Ein Wiedersehen mit der Familie
Albus' Sicht
Wir stiegen aus dem Hogwarts-Express. Es war schon dunkel und die Sterne funkelten am Himmel.
"Dann tschüss", sagte ich.
"Ja, bis nach den Ferien", verabschiedete sich Scorpius und rannte los.
"Wir schreiben uns!", rief er noch, bevor die Menschenmassen ihn verschlangen.
Ich sah mich um und fühlte erwas wie - Vorfreude auf Weihnachten?
Ich war mir selbst nicht ganz sicher, aber da entdeckte ich auch schon James. Ich nahm meinen Koffer und zog das ratternde Teil hinter mir her.
"James! Warte auf mich!", rief ich ihm hinterher.
Er schaute sich erst verwundert um, aber dann entdeckte er mich und winkte mir zu.
"Und?", fragte er.
"Was soll sein?", fragte ich.
"Morgen ist Weihnachten. Freust du dich nicht. Es gibt Geschenke und Geschenke und hab ich schon die Geschenke erwähnt?", fragte er lachend.
"Du hast die nervigen Verwandten vergessen", grinste ich.
Augenblicklich verdunkelte sich seine Miene. Hatte ich was Falsches gesagt? Ich meinte doch nur unsere Oma Molly, die uns der Reihe nach durchmästete bis sich Mum beschwerte, dass sie nach Weihnachten drei Kilo zugenommen hatte.
"James, was ist?", fragte ich.
"Ach, Al, jetzt verstehe ich endlich, wieso du so sauer auf Rose warst", meinte er.
"R-Rose?"
Ich verschluckte mich fast. Was hatte die denn damit zu tun? Und mir entging ebenfalls nicht, dass er mich beim Spitznamen genannt hatte. Stimmt ja, in meiner Familie war ich immer noch "Al".
Aber aus James' Mund hatte es etwas Vertrautes an sich, auch wenn ich mich plötzlich zu ... anders fühlte, um so genannt zu werden.
Aber den anderen zuliebe würde ich nichts sagen, damit meine Eltern nicht auf die Idee kämen, ich würde "erwachsen werden" und "die Pubertät würde beginnen".
Ich konnte mich noch gut daran erinnern, als James letztes Jahr schreiend durchs Haus gerannt war mit Fingern in den Ohren und rief: "La la la, ich kann dich nicht hööören!", weil Dad ein "vertrauliches Vater-Sohn-Gespräch" führen wollte.
Nun runzelte James die Stirn und erklärte: "Weißt du, Rose hat mir die Karte des Rumtreibers geklaut und den Tarnumhang noch dazu. Und weil das nicht genug war, wollte sie die Schuld auch noch auf dich schieben."
Und zum zweiten Mal an diesem Tag verschluckte ich mich wieder.
"Was?!", krächzte ich. Wie war er denn auf die Idee gekommen? Das war doch ich gewesen, nicht Rose. Wir hatten ihm das Zeug heimlich beim Essen zurück gesteckt, Rose hatte damit nichts zu tun, egal wie nervig sie auch war.
"Nicht zu fassen", sagte er, "Als würde ich meinen eigenen Bruder nicht kennen. Du würdest mich ja fragen, wenn du dir was borgen willst, stimmt's?"
Mir wurde furchtbar heiß. Was sollte ich tun? James anlügen? Aber das würde doch unsere Bruderschaft zerstören! Oder Rose in Schutz nehmen, die es mir eh nicht danken würde und unsere Freundschaft war ja eh schon kaputt.
Und diesen einen Moment zögerte ich, um zu überlegen, ob ich das Richtige tun sollte.
Doch dann brachte ich ein eher gequältes: "Natürlich, Rose ist unmöglich!" raus.
James grinste und verwuschelte mir die Haare.
Ich grinste und schubste seine Hand weg.
"Lass das, James", sagte ich lachend.
"Sonst was?", grinste er mich provokant an.
"Sonst...kennt Hagrid einige nette Thestrale", lachte ich und beobachtete James' Reaktion. Er sah mich entsetzt an und überprüfte dann, ob nicht jemand mitgehört hatte. Hatte niemand.
Er beugte sich zu mir runter und flüsterte: "Al, sowas traust du dir nicht zu!"
Doch tatsächlich klang er etwas zweifelnd. Tja, James hatte vor kaum etwas Angst, außer vor Thestralen ... und den oben genannten Vater-Sohn-Gesprächen.
"Fordere das Schicksal nicht heraus", grinste ich ihn an und langsam wurde auch er wieder ruhiger.
Aber da kamen wir schon an. Mum, Dad und Lily standen vor uns und begrüßten uns.
Mum umarmte uns, während James versuchte abzuhauen, doch sie hielt ihn am Arm fest.
