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Spontan entschloss er sich am nächsten Tag zur Sattlerei zufahren und zu hoffen, dass sein Kumpel nichts zu tun hatte oder in der Werkstatt war. Einfach zu verschwinden war eigentlich nicht seine Art außer nach einem Onenightstand. Da war es okay einfach zu gehen. Jeder hatte schließlich das bekommen was er wollte und es ging um nichts weiter als Sex.
Am nächsten Morgen machte er sich erstmal fertig dafür wieder Reitunterricht zugeben. Er war gespannt was ihn dieses Mal erwartete und ob das Team inzwischen etwas besser zusammen gewachsen war. Heute wollte er sie eine paar Gymnastiksprünge springen lassen. Das dürfte beiden ganz gut tun.
Jedoch war er die ganze Stunde nicht ganz bei der Sache. In Gedanken war er noch beim gestrigen Turnier und dem Wutausbruch seines Vaters. So viel die Stunde mehr oder weniger flach. Er sah ihr eigentlich nur zu und rief immer dieselbe Floskeln. Nach einer Stunde schloss er die Stunde.
„Musst du schon fahren?" fragte das Mädchen wie immer, als sie von ihrem Rappen stieg. Er nickte dieses Mal aber anstatt eine ‚Nachbesprechung' vorzuschlagen. „Keine Nachbesprechung?" fragte sie verwirrt. „Nein. Ich hab heute recht viel vor" log er und schnappte sich seine Jacke von der hölzernen Bande. „Nächste Woche wieder um dieselbe Uhrzeit?" rief sie ihm noch nach. Er nickte wieder einfach. Er wollte einfach nur schnell weg heute. Ich bräuchte viel eher jemanden zum Reden als zum Vögeln. Und bei jemanden zum Reden viel ihm nur sein Satter ein.
Sein Freundeskreis hatte sich ja dank der Turnierreiterei und dem steigenden Druck auf ihn seit der Scheidung seiner Eltern ziemlich dezimiert oder war eigentlich gar nicht mehr existent.
Erleichtert atmete Gideon aus, als er das Auto von Maxi vor der Werkstatt stehen sah. Da musste wohl wer am Sonntag arbeiten.
Er parkte auf einem der Parkplätze vor dem Schauraum und stieg aus. Hoffentlich hatte er trotzdem Zeit für ihn. Bevor er an der seitlichen Tür zur Werkstatt klopfte richtete er sich noch einem den Kragen seiner beigen Reitjacke. Kräftig klopfte er an der weißgestrichenen Tür, wobei es inzwischen mehr ein hellbeige war. So langsam war es wahrscheinlich mal wieder Zeit für einen neuen Anstrich für die Tür. Er hörte schnelle Schritte auf die Tür zukommen. Zu seiner Verwunderung öffnete ihm nicht Maxi die Tür sondern Großvater Bader, der dreht sich sofort nach innen und rief lauthals „Nur der junge Laukötter." Maxi lugte um die Ecke und rief erfreut aus: „Hey Gideon. Komm rein. Was machst du denn hier?" Gideon zuckte mit den Schultern und trat an dem Alten Bader vorbei. Der sah den Jungen nur mitleidig an. Der Wutausbruch seines Vaters hatte im Dorf schon seine Runde gemacht.
