Kapitel 12
Mit großen Schritten liefen wir auf Chuck zu, der sich soeben mit zwei Drinks zu Beccy gesetzt hatte.
»Oh, hi, Sam«, begrüßte die Frau sogleich den jungen Winchester.
»Entschuldige, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, unser Kalender ist ziemlich voll, okay?«, fuhr Dean Beccy und Chuck an. »Wir suchen den Colt und jagen den Teufel. Wir haben keine Zeit für solch einen Müll!«
»Ich war das nicht, der euch hergerufen hat«, verteidigte Chuck sich.
»Er meint die Bücher, Chuck«, erklärte Sam. »Wieso veröffentlichst du noch mehr Bücher?«
»Ähm, ich lebe davon.«
Dean beugte sich zu dem Mann hinunter. »Wer, bitte, hat dir die Rechte für unsere Lebensgeschichte gegeben?«
»Ein Erzengel«, gab Chuck zurück. »Doch ich wollte sie nicht.«
»Damit ist jetzt Schluss«, sagte Sam. »Keine Bücher mehr. Unser Leben ist kein Supermarkt. Hast du verstanden?«
»Beccy, würdest du uns einen Augenblick entschuldigen?«, fragte Chuck die Frau. Diese nickte energisch und wir verschwanden in einem Nebenzimmer.
»Wisst ihr, womit ich meinen Lebensunterhalt verdienen soll?«, rief Chuck aufgebracht.
»Ja, das wissen wir«, sagte Sam.
»Dann sagt es mir, denn ich weiß es nicht. Ich bin kein guter Autor. Ich habe keine vermarktbaren Fähigkeiten. Ich bin nicht so ein Held, der durch die Gegend fährt und Monster bekämpft. Ich muss von irgendwas leben, solange diese Welt noch existiert, klar? Die Supernatural-Bücher sind meine Existenz. Was soll ich denn sonst tun?«
Gerade als wir antworten wollten, erklang ein greller Hilfeschrei. Sofort rannten wir los. Sam erreichte vor uns die Frau, die ihn mit einem vor Angst geweiteten Gesicht ansah.
»Was ist passiert?«, wollte ich wissen.
»Ich hab' einen Geist gesehen«, erklärte die Frau.
»Einen Geist?«, wiederholte ein Mann, der hinter uns aufgetaucht war. »Ma'am, können sie uns sagen, wie er aussah?«
»Überlass das mal den Erwachsenen, ja?«, sagte Dean. Hinter uns tauchten allmählich mehr Leute von der Convention auf.
»Eine Frau. Sie trug ein altmodisches Kleid. Sehr alt. Etwa wie eine alte Schullehrein«, erklärte die Frau weiter.
»Hat sie etwas zu Ihnen gesagt?«, fragte ein Mann.
Die Frau lächelte vielsagend. »Okay, kommt näher, Leute, dann erzähl' ich euch diese Angst einflößende Horrorgeschichte.«
Erst jetzt wurde uns bewusst, dass das alles geschauspielert war.
»Ich habe einen Geist gesehen. Und dieser Geist war Leticia Gore höchstpersönlich«, hörten wir die Schauspielerin noch sagen, bevor wir uns entfernten.
»Uh, das Live-Rollenspiel fängt an«, sagte Becky, die uns hinterhergelaufen war.
»Das ...« Dean runzelte die Stirn. »Was war das noch mal?«
»Das Live-Rollenspiel«, wiederholte Becky verständnislos, als hätte er es verstehen müssen. »Ein Spiel, was die Convention veranstaltet.« Sie hielt uns ein Skript entgegen.
Sam riss es ihr aus der Hand und las vor: »Dads Tagebuch: Lieber Sam und Dean, dieses Hotel wird von einem Geist heimgesucht. Ihr müsst den Geist jagen. Befragt Zeugen, entdeckt Hinweise und findet die Knochen. Das erste Team, dem dies gelingt, gewinnt einnen 50-Dollar-Gutschein für Sizzler. Alles Liebe, Dad.«
»Ihr zwei werdet ganz sicher gewinnen«, trällerte Beccy. Sie sah zu mir. »Zusammen mit Cat natürlich.«
»Hör mal, Beccy«, sagte ich. »Es freut mich, dass es einige Fans von Supernatural gibt, wirklich, aber findest du das nicht ein wenig übertrieben? Die ganze Sache hier ...«
»Oh, nein.« Sie lächelte mich an. »Das ist der größte Wahnsinn!« Mit diesen Worten ging sie davon.
