Express

Professor Longbottom hatte sie nach Erledigung der Einkäufe noch zwischen den zunehmenden Menschenmassen in den Gassen zurück durch den Tropfenden Kessel in den bekannteren Teil Londons geführt, jedoch nicht bevor er sich seiner Begleiter erbarmt hatte und an alle Kleidungsstücke von Aviana's zukünftiger Uniform einen Namenszettel gezaubert hatte.

„Sie sind nicht sonderlich fest, ich rate Ihnen also nach Ankunft schnell bei Madame Pomfrey vorbeizugehen. Ungleich meiner Fähigkeiten sind ihre Stopf- und Befestigungszauber 1a."

Nach einem Blick auf seine Uhr war klar, dass er sie nicht mehr bis zum Gleis in Kings Cross begleiten konnte. Stattdessen hatte er ihnen genaue Anweisungen gegeben, wie sie zum Gleis 9 3/4 gelangen würden und verabschiedete sich, nachdem er ihnen eingebläut hatte, dass der Zug um Punkt elf Uhr fahren würde.

Nun standen Vater und Tochter Hand in Hand zwischen den Gleisen 9 und 10 und konnten sich beim Anblick der Ziegelmauer beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie da ohne gebrochene Nase und ausgerenkter Schulter auf einem Gleis landen konnten, das auf keiner der Situationspläne zu finden war, ganz zu schweigen von einem Zug, der um diese Zeit fahren sollte.

Evan fühlte sich veräppelt und spürte langsam den Anfang von Wut auf den Professor in sich aufkommen, das sah Aviana in seinem Blick. Und sie konnte es nachvollziehen. Schließlich war sie selbst auch hin und her gerissen. Wenn man Magie aus der Gleichung ließ, dann hätte der Lehrer ihnen auch sagen können, sie sollten mit einem Besen zu dieser Schule fliegen, das wäre etwa gleich unsinnig gewesen.

„Daddy", Aviana zog an seiner Hand. „Es ist Magie, weißt du. Professor Longbottom hat doch gesagt, dass alles so aussieht, weil Nicht-Magier das alles nicht mitkriegen dürfen. Du ... du kannst auch jetzt schon nach Hause fahren, dann musst du nicht zuschauen."

Evan sah in das Gesicht seiner Tochter, das mit ihrem unsicheren und gleichzeitig warmen Ausdruck so sehr an das eines anderen Menschen erinnerte.

Er ging vor ihr in die Knie und griff nun auch nach ihrer linken Hand. „Maus, ich kann dich doch nicht einfach ..."

Seine Ansprache wurde durch eine Gruppe bestehend aus drei Personen, die eben an ihnen vorbeigegangen war, unterbrochen. Es sah so aus, als wäre es eine Familie, denn das junge Mädchen, das ihren Trolley an ihnen vorbeischob, war flankiert von einer Frau und einem Mann, die ihre Hände auf ihrer Schulter gelegt hatten. Auf ihrem Trolley befand sich ausserdem ein Käfig, in der eine graue Eule den Kopf unter einer ihrer Flügel gesteckt hatte und sich scheinbar kein bisschen an der Hektik an diesem Ort störte.

Aviana erkannte aus dem Augenwinkel, dass auch ihr Vater seine Augen nicht von den Dreien nahm. Gemeinsam achteten sie genaustens auf ihre Schritte, um nichts zu verpassen.
Und obwohl Aviana die Luft scharf einsog und neugierig vorgelehnt war, so versteifte sich der Griff ihres Vaters um ihre Hände, als die Wand alle drei von der einen Sekunde auf die nächste verschluckt hatte.

Evan rieb sich die Augen. „Hast du das gesehen, Maus? Sie sind einfach verschwunden."

Aviana zog abermals sanft an seinen Händen und bewegte ihn somit zum Aufstehen.
„Wir rennen, ok?"

Die gesamte Situation musste absolut unsinnig auf ihren Vater wirken. Sie verstand es ja selber nicht. Aber sie hatte es soeben mit eigenen Augen gesehen und wusste einfach, dass es richtig war.

