Kapitel 4: Spekulationen
Bakugous PoV
Als ich in den Palast zurückkehrte gab es niemanden, der mich empfing oder mir eine Standpauke hielt, wo ich denn gewesen sei. Vielleicht dachten sie, es wäre besser mich einfach in Ruhe zu lassen. Ohne, dass ich es wollte spürte ich ein wenig Dankbarkeit demjenigen gegenüber, der dies entschieden hatte. Selbst das Personal ließ mich in Ruhe und grüßte mich nur höflich, während ich den Gang zu meinen Gemächern entlangschritt.
Als ich in die vertrauten Räumlichkeiten eintrat, schloss ich die Tür schnell hinter mir und atmete tief durch. Aus irgendeinem Grunde hatte mich dieser kurze Ausflug mehr aufgewühlt, als er eigentlich sollte. Nicht nur, dass Eijirou wunderschön war, gleichzeitig hatte dieser Besuch mir ein weiteres Mal vor Augen geführt, wie schlecht es die meisten Cyborgs hatten.
Der hübsche Rothaarige wurde versklavt, und er hatte keine Chance dort je wieder herauszukommen. Ich wollte nicht wissen, was die widerlichen Drecksäcke, die ihn sonst besuchten, alles mit ihm anstellten.
In Gedanken versunken setzte ich mich auf die Bettkante. Da niemand ungefragt diesen Raum betreten durfte, zupfte ich an den Säumen meiner Handschuhe und zog mir sie mir aus. Im Gegensatz zu Eijirous Unterarmen, war diese Technologie von feinster Machart. Ich selbst hatte dafür gesorgt stets auf dem neusten Stand der Technik zu sein. Ich bewegte meine Finger und beobachtete wie geschmeidig und reibungslos die feinen Gelenke reagierten.
Insgeheim war ich wirklich stolz darauf, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Wir hatten einen Palasteigenen Cyborg-Ingenieur, Higari Maijima, der offiziell für die Cyborgs unter dem Personal zuständig war. Nur wenige ausgewählte Personen wussten, dass ich selbst ein Cyborg und damit der Grund war, warum der Ingenieur als einziger Angestellter im selben Flügel wie die Familie der Kaiserin untergebracht war. Ich suchte Maijima häufig auf und damit es nicht zu sehr auffiel, lebte er quasi direkt nebenan. Von ihm hatte ich alles gelernt, was man über die biomechanische Cyborg-Technik wissen musste. Ich hatte alles beigebracht bekommen, um die feinen Drähte mit den Nerven zu verbinden, ohne sensorische Verluste zu erleiden. Wir hatten zusammen geforscht. Es war das einzige hier am Palast was mir wirklich Spaß machte. Oft versank ich tagelang in Maijimas Labor und verbesserte die Technik in meinen Prothesen.
Ich hatte einmal gehört, wie ein Mitarbeiter zu Mina, meiner persönlichen Bediensteten, sagte, dass ihre Augen nur leblose Technik seien. Dass sie, im Gegensatz zu den menschlichen Körperteilen, nicht wirklich ihr gehörten. Mich hatte dieser Kommentar wütend gemacht, auch wenn ich es öffentlich nicht zeigen durfte. Jemand der nicht wusste, dass ich ein Cyborg war, würde diese Wut niemals nachvollziehen können. Der Nachtschrank jedoch, den ich voller Zorn durch den halben Raum getreten hatte, hatte es nicht überlebt.
Denn wenn ich auf meine Arme schaute, konnte ich nicht anders als zu fühlen, wie sehr sie mir gehörten. Auch wenn sie aus Drähten und Metall bestanden waren sie lebendig. Ich hatte meine Seele und mein Herzblut in sie gesteckt. Ich hatte sie bis zum äußersten perfektioniert. Sie waren ein Teil meines Körpers, egal was andere sagten.
Stirnrunzelnd kratzte ich ein wenig Schmutz, der sich in die feinen Fugen meines Handgelenkes gesetzt hatte, heraus und überlegte, wann ich das nächste Mal den Palast verlassen konnte. Es könnte sich als schwierig gestalten. Zwar sah es mein Plan vor, so oft wie möglich dieses Bordell zu besuchen, je öfter ich es tat, desto schneller würden sich die Gerüchte verbreiten, doch ich wusste, dass meine Familie meine Ausflüge nicht gutheißen würde und sie vielleicht versuchen würden sie zu unterbinden.
