Kapitel 12: Die Gemächer des Prinzen
Kirishimas PoV
Als ich wieder zu mir kam, spürte ich eine seltsame Zufriedenheit. Selten hatte ich mich so ausgeruht gefühlt. Ich seufzte und wollte mich in dem weichen Bett um die eigene Achse drehen, als mich eine Hand an der Schulter zurückhielt. Ich zuckte zusammen, da ich nicht mit einer solchen Berührung gerechnet hatte.
„Zieh nicht die Infusion raus.", sagte eine tiefe raue Stimme. Katsuki. Noch bevor ich die Augen öffnete, musste ich lächeln.
Als ich sie schließlich aufschlug, blickte ich direkt in Katsukis Gesicht. Seine roten stechenden Augen musterten mich besorgt. Etwas verwirrt sah ich mich um. Ich lag in einem großen Himmelbett. Die Satinvorhänge waren von hellem orange und die Borten mit schwarzen Mustern verziert. Jedoch waren sie recht grob beiseite gebunden und der Knoten sah ziemlich fest aus. Ganz als ob jemandem Satin so gar nichts gefiel.
„Wie geht es dir?"
Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den blonden Mann zu meiner Seite. „Ziemlich gut.", antwortete ich stirnrunzelnd. „Wo bin ich hier? Und wie lange war ich weggetreten?"
„Wir sind im Palast. Besser gesagt in meinen Gemächern. Du warst fast zwei Tage ohne Bewusstsein, aber jetzt müsstest du es überstanden haben." Katsuki lächelte sanft und fasste nach meiner Hand. Unwillkürlich folgte mein Blick seiner Bewegung und ich erstarrte.
Die Metallplatten an meinen Unterarmen sahen völlig verändert aus. Das Metall war nicht mehr starr und unbiegsam, sondern war mit unglaublich vielen kleinen Fugen versehen, sodass sich ein spinnennetzfeines Muster ergab. Zu meinem Ellenbogen hin formten sich kleine Spitzen aus, sodass sich mein metallischer Unterarm fließend in die Haut meiner Oberarme einfügte. Meine Handgelenke waren verbunden und ich konnte weder sehen noch richtig fühlen, wie die Schnittstelle zu meinen Händen aussah. Doch genau darin bestand der Unterschied: Ich konnte die Schnittstelle nicht fühlen! Daher vermutete ich, dass sie dort ähnlich aussah wie die zu meinen Oberarmen. Es hatte mich nie großartig gestört, aber die Kante des Metalls hatte zuvor bei bestimmten Bewegungen an der Haut gerieben und mich stetig daran erinnert, dass ich nicht rein menschlich war.
Katsuki war meinem Blick gefolgt und sah mich grinsend an. „Maijima und ich haben ein paar Verbesserungen vorgenommen. Hauptsächlich aber mussten wir die Schnittstelle zu deinen Handgelenken versorgen. Wir hatten Glück und konnten alle Nerven erhalten. Die Nerven, die sie damals bei deiner ersten Operation nicht richtig vernetzt hatten, waren leider nicht mehr zu retten, daher habe ich sie durch künstliche ersetzt. Neuste Technologie, ist ziemlich einzigartig. Zuletzt hat Maijima die Schnittstelle zu deinem Sehnerv überprüft. Wie ich es mir schon gedacht hatte, war die Verbindung zur Bildverarbeitung fehlerhaft. Du solltest keine unerwünschten Bilder mehr sehen." Seine Augen leuchten mich begeistert an.
Ich lächelte und bewegte mein linke Hand. Die rechte hatte Katsuki in Beschlag genommen und ich wollte sie ungern seiner beruhigenden Berührung entziehen. An der linken Hand hatte ich stets mit Taubheitsgefühl zu kämpfen gehabt. Doch davon war nichts mehr zu merken. Als ich meine Handgelenke drehte, sah ich, wie sich die vielen Fugen an meinen Unterarmen geschmeidig verschoben, um der Bewegung zu folgen.
„Wahnsinn.", flüsterte ich. Meine Cyborg-Bestandteile fühlten sich so an, als wären sie ein Teil meines Körpers. Dann jedoch befiel mich ein schlechtes Gewissen. „Hast du das alles gezahlt? Tsumo würde sicherlich ni-"
„Um Tsumo brauchst du dir keine Gedanken machen. Nie wieder.", unterbrach er mich. Ein harter Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen, doch als ich ihn verwirrt ansah, wurde seine Miene wieder weich. „Eijirou, du gehörst ihm nicht mehr. Ich habe dich ihm ... abgekauft." Er betonte das letzte Wort seltsam, als wäre es ihm zuwider.