"Und wie war das erste Jahr?", fragte Dad und musterte mich.
Sofort fühlte ich mich, als würde ich von oben bis unten durchleuchtet werden.
"Ganz...ganz gut eigentlich", stotterte ich.
"Al, wieso hast du nie geschrieben? Wir haben uns Sorgen gemacht", meinte Mum tadelnd. Ich sah sie komisch an.
"Ihr ward doch diejenigen, die auf meinen ersten Brief nichts geantwortet hatten", verteidigte ich mich.
"Doch", stellte Mum richtig, "Wir haben geschrieben, dass sich deine Eule verletzt hat und haben den Brief deswegen mit einer anderen abgeschickt. Ist nichts bei dir angekommen?"
Ich schüttelte den Kopf. Mum lachte etwas angestrengt, umarmte mich dann aber wieder: "Ein Glück, wir dachten schon, es sei irgendwas passiert. Tja, die Eulenpost ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Dabei dachte ich eigentlich, die Eulen hier in England sein besser als die Deutsche Post."
Ich lachte und Mum ließ mich wieder los. Ich wusste nicht ganz, ob ich mich freuen sollte. Waren meine Eltern also doch nicht wütend auf mich? Oder würden sie das Thema Slytherin später noch ansprechen?
In dem Moment fragte Dad: "James? Hast du was mit der Eule zu tun?"
Mein Bruder hob abwehrend die Hände.
"Nein! Wieso denken alle immer, ich sei an allem Schuld?"
Dabei sah er sich um, als hätte er Angst davor, ein Thestral könnte plötzlich hervorspringen.
Dad lachte.
"Ach, wie da bloß immer alle drauf kommen", meinte er sarkastisch.
"Können wir jetzt endlich los? Ich hab Hunger!", bettelte Lily und wir machten uns auf den Weg nach Hause. Grimmauldplatz Nummer 12 wir kommen!
Scorpius' Sicht
Ich sah mich nun schon seit fast einer ganzen Stunde um, konnte aber weder Dad, noch Mum entdecken. Wo blieben sie nur? So sehr verspätet hatten sie sich noch nie. Erst war ich geduldig gewesen, hatte ein bisschen auf meinem Handy gespielt und mich auf eine der Bänke gesetzt. Das hatte ich aber bald bereut, denn mein Akku war nun leer und mein Handy ging aus. Ich konnte also nicht zu Hause anrufen. Na klasse!
King's Cross wurde nun zunehmend leiser, die anderen Familien gingen nach Hause. Albus war auch nicht mehr da. Ein bisschen unheimlich war mir die ganze Sache schon, aber ich war mir sicher, dass meine Eltern mich nicht vergessen hatten. Wahrscheinlich saßen sie im Stau und konnten mich nicht erreichen, da mein Handy keinen Akku mehr hatte.
Oder im St Mungo hatten sie einen dringenden Notfall. Meine Mum hatte vor einigen Jahren eine Umschulung zum Heiler gemacht und jetzt arbeiteten sie beide dort, was ein erträgliches Sümmchen an Gelleonen hervorbrachte.
Damit ich nicht zu sehr nach verzweifeltem, kleinen Kind aussah, nahm ich meine Kopfhörer, steckte sie mir in die Ohren und schloss sie an meinem Handy an. Ich hörte zwar nichts, aber wenigstens sah ich beschäftigt aus. Das machte ich immer so, auch wenn ich alleine an der Haltestelle stand, schaute ich auf mein Handy, damit ja keiner dachte, ich wüsste nichts mit mir anzufangen.
Ich saß weitere zehn Minuten auf der Bank, tat so als würde ich Musik hören, als plötzlich ein junger Mann mit blauen Haaren auf mich zukam.
Ich kannte ihn irgendwo her, aber von wo? Sein Gesicht kam mir auf jeden Fall bekannt vor.
"Hey, du!", rief er mir zu. Ich nahm einen der Kopfhörer raus und musterte ihn.
"Wer sind Sie?", fragte ich misstrauisch.
Er lachte.
"Du musst mich nicht siezen. Und ich bin übrigens Ted. Ted Lupin. Du kannst mich auch einfach nur Teddy nennen. "
Aha, daher kannte ich ihn also. Er war der arme Pechvogel gewesen, dessen Haus abgefackelt war und der nun bei den Potters wohnte.
"Und du bist?", fragte Teddy.
Einen Moment lang überlegte ich, ob ich lügen sollte. Doch schließlich entschied ich mich dazu, ehrlich zu sein.
"Scorpius Hyperion Malfoy", sagte ich.
"Ah, Malfoy?", fragte Teddy und wiederholte meinen Nachnamen.
Ich zog die Augenbrauen beleidigt zusammen.
