nahm er sie wieder herunter. »Sie haben sich seine Seele noch nicht geholt.«
»Wir könnten seine Seele als Köder benutzen, um die Hungersnot zu finden«, schlug Dean vor. »Wär' doch 'ne Möglichkeit, oder?«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Castiel. Während der Engel verschwand, gingen Dean und ich zurück zum Impala. Wartend und schweigend beobachteten wir die Klinik. Nicht lange und Castiel war zurück - mit einer Tüte Fastfood auf dem Schoß.
»Dein Ernst, Cas?«, fragte ich.
Der Engel biss herzhaft von einem Burger ab. »Diese Dinger machen mich wirklich sehr glücklich.«
Dean verdrehte genervt die Augen. »Der wievielte ist das?«
»Weiß nicht. Irgendwo im Hunderterbereich?«
»Meintest du nicht vorhin, du könntest einfach aufhören, wenn du willst?«, stichelte ich.
»Ja, aber ich will nicht«, gab Cas zurück. »Was ich nicht verstehe, ist, wo ist dein Hunger, Dean? Und deiner, Cat?«
»Was?«, fragte Dean.
»Na ja, langsam, aber sicher fällt jeder in dieser Stadt der Hungersnot zum Opfer, aber anscheinend seid ihr resitent.«
»Hey, wenn ich trinken will, dann trink ich. Wenn ich Sex will, hab' ich Sex. Das Gleiche gilt für ein Sandwich oder einen Streit.«
»Willst du damit sagen, du bist einfach ausgeglichen?«, fragte Cas.
»Gott, nein, ich bin nur gut genährt.«
»Ebenso wie ich«, meinte ich. »Ich bin Halbengel-Halbdämon. Mich bringt anscheinend nichts so schnell aus der Fassung.«
»Guckt mal da.« Castiel nickte zum Eingang der Klinik. Ein Mann in einem schwarzen Anzug und mit einem schwarzen Aktenkoffer verließ das Gebäude. Augenblicklich spürte ich einen stechenden Schmerz, der durch meinen Kopf jagte. Ich verzog mein Gesicht und biss mir auf die Zähne, um das Stöhnen zu unterdrücken.
Der Dämon stieg in einen schwarzen Lieferwagen ein. Dean startete den Impala und folgte dem Mann. Er fuhr zu einem Fastfood-Restaurant, Big Gerson's wie ich auf dem Schild erkennen konnte. Wir hielten einige Meter entfernt und beobachteten, wie der Dämon mit dem Aktenkoffer aus dem Lieferwagen ausstieg, an den beiden schwarzen Anzugträgern vorbeilief und das Restaurant betrat.
»Wollen wir noch mal den Plan durchgehen?«, fragte Dean. Castiel antwortete nicht. »Hey, Happy Meal. Der Plan.«
»Ich nehm' das Messer, geh rein, schneid' der Hungersnot den Ringfinger ab, dann treffen wir uns wieder hier«, sagte der Engel genervt.
»Ich muss sagen, das klingt überzeugend.«
»Er ist weg«, erklärte ich.
Dean nickte und richtete seinen Blick schweigend auf das Gebäude. »Das dauert zu lange«, meinte der Jäger nach wenigen Sekunden und stieg sofort mit erhobener Waffe aus. Ich holte auch meine hevor und folgte ihm.
Wir betraten durch den Hintereingang die Küche des Restaurants. Ein Mann lag beinahe mit dem ganzen Oberkörper in der laufenden Fritöse. Angewidert verzog ich das Gesicht und wandte meinen Blick ab. Dean presste sich neben der Essensausgabe an die Wand und lugte vorsichtig um die Ecke.
»Cas!«, rief er dem Engel mit dumpfer Stimme zu.
Ich trat hevor, um etwas sehen zu können. Castiel hockte auf dem Boden und stopfte Hackfleisch in sich hinein - uns schien er nicht zu bemerken. Auf einmal spannten sich meine Muskeln an. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken, und bevor der Dämon mich angreifen konnte, hatte ich mit dem Ellenbogen nach ihm geschlagen, so dass er nach hinten taumelte. Auch Dean befand sich nun mitten in einem Kampf mit einem Dämon, doch war ich zu langsam, um ihm unter die Arme zu greifen. Dean wurde mit voller Wucht gegen die Tür geschubst, während mich auf einmal zwei Dämonen festhielten. Ich und der benommene Dean wurden in den Hauptraum geführt. Mein Herz schlug schnell und hart gegen meinen Brustkorb. Ich hörte den Atem der Dämonen, ihren Pulsschlag, ihr Blut, das durch ihre Adern floss. Ich knurrte wie ein wildes Tier und begann mich zu wehren, doch waren die Griffe der beiden Männer zu stark.
»Cas«, rief Dean verzweifelt, als wir an dem Engel vorbeigeführt wurden. Er sah nur kurz auf, antwortete jedoch nicht.
»Der andere Mr. Winchester«, sagte eine raue, schwache Stimme. Vor uns saß ein alter, sehr alter Mann in einem Rollstuhl. Seine Haut war eingefallen, seine Haare aschgrau.
»Was haben Sie mit ihm gemacht?«, verlangte Dean mit einem Blick auf Cas zu wissen.
»Du hast deinen Hund auf mich gehetzt. Ich hab' ihm ein Steak zugeworfen.«
»Das ist also ihr großer Trick, huh? Die Leute verrückt zu machen nach Flatrate-Fressen?«
»Oder nach anderem«, meinte der apokalyptische Reiter Hungersnot und blickte zu mir. »Spürst du schon das Verlangen? Den Durst nach dem Blut meiner Untergebenen? Es zerfrisst dich von innen heraus. Alles zerrt an dir. Du willst das Blut unbedingt, um jeden Preis.«
Ich wollte antworten, doch erforderte dies zu viel Kraft, die ich dafür aufbringen musste, der Versuchung zu widerstehen.
Dean sah mich an. »Wovon spricht er, Cat?« Kein Wort. »Catherine?«