Aviana blickte ihren Vater, wie sie hoffte, ermutigend an und lächelte. Der unsichere Ausdruck wandelte sich vor ihren Augen zu einem entschlossenen und auch er rang sich nun ein Lächeln ab.
Er nickte, löste den Griff um ihre linke Hand, schnappte sich den Koffer und sah sich um.

„3, 2, 1!", wisperte seine Tochter und gemeinsam brachten sie die letzten Meter hinter sich.
Just in dem Moment, in dem sie beide zusammenzuckten, wurde die rostbraune Backsteinmauer durch einen anderen Anblick ersetzt.

Über ihnen glänzte ein Schild mit den Ziffern 9 3/4 und vor ihnen stand eine in Dampf gehüllte scharlachrote Lokomotive, vor der sich die ersten Kinder bereits von ihren Eltern, Geschwistern oder Großeltern verabschiedeten und in einem der zahlreichen Wagen verschwanden.

Langsam setzten sie sich wieder in Bewegung und kämpften sich auf der Suche nach einem freien Platz mit großen Augen durch die wild durcheinander rufende Menschenmenge.

„Pass auf deine Schwester auf!"

„Wir sehen uns Weihnachten!"

„Und vergiss nicht, Klove zu schicken."

Beim Anblick der älteren Kinder, die sich nicht schnell genug von ihren Eltern verabschieden konnten und derer ihres Jahrgangs, die jede letzte Sekunde bei Mama und Papa auskosteten, realisierte auch Aviana, dass sie ihren Vater nun ganze zehn Monate nicht mehr sehen würde und ihr Herz wurde schwer. In den letzten elf Jahren war sie bisher erst einmal länger als einen Tag nicht um ihn gewesen und das war, als sie dank einigen lieben Eltern ihrer Mitschülern auf die einwöchige Klassenfahrt mitkonnte, die sich die Familie Pelver nicht hatte leisten können.

Evan, der in der Zwischenzeit durch die Fensterfront ein Abteil gefunden hatte, das bis auf einen Platz noch frei war, blieb vor der Tür stehen und Aviana schaute zwischen ihrem Koffer und ihm hin und her.
Weder der Lockenkopf noch ihr Vater wussten, was sie sagen sollten und so schlang sie ihre Arme einmal ganz fest um seine Mitte. Zehn Monate ohne den vertrauten Druck um ihre Schultern, wenn er sie so in die Arme nahm wie gerade eben. Zehn Monate ohne Wochenend-Film-Abende und Donnerstag-Abend-Kissenschlachten.
Zehn Monate fühlten sich gerade an wie eine halbe Ewigkeit.

Er beugte sich zu ihr runter, hielt sie fest und drückte ihr einen Kuss auf den Kopf. Ihre glitzernden Augen trafen auf seine, als sie sich aus seiner Umarmung gelöst hatte.

Evan hatte soeben den Mund geöffnet, doch der erste Pfiff der des Schaffners erlaubte keine große Rede. Und so blieb Evan nichts Anderes übrig, als ihr eine gute Reise und ein tolles Schuljahr zu wünschen. „Ich werde da sein im Juli. Und jetzt ab mit dir. Auf ins neue Abenteuer."

Und mit diesem letzten Satz machte er ihr das beste Geschenk, denn, wenn es etwas gab, was Aviana liebte, dann waren das Abenteuer. Die Tränen versickerten in ihrem Ärmel und sie grinste, bevor sie in den Waggon sprang. Evan drückte die Tür zu just in dem Moment, als der zweite Pfiff ertönte und nach dem dritten hing sie sich aus dem Fenster und winkte ihrem immer kleiner werdenden Vater zu.

„Entschuldige, ist hier noch frei?", fragte sie das Mädchen im Abteil gegenüber, nachdem sie sich zurück in den Gang gedrückt hatte. Es war das Mädchen, das sie vor der Barriere gesehen hatten.

„Na klar, komm nur rein", erwiderte sie mit einer einladenden Handbewegung. Und nachdem Aviana ihren Koffer unter den Sitz geschoben hatte, streckte die Dunkelhaarige ihr die Hand entgegen. „Ich bin Anouk. Schön, dich kennenzulernen."