Maxi blickte nur kurz von dem Werkstück vor sich auf. Dieses sah verdächtig nach einem Fahrgeschirr aus. Maxi färbte gerade die Nähte und Kante nach. Sein Großvater sah ihm dabei immer wieder prüfend über die Schulter. „Was ist los? Siehst so blass aus" fragte der junge Sattler wobei er nicht von dem Geschirr vor sich aufsah. Er wollte Gideon so nicht sehen. Nicht wenn er so geknickt und traurig aussah. Das stand ihm einfach nicht. Dieser so betrübte Ausdruck passte nicht zu Gideon. „Vatter ne? Der Mann ist ja nicht besonders leicht." Mischte sich nun der Alter Sattlermeister ebenfalls ein. Nun drehte sich Maxi doch zu ihm um und sah Gideon einfach in die schönen blauen Augen. Etwas widerwillig nickte jener und Maxi zog besorgt die Augenbrauen zusammen: „Warum tust du dir das eigentlich an mit ihm und den Turnieren?". Gideon wiegelte erst den Kopf von links nach rechts, wobei sich eine Haarsträhnen aus seinen blonden akkurat gestylten Haaren lösten und ihm ins Gesicht fielen, als wolle er abwiegen ob er nun etwas sagen sollte oder nicht. Maxi schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Naja. Er bezahlt alles. Damit ich die Pferde halten kann ist seine Bedingung, dass ich Turniere gehe und es macht mir eigentlich auch Spaß, aber im S-Springen ist irgendwie der Wurm drin" irgendwie nahm Maxi ihm das nicht ganz ab, aber wollte nicht nachharken. „Im S warst du immer ziemlich steif und wirktest nicht ganz bei der Sache. Könnte das nicht vielleicht an deinem Vater liegen?" äußerte Maxi seine Vermutung die sich ihm seit dem letzten Turnier aufdrängte. Gideon zuckte mit den Schultern „Vielleicht" „Warum gehst du nicht mal ein S ohne ihn?" Gideon zuckte wieder mit den Schultern „Ich weiß nicht. Allein bin ich nie aufs Turnier gefahren und Papa würde mir keinen Pfleger überlassen." „Ist das dein einziges Problem?" nun stoppte Maxi doch sein Arbeiten und drehte sich mit Pinsel in der Hand zu ihm um. „Ja. Hänger-Führerschein, Hänger und Pferde hab ich, genannt ist auch nur für mich am nächsten Wochenende. Mir fehlt nur der Pfleger" Maxi fing an zu lachen und auch Großvater Bader musste lachen. Verwirrt sah Gideon zwischen beiden Männern hin und her. „Dein TT für das Wochenende steht vor dir. Ich habe eh nix vor" Maxi grinste. Misstrauisch verzog Gideon das Gesicht „Mein Lieber ich bin Sattler. Ergo ich habe vom satteln etwas mehr Ahnung als eure Angestellten" triumphierend sah Maximilian ihn an. „Okay. Du weißt, dass wir früh los müssen?" „Stört mich nicht!" „Na dann!" Gab Gideon sich geschlagen.
So waren sie am nächsten Wochenende wirklich zusammen unterwegs. Ohne Gideons Vater. Es hatte ein schlichtes Versprechen gereicht, dass Maxi die Prüfung filmen würde und schon hatte Laukötter Senior zugestimmt.
Die Stimmung war gut sie machten die Fahrt über Witze und unterhielten sich über die Typischen Klischee Reiter. Es war so unglaublich toll entspannt.
Diese Ruhe hielt auch auf dem Turnierplatz. Gideon schaute auf die Starterliste und Maxi entlud schon mal Coco die als erste von beiden Pferden im S dran wäre. M hatte Gideon Ausnahmsweise nicht genannt. Auch den Pferden war das Fehlen Gunnar Laukötters anzumerken. Sie waren ebenfalls ruhiger. Coco schien richtig froh ihn nicht um sich zu haben. Die Stute hatte schon beim Verladen gezeigt, dass sie Angst vor Laukötter Senior hatte. Kein Wunder so wie er immer rumschrie. Er schätzte die junge Stute eh als sehr sensible ein. Das war Maxi schon bei seiner ersten Begegnung mit diesem eleganten Wesen aufgefallen.
Auch jetzt betrachtet die Braune ihn ganz genau und versuchte aus ihm schlau zu werden. Ihre Ohren spielten aufmerksam. Ihr braunes Fell schimmerte in der Sonne und Maxi strich ihr über den Hals. Sofort schien sie sich an die Streicheleinheiten vom letzten Mal zu erinnern, denn sie streckte ihm den Kopf hin um gekrault zu werden.
