Kapitel 17: Freiheit und bittersüße Erinnerungen

Kirishimas PoV

Die folgenden Tage flogen nach meinen Gefühl nur so dahin. Mein Leben war ungewohnt unbeschwert. Ich genoss es, mich frei im Palast zu bewegen und den Palastgarten zu erkunden. Katsuki ging täglich zu seinem Unterricht, der ihn auf seine Herrschaft vorbereiten sollte. Danach aßen wir zusammen, gingen spazieren oder er zeigte mir begeistert einige Dinge im Labor.

Heute war Sonntag und wir schliefen lange. Und auch als wir aufwachten, lagen wir eine Weile einfach nur dort, tauschten kleine Küsse und Zärtlichkeiten aus und genossen die Anwesenheit des anderen. Das Vertrauen zwischen uns war nach unserem intimen Gespräch vor einigen Tagen noch einmal gewachsen und mir wurde bewusst, dass ich genau das gebrauchte hatte: Vertrauen. Nicht, dass ich ihm vorher nicht vertraut hätte, aber ich bin nun einmal ein Mensch voller Ängste. Ein Mensch, den das Leben auf die härteste Weise auf die Probe gestellt hatte. Es brauchte viel Überwindung für mich, es mir selbst einzugestehen, aber mit jeder Minute, die ich mit Katsuki verbrachte, wurde mir nur noch mehr bewusst, wie schwierig und würdelos mein Leben zuvor gewesen war.

Katsuki hatte müde die Augen noch einmal geschlossen, und erst als er sie wieder öffnete und direkt in meine sah, bemerkte ich, dass ich ihn die ganze Zeit angesehen hatte. Seine Mundwinkel zuckten ein wenig nach oben und auch ich lächelte verlegen. „Worüber denkst du nach?", flüsterte er.

„Darüber wie gut du mir tust. Ich fange gerade erst an nach und nach zu begreifen, wovor du mich eigentlich gerettet hast.", flüsterte ich zurück.

Sein Blick wurde weich und plötzlich richtete er sich auf. „Apropos, ich muss dir noch etwas geben." Er drehte sich dem Nachttisch zu und fischte ein flaches ledernes Portemonnaie aus der obersten Schublade. Dann setzte er sich wieder auf und wandte sich mir zu. Neugierig richtete auch ich mich auf. Kurz inspizierte er die vielen Kartenfächer darin, dann zog er zielgerichtet eine hervor.

Er hielt mir eine ID-Karte vor die Nase. Erst begriff ich nicht was es sollte. Die Karte war marineblau und trug das Wappen der japanischen Provinz des Asiatischen Staates. Es war eine ganz normale ID-Karte, irritiert wollte ich aufsehen, doch dann blieb mein Blick an dem Namen hängen, der darauf geprägt war. Eijirou Kirishima. Mir fiel die Kinnlade und ich starrte ihn an.

„Das ist keine Sklaven-ID!", rief ich vollkommen verblüfft aus.

„Weil du keiner bist. Nicht mehr, jedenfalls.", er grinste mich an und wedelte ein wenig mit der Karte herum, damit ich sie entgegennahm.

Zögernd streckte ich die Hand aus und schloss meine Finger um das harte Plastik. Seltsam, dass sich ein so wertloses Material nach Freiheit anfühlen konnte. „Wie hast du das gemacht? Ich dachte, das würde gar nicht gehen!"

„Der Deal mit meiner Mutter.", erklärte er schlicht. „Sie kann vieles bewerkstelligen und ich habe ihr klar gemacht, dass es notwendig ist, wenn du dauerhaft an meiner Seite bleiben sollst." Er zuckte mit den Schultern. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so einfach ist. Aber anscheinend ist sie seit meiner Einwilligung mir gegenüber deutlich zuvorkommender."

„Ich kann es gar nicht fassen.", murmelte ich.

„Du bist ein freier Mann.", sagte er lächelnd. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass jemals jemand diese Worte an mich richten würde. „Ich habe übrigens auch schon ein Konto hinterlegt."

Ich erwiderte sein Lächeln gerührt. „Ich kann es kaum erwarten, wenn ich dann über mein eigenes Geld verfüge." Die Vorstellung sich selbst völlig unabhängig nach Lust und Laune kleine Wünsche zu erfüllen, gefiel mir.

Katsuki wurde mit einem Mal rot und sah verlegen zur Seite. „Nun ja, momentan verdienst du selbst ja nichts und da habe ich einfach mein Konto hinterlegt."

Ich starrte ihn an. „Ich soll über dein Geld verfügen? Kat! Das ist ..."

