Kapitel 26: Verlustängste
Bakugous PoV
Seufzend ging ich zurück zu unseren Gemächern. Obwohl es noch nicht einmal Abend war, war ich unglaublich erschöpft. Erst war das Treffen mit der Human Hearts Organisation gewesen und dann hatte ich meinen Unterricht gleich im Anschluss. Es war recht anstrengend gewesen und ich freute mich darauf, den Tag einfach mit Eijirou ausklingen zu lassen.
Ich öffnete die Tür zu unseren Gemächern und warf meine Unterlagen auf die Kommode. „Eiji, ich bin wieder da!", rief ich.
Keine Antwort.
Ich runzelte die Stirn. War er wieder im Bad? Ich ging ein paar Schritte in den Raum hinein und dann sah ein Paar Füße, das zwischen Fenster und Bett hervorlugte. Mir rutschte das Herz in die Hose. „Eijirou!", entfuhr es mir, ehe ich auf ihn zu rannte.
Panisch setzte ich mich neben ihn, betätigte den Schalter zur Benachrichtigung eines Dienstboten und sandte ein Notsignal aus. Mein Verlobter lag in sich zusammengekrümmt am Boden und regte sich nicht. Nicht wissend was ich tun sollte, hob ich seinen Kopf auf meinen Schoß und strich ihm die Haare aus der Stirn.
Was war passiert? Zitternd vor Panik und Angst um die Liebe meines Lebens sah ich mich um. Auf dem Boden waren meine Notizen verteilt, die von der Fensterbank heruntergefallen zu sein schienen. Mein Blick richtete sich auf den Fenstersims. Ein Tablett stand darauf. Ich reckte den Hals und erkannte einen leeren Teller mit einer kleinen Kuchengabel.
„Shit, Eiji wer hat dir das angetan?", flüsterte ich verzweifelt und drückte ihn näher an mich. Doch schnell hatte ich eins und eins zusammengezählt. Eijirou würde nie extra einen Dienstboten losschicken, nur damit man ihm ein Stück Kuchen brachte. Jemand anderes hatte ihm den Kuchen bringen lassen und ihn somit vergiftet. Natürlich kam mir zuerst eine Person in den Sinn. Misaki. Und wenn sie schon so weit ging, dann würde sie auch richtig ernst machen. Sie wollte Eijirou tot sehen.
Ich griff unter Eijirous Kniekehlen und hob ihn hoch. Einen kurzen Moment hatte ich ein Déjà-vu und dachte an den Tag zurück, an dem ich ihn aus dem Bordell gerettet und in den Palast gebracht hatte. Doch das hier war so viel schlimmer. Damals war klar, dass er überleben würde, doch jetzt ich wusste nicht, was man ihm gegeben hatte. Ich wusste nicht, ob er überhaupt eine Chance hatte. Das einzige was ich wusste war, dass man bei Gift so schnell wie möglich handeln musste.
Ich schickte ein weiteres Mal das Notsignal los. Es war keine Minute vergangen, aber es konnte gerade nicht schnell genug gehen. Ich ging zur Tür und haderte kurz mit ihr, da ich nicht wirklich eine Hand frei hatte. Doch irgendwie schaffte ich es die Klinke mit dem Ellenbogen herunterzudrücken und die Tür mit dem Fuß aufzutreten. Dann rannte ich zur Krankenstation.
Mein Blut war vollgepumpt mit Adrenalin und ich spürte Eijirous Gewicht kaum und auch nicht den Schweiß, der mir den Nacken herunterlief. Auf halber Strecke kam mir das Notteam aus drei Sanitätern mit einer Krankentransportbahre entgegen. Sie halfen mir Eijirou darauf abzulegen.
„Er wurde vergiftet!", erklärte ich panisch, während sie mit geübten Griffen, die Seitenteile der Bahre hochklappten, damit sie ihn besser schieben und er nicht herunterfallen konnte.
„Was für ein Gift?", fragte einer der Sanitäter, während wir zusammen in Richtung Krankenstation hasteten.
Ich raufte mir verzweifelt die Haare. „Keine Ahnung, ich habe ihn so gefunden! E-er hat wahrscheinlich vergifteten Kuchen gegessen – man wollte ihn umbringen!" Ich gab erstickten Schluchzen von mir, und merkte erst dann, dass ich weinte.