Anouk saß bereits in ihrer Schuluniform auf der Sitzbank in Fahrtrichtung, neben sich die Eule im Käfig, die noch immer schlief, und lächelte sie freundlich an.

„Aviana und die Freude ist ganz meinerseits. Bist du auch zum ersten Mal auf dem Zug?"

Anouk nickte und meinte: „Ja, konnte es kaum erwarten. Ich habe mit meinen Eltern meine Schulsachen eine Woche nachdem der Brief angekommen ist, gekauft."

Aviana hob erstaunt die Augenbrauen und fragte interessiert nach, wie es für ihre Eltern gewesen war, als der Brief angekommen war und war überrascht, dass weder Vater noch Mutter über die Einladung verwundert waren.

„Heißt das, deine Eltern sind auch Magier?"

Anouk's „Klar" und das darauffolgende Schulterzucken wirkten, als wäre diese Tatsache das Normalste der Welt.
Aviana brauchte nicht ihre Spiegelung im Fenster zu sehen, um zu wissen, dass sie ihre neue Bekanntschaft mit großen Augen ansah und es entstand schnell eine angeregte Unterhaltung über ihrer beider Herkunft und Familien.

Dabei erfuhr Aviana, dass Anouk's Vater Sportler und ihre Mutter sowas wie eine Ärztin war. Aviana befand, dass 'Quiberon Quafflepunchers' ein sehr lustiger Name für eine Sportmannschaft wäre und lernte sogleich, dass das für Quidditch-Verhältnisse noch nichts war. „Besser als 'Heidelberger Vandalen' oder 'Eintracht Pfützensee'. Wer nennt seine Quidditch-Mannschaften so?"

In den folgenden zwei Stunden lernte Aviana das Mädchen ihr gegenüber und die Zaubererwelt als Ganzes etwas besserkennen.

Anouk's verständnisloses Kopfschütteln änderte nichts daran, dass Aviana sie für die nächste halbe Stunde über die neu entdeckte Sportart mit Fragen löcherte. Am Ende war sie sich sicher, dass sie wenigstens einmal in ihrem Leben auf einem Besen fliegen würde.

Mit ihren zwei älteren Brüdern und Eltern lebte Anouk Sandre in Sutton, einem Außenbezirk Londons. Bastien, der älteste Bruder hatte letztes Jahr seine Schulbildung abgeschlossen und trat nun in die Fußstapfen ihrer Mutter. Er befand sich seit einem Jahr in der Ausbildung zum Heiler – Ich glaube, ihr nennt sie Ärzte –, während Noam mit seinem dritten Schuljahr in Hogwarts startete.

„Er findet es bloß zu peinlich bei seiner kleinen Schwester zu sitzen, deswegen ist er mit seinen Freunden irgendwo im Zug", schloss sie augenrollend.
Aviana mochte Anouk und war froh, dass sie mit ihr die lange Zugreise verbringen konnte.
„Und was ist mit dir? Ich hab dich nur mit deinem Vater gesehen. Was arbeitet er?"

„Oh, also er ist Gärtner", ereiferte sich Aviana.

„Gärtner?", fragte ihr Gegenüber ungläubig nach, worauf Aviana trotz Sympathie für das Mädchen mit den leuchtend braunen Augen etwas vorsichtig wurde.

Sie hatte sich in der Schule schon zu oft unfreundliche Sprüche anhören müssen. Die spöttischen Bemerkungen und belustigten und erhabenen Blicke einiger ihrer Mitschüler war etwas, was sie nie mehr sehen wollte.
Das hier war ein Neustart und doch hatte Anouk so aufgeschlossen gewirkt, dass sie es ihr erzählen wollte.

Etwas unsicher nickte sie und sah kurz darauf, wie ihrer Reisepartnerin ein Licht aufzugehen schien.
„Achso, er ist ein Muggel."

Und da war es wieder. Das Wort, das sie nun bereits zum dritten Mal hörte und noch immer nicht wusste, was es bedeutete.

„Ein ... Muggel?"

Anouk nickte eifrig, was ihre beinahe schwarzen Fransen tanzen ließ. „Einen Menschen, der der Magie nicht mächtig ist, nennen wir einen Muggel. Du bist also muggelstämmig. Oder ist deine Mutter eine Hexe? Dann wärst du halb-blütig."

