Kapitel 16

Luzifer lehnte an dem kalten Gemäuer, den Arm aufgestützt und uns schweigend, aber mit einem vergnügten Grinsen beobachtend. Auch Castiel rührte sich nicht vom Fleck, während ich mit einem finsteren Blick in dem Kreis aus Feuer herumtigerte. Ich wusste nicht, ob es mir etwas anhaben könnte, da ich nur zur Hälfte Engel war. Ich müsste es ausprobieren, doch würde der Versuch scheitern und ich dennoch nicht tot sein, würde Luzifer mir schneller näherkommen als mir lieb war.
Eine Frau mit dunkelbrauen gelockten Haaren kam nach einer langen Zeit. Ein breites Lächeln erstrahlte in ihrem Gesicht. »Ich habe die Winchesters für's Erste festgenagelt«, erklärte sie an ihren Meister gewandt. »Was soll ich mit ihnen machen?«
»Du machst gar nichts«, meinte Luzifer und sprachlos klappte der Frau, die augenscheinlich ein Dämon war, die Kinnlade hinunter.
»Entschuldige, aber bist du sicher ... Sollten wir nicht -«
Luzifer richtete sich auf. »Vertrau mir, Kind.« Er ging auf sie zu und umrahmte ihr Gesicht mit seinen Händen. »Alles, was passiert, hat einen Grund.« Ohne uns anzugucken sprach er uns an. »Also, ihr beiden, ihr habt noch Zeit«, er wandte sich uns zu, »um eure Meinung zu ändern.«
»Niemals«, sagte ich und trat mit verschränkten Armen neben den Engel im Trenchcoat.
»Cat.« Luzifer ließ den Kopf sinken und lachte in sich hinein. »Das ist albern. Dieses Eingeschnappte-Kind-Getue.«
»Das sagt der richtige«, gab ich prombt zurück. »Wer versucht denn seinem Vater mit allen Mitteln die Stirn zu bieten, nur weil er ihn versetzt hat?« Abrupt hob der Engel seinen Kopf - ich hatte ins Blaue getroffen. Siegessicher lächelte ich in mich hinein, versuchte mir äußerlich jedoch nichts anmerken zu lassen. Gestärkt straffte ich meine Schultern. »Der arme kleine Junge, verstoßen, ausgeschlossen, weil er anders sein wollte, weil er nicht das getan hat, was er tun sollte. Gehasst von seinen Brüdern, verjagt von seinem Vater. Du bist nichts weiter als verzweifelt, und mit Gewalt und Unterdrückung versuchst du diese Verzweiflung zu verdecken, um stark zu wirken, um autoritär zu sein. Doch das bist du nicht. Du bist schwach.«
Luzifers Lippe zuckte und im nächstem Moment durchfuhren mich höllische Schmerzen. Schreiend krümmte ich mich, während der Engel seine ausgestreckte Hand zur Faust ballte. Ich sank auf die Knie. Tränen rannen meine Wangen hinunter. Mit einem Mal war der Schmerz verschwunden, und keuchend blickte ich auf.
»Ich brauch dich, Cat«, sagte Luzifer mit einem finsteren Gesicht. »Das ist der einzige Grund, warum ich dich am Leben lasse.« Er ging auf die Tür zu und bevor er ging deutete er auf die Dämonin. »Halt hier die Stellung, bis ich wieder bekommen.« Kaum hatte er dies ausgesprochen, war er verschwunden.
»Alles in Ordnung?«, fragte Castiel mich. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und mit klopfendem Herzen nickte ich. »Du hast es zu weit getrieben. Er hätte dich töten können.«
»Mir geht es gut«, sagte ich und versuchte möglichst stark zu klingen, doch war ich zu schwach, so dass meine Stimme zitterte.
»Ist das herzerwärmend«, erklang die Stimme der Dämonin. »Ein Engel und ein ... Halbengel.« Sie lachte. »Ich hätte dich eher für eine gehalten, die sich einen der Winchester krallt.«
Zitternd kämpfte ich mich auf die Beine. »Das ist doch eher dein Part.«
Überrascht hob sie die Augenbrauen. »Wie kommst du darauf?«
»Meg, richtig?«, gab ich zurück. Anhand ihrer ernsten Miene wusste ich, dass sie es war. »Dacht' ich mir.« Ich lachte. »Dein selbstgefälliges Gesicht muss ich nicht mal gesehen haben, um es zuordnen zu können.«
»Woher weißt du das?« Meg schien verärgert.
»Es gibt Geschichten über dich.« Ich grinste selbstsicher. »Glaubst du, ich reise zwei Jahre mit den Winchesters durch die Staaten und kenne keinen Namen der Dämonen-Schlampen, die ihnen auf ihrem Weg davor begegnet sind? Ich hab' geraten, der erste Treffer saß. Ich bin kein Hellseher.«
