Kapitel 15: Human Hearts
Kirishimas PoV
Gähnend legte ich mich in Katsukis Bett und positionierte das Tablet auf meinen Schoß. Noch nie hatte ich einfach so Freizeit gehabt. Damals auf der Straße war es ein ständiger Überlebenskampf gewesen und seitdem ich versklavt war, musste ich nur nicht arbeiten, wenn ich krank war. Der Luxus einfach einen Tag im Bett verbringen zu können und nur das zu tun, worauf ich Lust hatte, war etwas ganz Neues. Ich war alleine. Katsuki war momentan bei seinem Unterricht, den er, da er eingewilligt hatte Kaiser zu werden, wieder aufgenommen hatte.
Das Tablet war natürlich von dem Prinzen und von den meistens Apps, die darauf installiert waren, hatte ich nicht die geringste Ahnung, aber die Filmbibliothek hatte ich schnell gefunden. Auch wieder etwas Neues. Ich hatte mit Mindy am Feierabend schon einmal den einen oder anderen Film gesehen, doch die Male konnte ich an einer Hand abzählen. Jetzt jedoch stand mir ein geradezu unbegrenztes Kontingent offen und ich schaute neugierig durch das Angebot.
Katsuki schien sehr auf Action zu stehen, jedenfalls wenn man nach den Vorschlägen ging, die mir angeboten wurden. Hin- und wieder schien seine Technikaffinität durch, da auf diverse Dokumentationen in diesem Bereich verwiesen wurde. Letztendlich entschied ich mich für einen der Action-Streifen auf seiner Watch-List und kuschelte mich tief in die Kissen.
Der Film war fast zwei Stunden lang, aber er fesselte mich bis zur letzten Sekunde. Als schließlich der Abspann lief, richtete ich mich seufzend auf. Kurz überlegte ich, aber dann zuckte ich mit den Schultern und beugte mich erneut über den flachen Bildschirm, um einen neuen Film heraussuchen. Doch dann erstarrte ich, als ich ein Klopfen an der Tür hörte.
Katsuki würde nicht klopfen, wenn er mit seinem Unterreicht fertig wäre. War es vielleicht Mina? Zögernd stand ich auf, zupfte an meinem – besser gesagt Katsukis – verknitterten T-Shirt und strich mir die Haare aus der Stirn. Schließlich befand ich mich noch immer im kaiserlichen Palast und wollte nicht negativ auffallen.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und spähte hinaus. Vor mir stand eine blonde Wache, die mir ein breites Lächeln schenkte. Er hatte fröhliche fast gelbe Augen und in einer seiner Haarsträhnen war ein schwarzer Blitz eingefärbt.
„Wie kann ich helfen?", fragte ich vorsichtig. Abgesehen von Mina und Katsuki kannte ich keinen hier am Palast. Selbst die Uniformen waren mir nicht vertraut, sodass ich nicht einmal wusste, welchen Rang mein Gegenüber besaß.
„Bist du Kirishima?", fragte noch immer lächelnd, doch er musterte mich eingehend, als versuchte er mich zu entschlüsseln. Kurz blieb sein Blick an meinen Cyborg-Unterarmen und meinen verbundenen Handgelenken hängen.
Kurz zögerte ich, beschloss aber, dass es keinen Grund gab meine Identität zu verheimlichen. „Uhm ... ja der bin ich. Wieso fragst du?" Etwas unwohl verschränkte ich meine Arme von der Brust.
„Hättest du etwas dagegen mit mir mitzukommen? Nur ein kleiner Spaziergang."
Unsicher sah ich ihn an und verlagerte unbewusst mein Gewicht auf meine Fersen, um von ihm wegtreten zu können. Ich wusste nicht Recht, was ich davon halten sollte. Ich kannte mich hier am kaiserlichen Hof nicht gut genug aus, um ein solches Angebot einordnen zu können. Katsuki stand den meisten Personen am Hof recht misstrauisch gegenüber und da ich ihm vertraute, zögerte ich mit meiner Antwort.
Mein Gegenüber sah mir meine Unsicherheit natürlich direkt an. Verlegen kratze er sich am Hinterkopf. „Uhm ... Ja sorry, vielleicht kommt dir das jetzt ein wenig seltsam vor. Aber ... ich bin ein Freund von Mina und es gibt da ein paar Leute, die mit dir reden wollen."
Ich runzelte die Stirn. „Was für Leute? Was wollen die denn genau von mir?", fragte ich noch immer zögernd.