Nun wandte ich mich an die Brüder. »Wollen wir nicht einfach verschwinden? Ich meine, was hält uns noch hier?«
»Du kannst ja gehen, wenn du willst«, brummte Dean missgelaunt.
»Nein, wenn wir gehen, dann zusammen«, erwiderte Sam.
»Sie ist doch sowieso mit ihrem Auto hergekommen!«, rief Dean.
Sam legte den Kopf schien und beäugte seine Bruder genervt. »Du weißt, was ich meine.«
»Dann lasst uns gehen.« Ich machte auf dem Absatz kehrt, lief die Treppe hinunter zur Eingangshalle.
Gerade als wir das Hotel verlassen wollten, wurden wir auf die Gruppe Fans aufmerksam, die das Rollenspiel spielten. Sie standen in einem Kreis, hielten gefälschte Ausweise in die Mitte und sagten: »Agent Lennon«, »Agent Harrison« oder »Agent McCartney«.
»Also schön, Agents Lennon, Harrison und McCartney«, sagte der Mann, der zuvor das gelbe Hemd getragen hatte. Nun trug er, wie die Leute im Kreis, einen Anzug. »Als Manager dieses ausgezeichneten Betriebes kann ich Ihnen versichern, dass hier tatsächlich ein Geist haust. Dieses Gebäude war früher ein Waisenhaus, dass von der bösen, alten Leticia Gore geleitet wurde. Vor 100 Jahren, genau in dieser Nacht, ist Miss Gore durchgedreht und hat vier kleine Jungen abgeschlachtet, bevor sie sich selbst tötete. Die Leute erzählen sich, dass die Seelen dieser armen, kleinen Jungen hier gefangen sind und dass der böse Geist der Miss Gore sie bestrafen wird. Bis zum heutigen Tag.«
»Also noch mehr von diesem Laientheater ertrag' ich nicht«, sagte Dean.
»Ja, viel verrückter kann's nicht werden«, meinte Sam.
In diesem Moment kam jedoch der Dean, den der echte Dean am Anfang angesprochen hatte. »Dad hat gesagt, dass ich dich möglicherweise töten muss.«
»Mich töten? Was hat das zu bedeuten?«, gab ein schmaler Mann, der anscheinend Sam darstellte, zurück. Die beiden verstellten ihren Stimmen - wahrscheinlich wollten sie härter klingen.
»Ich weiß es nicht.«
Die Männer gingen davon.
Sam und Dean sahen sich an. »Ich brauche einen Drink«, sagten sie gleichzeitig, bevor sie zur Bar gingen.
»Hey, wartet!«, rief ich ihnen hinterher, doch sie hörten mich nicht. Mit einem Seufzen folgte ich ihnen.
Schweigend saßen wir an der Bar. Dean kippte ununterbrochen Kurze in seinen Rachen, während Sam nur das Etikett der Bierflasche musterte. Ich fuhr mit meinem Finger den Rand meines Glases nach, ohne wirklich davon zu trinken.
»Wie geht's denn so?«, baggerte Dean eine Frau neben sich an, die ohne aufzublicken auf ihrem Handy herumtippte.
»Siehst du doch. Ich bin beschäftigt«, gab sie tonlos zurück.
»Ich muss sagen, du siehst sehr hübsch aus - besonders für eine Tote.«
Genervt verdrehte ich die Augen und trank meinen Drink beinahe vollständig aus.
»Mann, den Spruch hab' ich heute schon 17-mal gehört, okay? Und jedes Mal von 'nem Typen in einer MacGyver-Jacke.« Nun sah sie an.
Bei dieser Aussage gluckste leise ich belustigt auf.
»Aber du scheinst irgendwie anders zu sein«, meinte sie, als sie Dean genauer betrachtete.
»Inwiefern?«
»Du hast offensichtlich vor Frauen keine Angst.«
»Hängt davon ab, was für Frauen das sind«, sagte ich, ohne sie anzusehen - eher an mich selbst, doch sie blickte zu mir.