Ihre Miene entspannte sich, dann erschien ein selbstgefälliges Grinsen auf ihren Lippen. »Du denkst, du könntest mich runtergekriegen. Du denkst, du bist stark und könntest dich gegen mich behaupten.« Sie lachte. »Du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast und wer hinter mir steht. Du unterschätzt uns. Unzählige Dämonen wollen dich tot sehen.«
Verwundert runzelte ich die Stirn. »Was soll das heißen?«
»Du stehst uns im Weg«, zischte sie. »Du bist Luzifers bevorzugtes Liebchen. Er will dich um jeden Preis, und wenn er dich hat, sind wir ihm egal. Er wird uns davonstoßen, uns aus dem Weg räumen.«
»Keine Sorge, Süße. Ich werde euch keine Probleme bereiten, da ich nicht vorhabe, Luzifer zu folgen.«
Meg lachte schallend. »Du glaubst, du hast eine Wahl? Er wird dir keine lassen.«
Ich antwortete nicht und Stille erfüllte den Raum. Nach einer Weile lachte Meg wieder - sie schien es weiterhin witzig zu finden.
»Du scheinst dich zu freuen«, meinte Castiel.
»Wir werden gewinnen«, gab Meg zurück. »Spürst du's nicht? Ihr Wolken hüpfenden Schwuchteln habt das ganze verdammte Universum verloren. Luzifer wird den Himmel übernehmen, mit der Schlampe neben dir oder ohne sie. Wir gehen in den Himmel, Clarence!«
Ich runzelte die Stirn, denn hatte ich keine Ahnung, wieso Meg ihn Clarence nannte. Castiel jedoch schien sich darüber keine Gedanken zu machen.
»Eigenartig«, sagte er. »Ich hörte von einer anderen Theorie, von einem Dämon namens Crowley.«
Crowley. Der König der Kreuzungsdämonen. Bevor wir zu dieser Mission aufgebrochen waren, hatten Joe, Sam und Dean von ihm den Colt bekommen. Als Gegenleistung sollten sie dafür Luzifer töten. Warum ein Dämon mit den Winchesters kooperierte, war mir nicht gesagt worden, doch konnte es sich nur um irgendein Machtspiel handeln.
»Du kennst Crowley nicht«, meinte Meg ernst.
»Er glaubt, dass Luzifer die Dämonen nur dazu benutzt, um das Ende herbeizuführen.« Erst jetzt bemerkte ich, dass Castiel mit leichten, beinahe unaufälligen Handbewegungen die Schraube eines Rohres über Megs Kopf langsam öffnete. »Und dann, wenn es soweit ist, wird er euch alle zerstören. Ob er euch nun aus dem Weg räumt, wenn er Cat hat oder nicht, ist also gleichgültig.«
»Du musst dich irren. Luzifer ist der Vater unserer Rasse. Unser Schöpfer. Euer Gott mag ein Versager sein, aber meiner ... meiner wandelt auf der Erde.«
In diesem Moment krachte das Rohr hinunter, welches Meg traf und in den Feuerkreis schubste. Sie landete in Castiels Armen und sofort versuchte dieser sie mit einer Berührung auf der Stirn zu töten, doch funktionierte es nicht. Überrascht sahen sich die beiden an, dann begann Meg schallend zu lachen. »Du kannst keine Dämonen töten, nicht wahr?«, fragte Meg. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von Castiels entfernt. »Du bist vom Hauptquartier abgeschnitten und hast nicht die Eier dafür. Also, was kannst du überhaupt, du impotenter Versager?«
»Ich kann das hier.« Erst schien es, als wollte er sie küssen, doch dann warf er sie zu Boden, so dass sie im Feuer lag und den Kreis somit unterbrach. Ohne eine Regung im Gesicht stieg Castiel über sie. Zögernd folgte ich ihm, während Meg unter Qualen schrie.

Castiel brachte mich zu Bobby, verschwand aber sogleich wieder. Der Mann saß schweigend in seinem Rollstuhl, Tränen glitzerten in seinen Augen. Ich wollte wissen, was passiert war, doch antwortete er nicht. Als später Sam und Dean kamen, erklärte Sam mir mit brüchiger Stimme, dass Joe und Ellen tot waren. Sie hatten sich für der Leben der Winchesters geopfert, und schuld war Meg.
Schweigend standen wir vor dem Kamin, und während Dean Tränen über die Wangen liefen, schmiss er das Foto, welches wir zuvor zusammen mit Ellen und Joe vor unserem Auftrag geschossen hatten, ins Feuer und sah zu, wie die Gesichter verbrannten.

1239 Wörter

Ein Kapitel zu später Stunde. Etwas unspektakulär, aber ich hoffe, man kann's ertragen :P

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