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Lachend verließ Maxi die Wiese wieder und schnappte sich den dunkel braunen Sattel. Gideon konnte seinen Blick kaum von ihm nehmen. So beschwingt hatte er Maxi noch nie gesehen. Es war schön den jungen Sattler so glücklich zu sehen und ließ Gideon sich fragen wann auch er wieder Spaß am Reiten haben könnte. Den Spaß hatte sein Vater ihm genommen. Es war nur noch eine Profession geworden, die Leidenschaft erloschen. Diese Einsicht tat weh.
„Kaffee?" Maxi blieb mit der Trense über der Schulter vor ihm stehen. Gideon zögerte kurz etwas und seine blauen Augen blitzten. „Ja" Gideons Stimme ließ ihm einen wohligen Schauer über den Rücken laufen und er ließ seinen Blick über Gideon wandern. Betont lässig saß er auf der Bank und hatte die Krücken einfach an die Rückenlehne gelehnt. Ein freches Grinsen hatte sich auf seine vollen Lippen gelegt und sorgte bei Maxi unvermeidlich für Herzklopfen.
So ließ sich Maxi keine 10 Minuten später mit zwei vollen Tassen Kaffee neben Gideon auf die Bank sinken. Eine davon reichte er an Gideon weiter. „Danke" bedankte der sich und nahm direkt einen Schluck. Maxi blickte ihm ins Gesicht und suchte nach irgendeinem Zeichen, das etwas über die Qualität des Kaffees aussagen könnte. War er zu stark? Oder doch zu lasch? Fehlten Milch und Zucker? Noch nie hatte Maxi ein einfacher Kaffee so gestresst. Irgendwie wollte Maxi, dass der Kaffee perfekt war. „Ist etwas?" Gideon musste schmunzeln. „Nein. Alles gut!" beschwichtigte Maxi schnell. „Sag mal wer hat dir eigentlich das Reiten beigebracht?" mit schief gelegtem Kopf sah Gideon ihn fragend an und bemerkte wie sich ein komischer Schleier über Maxis Gesicht legte. Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. Hatte er etwas Falsches gefragt? „Meine Oma" hörte er Maxis Stimme. Die Melancholie in ihr sorgte bei Gideon für Gänsehaut. „Ich bin seit ihrem Tod auf kein Pferd mehr gestiegen" Maxi presste die Lippen fest zusammen. „Oh. Mein Beileid" plötzlich tat Gideon diese Frage leid. Er hatte damit Maxis gute Laune verdorben. Maxi blickte vom Rasen „Schon gut!" beschwichtigte er, aber Gideon nahm es ihm nicht wirklich ab.
Man sah Maxi an wie nah ihm der Tod seiner Großmutter noch immer ging. Auch wenn es schon Jahre her war, war da doch immer noch dieser Stich in seinem Herzen, der sich in seinen braunen Augen wiederspiegelte.
Gideon räusperte sich um irgendwie aus dieser Situation rauszukommen. Da kam es ihm gelegen, dass Maxis Mutter wieder an den Zaun trat und ihren Sohn ansprach. „War Henriette schon unterwegs?" fragte sie mit einem freundlichen Lächeln. Maxi seufzte „Nein. Du weißt doch, wenn du mit der Ziege spazieren gehen willst musst du Gonnie..." Seine Mutter unterbrach ihn „Ich weiß! Der geht sonst über den Zaun. Dann gehe ich abends mit ihnen" Maxi nickte genervt und Gideon musste grinsen. Wie gerne würde er auch wieder so von seiner Mutter genervt werden. „Gut, dann gehe ich jetzt eben rüber zu den Junkers" damit drehte sie sich um und verließ den Garten wieder.
Maxi sah zu Gideon rüber, der seiner Mutter nach sah. „Hey! Meine Mutter ist tabu!" stellte Maxi klar. Gideon lachte „Das war mir schon klar." „Hmh" der Sarkasmus war Maxi deutlich anzuhören. „Was soll das jetzt heißen?" entrüstet starrte Gideon ihn an, als ob er Jede flachlegen würde. „Wie viel Prozent der Belegschaft hast du schon durch?" Maxi hob angriffslustig eine Augenbraue. „Unter 1%. Kleiner, man vögelt nicht da wo man arbeitet. Das ist meine Regel Nummer eins." Die Art und Weise, wie Gideon ‚Kleiner' gesagt hatte, hatte bei Maxi für rote Wangen gesorgt. Verdammt, war ihm das unangenehm. Gideons Augen lagen auch noch glühend auf ihm. Machte das Ganze nicht angenehmer. Gideon grinste. Irgendwie gefiel es ihm schon etwas so eine Wirkung auf Maxi zuhaben.