Er grinste mich an und zuckte mit den Schultern. „Das müssen sie dir selbst erzählen. Aber keine Sorge, es will dir keiner irgendetwas Schlechtes ... So wie der Prinz dich behandelt, würde das wahrscheinlich für jeden böse enden, der etwas versucht." Er lachte herzhaft und es klang freundlich und ehrlich.
Auch ich musste ein wenig schmunzeln. Bei Katsukis Temperament konnte ich mir gut vorstellen, dass er vom Personal gefürchtet war. Ich entspannte mich ein wenig. Zwar durchschaute ich das Ganze noch nicht so ganz, aber er meinte, er wäre ein Freund von Mina. Und Mina war nicht nur bei unserem ersten Zusammentreffen überaus nett gewesen, sondern genoss außerdem auch Katsukis Vertrauen.
Also beschloss ich der Wache zu folgen, die sich fröhlich plaudernd als „Denki Kaminari" vorstellte. Kaminari redete ununterbrochen über irgendwelchen Klatsch, der zwischen dem Personal verbreitet wurde und von dem ich größtenteils gar nichts verstand. Dennoch hörte ich ihm gerne zu, er war einnehmend gut gelaunt und meine vorherige Anspannung fiel nach und nach von mir ab.
Während wir durch den Palast gingen sah ich mich um. Ich war bisher nicht wirklich aus Katsukis Gemächern herausgekommen, die mir bisher als eine Art Zufluchtsort dienten. Natürlich hatte ich gewusst, dass ich mich im kaiserlichen Palast befand, aber es wurde mir erst so richtig bewusst, als ich jetzt durch die langen Flure schritt, in denen sich eine prachtvoll verkleidete Tür nach der anderen aneinanderreihte. Durch große Fenster hatte ich immer wieder Einblick in den gut gepflegten Palastgarten, der so viel größer war, als der Teil, den man von Katsukis Fenstern aus sehen konnte.
Er führte mich in einen anderen Palastteil. Die Veränderung war subtil, denn auch hier war alles gepflegt und die Ausstattung war hochwertig, aber es war nicht mehr so prunkvoll wie es vorher gewesen war. Wegen der zahlreichen geschäftigen Leute, die hier verkehrten, vermutete ich, dass hier die Angestellten lebten und arbeiteten. Als eine der Türen aufschwang schlug uns der Lärm und die Gerüche einer Großküche entgegen.
Neugierig spähte ich in die verschiedenen Räume. Schließlich jedoch kamen wir am Ende des Flures vor einer schlichten weiß gestrichenen Tür zum Stehen. Kaminari öffnete sie und machte eine einladende Geste mit der Hand, um mich zuerst eintreten zu lassen.
Der Raum erinnerte ein wenig an ein Lager. Jedenfalls wirkten die stählernen Regale an der Wand so, als wäre der Raum ursprünglich sehr zweckmäßig möbliert worden. Doch die Regale waren zum Teil leer und gegeneinander geschoben, sodass in der Mitte Platz für etwas Anderes geschaffen wurde: Verschiedene zusammengewürfelte Sitzgelegenheiten – Sofas, Sessel und gepolsterte Stühle mit breiten Armlehnen – standen darin und bildeten einen Kreis um einen niedrigen Couchtisch. Es wirkte sehr gemütlich, doch wenn ich an den durch und durch fein eingerichteten Palast dachte, überkam mich das Gefühl, dass dieser Raum allein von den Anwesenden genutzt und zusammengestellt wurde.
Der Raum war voller Leute, die alle verschiedene Dienstuniformen trugen. Alle redeten wild durcheinander, doch als Kaminari die Tür hinter uns schloss, schauten sie von ihren Gesprächen auf und als sie mich erblickten verstummten alle.
Nervös sah ich in die Runde. „Uhm ... Hallo.", sagte ich schüchtern, da sie mich alle erwartungsvoll ansahen. Einige grüßten mich zurück, doch es herrschte allgemeine Anspannung. Als ich in die Runde sah, erblickte ich Mina, die sich auf der Lehne eines Stuhl niedergelassen hatte, auf dem ein schwarzhaariger junger Mann saß. Er hatte den Arm um ihre Hüfte gelegt und hatte einen freundlichen, aber ernsten Gesichtsausdruck aufgesetzt.
„Kiri, komm setz dich!", sagte Mina lächelnd und deutete auf den leeren Stuhl neben sich.
Verunsichert ging ich darauf zu und setzte mich, wohlwissend, dass alle Augen auf mich gerichtet waren. Kaminari folgte mir und setzte sich auf einen Sessel zu meiner anderen Seite. „Weshalb sollte ich herkommen?", fragte ich schließlich, in Ermangelung eines anderen Gesprächseinstiegs.
