Bellatrix' Geisel

Scorpius' Sicht

"Albus! Aaalbuus!"
Ich lief umher, konnte ihn aber nirgends entdecken. Ich rief nochmal. Doch meine Stimme ging unter. Ich wurde mach links und rechts geschubst, sah nicht, wo ich hinlief.
In meinem Kopf drehte sich alles. Ich schlotterte mehr vor Angst als vor Kälte. Ich hatte mir keine Schuhe anziehen können, so schnell war alles gelaufen. Alles wurde zerstört. Die Todesser waren da. Sie waren hier. In Hogwarts.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Schutzschild durchbrachen und in die große Halle kamen. Und uns allen war erschreckend bewusst, wie klein unsere Chance war. Minimal. Weniger als minimal.
Sie waren Hunderte. Wir hatten nicht die geringste Chance!
"Scorpius?"
Ich drehte mich fragend um. Wer hatte mich gerufen?
Ein Rotschopf kam auf mich zu.
"Rose! Hast du Albus gesehen?", fragte ich sie.
Rose schüttelte den Kopf. Unsicher drehte sie den Zauberstab zwischen ihren Fingern und sah sich weiter um.
"Wen suchst du?", fragte ich.
"Ich hab gerade meine Eltern gesehen...wo wir gerade dabei sind, wo ist dein Vater jetzt eigentlich hin?"
Ich verdrehte die Augen.
"Er ist nicht da, okay?", fragte ich. Bei allem Respekt, ich hasste Rose's unangemessene Neugier.
"Das kann ich selbst sehen", antwortete sie ein wenig schnippisch.
Ja, wir waren zwar nicht mehr verstritten, aber ganz Friede-Freude-Eierkuchen ging halt auch nicht.
In dem Moment trat mir jemand auf den Fuß.
"Uff!"
Ich unterdrückte einen Schrei, hüpfte jedoch nicht unbeholfen umher.
Es war nicht die Zeit, um sich über Füße aufzuregen. Hogwarts wurde belagert. Höchstwahrscheinlich gingen wir alle drauf. Und ich fühlte mich hilflos.
Es war eine dieser unerträglichen Hilflosigkeiten. Wenn du überhaupt nichts tun kannst, aber es in dem Moment mehr musst als irgendwann sonst. Wenn dir der Boden unter den Füßen weggerissen wird und du nirgendwo Halt findest.

"Arrrggghhh!", ertönte ein fürchterlicher Schrei. Die Wände begannen zu zittern. Die Lehrer verteilten sich an den Seiten. Sie hoben die Zauberstäbe und blauer Schein entwich aus ihren Spitzen. Wie Plasma schimmerte der Schutzschild, der nur mit Mühe gehalten wurde. Er zitterte immer wieder, weiße Lichtreflexe flogen über die Oberfläche.
Wir drängten uns in der Mitte zusammen. Ich kam mir vor wie ein Schaf, das zusammengepfercht wird. Ein Schaf, was bald auf dem Schlachthof landet, wenn nicht ein Wunder geschieht.
"Es wird nichts nützen", murmelte Rose vor sich hin.
Und die Worte jagten mir mehr Schrecken ein, als sie eigentlich sollten. Denn wenn Rose beschließt, dass eine Sache hoffnungslos ist, dann muss man echt Angst haben. Rose ist nicht eines dieser Mädchen, dass bei dem kleinsten Wehwechen in Tränen ausbricht.
"Was ist?", fragte ich. Mir saß ein Klos im Hals. Wir saßen in der Falle. Die Todesser brauchten nur ziellos in die Menge zu schießen und sie würden jemanden Treffen.
"Der Schutzschild", beantwortete Rose meine Frage, "Er wird nicht standhalten. Er ist nicht robust genug."
Und wie zur Bestätigung fielen noch mehr Steinbrocken von den Wänden. Der Boden unter meinen Füßen bebte, mein Herz rannte einen Marathon.
Da durchflutete ein heller Blitz den Saal. Er war so grell, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Die Menge duckte sich und ich wurde zur Seite geschubst. Ich fiel auf die Knie, doch niemand achtete auf mich. Alle trampelten wild hin und her. Ich fühlte mich wie in einem Meer. In einem Meer mit wogenden Wellen, die dich begraben. Wie riesige, schwarze Wassermassen dich verschlingen und du dich mit letzter Kraft an die Oberfläche zu retten versuchst...doch scheiterst.