Der Sanitäter nickte und faste sich an sein Headset „Wir kommen mit einem kritischen Patienten. Nicht bei Bewusstsein, wahrscheinlich vergiftet. Gift noch unbekannt, orale Einnahme und wahrscheinlich in tödlicher Dosis. Wir sind in zwei Minuten da, bereitet alles vor!", gab er durch.
Voller Angst sah ich auf den regungslosen Körper meines Verlobten herab. Er war so blass und die Verzweiflung lähmte mich beinahe.
Als wir vor der Krankenstation ankamen, kam uns gleich noch mehr medizinisches Personal entgegen. Noch nie war ich so froh, dass wir hier im Palast eine so gute medizinische Versorgung hatten. Wenn ich Eijirou erst noch in ein Krankenhaus hätte fahren müssen, wären seine Chancen wahrscheinlich gleich null gewesen. Erleichtert erkannte ich unsere Ärztin Shuzenji, der ich in dieser Hinsicht mehr als jedem anderen vertraute.
Als sie Eijirou von der Trage hoben und ihn wegbrachten, wollte ich wie selbstverständlich hinterhergehen, doch eine starke Hand, die mich am Oberarm packte, hielt mich zurück. Es war der Sanitäter von eben. „Mein Prinz, du kannst da jetzt nicht reingehen. Sie tun ihr Bestes, du würdest nur im Weg stehen.", sagte er sanft, aber streng.
Unter Tränen blickte ich zu ihm auf. „Aber es muss doch irgendetwas geben, was ich für ihn tun kann!", sagte ich verzweifelt.
„Sie werden erst einmal eine Hämoperfusion durchführen, um sein Blut von dem Gift zu reinigen, aber noch besser wäre es, wenn wir wüssten, was es für ein Gift ist. Wenn wir Glück haben, dann haben wir ein Antidot, ein Gegenmittel.", erklärte er.
Ich nickte und trat einige Schritte zurück, ehe ich mich umdrehte und davon stürmte. Ich musste herausfinden, mit was er vergiftet wurde. Ich rannte in Richtung der Küche, in der Hoffnung dort das Gift zu finden, da es schließlich dort jemand verwendet haben musste. Noch während ich zum Nordflügel hinüberlief, schickte ich Sero einen Text. Er arbeitete schließlich in der Küche und könnte schon einmal anfangen zu suchen.
Seros Antwort war knapp und kam schnell: Mache mich sofort auf die Suche.
Als ich schließlich vollkommen außer Atmen an der Küche ankam, war das ganze Personal in heller Aufruhr. Hektisch sah ich mich um und erkannte viele Leute der Human Hearts Organisation. Sero erblickte mich sofort und kam auf mich zu, einen durchscheinenden Plastikbeutel in der Hand. Anscheinend hatte er das Gift schon gefunden. „Mein Prinz, es ist blauer Eisenhut!", rief er, noch bevor er mich erreicht hatte.
Ich stellte eine Verbindung zur Krankenstation her und sofort meldete sich eine Stimme auf der anderen Seite, die ich direkt dem Sanitäter zuordnete. „Blauer Eisenhut!", keuchte ich noch immer atemlos. „Damit wurde Eijirou vergiftet!"
Der Sanitäter antwortete nicht direkt auf meine Aussage, aber ich hörte, wie er die Information sofort an das Ärzteteam weitergab. „Danke mein Prinz. Das ist eine wichtige Information.", sagte er schließlich ruhig, als er damit fertig war.
„Gibt es ein Gegenmittel?", fragte ich voller Hoffnung.
Der Sanitäter schwieg einen Moment. „Nein, dagegen gibt es kein Gegenmittel. Das Gift muss einfach aus seinem Kreislauf. Sie haben eine Magenspülung vorgenommen und starten die besagte Hämoperfusion, bei der die Giftstoffe durch Aktivkohle aus seinem Blut herausgezogen werden. Mehr können sie im Moment nicht tun."
„Wie stehen seine Chancen?", fragte ich mit vor Angst bebender Stimme.
Wieder dauerte es einen Moment, ehe der Mann antwortete. „Ich mache keine Versprechungen, aber ich denke, dass sie nicht allzu schlecht stehen. Er ist jung und gesund und du hast sehr schnell gehandelt. Ich denke, dass er es schaffen wird."