Muggel, halb-blütig. Mal ganz abgesehen von den seltsamen Worten war sie mit der letzten Frage etwas überfordert. Es war eine harmlose Frage, wenn man die mögliche Antwort nicht kannte, und zugegeben; als der Professor ihr den Brief überreichte und all die Wochen und Monate danach, war es niemals ein Gedanke gewesen – weil Aurelia Pelver seit Jahren kein Gedanke mehr war –, dass diese Offenbarung vielleicht gar nicht so unerwartet hätte sein sollen. Als wäre die jetzige Auseinandersetzung mit dem zweiten Elternteil und den vielen möglichen Szenarien darum viel zu spät gefolgt.

Der gedankenverlorene Blick Aviana's schien auch Anouk aufzurütteln und sie schien sich selbst zu fragen, ob das nicht doch etwas zu persönlich war.
„Sorry, du musst nicht antworten. Es war nicht meine Absicht zu bohren."

„Meine Mutter hat uns verlassen, als ich zwei war. Ich kann mich nicht wirklich an sie erinnern. Mein Vater hat mir erzählt, dass sie als Übersetzerin arbeitete."

Diese Erinnerung ließ sie nun wieder etwas befreiter atmen. Sie kannte ihren Vater. Wenn er ihr nie etwas dergleichen gesagt hatte und über den Brief genauso überrascht war wie Aviana, dann war ihr das Beweis genug.

„Ich glaube nicht, dass meine Mutter eine Hexe war, nein. Aber wie ist es denn so, in einem Haushalt mit Zauberern und Hexen aufzuwachen?"

Die Spannung war gelöst und die beiden Mädchen tauschten wieder rege aus, wobei Anouk genauso viel Neues lernte wie Aviana.

Vier Stunden nach Abfahrt in Kings Cross entschuldigte sich Aviana, um auf Anouk's Rat in ihre eigene Schuluniform zu wechseln – Die Toiletten sind zwei Stunden vor Ankunft dauerhaft besetzt, da gehst du lieber jetzt.

Als sie zum Abteilzurückkehrte, sah sie, dass sie nicht mehr nur zu zweit waren. Ein Junge hatte sich mit einigem Abstand zum Käfig auf Anouk's Bank gesetzt.
Sein Kopf hing zwischen seinen hochgedrückten Schultern, doch Aviana fielen neben seiner gebeugten Körperhaltung auch seine eisblauen Augen auf, die größtenteils auf den Vogel gerichtet waren, jedoch einige Male kurz zu ihr huschten.

„Ich hab Anthony reingelassen, weil ihn mein Bruder und seine Freunde durch den Gang gejagt haben. Das ist ok für dich, oder?", vergewisserte sich Anouk.

„Klar doch. Hi Anthony, ich bin Aviana."

Sie streckte ihm ihre Hand hin, die er zögerlich aber mit festem Druck schüttelte.

„Warum haben sie dich durch den Zug gejagt?", fragte sie, nachdem sie sich ihm gegenüber wieder hingesetzt hatte.

Er zuckte bloß mit den Schultern und sah dann auf das kleine Tischchen an der Aussenwand auf dem sich nun einige kleine Schachteln befanden. In der Zeit, in der Aviana weg war, war die Lunch-Lady nochmals vorbeigekommen, doch ungleich dem letzten Mal hatte Anouk sich und den anderen beiden nun je eine goldene Schachtel und eine Schachtel mit bohnenförmigen Süßigkeiten als Inhalt besorgt.

Dass sie zu dritt dennoch mehr als genug Platz in den Mägen für all die Leckereien hatten, zeigten die allesamt leeren Verpackungen, die sich nun im kleinen Abfalleimer stapelten und die ausgelassene und aufgedrehte Stimmung unter ihnen. Ob Anthony wegen des Zuckerhochs etwas lockerer geworden war, oder ob es die restliche Zeit der Zugfahrt war, die ihn auftauen ließ, konnte Aviana nicht sagen. Was sie jedoch wusste, war, dass sie sein trockener Humor immer wieder zum Lachen brachte – Im schlimmsten Fallübernehme ich den Job der Lunch-Lady. Oder wäre das der beste Fall? –und dass sie froh war, auf Anhieb zwei Freunde gefunden zu haben.