Meine Verwirrung wich Schock. Und dann verspürte ich unglaubliche Erleichterung. Tränen stiegen mir die in die Augen und ich konnte nicht verhindern, dass sie mir über die Wange liefen, bevor ich mir über das Gesicht wischen konnte. Den Traum, jemals aus dem Bordell zu entkommen, hatte ich schon vor einiger Zeit aufgegeben.
„Sorry, Eijirou. Mir schien das der einzige Weg zu sein. Aber vertrau mir, ich möchte mich nicht als dein neuer Besitzer aufspielen!", sagte er beschwichtigend, da er meine Tränen fehlinterpretierte.
Ich lachte leise und strahlte ihn an. „Katsuki. Du ... bist wirklich das Beste was mir je passiert ist." Ich wurde rot, als mir klar wurde wie kitschig das klang.
Doch Katsuki schien nur erleichtert, dass ich die Botschaft positiv aufnahm. Er lächelte ein wenig und verschränkte seine Finger mit meinen. „Ich werde dafür sorgen, dass du eine autorisierte ID-Karte erhältst. Damit du ein eigenständiges Leben führen kannst. Dieser Tsumo schien ja nicht sonderlich viel von Freiheit zu halten." Den letzten Satz brachte er nur knurrend über die Lippen.
Ich biss mir verlegen auf die Unterlippe. „Das kannst du ihm nicht übelnehmen."
„Tch. Kann ich wohl."
Ich kicherte. Dieser Trotz war aus irgendeinem Grund unfassbar charmant. „Nein wirklich. Ein knappes halbes Jahr nachdem mich Tsumo gekauft hatte, hatte ich versucht zu fliehen. Damals ging das Trinkgeld, das mir die Kunden gaben, auf ein eigenes Konto." Ich zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Ich bin geflohen, wurde aber natürlich sofort erwischt. Sobald ich auf das Konto zugegriffen hatte, wusste Tsumo wo ich war. Also hatte er mich wieder ins Bordell geschleppt und mir die Autorisierung entzogen."
Katsuki schaute finster drein. „Es hätte jeder versucht da herauszukommen! Das hätte er dir nicht übelnehmen dürfen!"
Ich zuckte wieder mit den Schultern und lächelte ihn an. „Immerhin hatte ich ein Dach über dem Kopf und genügend zu essen."
Der Prinz starrte mich ungläubig an. „Fuck. Wie kannst du bei all dem so positiv bleiben?"
Mein Lächeln gefror ein wenig, als ich darüber nachdachte. „Ich schätze ... es wäre schlimmer gewesen, wenn ich nicht an den positiven Dingen festgehalten hätte. Du musst verstehen, dass ich nicht damit gerechnet hatte dort jemals rauszukommen. Es war mein Leben und ich habe versucht das Beste daraus zu machen."
„Du bist ... erstaunlich.", stellte er stirnrunzelnd fest. Nach einem kurzen Moment der Stille fragte er: „Kannst du dich aufsetzten?"
Ich nickte und stemmte mich hoch. Meine Handgelenke schmerzten noch etwas, aber es war nicht allzu schlimm. Dann zog Katsuki vorsichtig die IV-Nadel aus meiner Ellenbeuge. Mit einem kleinen Tuch desinfizierte er die Stelle, bevor er ein kleines Pflaster darauf klebte. Ich beobachte ihn lächelnd dabei. So grob und hitzköpfig er sich auch nach außen gab, sprachen seine Finger von unglaublicher Feinfühligkeit.
„Ich hole eben etwas zu essen. Warte einen Augenblick." Er warf mir ein kleines Lächeln zu, dann stand er auf und verschwand durch die Tür.
Die Stille, die folgte war ein wenig unangenehm. Ich befand mich in Katsukis Gemächern. In den Gemächern des Prinzen. Genauer gesagt in seinem Bett. Es war neu für mich, dass sich jemand so um mich sorgte und für mich einsetzte wie Katsuki es tat. Ich mochte ihn so sehr und hoffte, dass er deswegen nicht in Schwierigkeiten geriet. Mein Blick schweifte durch den großen hohen Raum. Er war bemerkenswert unpersönlich. Dann bemerkte ich das Diadem auf dem Nachttisch. Ich legte mich auf die Seite und betrachtete das funkelnde Schmuckstück. Noch nie zuvor hatte ich etwas so Wertvolles gesehen. Zögernd streckte ich meine Hand danach aus und fuhr federleicht über die Diamanteinfassung.