„Ach Eiji, jetzt mach keine große Sache draus. Ich verfüge über sehr viel Geld und ich weiß, dass du es nicht ausnutzen wirst. Es geht mir nur darum, dass du die Möglichkeit hast, dir etwas zu kaufen, was dir gefällt oder was dir wichtig ist. Wo wir schon davon reden... meinst du nicht, dass du langsam eigene Klamotten brauchst?"

„Willst du etwa mit mir shoppen gehen?", fragte ich verschmitzt.

„Hmpf. Wenn es sein muss.", erwiderte er augenrollend. „Wir könnten uns in die Stadt fahren lassen und uns ein wenig umsehen. Ein wenig spazieren gehen. Langsam wird der Park langweilig.", schlug er vor.

Ich nickte eifrig und drückte die ID-Karte fest an meine Brust. Ein Ausflug mit Katsuki klang für mich nach einem gelungenen Tagesplan. Der Prinz schickte sogleich einen Boten los, der Bescheid geben sollte, dass wir einen Fahrer und einen Hover benötigten. So ganz konnte ich mich noch immer nicht daran gewöhnen, Befehle zu geben. Zwar war ich nicht der Prinz, aber das Personal behandelte mich ausgesucht höflich und die kleinen Bitten, die ich wagte zu stellen, hatten sie alle anstandslos entgegengenommen und erfüllt.

Gemeinsam gingen wir kurze Zeit später die Treppen herunter, durchschritten die großen Tore und traten nach draußen. So wie bestellt, stand ein Hover für uns bereit. Als wir uns dem Gefährt näherten, stieg unser Fahrer aus. Überrascht hielt ich inne, als ich Kaminari erkannte.

Dieser grinste breit, begrüßte Katsuki höflich und gab mir dann einen freundschaftlichen Handschlag. Der Prinz starrte seinen Bediensteten irritiert an und warf mir einen verwirrten Seitenblick zu. Besitzergreifend legte er mir seinen Arm um die Hüfte und öffnete mir demonstrativ die Tür. Ich grinste ein wenig in mich hinein, als mir klar wurde, dass er ein wenig eifersüchtig war.

Jedenfalls setzte er sich auf der Fahrt zu mir nach hinten und ließ kaum seine Finger von mir. Er legte mir einen Arm um die Schulter und küsste mich während unseres Gespräches hin- und wieder zärtlich und beiläufig. Mich störte es nicht, im Gegenteil. Doch als ich Kaminaris interessierten Blick im Rückspiegel bemerkte, wurde ich ein wenig unruhig.

Nicht wegen Kaminari an sich oder wegen Katsukis offener Zuneigung mir gegenüber, sondern weil ich unmittelbar an die Human Hearts Organisation denken musste und wusste, dass Kaminari weitergeben würde, wie nahe wir uns standen. Es war nicht, dass ich es verheimlichen wollte, aber Personen wie dieser Neito schienen zu denken, dass sie Katsukis Machtposition ausnutzen konnten und ich wollte nicht, dass irgendjemand dachte, ich würde ihn nur deshalb mögen.

Doch diese Gedanken rückten schnell in den Hintergrund als ich bemerkte, dass Kaminari an den Rand fuhr. Wir waren in einem recht wohlhabenden Viertel angelangt. Zwischen modernen Bauten reihten sich aufwändig restaurierte prunkvolle älterer Gebäude aneinander und in den Untergeschossen befanden sich zahlreiche Geschäfte.

Begeistert stieg ich aus und sah mich um. Viele Leute schritten eifrig die Straßen entlang und beachteten uns gar nicht. Katsuki setzte kein Zeitlimit für unseren kleinen Ausflug. Stattdessen sagte er Kaminari, dass er ihm Bescheid geben würde, wenn wir abgeholt werden mussten.

Dann fasste er mich an der Hand und zog mich in die Fußgängerzone. Ich war überwältigt von den vielen Eindrücken. In diesem Teil der Stadt war ich noch nie gewesen. In meiner Zeit als Straßenkind hatte ich solche Bezirke gemieden, da man einfach nicht gern gesehen war und vertrieben wurde. Und, nun ja, als Sklave kam ich überhaupt kaum raus. Aber jetzt war ich mitten drin und ich blieb geradezu vor jedem Schaufenster stehen. Nicht, dass ich mich für all das interessierte was darin ausgestellt war, aber allein die aufwändigen und kreativen Formen der Darbietung betrachtete ich fasziniert.

Katsuki war mein Starren nach gewisser Zeit ein wenig überdrüssig und zog mich entnervt in ein Bekleidungsgeschäft, in dem ich mir etwas aussuchen konnte. Ich war mit der schieren Anzahl an Möglichkeiten heillos überfordert und der Berater, der uns sofort zur Seite gestanden hatte, gab mir Massen an Shirts, Hemden und Hosen in den verschiedensten Schnitten und Farben.