Sie konnte es kaum erwarten, die beiden noch besser kennenzulernen. Herauszufinden wie Anouk wusste, dass sie eine Hexe war und wer Anthony's Eltern waren. Die zehn Monate auf dem Internat fühlten sich bereits weniger einsam an. Wenn alle Magier und Magierinnen so freundlich und aufgeschlossen waren, dann würde sie ihren Vater vielleicht nicht ganz so schmerzlich vermissen.

Dass sie jedoch nicht damit rechnen konnte, dass alle Zauberer und Hexen so toll waren wie Anouk und Anthony, fand sie heraus, als sie auf dem Bahnsteig nach ihrer Ankunft angerempelt wurde. „Steh halt nicht so blöd im Weg. Bist nun wirklich nicht die Einzige hier, oder?", hörte sie die gemurrten Worte, während ihr der Rucksack von der Schulter rutschte.

Der Stimme nach zu urteilen musste es ein Mädchen gewesen sein, aber nachdem sie den Rucksack aufgesammelt und sich wieder aufgerichtet hatte, sah sie nur noch das wallende blonde Haar, ehe ihre Aufmerksamkeit von einem riesigen Mann eingenommen wurde.

„Erstklässler folgen mir bitte", donnerte seine tiefe Stimme über den Bahnsteig.

Vor ihr stand der größte Mann, den Aviana je gesehen hatte. Seine wilden Haare und der ebenso ungezähmte Bart zitterten im Luftstoß, der gerade durch den Bahnhof pfiff, und hätte sein Lächeln seine Augen nicht erreicht, so wäre es Aviana mehr als mulmig zumute gewesen, denn durch den Bart, der wie alles andere an ihm überdimensional schien, waren seine Lippen nicht erkennbar.

So starrte sie ihn also nur weiterhin gespannt an und reihte sich mit Anouk und Anthony in die Schülerschlange ein.

„Sag mal, gibt es in der Zauberwelt Riesen?", flüsterte Aviana an Anthony gewandt, während sie dem Mann im braunen Ledermantel im Nieselregen hinterhertrotteten.

„Ja, aber ich habe noch nie einen gesehen. Was ich gelesen habe, ist, dass sie sehr aggressiv sein sollen und sich auch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Das ist wohl auch einer der Gründe, weshalb sie tief im Gebirge leben. Sollen ja nicht aus Versehen von einem Menschen gesehen werden, oder? Kannst du dir den Schock vorstellen? Beim Wandern zwei fünfeinhalb Meter große Riesen beim Box-Match anzutreffen, kommt ganz sicher nicht einem entspannten Ausflug gleich."

Ihm musste Aviana's geschockter Blick unter dem Lichtkegel der letzten Straßenlaterne auf dem Bahnsteig aufgefallen sein, denn er beeilte sich, sie zu beruhigen. „Keine Angst. Dieser Mann ist kein Riese. Die sind mindestens dreimal so groß wie er.

„Ich denke, dass muss Professor Hagrid sein", klinkte sich Anouk in die Unterhaltung ein. „Noam hat von ihm erzählt. Er unterrichtet das Fach Pflege Magischer Geschöpfe, das mein Bruder dieses Jahr endlich besuchen wird. Man soll da echt tolle Tiere behandeln. Salamander, Niffler,  Kneazle und noch viele mehr. Man munkelt, dass er sogar schonmal eine Lektion über Hippogreife gemacht hat. Das wäre so cool, wenn wir auch einen sehen könnten."

Bis auf den Salamander konnte sich Aviana unter keinem der begeistert vorgetragenen Wörtern, hinter denen sie Tiernamen erahnte, etwas vorstellen. Als sie jedoch nachfragen wollte, was ein Hippogreif denn genau sein sollte, hielt ihr kleiner Zug am Ufer eines Sees an und der bärtige Professor erklärte mit dröhnender Stimme, dass sie nun zu dritt oder viert in eines der vielen Boote steigen sollten.