"Ja, Malfoy. Habe ich doch gerade gesagt", meinte ich bissig. Ich konnte es einfach nicht leiden, wenn Leute den Namen aussprachen, als sei es die Aufforderung, alte Schuhsohlen zu essen.
Doch Teddy überhörte meinen unfreundlichen Ton und lächelte nur.
"Dann sind wir ja...Großcousins?", fragte er.
Ich nickte langsam.
"Ja...ich glaube schon", meinte ich dann unsicher.
"Wartest du noch auf deine Eltern?", fragte er.
"Ja, aber sie kommen bestimmt gleich", sagte ich schnell.
"Sicher? Wenn du willst, kann ich dich nach Hause bringen?", schlug er vor.
Ich hob eine Augenbraue.
"Wieso?"
Teddy lachte.
"Wieso denn so misstrauisch? Wir sind eine Familie. Es ist Weihnachten, die Zeit der Nächstenliebe!"
"Ah...ja", antwortete ich zweifelnd, "Danke fürs Angebot, aber ich glaube, ich warte lieber."
"Scorpius, nicht so schüchtern. Ich tu dir nichts, du tust ja gerade so, als sei ich ein vollkommen Fremder", meinte er lachend, doch ich blieb hart.
"Um genau zu sein bist du das auch. Wir haben uns bisher noch nie zuvor gesehen. Und außerdem ist es viel zu weit weg. Du musst sicher bald los und hast noch andere Dinge zu erledigen und-"
"Wir können apparieren", unterbrach Teddy mich und hielt mir eine Hand hin.
Zögernd nahm ich sie an. Er sah nun wirklich nicht so aus, als wolle er mir was tun. Und wenn ich zu Hause war, könnte ich meine Eltern vom Haustelefon anrufen, dass sie nicht zu kommen brauchten.
"Gut, ich muss zum Malfoy Manor", sagte ich.
"Hab ich mir schon fast gedacht", lächelte Teddy und schon begann sich alles zu drehen und mein Magen schien sich nach außen zu stülpen.
Als wir ankamen, war mir richtig schlecht und Teddy musste mich festhalten, da mir so schwindelig war.
"So, da sind wir", sagte er und vor uns ragte das große dunkle Gebäude auf, umrahmt vom nächtlichen Nachthimmel. Wir waren noch vor den Gärten gelandet, da ein Bann um Malfoy Manor lag, dass nur die Befugten Zutritt hatten.
"Danke", bedankte ich mich und kramte in meiner Tasche nach Geld. Doch als ich es Teddy geben wollte, lächelte er nur.
"Mann, du bist witzig", sagte er, "Ich will doch kein Geld, Scorpius."
"Ich bestehe drauf", meinte ich.
Wiede lachte er.
"Du klingst ja schon wie die anzugtragenden Erwachsenen. Das war einfach nur ein Gefallen von Freund zu Freund!"
Und bevor ich irgendetwas tun konnte, verabschiedete er sich und verschwand.
Ich blieb allein in der Dunkelheit zurück. Dad hatte mir beigebracht, dass kein Gefallen auf der Welt umsonst sei, früher oder später würde jeder eine Gegenleistung verlangen und ich solle aufpassen, dass ich in niemandes Schuld stehe.
Aber jetzt kam mir das dumm vor.
Nicht alle Menschen waren so. Und ich hatte das Gefühl, dass Teddy es einfach nur aus reiner Nettigkeit getan hatte. Und mir wurde traurig zumute, als ich daran dachte, dass ich soetwas nicht getan hätte. Ich wäre niemals zu jemadem vollkommen Fremden gegangen, hätte ihm meine Hilfe ganz ohne Hintergedanken angeboten oder ohne etwas dafür zu verlangen.
Dafür war ich viel zu sehr ... der Sohn meines Vaters? Oder ein Malfoy? Oder ich selbst?
Vielleicht war das ja einer der Gründe, warum ich in Slytherin und nicht in Hufflepuff war, diese bedingunglose Freundlichkeit, die ich nicht besaß?
Aber das war einfach nichts für mich...okay, klang jetzt etwas egoistisch. Aber ich wollte nicht egoistisch sein, ich konnte bloß nicht einfach so wie Teddy sein.
Da erinnerte ich mich an die Worte, die Albus gesagt hatte. Auch ich hatte mich verändert. Vor ein paar Monaten hätte ich nicht darüber nachgedacht, ob ich egoistisch sei. Vielleicht hatte ich genau deswegen einen Streit mit Damian gebraucht, um anzufangen, über mich selbst nachzudenken. Um zu sehen, was für ein verwöhntes, selbstsüchtiges Kind ich doch war. Und damit ich anfangen konnte, ein besserer Mensch zu sein.
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