Mit einem Mal wurde es ganz ruhig. Ich dachte, das müsste der Punkt sein, an dem ich sterbe. An dem Punkt, wo alle Geräusche verebben und dein Kopf unter Wasser sinkt. Wenn deine Augen brennen und du nirgendwo Hilfe siehst. Der Punkt, an dem deine Lungen voll Wasser laufen und du weißt, dass du ertrinkst.
Die Menge teilte sich. Ich richtete mich auf und stolperte zur Seite.
Eine Schneise bildeten sich und hindurch schritten die Todesser in einer rechteckigen Formation. An ihrer Spitze Bellatrix Lestrange - mordlustig wie eh und je.
Niemand stellte sich ihnen in den Weg und trotz des langsamen Schritts wuchsen Panik und Bedrohung mit jeder Sekunde.
Bellatrix Lestrange schritt voran. Sie ähnelte erschreckend genau einem Raubtier, dass sich seine Beute nur noch aussuchen musste.
Niemand wagte es, auf sie oder die anderen Todesser zu schießen. Es waren zu viele.
Die meisten Hogwartsschüler starrten zu Boden.
Und dann regte sich etwas in unseren Reihen. Harry Potter.
Er stellte sich Bellatrix entgegen, den Zauberstab fest in der Hand.
Ein ekelhaftes Grinsen strich über ihr Gesicht.
"Baby Potter", sagte sie abfällig, "Glaubst wohl, du kannst es aufhalten, hm? Erbärmlich!"
Harry richtete den Zauberstab auf sie.
"Na, na, na. Wollen wir uns nicht erst unterhalten bevor du stirbst?"
Sie brachte die Worte mit einer Leichtigkeit über die Lippen, dass ein Schaudern durch die große Halle lief.
Doch niemand zweifelte an ihrer Glaubhaftigkeit.
"Du wirst niemals gewinnen", entgegnete Harry, "Denn wir werden niemals aufhören, zu kämpfen. Jeder in diesem Raum würde sein Bestes geben, um dich zu stoppen. Ich habe Tom schon ein Mal besiegt, das ist auch ein zweites Mal möglich. Hogwarts wird jedes Mal aus der Asche auferstehen wie ein Phönix. Denn solange es Glauben gibt, gibt es Hoffnung. Und solange Hoffnung obsiegt, wird Hogwarts sich vereinen und jeder Gefahr trotzdem, die sich ihm in den Weg stellt!"

Für einen trügerischen Moment flammte Erleichterung auf. Für einen winzig kleinen Moment glaubten wir an die Rettung. Denn es ist so viel einfacher einer einzigen Person die Verantwortung für eine ganze Welt zu überlassen, als selbst ein Teil dieser Verantwortung zu übernehmn.
Bellatrix Lestrange lachte und es schallte in den hohen Mauern wieder.
Es hörte sich an wie das Geräusch, wenn man mit Fingernägeln über die Tafel streicht.
Mir gefror das Blut in den Adern.
"Dummer, dummer, Harry. Noch schwingst du große Reden, aber ich bin mir sicher, ich kann dich überzeugen..."
Hier und da blitzen Zaubersräbe, aber immer noch schoss niemand.
Bellatrix ging auf die Formation aus Todessern zu.
"Gebt mir den Jungen!"