Keiner der Erstklässler traute sich, aus der Reihe zu tanzen, also befanden sich alle Kinder wenige Minuten später in kleinen Gruppen in einem Boot und trieben, ohne dabei selber paddeln zu müssen, durch das dunkle Gewässer in Richtung des riesigen Umrisses eines Schlosses. Es war fast halb neun abends und die einzige Lichtquelle kam von vereinzelten Laternen, die am Bug hingen.

„Ist das die Schule?", wisperte Aviana.

Anthony nickte und Anouk sagte: „Ich kann's kaum erwarten den Ravenclaw-Turm zu sehen."

„Ravenclaw-Turm? Welcher ist das?", fragte Aviana und versuchte die verschiedenen Türme des Schlosses nach speziellen Merkmalen oder dergleichen abzusuchen, selbst wenn die Silhouette alles war, was sie sah.

„Dort sind die Schlafsäle aller Schüler, die in Ravenclaw eingeteilt worden sind. In Hogwarts gibt es das Häuser-System. Du wirst in eines von vier Häuser eingeteilt, das dann sowas wie deine Familie sein wird für die Zeit, in der du hier zur Schule gehst."

„Korrekt, man wird eingeteilt. Warum bist du dir denn so sicher, dass du nach Ravenclaw kommst?", warf Anthony dazwischen.

Anouk setzte sich etwas aufrechter hin und meinte dann: „Nun, in meiner Familie sind die meisten in Ravenclaw. Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie mich nicht auch dahin einteilen sollten."

„Kann man denn nicht auch wünschen?", fragte Aviana, denn Anouk's Eifer wirkte so, als würde sie – ungeachtet ihrer Familie – in kein anderes Haus eingeteilt werden wollen.

„Nicht, dass ich wüsste. Aber ich weiß auch nicht genau, wie man denn eingeteilt wird. Keiner meiner Brüder wollte es mir verraten. Ich kenne nur die vier Häuser, und gemäss dem, was Noam so erzählt hat, willst du nicht unbedingt in Slytherin landen."

„Wieso, was ist mit Slytherin?" All diese neuen Wörter verschafften ihr langsam aber sicher Kopfschmerzen.

„Da sind die meisten Kriminellen her", kam Anthony Anouk zuvor. Als Aviana jedoch zu ihm sah, hingen seine Schultern wieder und in seinen Augen war nicht die gleiche Sicherheit wie in derer ihrer Freundin zu erkennen. „Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, dass sie wenigstens ein kleines bisschen nach unseren Wünschen fragen."

Bevor Aviana herausfinden konnte, weshalb sich seine Laune so sehr verändert hatte, dockten sie mit ihrem Boot an und mussten praktisch rennen, um im stärker gewordenen Regen nicht zu weit hinter Professor Hagrid's große Schritte zu fallen. Durch das Hasten blieb ihnen jedoch kaum Luft, um noch weiter auszutauschen und so waren alle drei in ihre eigenen Gedanken versunken.

In einem der Köpfe zog ein Adler eine blaue Flagge hinter sich, im anderen rannte ein Junge vor einer mehrköpfigen Schlange davon und im dritten überschlugen sich die Gedanken rund um die vielen neuen Wörter des Abends und der Hoffnung, mit den beiden neu gewonnenen Freunden in einem Haus zu landen.

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WELCOME HOME my dear friends! Hogwarts welcomes you all equally.

Spürt ihr die Magie? Mir kribbelt sie in allen zehn Fingern :)

Einige Fragen habe ich auch noch an euch: Worauf freut ihr euch denn am meisten in Hogwarts?

In welcher Ära befinden wir uns wohl? Scheint ja noch nicht wirklich viel Akzeptanz unter den verschiedenen Häusern zu herrschen ...

Haltet noch etwas Raum frei in euren Mägen, denn das nächste Mal, wenn wir uns sehen (vermutlich schaffe ich Sonntag nicht, also eher nächsten Mittwoch), werden wir uns die Bäuche beim 'Start-of-term-feast' vollschlagen ;)

Bis dann wünsche ich euch allen sonnige Tage und legt eure Hogwarts-Schals bereit.

Glg
Eure StephVi

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