„Verhätschle mein Pferd nicht so!" Gideon lehnte mit einem göttlichen Grinsen am Hänger. Sofort schlug Maxis Herz schneller. „Schluss mit lustig!" Gideon klatschte in die Hände und griff sich den Sattel aus der Sattelkammer des Hängers. Mit Schwung hievte er das gute Stück aus schwarzem Leder auf den gut bemuskelten Rücken fordernd sah er daraufhin Maxi an, der immer noch die Stute am Kopf kraulte „Gibst du mir mal den Sattelgurt?". „Ähm natürlich..." der junge Sattler nickte kurz etwas verwirrt als hätte er ihn aus einem Tagtraum aufgeschreckt. Maxi lies von der hübschen jungen Stute ab und griff nach dem ledernen Stollenschutzgurt um das eine Ende rüberzureichen. Gideon schenkte ihm dafür ein kurzes Lächeln und wieder fühlte er sich als ob sein Herz jeden Moment aus seiner Brust springen würde. Schnell wandte Maxi sich ab und griff nach dem dazugehörigen Martingal. Während Gideon die Stollen reindrehte befestigte er den Halsriemen und legte die Gabel so um den Hals dass sie nicht reintreten könnte. Als er nach der Trense griff strich er noch einmal über das gefettete Leder und zog sie dann vom Harken. Er machte einen Schritt zurück und stieß mit Gideon zusammen. Augenblicklich durchströmte ihn ein wohliges, gleichzeitig aber auch so intensiv kribbelndes Gefühl, dass er für einen kurzen Moment zusammen zuckte und sich irritiert zu ihm umdrehte. „Alles okay mit dir?" belustigt grinste ihn Gideon an. „Ja...Ja es ist alles okay" Maxi war wie vor den Kopf gestoßen. So schnell meinte er sein Herz noch nie schlagen gefühlt zu haben. „Gut!" Gideon zuckte schlicht mit den Schultern und drängte sich an ihm vorbei um die Kiste mit den Stollen wieder in den Hänger zu legen. Maxi schüttelte kurz den Kopf in der idiotischen Hoffnung so wieder den Kopf klar zu bekommen. Er seufzte und begann mit dem trensen.
Die Zeit die Gideon auf dem Abreiteplatz verbrachte nutzte Maxi um wieder etwas runter zukommen. Wing stand noch auf dem Hänger und schien als könnte er ein guter Zuhörer sein. Kurzerhand setzte er sich auf die Schwelle der Seitentür des Hängers. Gedankenverloren fuhr er dem Fuchs über den Nasenrücken. Pferd sein war bestimmt einfacher als Mensch. Wing schnaubte und stieß ihn leicht mit der weichen Pferdenase an als wolle er ihn trösten, aber gegen hoffnungslose Liebe konnte selbst diese liebe Geste nichts ausrichten. Maxi seufzte und ließ den Kopf hängen. Warum Gideon? Warum waren auch immer die Interessant die man nie haben könnte?
Kurz vor Gideons Start drängte sich Maxi durch die Zuschauerränge und suchte sich einen guten Platz zum Filmen. Zum Glück wurde er recht weit vorne am Metallzaun, welchen den Rasenplatz umgab fündig. Gideon wurde aufgerufen und Maxi startete die Kamera.
Gideons Herz schlug bis zum Hals. Jetzt würde sich zeigen ob an all dem sein Vater schuld war und er ohne ihn etwas reißen könnte. Langsam nahm er die Zügel auf und ließ seinen Blick durch die Zuschauer gleiten, als wolle er sichergehen, dass sein Vater nicht anwesend war. Maxi stand stattdessen da und lächelte. Er nickte ihm kurz bestätigend zu. Ein gutes Gefühl machte sich in ihm breit. Es tat gut, dass jemand bei ihm war der ihm zusprach und ihn nicht ansah, als ob er ein einziger Fehler wäre.
Er atmete gerade durch, als die Startglocke ertönte. Sofort gab er Coco die Hilfe zum angaloppieren. Souverän meisterten sie den ersten Sprung. Adrenalin durchströmte seinen Körper. Sie waren drüber! Ohne Fehler. Auch die nächsten Sprünge klappten eins A.
Ungläubig guckend ritt er vom Platz. Das konnte jawohl nicht wahr sein! Kein Fehler. K E I N Fehler. Zero! Clear round! Das erste Mal im S.
Freudig klopfte er Coco und fiel ihr schließlich schon fast ausgelassen um den Hals, nachdem er sich aus dem Sattel geschwungen hatte. Seine Hände zitterten noch leicht vor Freude. Er liebte dieses Pferd! Nein ab heute würde er dieses Pferd vergöttern. Die Stute schien die Aufmerksamkeit zu genießen, zumindest stand sie entspannt mitten auf dem doch eher wuseligen Hängerplatz mit geschlossenen Augen.