Heute Morgen war ich mit dieser Wut im Bauch losgegangen und hatte mir fest vorgenommen mein Ansehen zu beschmutzen. Und auch jetzt gab es für mich keinen Grund diesen Plan nicht in die Tat umzusetzen. Aber jetzt gab es einen weiteren Anreiz, weshalb ich wieder zurückwollte. Der Gedanke an Eijirou ließ mich nicht los. Ich hatte ihm gesagt, dass ich wiederkommen würde und wollte mein Versprechen halten.
Mein Blick wanderte zu meinem Nachttisch und ich runzelte die Stirn. Als wäre es das natürlichste der Welt, lag dort mein Diadem. Das Gold der kleinen Krone war blank poliert und schimmerte mir geradezu provokant entgegen. Als hätte ich es heute morgen nicht mit aller Wut in den Dreck geworfen. Ich griff danach. Ich spürte das das Metall kühl an der feinen Sensorik meiner Fingerspitzen und seufzte.
Es stand in all seiner Schönheit für die Zukunft, die sich die Kaiserin für mich vorstellte. Eine Zukunft, die ich hasste. Eine Zukunft, in der ich auf Lebenszeit verleugnen würde, wer ich war. Eine Zukunft, die ich gerade mit aller Macht versuchte zu zerstören.
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Die nächsten Tage waren vollgestopft mit allerlei, meiner Meinung nach unnötigen, Terminen. Ich hatte täglichen Unterricht, der mich auf meine Herrschaft vorbereiten sollte. Aber ich hatte das Gefühl, dass man absichtlich versuchte mich zu beschäftigen. Zwar hatte niemand meinen mehrere Stunden andauernden Ausflug erwähnt, aber dennoch wurde ich den Eindruck nicht los, dass all dies etwas damit zu tun hatte.
Als ich es endlich schaffte mich von meinen Verpflichtungen loszulösen ging ich schnellen Schrittes in das Labor von Maijima. Ich schloss die stahlverstärkte Tür hinter mir und schnaubte frustriert. Selten war mir der Alltag so auf die Nerven gegangen.
„Schlechter Tag?", fragte Maijima, der wie aus dem Nichts neben mir auftauchte.
Ich zuckte zusammen und warf ihm einen genervten Blick zu. Higari Maijima war ein schlanker Mann mittleren Alters mit orangeroten Haaren, die ihm in einer wilden Mähne vom Kopf standen. Seine intelligenten stahlblauen Augen musterten mich streng.
„Tch. Was geht dich das an.", knurrte ich und ging an ihm vorbei in das Labor. Der vertraute Geruch von Stahl und Öl zauberte mir ein kleines Lächeln auf die Lippen.
Ich ging an den Werkzeugschrank und machte mich an der Schublade mit dem Feinwerkzeug zu schaffen. Das Zischen eines sich lösenden Vakuums erklang, als sich die Schublade mit ein wenig Widerstand öffnete. Meine Finger schwebten über den hochwertigen Instrumenten, als ich darüber nachdachte, was sich am besten eignen würde. Zögernd zog ich eines nach dem anderen hervor. Kurz betrachtete ich stirnrunzelnd meine Auswahl, dann nickte ich und schloss die Schublade, die mit einem leisen Klicken einrastete. Ein leises Brummen setzte ein, als das restliche Werkzeug wieder in eine keimfreie Umgebung versetzt wurde.
„Was hast du damit vor?", fragte Maijima, der mich mit verschränkten Armen beobachtet hatte. „Ich wüsste nicht, was du an deinen Armen noch verbessern könntest."
„Wer hat gesagt, es geht um meine Arme?", brummte ich abwesend, während ich in den Schubladen nach einer Möglichkeit suchte, die Werkezeuge zu verstauen. Sie waren viel zu empfindlich, um sie einfach in der Hosentasche mitzunehmen. Schließlich fand ich eine Dose, mit Vakuumverschluss und integriertem Sterilisationssystem. Fein säuberlich sortierte ich sie ein und drückte den Knopf zur Sterilisation, ehe ich sie schloss.
„Du möchtest die Werkzeuge mitnehmen?", fragte der Ingenieur stirnrunzelnd.
Ich seufzte. Musste der Alte mir ausgerechnet heute auf die Nerven gehen? „Offensichtlich.", sagte ich und verengte die Augen.
Maijimas blaue Augen fixierten mich einen weiteren Moment intensiv. „Ich frage ja schon nicht, was du genau vorhast, aber verstrick dich nicht in irgendetwas Illegalem. Der ganze Palast spricht von deinem kleinen Ausflug. Die Kaiserin war sehr aufgebracht."