Genau in dem Moment klingelte Maxis Handy und Charlottes Name blinkte auf dem Sperrbildschirm auf. Maxi kam das unglaublich gelegen. So sprang er auch sofort auf und ging ran.
„Hey" meldete er sich. „Ich dachte schon du gehst nicht ran!..." quatschte sie auch schon munter drauflos. Maxi unterbrach sie „Danke!" „Hä? Wofür?" „Du hast mich gerade aus einer sehr peinlichen Situation gerettet." Erklärte er ihr erleichtert. „Aha, okay. Darauf wollte ich aber gar nicht hinaus? Wo bist du gerade?" fuhr Charlotte unbeirrt vor. „Ich stehe bei uns im Garten. Warum?" antwortete er ihr verwirrt. „Gut. Ich bin in zehn Minuten da" damit legte sie auf. Das gäbe garantiert wieder gezanke. Er sah zu Gideon rüber der seinen Kaffee in einem Zug runterkippte und dann aufstand.
„Sorry. Ich muss! Meld dich falls du nochmal eine Reitstunde haben willst" Gideon grinste und zwinkerte Maxi zu. Maxis Herz schlug ihm wieder bis zum Hals und er fühlte sich für einen Moment Bewegungsunfähig. Dann berappelte er sich zum Glück wieder, bevor er sich noch mit einem etwas dümmlichen Blick in das Ensemble der Gartenzwerge ihrer Nachbar einreihen konnte. „Ähm... Bestimmt irgendwann mal... äh... ich bringe dich eben noch zur Tür." Stammelte er.
Grinsend und mit dem Kopf schüttelnd stieg Gideon zu einer Mutter in den Wagen. Silvia Laukötter blickte nur kurz zu ihrem Sohn rüber, dann fuhr sie an. „Spaß gehabt?" fragte sie. Sie war so froh ihren Sohn so zu sehen. Vielleicht war er doch noch nicht so geworden wie sein Vater. „Ja" antwortete Gideon ihr schlicht und dachte wieder an die Harmonie zwischen Maxi und Gonnie. „Woher kennst du diesen Maxi?" fragte sie während sie nervös mit ihren Fingernägeln auf dem Lenkrad rumtrommelte und darauf wartete, dass der Traktor vor ihr den Kreisverkehr freimachte. „Er ist mein Sattler" meinte Gideon rau. Es widerstrebte ihm immer noch etwas nach Maxi gefragt zu werden. „Ach ja. Das hattest schon erzählt" erinnerte sich seine Mutter zum Glück auch wieder. Der Traktor stand immer noch auf der Kreuzung. „Mir reicht's!" damit stieg Silvia aus.
„Günni was ist das Problem? Findest du das Gaspedal nicht?" pampte sie den Fahrer unwirsch an. Der unterhielt sich gerade mit einem Radfahrer und beide sahen irritiert zu der Frau rüber. „Ja Mensch du. Die Silvia! Dass wir dich hier nochmal sehen" stellte der Radfahrer fest, welcher sich als der Wirt des dörflichen Gasthauses entpuppte. Das war malwieder Karma gewesen! Also würde spätestens um acht das ganze Dorf wissen, dass sie wieder da waren. „Was soll das jetzt heißen?" fragte sie spitz und Günni kratzte sich am Kopf „Joa...ähm...äh...Joa". „Wie geht es deinem Sohn?" schaltete der Wirt. „Besser. Und Günni fahr endlich!" damit drehte sie sich wieder um. „War schön dich wieder zusehen!" rief Günni ihr hinterher. „Ja, ja. Noch schöner wäre es wenn du deinen scheiß Trecker endlich mal bewegen könntest" murmelte sie während sie wieder ins Auto stieg.