Letztendlich gefiel mir ausgesprochen viel davon, war mir aber noch immer unsicher in meiner Wahl. Doch meistens reichte ein Blick zu Katsuki und ich wusste genau, was mir gutstand und was weniger zu mir passte. Jedenfalls waren die Blicke, mit denen er meinen Körper musterte, teilweise nicht mehr sehr öffentlichkeitstauglich. Als ich mich schließlich entschieden hatte und mich ein letztes Mal umzog, schlich er sich zu mir in die Umkleidekabine und küsste mich leidenschaftlich.

„Du weißt gar nicht wie verrückt du mich machst.", murmelte er zwischen seinen Küssen und begann meinen Hals zu liebkosen. Katsuki war in den letzten Tagen immer offensiver geworden und schien deutlich selbstbewusster, wenn es um Körperkontakt ging. Vielleicht hatte auch ihm unser kleines Gespräch geholfen.

Als wir schließlich zu Kasse gingen, zückte ich das allererste Mal meine ID-Karte. Ich beobachtete wie der Kassierer die Karte scannte und mein Herz schlug aufgeregt, bis sie akzeptiert wurde. Der leise helle Piepton, den das Scangerät dabei machte, war wie eine Bestätigung, dass ich tatsächlich von nun an ein freier Mann war.

Schließlich schlenderten wir nur noch die Straßen entlang. Katsuki hatte mir trotz meines Protestes die Tüten abgenommen. Ich war durch die Aufregung des Tages schnell müde geworden, wollte aber gleichzeitig nicht, dass er schon endete. Hand in Hand liefen wir die Straße immer weiter herunter. Die Veränderung in den Gebäuden war kaum zu bemerken, doch ich spürte, wie sich eine innere Unruhe in mir breitmachte. Zuerst konnte ich nicht benennen war es war, das unwohle Gefühl war nicht greifbar genug. Aber ich wurde immer langsamer, als das Gefühl überhandnahm.

„Was ist los?", fragte Katsuki besorgt.

Ich antwortete nicht direkt, sondern schaute mich um. War ich schon einmal hier gewesen? Dann durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ja, ich war tatsächlich schon einmal hier gewesen! Nicht oft, doch wenn wir weiter geradeaus gingen, würden wir auf den großen Marktplatz gelangen und somit in die Nähe meiner Heimat sein. Wenn man diese Straßen als Heimat bezeichnen konnte.

„Ich komme ursprünglich aus der Nähe.", erklärte ich Katsuki leise. „Wenn wir weiter geradeaus gehen, dann gelangen wir auf den Markt."

„Der Markt, wo ...?", hakte er vorsichtig nach und strich sanft über meinen linken Unterarm. Ich nickte. „Wenn du dich unwohl dabei fühlst, dann sollten wir vielleicht wieder umkehren."

Doch ich schüttelte den Kopf. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne hingehen und schauen, was sich alles verändert hat. Ich würde gerne einfach noch einmal durch die Straßen gehen, die mir früher so vertraut waren."

Katsuki lächelte sanft und nickte. Dennoch sah ich die Sorge, die sich in seinen roten Augen wiederspiegelte. Er drückte meine Hand fest, während wir unseren Weg fortsetzten. Als wir am Markt ankamen, schlug mein Herz zugegebenermaßen recht schnell. Doch es war inzwischen Abend und die Stände wurden abgebaut, wodurch eine ganz andere Atmosphäre entstand, als an jenem schicksalhaften Tag. Dennoch gingen wir zügigen Schrittes über den Platz und tauchten in die kleineren Straßen ein, wo ich so lange gelebt hatte.

Mich überkamen bittersüße Erinnerungen, als ich die vertrauten Fassaden betrachtete. Einerseits war das Leben auf der Straße recht hart gewesen, aber dennoch war es meine Kindheit. Eine Kindheit, in der ich zwei gesunde Arme hatte und frei war.

Wir gingen weiter durch die Straßen und schließlich blieb ich stehen. Ein breites Lächeln hatte sich auf mein Gesicht gelegt. Katsuki musterte mich verwirrt von der Seite, ehe er den Blick auf die Bäckerei richtete, die direkt vor uns war. Es war die Bäckerei des alten Temaro. Des Mannes, der mir mit Arbeit und ein wenig Brot immer wieder ausgeholfen hatte.

„Ich würde gerne reingehen.", sagte ich. Katsuki nickte und drückte ermutigend meine Hand.

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