Also doch. Ich hatte geahnt, dass sie hinter meinem Rücken darüber spekulierten, aber es aus dem Mund des Alten zu hören, war dann doch etwas anderes. „So? Was erzählen sie denn so?", fragte ich und ein freches Grinsen legte sich auf mein Gesicht.
Der Ingenieur zog die Augenbrauen zusammen. „Da keiner einen Anhaltspunkt hat, sind es nur wilde Spekulationen." Einen Moment Stille herrschte, dann trat Maijima dicht vor mich. „Prinz Katsuki Bakugou.", sagte er betont formell. „Ich vertraue darauf, dass du weißt was du tust."
Ich kniff die Augen zusammen. „Ich weiß immer was ich tue."
Der Alte nickte und trat einen Schritt zur Seite, um mich vorbeizulassen. Sogleich ergriff ich die Gelegenheit und stürmte an ihm vorbei, wobei die die metallische Dose fest umschlossen hatte. Ich spürte wie Maijimas wachsamer Blick mir folgte, als ich das Labor verließ.
Doch als ich die Tür hinter mir schloss, dachte ich nicht weiter über Maijimas Fragen nach. Der Ingenieur war intelligent und streng und war jemand, der einem immer seine Meinung sagte. Aber genau das schätzte ich an ihm. Die meisten hier im Palast waren intrigante Arschlöcher, die immer nur auf ihren Vorteil bedacht waren. Maijima war anders und das war der Grund, weshalb er einer der wenigen hier war, denen ich vertraute.
Als ich diesmal an den Wachen vorbei den Palast verließ, war ihr Blick nicht verwirrt, sondern vielmehr fragend und neugierig. Ich beachtete sie nicht weiter sondern ging zielgerichtet in die Stadt hinein.
Bei meinem letzten Ausgang hatte ich nicht direkt gewusst, wo ich hinwollte. Ich war vielmehr einfach durch die Stadt gestreift und zufällig in dem Rotlichtviertel gelandet. Doch dieses Mal wusste ich genau, wo ich hinwollte und so war dieser Gang deutlich kürzer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Schon eine knappe halbe Stunde später stand ich vor der roten Tür des Bordells und öffnete sie.
Als ich dieses Mal hereinkam empfing mich laute Musik und die angeleuchteten Pooldance-Stangen, an denen sich halbnackte Frauen rekelten, zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Dies war wohl eine solche Show, von der die Dame am Tresen das letzte Mal gesprochen hatte. Einen Moment sah ich zu, wie die Frau auf dem vordersten Podest ihre Beine um die Stange schlang, sich nach hinten lehnte, den Rücken durchbog und dabei mit ihren grazilen Fingern ihren Körper herabfuhr. Als wäre es ein leichtes, richtete sie sich wieder auf griff nach der Stange, streckte die Beine wieder durch und ließ sich langsam zu einem Spagat hinuntersinken.
Es sah verdammt gut aus, das musste ich zugeben. Aber anders, als die sabbernden Männer zu ihren Füßen, die ihr einen Geldschein nach dem anderen vor die Füße warfen, war ich von der sportlichen Leistung beeindruckt. Das sah verdammt schwierig aus.
Schließlich löste ich den Blick von ihr und drehte mich zu dem Tresen um. Zu meiner Überraschung, sah ich dort die gleiche Frau, die ich auch beim letzten Mal angetroffen hatte. Als sie mich erkannte, legte sich ein Grinsen auf ihr Gesicht.
„Hey!", sagte sie mit leiser verschwörerischer Stimme. „Möchtest du wieder zu Eijirou, oder willst du heute die Show ansehen?"
Ich grinste sie an. „Natürlich will ich wieder zu Eijirou."
Sie kicherte ein wenig. „Ich habe doch gewusst, dass er dir gefallen wird." Sie reichte mir wieder das Zimmerkärtchen mit der 108. Diesmal musste ich ihr meinen Namen nicht nennen, schließlich wusste sie genau wer ich war. Sie trug ihn wie selbstverständlich ein, während ich mich auf den Weg in Eijirous Zimmer machte.
Heute zögerte ich nicht, als ich in das Zimmer 108 eintrat. Wie beim letzten Mal lag Eijirou einladend auf dem Bett.
Doch dieses Mal leuchteten seine Augen auf, als er mich sah. Ein breites Lächeln legte sich auf seine Lippen und er richtete sich auf. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass er noch schöner sein könnte. Doch dieses Lächeln blendete mich geradezu.
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