„Alles okay?" ihr Sohn sah sie fragend aus seinen meerblauen Augen an. „Mhm" gab sie als Antwort. Er musste ja nicht unbedingt wissen, dass sie seinem Vater eigentlich nicht über den Weg laufen wollte und deswegen ziemlich angefressen war. „Wenn es wegen Papa ist. Der Arsch ist eh nicht da" Gideon verschränkte die Arme vor der Brust. „Gideon so redet man nicht über seinen Vater!" tadelte sie, obwohl sie zugeben musste dass sie ihn eigentlich lieber gelobt hätte. Gideon zuckte mit den Schultern „Mir egal. Mit seiner Neuen hat er sich jedenfalls ein fettes Eigentor geschossen. Die ist schon stolz auf ein selbstgeschmiertes Marmeladenbrot." Jetzt musste Silvia doch lachen. Das war schon fast Balsam auf ihrer Seele. „Ich habe dich so vermisst mein Schatz" lächelte sie ihn liebevoll an. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und ihm einmal über die Wange gefahren, aber sie wusste nicht wie er darauf reagieren würde. „Hast du momentan eine Freundin?" fragte sie ihren Sohn und starte den Motor, da der Traktor sich nun endlich wieder in Bewegung setzte. „Nein" meinte Gideon kühl. „Weist du inzwischen was du tun willst, wenn du wieder fit bist?" lenkte sie schnell von dem anscheinend doch ziemlich heiklen Thema ab. „Ich will immer noch Bereiter werden. Mama das ich immer. Ich kann mit diesem ganzen Marketingscheiß nichts anfangen!" erklärte ihr Sohn noch einmal klar geraderaus. Sie atmete tief durch. Sie würde sich dazu jetzt nicht äußern.
An der Allee angekommen sah Gideon mit wehmütigem Blick aus dem Fenster und suchte seine Pferde auf der Weide. Weder Coco noch Wing standen draußen. Enttäuscht sah er auf den Hof. Sie hatten so ein scheiß Leben. In der Saison nur in der Box, die Weide in riechbarer Weite. Sie gingen nicht mehr ausreiten.
Früher, als alles noch besser war, war er oft nach dem Training noch eine Runde mit seinem Vater oder einem der Bereiter durch den nahen Wald geritten oder über einen der unzähligen Feldwege gedonnert. Wie er das vermisste!
Das Auto hielt direkt vor dem Haus „Schatz. Melde dich bei mir wenn etwas ist. Versprich mir das!" verabschiedete sich seine Mutter von ihm. Er nickte. Doch was sollte sie schon groß machen? Sie würde ihm nicht helfen können.
Er sah seiner Mutter nach wie sie vom Hof fuhr und humpelte, dann auf seinen Krücken in den Stall. Auf der Stallgasse blieb er stehen und sog genüsslich den Geruch noch Heu und Pferd ein, dann ging es weiter zu seinen Pferden. Wing brummelte ihn freundlich an. Seit dem Unfall hatten sie sich nicht mehr gesehen. Kurz öffnete er die Box und begrüßte den Fuchs ausgiebig.
Als er zu Coco sah gefror ihm fast das Blut in den Adern. Die junge Stute stand nicht in ihrer Box. Hatte sein Vater sie etwa verkauft? Wie benommen taumelte er humpelnd in die Reithalle.
Schon von weitem hörte er seinen Vater sich aufregen. Vielleicht sollte er doch nicht rein gehen! Anderseits musste er wissen was mit seiner so geliebten Coco war. Er schluckte noch einmal schwer bevor er die Tür aufschob und auf die Tribüne trat.
In der hellen Reithalle ritt sein Vater gerade eine junge braune Stute mit akkurat gekürzter Mähne. Coco. „Scheißvieh! Dir bringe ich Manieren bei!" schrie er grade, als die Stute sich unter seinen Hilfen winden wollte und versuchen wollte ihren Reiter los zu werden. Brutal ritt er sie vorwärts. Die Stute gab den Kampf auf und fügte sich ihrem cholerischen Reiter. „Runter von meinem Pferd!" schrie Gideon und kurz war sein Vater aus dem Konzept gebracht. Diesen Moment nutzte die Stute für einen heftigen Bocksprung und Gunnar Laukötter machte eine eher unsanfte Bekanntschaft mit dem Hallenboden. „Verdammt noch mal!" fluchte der Mann und funkelte Gideon wütend aus kleinen blitzenden blauen Augen an. „Was fällt dir ein!" knurrte er. Von der Tribüne aus wirkte Laukötter Senior wie ein ausgehungerter, kampflustiger Kampfhund bereit zum Angriff. Gideon schluckte und nahm allen Mut zusammen. „Lass mein Pferd in Ruhe!" „Dein Pferd?" höhnisch verzog Senior das Gesicht. „Wer bezahlt dir das Pferd? Wer ermöglicht dir all das? Hmh? Du selbst? Sag's mir!" „Du" kam es Gideon rau über die Lippen. „Siehst du! Du hast diese Stute total verritten! Jetzt richte ich dieses Desaster!" Sofort bekam er Angst was er der Stute antun könnte. „Papa lass sie! Lass sie und Wing in Frieden! Ich kümmere mich um sie! Kein Pferdepfleger oder Bereiter muss sich um sie kümmern!" verzweifelt fuhr er sich durch die Haare. Laukötter Senior brach in schallendes Gelächter aus. „Mit einem Oberschenkelbruch, will er sich um zwei Pferde kümmern!" dann wurde der Ältere wieder ernst „Junge hör endlich auf zu träumen! Träumer bringen es zu nichts! Dafür bist du ja das beste Beispiel" getroffen blickte Gideon runter in die Reithalle und dann rüber zu seiner Stute.