»Ich will es, Dean«, brachte ich knurrend hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Deans Miene zeigte Entsetzen auf. »Halt dagegen stand, Cat«, sagte er. »Du darfst nicht schwach werden.«
»Der Hunger lässt sich nicht so einfach besiegen«, meinte der Reiter. »Denn der Hunger kommt nicht nur vom Körper, er kommt auch von der Seele.«
»Tja, das ist witzig. Von meiner scheint er nicht zu kommen«, sagte Dean.
»Ja, ist mir aufgefallen. Hast du dich gefragt, wieso das so ist? Wieso du in meiner Gegenwart überhaupt laufen kannst?«
»Ich würde gern glauben, dass es an meiner Charakterstärke liegt.«
»Das seh' ich etwas anders.« Der Reiter fuhr auf Dean zu. Er hob die Hand, der Winchester wollte zurückweichen, doch waren die Griffe der Dämonen zu stark, und legte sie auf Deans Brustkorb. »Ja, ich kann es sehen, und, du meine Güte, das ist ein tiefes, dunkles Nichts, was du da hast, Dean. Du kannst es nicht füllen, hab' ich recht? Weder mit Essen, noch mit Trinken, nicht einmal mit Sex.« Er lachte.
»Oh, Sie reden solch einen Müll«, meinte Dean.
»Oh, diese Witze, dieses Grinsen und dieses Rumgelüge. Das kannst du bei deinem Bruder machen, aber nicht bei mir! Ich kann in dich hineinsehen, Dean. Ich kann sehen, wie gebrochen du bist, wie abgeschlagen. Du kannst nicht gewinnen, und das weißt du. Aber du kämpfst einfach weiter und tust so, als ob nichts wäre. Du hast keinen Hunger, Dean, weil tief in dich drin schon längst alles tot ist.«
Dean trafen diese Wort wie ein Messer. Die Schneide saß tief und schnürten ihm beinahe die Luft ab.
Der Reiter sah zu den Dämonen, die mich festhielten. »Lasst sie los.« Zögernd leisteten sie diesen Befehl folge. Die Hungersnot hob die Hand. »Nimm sie dir, kleine Catherine. Sie sind nur für dich.«
Mein Kopf schien wie ausgeschaltet. Ich verlor die Kontrolle über meinen Körper und stürzte mich auf einen der Dämonen. Er schrie aus Angst, oder Dean schrie, dass ich aufhören sollte - ich wusste nicht ganz, wer oder ob überhaupt. Ich blendete meine Umgebung komplett aus, konzentrierte mich nur auf den Dämon. Ich schlug meine Zähne in seinen Hals wie ein Vampir und wollte das Blut heraussaugen, als eine mir bekannte männliche Stimme erklang und mich von meinem Tun abhielt.
»Lassen Sie ihn los«, befahl der Mann ernst.
Der Reiter wandte seinen Rollstuhl. »Sam«, sagte er überrascht.
»Sammy, nein!«, rief Dean, als sein Bruder sich kampfbereit vor die beiden Dämonen stellte, die auf ihn zuliefen.
»Halt!«, befahl der Reiter. »Keiner rührt diesen süßen kleinen Jungen an, habt ihr verstanden?« Der Mann nickte Sam zu, um wessen Mund Blut klebte. »Sam, ich sehe, du hast den Leckerbissen erhalten, den ich dir geschickt habe.«
»Sie waren das«, sagte Sam.
»Keine Sorge, du bist nicht wie alle anderen. Du wirst nie daran sterben, wenn du zu viel trinkst. Du bist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Genau so wie der Teufel dich haben wollte. Also«, der Reiter hob die Hände, »schneid' ihnen die Kehlen durch. Greif sie an.«
»Sammy, nein!«, rief Dean wieder.
»Sam«, wimmerte ich. Ich hatte Mühe, der Versuchung zu widerstehen. Wenn er jedoch die Dämonen angreifen würde, würde meine Blutlust sich verstärken.
»Bitte! Bediene dich!«, flehte die Hungersnot.
Ich hörte deutlich Sams Atem. Er streckte die Hand aus und die schwarzen Seelen der Dämonen verließen ihre Hüllen. Dean hob währenddessen Rubys Messer, welches Castiel fallengelassen hatte, unbemerkt vom Boden auf.
»Nein«, sagte Sam, als der schwarze Nebel die Fliesen bedeckte.
»Schön. Gut. Wenn du sie nicht haben willst«, meinte der Reiter, »werde ich zugreifen.« Der Mann öffnete den Mund und mit einer Handbewegung begann er die Seelen der Dämonen aufzusaugen.
Fassungslos starrten Dean und ich ihn an. Die Dämonen waren verschwunden, so dass der Blutdurst abgeschwächt war. Ich konnte wieder klarer sehen.
Sam streckte seine Hand aus, nichts geschah.
»Sam, ich bin ein Reiter«, meinte der Mann im Rollstuhl. »Deine Kraft, sie wirkt bei mir nicht.«
»Sie haben recht. Aber bei denen da drinnen wirkt sie.« Sam schloss die Augen und ballte die Hand zur Faust. Die Seelen im Innern des Reiters kreischten, schwarzer Rauch stieg aus seinem Bauch. Blut floss aus Sams Nase, während der Hunger unter Qualen schrie. Die Seelen explodierten und eine riesige schwarze Wolke quoll auf.
Regungslos saß die Hülle des Reiters in seinem Rollstuhl. Castiel erwachte aus seiner Art Trance und erhob sich langsam. Er sah an sich herab, verzog angewidert das Gesicht und blickte zu Dean, der mit Tränen in den Augen seinen Bruder anstarrte.
»Cas«, sagte ich mit schwacher Stimme. Zitternd kämpfte ich mich auf die Beine. Der Engel kam zu mir herüber und legte seinen Arm um mich. »Wir müssen Sam zu Bobby bringen ...«, meinte ich leise.
»Ja«, sagte Dean nur. »Cas, bring ihn und Cat bitte weg. Ich komme nach.«