Die Tür ging auf und ich zuckte zurück, in dem Gefühl etwas Verbotenes getan zu haben. Doch als ich den aschblonden Haarschopf des Prinzen erblickte, atmete ich erleichtert auf. Katsuki trug ein Tablett in den Händen und ich richtete mich wieder aus meiner halbliegenden Haltung auf. Der Duft, der mir entgegenstieg, ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Vorsichtig stellte Katsuki das Tablett auf meine Knie, damit ich einigermaßen bequem essen konnte. Ich starrte auf den großen Teller, der in der Mitte platziert war. Bohnen, gebratene Kartoffeln und ein großes saftiges Stück Fleisch lagen sauber angerichtet darauf. Fleisch. Seit dem Fiasko damals hatte ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Doch jetzt gierte ich geradezu danach. Vorsichtig nahm ich das Silberbesteck in die Hände und begann eine kleine Scheibe davon abzuschneiden. Das Innere war rosarot und als ich den Bissen in den Mund schob, bezweifelte ich, dass ich jemals etwas so Gutes gegessen hatte.
Ich schloss die Augen und genoss jeden Bissen. Die Bohnen waren frisch und zart und die Kartoffeln genau richtig geröstet. Aber das Fleisch toppte tatsächlich alles. Ich gab ein genießerisches Seufzen von mir.
Katsuki schnaubte amüsiert. „So gut?"
Ich nickte bekräftigend. „Ich habe noch nie etwas so Gutes gegessen!"
Da wurde sein Blick auf einmal wieder ernst. Und als ich das Messer zu Seite legte und nur noch die letzten Bohnen mit der Gabel aufspießte, griff Katsuki wieder nach meiner Hand. Ich verschränkte meine Finger lächelnd mit seinen. Dann legte ich auch die Gabel nieder und seufzte erneut. Satt und zufrieden.
Mein Blick fiel wieder auf das Diadem und ich runzelte ein wenig die Stirn, unsicher wie ich das Thema ansprechen sollte. „Ich danke dir. Ich weiß gar nicht, ob ich dir jemals genug danken kann für das, was du für mich getan hast.", flüsterte ich schließlich. „Ich hoffe, dass du wegen mir nicht in Schwierigkeiten geraten bist."
Katsukis Griff um meine Hand wurde ein wenig stärker und er blickte ernst drein, als er antwortete. „Noch bin ich nicht in Schwierigkeiten geraten, aber ich glaube nicht, dass das was Gutes ist."
Verwirrt legte ich den Kopf schief.
„Meine Mutter – die Kaiserin – wird mit Sicherheit davon erfahren haben. Aber sie hat mich noch nicht zu sich bestellt. Das bedeutet, dass sie intensiv überlegt, wie sie mich dafür bestrafen kann. Sie wird es wohl diesmal nicht bei einer einfachen Standpauke belassen."
„Katsuki... das tut mir leid. Kann ich irgendetwas für dich tun? Gibt es eine Aufgabe, die ich hier übernehmen kann?"
Er lächelte mich sanft an und legte mir eine Hand an die Wange. „Wir werden schon irgendetwas finden, aber erst, wenn du vollkommen wiederhergestellt bist. Jetzt wäre es einfach nur schön, wenn du ein Stück zur Seite rücken würdest."
Ich blinzelte verwirrt.
Er lachte leise. „Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen und du liegst in meinem Bett." Verschmitzt sah er mich an.
Auch ich musste ein wenig schmunzeln, tat aber bereitwillig wie mir geheißen. Der Prinz ließ sich schwer neben mich ins Bett fallen und wandte sich mir zu. Einen Moment lang lagen wir uns schweigend gegenüber. Ich genoss seine Nähe und hob vorsichtig die Hand, um seine Wange zu berühren. So viel Erfahrung ich auch mit Körperlichkeit hatte, war es etwas Neues für mich jemanden wirklich berühren zu wollen. Kurz schwebten meine Finger über seine makellosen Haut, ehe ich seine Wangenknochen nachfuhr. Katsuki schloss bei dem zaghaften Kontakt kurz die Augen und lächelte leicht.
Dann lehnte er sich vor und einen Augenblick später spürte ich seine weichen warmen Lippen auf meinen. Vorsichtig, beinahe schüchtern, bewegte er sie gegen meine und ich erwiderte den sanften Kuss aus tiefstem Herzen. Mein Herz schlug wild in meiner Brust. Ich wurde schon so oft in meinem Leben geküsst, aber kein Kuss war vergleichbar mit diesem. Es war so echt, so gefühlvoll und vor allem so unglaublich sanft. Es war alles anders, denn es war Katsuki, den ich küsste. Etwas selbstbewusster vergrub ich meine Hand in seinen aschblonden Haaren, als mir eines klar wurde: Ich hatte mich in ihn verliebt.
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