„Danke.", flüsterte ich unter Tränen, ehe ich die Verbindung unterbrach. Ich lehnte mich neben der Tür an die Wand und sank in mich zusammen. Ich hatte furchtbare Angst und fühlte mich gleichzeitig so unendlich machtlos, da es nichts gab, was ich für Eijirou tun konnte. Eijirou. Die Liebe meines Lebens. Was ist, wenn ich ihn verlieren würde?
Sero setzte sich neben mich. Am Rande registrierte ich, dass er das restliche Personal weggeschickt und sich eine eigenartige Stille in der Großküche ausgebreitet hatte. „Wird Kirishima es überleben?", fragte er schließlich.
Ich holte zitternd Luft. „Er hat gute Chancen.", sagte ich nur, in dem Bewusstsein, dass es keine Garantie gab.
„Blauen Eisenhut gibt es hier eigentlich gar nicht. Soweit ich weiß, kommt der nur in Mitteleuropa vor. Wir können also davon ausgehen, dass es Absicht war und niemand ausversehen eine falsche Pflanze geerntet und zu den Kräutern gelegt hat. Ganz abgesehen davon, dass die Pflanze sauber abgepackt und getrocknet war. Weißt du, wer es gewesen sein könnte?"
Ich schloss kurz die Augen, ehe ich antwortete. „Misaki.", flüsterte ich. „Ich wusste, dass sie etwas gegen ihn hat, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie zu so etwas fähig ist. Und ich Idiot habe ihr heute morgen auch noch unter die Nase gerieben, dass wir heiraten! Es ist meine schuld. Ich hätte es wissen müssen." Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte stur auf den gefliesten Boden.
„Du bist nicht schuld daran. Niemand hätte das ahnen können.", sagte Sero ruhig.
Ich erwiderte nichts. Wahrscheinlich hatte er recht, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich es hätte verhindern können, wenn ich ein wenig aufmerksamer gewesen wäre. Seufzend stand ich auf. „Ich gehe zurück zu Eijirou.", murmelte ich. Sero nickte und warf mir ein kleines aufmunterndes Lächeln zu.
Langsam ging ich die Flure entlang. Wie lange würde seine Behandlung wohl brauchen? Könnte ich bald schon zu ihm?
Als ich in die große Halle einbog, die die unterschiedlichen Gebäudeteile miteinander verband, erhaschte ich aus dem Augenwinkel, die Silhouette einer schlanken Frau mit widerspenstigen braunen Haaren. Sofort kochte die Wut in mir hoch.
„Misaki!", rief ich und meine Stimme hallte schneidend in der großen Halle wider. Zornig stampfte ich auf sie zu.
Sie drehte sich zu mir um und setzte ein überraschtes Lächeln auf. „Was gibt es, Katsuki?", fragte sie im Plauderton.
„Du verdammtes Miststück!", schrie ich sie an. Als ich direkt vor ihr zum Stehen kam, schubste ich sie gegen die Wand, packte ich sie am Kragen und hob sie einige Zentimeter in die Luft. „Du wirst bereuen, was du Eijirou angetan hast! Dafür sorge ich persönlich!"
„Lass mich runter.", zischte sie. Meine Metallhand schloss sich nur noch fester um ihren Kragen und sie gab einen erstickten Laut von sich.
Drohend bleckte ich die Zähne. „Du wirst ihm nie wieder zu nahekommen. Wenn ich auch nur sehe, dass du ihn ansiehst, werde ich - "
„Katsuki!", hörte ich eine schneidende Stimme direkt hinter mir. „Lass sie los!"
Ich fuhr herum und erblickte meine Mutter, die auf uns zugeeilt kam. Widerwillig ließ ich Misaki los, die sofort hustend in sich zusammensackte. Die Augen der Kaiserin funkelten voller Zorn. Doch ihr feuriger Blick galt nicht mir, sondern Misaki.
„Geh zu Eijirou.", sagte sie streng zu mir, den Blick weiterhin stur auf ihre Schwester gerichtet. „Ich kläre das."
Zögernd trat ich ein paar Schritte zurück. Doch dann drehte ich mich um und lief weiter zur Krankenstation. Ich bebte noch immer vor Zorn und hoffte, dass Misakis Strafe hoch ausfallen würde. Doch meine Mutter hatte recht: Eijirou war gerade wichtiger. Ich wollte unbedingt da sein, wenn er aufwachte.
Falls er aufwachte.
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