Ich schlief beinahe die ganze Nacht, auch wenn es mir anfangs schwer fiel, Sams Schreie, die aus dem Bunker kamen, zu ignorieren. Beinahe war ich rückfällig geworden. Die Angst davor saß tief. Die Angst vor meinem zweiten Ich. Erst war meine himmlische, nun meine dämonische Seite herausgefordert worden - und das in kurzer Zeit.
Dean war spät in der Nacht gekommen - ich hatte es nicht bemerkt, doch als er die Treppe des Kellers wieder hochgelaufen kam, war ich bereits wach. Er verließ das Haus, leise folgte ich ihm.
Es hatte geregnet. Einige Tropfen perlten auf den Autos. Der Kies knirschte unter meinen Schuhen. Ich blieb zwischen zwei Wagen stehen und beobachtete von dort aus Dean, der neben seinem Impala stand, eine Bierflasche in der Hand und den Blick gen Himmel gerichtet.
»Bitte«, flehte er schluchzend. »Ich kann nicht ...« Er schluckte schwer. »Ich brauche Hilfe. Bitte ...«
Tränen stiegen in meine Augen. Ihn so zu sehen, schmerzte mehr, als selbst das zu fühlen, was er fühlte. Doch ich konnte ihm nicht helfen. Er wollte meine Hilfe nicht, und mit diesem Gewissen ging ich zurück zum Haus.

3167 Wörter

Bada Boom, Bada Bang ^^

Was wünscht ihr euch für diese Geschichte noch? Was fehlt euch? Bitte schreibt eure Meinung in die Kommis <3

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