»Du scheinst diese Cat darzustellen«, bemerkte sie. »War sie nicht übernatürlich und stand auf diesen Dean?«
»Wenn du wüsstest«, murmelte ich ins Glas, bevor ich es leertrank. Mit Kraft stellte ich es auf den Tresen. »Ich geh' dann mal. Die Sache ist mir zu dumm.« Ich erhob mich, warf einige Scheine neben das Glas und wollte gehen, als ich auf einen aufgeregten Jungen, als Sam verkleidet, aufmerksam wurde, der mit einem Dean-Jungen sprach. »Zum allerletzten Mal, ich hab' mir das nicht ausgedacht, okay? Sie war da oben, real, ein leibhaftiger, toter Geist.«
Ich wandte mich an die Brüder, die vielsagende Blicke austauschten.
»Entschuldige mich«, sagte Dean zu der Frau, bevor er sich erhob und mit Sam zu den beiden Jungen ging. Ich folgte ihnen.
»Es war sicher nur einer der Schauspieler«, versuchte der Fake-Dean seinen Freund zu beruhigen.
»Der mich grün und blau schlägt und dann verschwindet?«, rief dieser aufgebracht.
»Was hast du gesehen?«, wollte Sam von ihm wissen.
»Das gehört nicht zu dem Spiel, du Idiot!«, brüllte Fake-Sam ihn an. Er wandte sich an seinen Freund. »Tim, ich verschwinde hier und du solltest dasselbe tun.« Mit diesen Worten ging er davon.
»Alex, warte, ich ...« Fake-Dean folgte ihm. »Hey, komm zurück!«
Nachdenklich sahen wir den beiden hinterher.
»Was haltet ihr davon?«, fragte Sam.
»Dass wir der Sache auf die Spur gehen sollten«, meinte ich.
Wir gingen zum Empfangstresen, wo ein Mann mit Glatze im Amzug stand. Unser Weg führte an dem Hotelbesitzer vorbei, der eine weitere Gruppe ins Rollenspiel einführte.
»Verzeihen Sie, können wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«, sprach Dean den Mann am Empfang freundlich an.
»Hören Sie, ich habe keine Zeit, um Star Wars zu spielen. Fragen Sie den Herrn mit der breiten Krawatte«, gab dieser in einem unhöflichen und abweisenden Tonfall zurück. Er ließ den Kopf sinken und kritzelte irgendetwas auf ein Papier - das Gespräch war für ihn beendet.
Dean blickte genervt zu seinem Bruder und griff in seine Hosentasche. »Ehrlich gesagt, möchten wir lieber mit Ihnen sprechen.« Er schob dem Rezeptionisten einen 50-Dollar-Schein zu.
Der Mann lachte belustigt. »Okay, ihr seid ihr wirklich hartnäckig.«
Sam lächelte. »Das kann man so sagen.«
»Was wollen Sie wissen?«, fragte der Mann und ergriff das Geld.
»Alles bezüglich Leticia Gore«, meinte ich. »Stimmt das, was erzählt wird?«
»Na ja, wir gehen damit sehr ungern an die Öffentlichkeit. Sie verstehen, was ich meine. Aber ja, 1909 nannte sich das Haus das »Gore Waisenhaus«. Miss Gore hat vier Jungs mit einem Schlachtermesser getötet und dann sich selbst.«
»Und heute Abend ist der Jahrestag?«, fragte Dean.
»Ja. Ihr Convention-Leute wollt es doch authentisch.«
»Hat jemand mal was gesehen?«, wollte Sam wissen.
»Im Laufe der Jahre, ja, ein paar Zimmermädchen haben gekündigt und meinten, sie hätten die Jungs gehört oder sie gesehen. Ein Hausmeister hat sogar mal Miss Gore gesehen«, erklärte der Mann.
»Wo hat Miss Gore die Kinder abgeschlachtet?«, fragte Dean.
»Hören Sie, ich will nicht, dass Sie hier überall rumstapfen. Einige Ecken in diesem Haus sind für Nerds tabu.«
Dean legte einen weiteren Schein auf den Tresen. Sofort steckte der Mann ihn ein. »Der Dachboden«, raunte er uns zu.
»Danke sehr«, sagte ich noch, bevor wir uns abwandten.
1575 Wörter
Hey, ho! Ein neues Kapitel. Was sagt ihr dazu? Diese Episode ist mehr oder weniger ein Füller, aber dennoch wichtig. D.h. dass Cat wahrscheinlich nicht so sehr zur Geltung kommt.
Falls ihr Lust habt, könnt ihr bei meinem zweiten Insta-Acc _fangirlsruletheworld_ vorbeischauen. Ich poste da regelmäßig Bilder von meinen Fandoms.
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