Gideon atmete noch einmal den Pferdegruch ein, dann erinnerte er sich an Wing den Maxi in der Zeit in der er trocken geritten war und alles realisiert hatte schon warm geführt und sie tauschten.
Sein Fuchs war schon auf dem Abreiteplatz richtig heiß aufs Springen. Das war bei Wing immer ein mehr als gutes Zeichen. Trotzdem pumpte sein Herz heftig gegen seine Rippen. Was wenn er jetzt versagen würde? Würde er Maxi enttäuschen?
Er ließ den leicht überreizten Wallach angaloppieren und zog im raumgreifenden und kontrollierten Galopp seine Runden über den Abreiteplatz, zwischen den verschiedensten Reitern und Pferden hindurch.
Auf dem Turnierplatz wurde er wieder recht fahrig bis er Maxi erblickte. Der Sattler strahlte so eine ruhe aus. Es war so unglaublich beruhigend ihn zu sehen. Sofort schlug sein Herz wieder ruhiger und sein Unterbewusstsein sagte ihm, dass er es schaffen würde und sollte er trotzdem einen Fehler machen wäre es nicht von großer Bedeutung. Nicht für Maxi. Er würde ihm nicht den Kopf abreißen. Anders als sein Vater.
Die Glocke ertönte. Wing holte Schwung und sie flogen über den Platz. Es fühlte sich an, als ob die Hufe des Wallachs den Boden gar nicht erst berühren würde. Sie waren ein Team, eine Einheit. Nicht Reiter und Pferd sondern eins. Ein Rhythmus, ein Herzschlag, ein Ziel. Jeder Sprung fühlte sich an, als wäre er der beste des Rittes. Seine Gedanken waren nur beim Parcours und bei Wing.
Kaum waren sie durch riss Gideon erfreut die Fast in die Luft und Wing schlug vergnügt nach hinten aus. Sie hatten die beste Zeit der ganzen Leistungsklasse aufgestellt. Sie hatten gewonnen. Wing hatte ihn zum Sieg getragen! Seine Pferde waren beide so wunderbar. Womit hatte er diese unglaublichen Sportpartner nur verdient?!
Maxi war sofort nachdem erfolgreichen ritt zum Ausritt gerannt. Gideon war schon aus dem Sattel gesprungen. Mit Freudentränen in den Augen strich er seinem Wallach über den feinen Kopf, dann wandte er sich Maxi zu und hielt ihm die Hand zum Einschlagen hin. „Ich könnte dich küssen! Du bist Genial! Ohne dich wäre ich jetzt meine Pferde los!" rief er und zog ihn schließlich noch in eine Umarmung.
Maxi verkrampfte sich leicht überwältig von den Gefühlen, die er für den Springreiter hatte. Sein Herz schlug wieder viel zu schnell und sein Atem stockte für einen kurzen Moment. Am liebsten würde er Gideon wirklich küssen, jedoch waren sie nur Freunde.
„Das müssen wir Feiern!" beschloss Gideon. Maxi nickte einfach er war immer noch etwas überfordert mit seinem Gefühlsleben und nickte deshalb einfach. „Ich glaube du musst jetzt immer statt meines Vaters mit!" witzelte Gideon grinsend und klopfte seinem Wallach noch einmal den Hals. Ein eher verhaltenes Lächeln schlich sich auf Maxis Lippen und Gideon war wie immer von diesen so unglaublich tollen Grübchen fasziniert.
Die ganze Siegerehrung über war Gideon, als wäre er auf Drogen oder träume. Er realisierte alles erst so richtig, als der Richter die Goldene Schleife an das Zaumzeug heftete, ihm die Hand schüttelte und zusätzlich noch die Schleife für den vierten Platz aushändigte. Die Ehrenrunde genossen er und Wing einfach nur. Diese Aufmerksamkeit, diese anerkennenden Blicke. Im S gewonnen. Er und Wing. Endlich mal wieder ein wirklicher Erfolg.
Wieder Zuhause luden sie lachend und scherzend die Pferde aus. So gute Laune hatte Gideon schon lange nicht mehr. Jedoch wurde seine Laune etwas gedämpft, als sein Vater zu ihnen trat.
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