„Du bist also der Sklave, der von dem Prinzen gerettet wurde?", fragte der Mann zu Minas Seite neugierig. Er lehnte sich ein wenig vor, um an Mina vorbeizulangen und mir eine Hand hinzuhalten. „Hanta Sero.", stellte er sich vor.
Ich nickte und ergriff seine Hand. „Eijirou Kirishima."
„Es hat uns alle sehr überrascht, dass der Prinz einen Sklaven rettet. Einen Cyborg, obwohl sich doch seine ganze Familie zu Leuten wie uns nicht gerade positiv äußert."
„Katsuki ist anders.", erwiderte ich stirnrunzelnd.
„Das sagt Mina auch immer, aber warum sie so denkt, wollte sie uns bisher nicht verraten.", meinte Kaminari schulterzuckend. „Aber diese Tat war tatsächlich ungewöhnlich. So etwas hat keiner hier erwartet."
Ich runzelte die Stirn. Dann hatte Mina den Anwesenden Katsukis Geheimnis, dass er ein Cyborg ist, wohl nicht verraten. Natürlich würde ich das ohne sein Einverständnis auch nicht tun. „Was meinst du mit Leuten wie uns?", fragte ich Sero schließlich.
„Cyborgs.", erwiderte er schlicht und machte eine ausholende Geste, die den ganzen Raum umfasste.
Ich betrachtete die Anwesenden. Nicht bei allen sah man es, doch bei auffällig vielen erkannte ich an dem einen oder anderen Körperteil das metallische Glänzen einer künstlichen Prothese. Ich schüttelte verwirrt den Kopf. „Was ist das hier? Eine Art geheimes Treffen von Cyborgs oder wie soll ich das verstehen? Warum habt ihr mich dazu geholt?"
„Ich habe die Anwesenden davon überzeugt, dass du herkommen sollst.", meinte Mina und meine Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. „Diejenigen, die es als zu unsicher empfanden, sind heute nicht erschienen." Sie holte tief Luft und sah mir dabei tief in die Augen. „Eijirou, das was hier besprochen wird, darf nicht nach außen gelangen."
Ich versteifte mich. „Aber mit Katsuki kann ich schon darüber reden, oder?"
Sie schwieg einen Moment. „Wenn du meinst, dass du ihm diese Informationen anvertrauen kannst, dann ja.", sagte sie zögernd.
„Hey, du kannst das nicht so einfach beschließen Mina! Es ist schon riskant einen Fremden einfach so einzuweihen, aber der Prinz ist noch einmal eine ganz andere Nummer.", rief ein blonder Mann von der anderen Seite des Raumes.
Mina warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Ach halt die Klappe, Neito! Wenn wir nichts riskieren, werden wir niemals weiterkommen. Außerdem wird Kiri sehr gut einschätzen können, wie der Prinz darauf reagieren wird. Jetzt sei doch nicht immer so verdammt misstrauisch!" Der Kerl namens Neito klappte den Mund zu, starrte mich aber dennoch abschätzig an.
Dann wandte Mina sich wieder mir zu. „Kiri, hör mir genau zu: Wir sind eine Untergrundorganisation von Cyborgs. Wir nennen uns die Human Hearts Organisation und wollen die gesellschaftlichen Missstände, in denen Cyborgs unterdrückt und versklavt werden aufdecken und bekämpfen."
Ich starrte sie verblüfft an. „Okay ... aber was wollt ihr ausgerechnet von mir?"
„Du bist dem Prinzen wichtig genug, als das er vielleicht auf dich hören würde. Du könntest ihn beeinflussen!", sagte Neito mit einem verschlagenen Grinsen.
Mina schaute ihn böse an. „Hier hat niemand von Beeinflussung gesprochen!", keifte sie ihn an. Dann sah sie wieder zu mir. „Aber ja, wenn wir dauerhaft etwas ändern wollen brauchen wir jemanden an einer hohen Position, der für die Cyborg-Rechte einsteht. Unser Prinz würde sich dafür eignen."
Ich schluckte schwer. Die Nummer schien mir ein wenig zu groß für mich, aber Katsuki würde das sicherlich gefallen. Mina konnte den anderen nicht erzählen, warum sie dachte, dass er sich für die Cyborgs einsetzten würde. Ich war ihr Argumentationsmittel, ihr Beweis, dass der Prinz sich für die Organisation interessieren könnte.
Ich nickte bedächtig und vertraute Mina, dass sie nichts von mir verlangen würde, dass mir oder Katsuki schadete. „Okay, dann erzählt mir, was ihr vorhabt."
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