Das Pferd wirkte verstört und als ob es die Welt nicht mehr verstehen würde. Er musste für sie kämpfen, dass war er seiner Sportpartnerin einfach schuldig. Nur wie konnte er ihr helfen? Verzweifelt sah er sie an. Er würde am liebsten zu ihr gehen und sie solange streicheln bis sie wieder normal war. Ihr weiches Fell unter seinen Fingern spüren, ihr liebevoll den Schopf aus der Stirn streichen.
„Geh jetzt! Bevor sie gleich wieder so einen Scheiß macht!" wies sein Vater ihn an. Geknickt nickte Gideon und warf einen letzten verzweifelten Blick auf seine Coco. „Es tut mir leid" flüsterte er tonlos in ihre Richtung und humpelte mit einem großen Kloß im Hals aus der Halle. Diese Hilflosigkeit machte ihn innerlich rasend wütend.
Er hielt es hier nicht mehr aus. So schnell ihn seine Krücken trugen humpelte er zum Haus und mühte sich die Eingangstreppe hoch. Immer wieder keuchte er auf vor Schmerz, da es einfach zu viel für seinen schmerzenden Oberschenkel war. Mit zitternden Händen öffnete er die schwere Eichenholztür, die um ein Haar vor seiner Nase direkt wieder zugefallen wäre.
Entkräftet ließ er sich in der Küche an den Tisch fallen „Scheiße!" schrie er und griff nach der weißen Packung in der sich seine Schmerztabletten befanden. Immer noch aufgewühlt zog er ein Blister heraus und löste eine Tablette heraus. Es dauerte etwas bis sich ihre beruhigende und schmerzstillende Wirkung bemerkbar machte. Sofort wurde Gideon ruhiger und verfiel in einen Zustand in dem ihm alles egal war. Mit einmal war Coco ganz weit weg und sein Vater erschien ihm nicht mehr so schlimm. Seufzend lehnte er sich im Stuhl zurück. Was ein Leben!
Früher war alles anders. Besser. Viel besser. Wo waren diese Zeiten nur hin? Erinnerte sein Vater sich nicht mehr daran? Oder wollte er sich einfach nicht mehr an die guten Zeiten erinnern? Die Zeiten bevor er seinen Sohn aufgegeben hatte. Die Zeiten in denen sie Spaß hatten. Die Zeiten ohne diese großen Sorgen. Die Zeiten mit Hoffnungen, Träumen und großen Zielen. Wundervolle Ziele! Großartige Ziele! Große Hoffnungen. Unbeschreiblich schöne Träume. Und dann war von heut auf morgen alles vorbei! So schien es ihm zumindest. Vielleicht hatte er an diesem einen Tag nur endlich verstanden was für ein Tyrann sein Vater eigentlich war und ihn deswegen von diesem heroischen goldenen Sockel gehoben.
Ein Tyrann! Genau das war er. Er machte keine Ausnahme. Weder Mensch noch Tier waren vor ihm sicher! Dieses miese Arschloch.
Sabrina betrat die Küche und unterbrach seine Gedankengänge „Kann ich dir was bringen? Möchtest du etwas essen?" fragte sie engagiert, aber Gideon starrte quasi durch sie durch und fragte bitter „Wie kann man dieses verdammte Arschloch nur lieben?" Sabrina machte große Kulleraugen und sah ihren Stiefsohn verwirrt an „Wen? Ich verstehe kein Wort Schätzchen" Gideon schüttelte den Kopf, als wolle er mit den Kopf Fliegen verscheuchen und erhob sich. „Bleib doch sitzen!" rief Sabrina noch, aber er humpelte schon aus der Tür. Er konnte ihre Fresse nicht ertragen. Jetzt sehnte er sich nach seiner Mutter.
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Sory, dass so lange nichts kam, aber ich hatte zwischen Zeitlich echt etwas die Lust verloren.
Nun ist diese Geschichte zurück und wird so oft wie Möglich geupdatet!
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