Eine kleine Gestalt wurde durch ihre Reihen geschoben - müde, kraftlos und gefesselt. Albus.
Harrys Mund formte sich zu einem stummen Schrei, als Bellatrix seinen Sohn festhielt und ihm den Zauberstab unters Kinn hielt.
Der Schweiß rann über Harrys Schläfen, er ließ den Zauberstab ein wenig sinken.
"Lass ihn los!", schrie er und schritt auf sie zu, doch ein Todesser stellte sich ihm in den Weg.
"Überleg dir deine Schritte genau, Harry, oder willst du, dass jemand zu Schaden kommt? Wie viele mussten schon für dich sterben? Muss dein eigener Sohn nun einer von ihnen sein?"
Albus versuchte sich zu befreien, doch Bellatrix drückte ihm den Zauberstab tiefer in die Kehle. Dort, wo sie ihre Fingernägel in seine Arme bohrte, färbte sich die Haut rot und winzige Bluttropfen wurden sichtbar.
Harry versuchte ein Expelliarmus bei dem Todesser vor sich, doch es nützte nichts. Der Todesser stand reglos da, doch war jeden Moment bereit, Harry zu Töten, sollte er den Befehl dazu bekommen. Man konnte nicht erkennen, wer es war, denn die Maske verdeckte sein Gesicht.
Bellatrix bekam Harrys versuch mit und riss die Augen vor Wut auf.
Sie stach den Zauberstab noch tiefer in Albus' Kehle und ein wimmernder Laut entwich ihm.
"Gib auf, Harry Potter oder dein Sohn wird sterben!"

Harry versuchte sich vorzukämpfen.
"Dad! Tu's nicht!", rief Albus verzweifelt.
"Crucio!", schrie Bellatrix mit auf Albus gerichtetem Zauberstab.
Ein markerschütternder Schrei hallte durch die Halle. Harry trat einen Schritt zurück. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, der Zauberstab fiel ihm aus der Hand.
Einen Moment lauschten alle nur dem furchtbaren Schrei. Und ich hatte alle Mühe daran, nicht umzukippen.
All die Erinnerungen kamen hoch, ich spürte den Schmerz frisch auf meiner Haut. Ich spürte wie alles zu verbrennen schien, als würde man auf den Scheiterhaufen geworfen werden.
Und ich konnte es nicht ertragen, zuzusehen wie Albus gefoltert wurde.

Und Bellatrix lachte. Sie lachte ihr irres Lachen und das Foltern versetzte sie in reinste Ekstase. Wie konnte sie nur so krank sein?
"Und so wird es jedem ergehen, der sich mir in den Weg stellt! Jahrelang die treuste Dienerin des dunklen Lords - und meine Treue geht über den Tod hinaus! Ich brauche niemanden, um meine edlen Ansichten in dieser vollkommen verseuchten Welt in die Tat umzusetzen! Ihr werdet alle sterben, Schlammblüter! Ihr und eure Familien und alle anderen, die sich mir widersetzen!"

Und dann teilten sich die Todesser. Der Kampf entbrannte. Und alles, was mir übrig blieb, war zu laufen. Ich duckte mich zwischen grellen Lichtblitzen hindurch und es dauerte gar nicht lange, da stolperte ich über tote Körper. Hinter und vor mir war nur Zerstörung. Ein großer Teil der Decke krachte ein und begrab Dutzende unter sich, die es nicht schafften, sich rechtzeitig zu retten. Alles erinnerte mich an ein Szenario aus den schlimmsten Alpträumen,  die man sich nur vorstellen kann.
Uns das Seltsamste war die Richtung, in die ich lief. Ich lief nicht zum Ausgang wie die übrigen Erstklässler. Ich steuerte genau auf die Mitte des Schlachtfeldes zu. Auf die Mitte, in der Harry mit Bellatrix kämpfte, sowie die restlichen Erwachsenen mit den stärksten Todessern.
Ich huschte zwischen dunklen Mänteln und fallenden Menschen umher. Denn irgendwo da lag Albus. Irgendwo dort lag er ohnmächtig und würde zertrampelt werden. Niemand achtete mehr darauf, ob diejenigen, die am Boden lagen,  noch lebten oder schon tot waren.
Und da entdeckte ich ihn. Ich hatte keine Ahnung, was ich als nächstes tun würde, aber irgendwie geschah alles. Wenn irgendwas geschehen muss, dann tut es das auch. Und ich lief zu ihm hin.
"Albus!", rief ich und richtete ihn auf. Ich fragte ihn nicht, ob er in Ordnung war. Denn das war er nicht. Niemand hier war okay.
Und er konnte mir auch nicht antworten. Ich zerrte seinen schlaffen Körper an die Seite. Nein, tot war er noch nicht. Er atmete zwar nur ganz schwach, aber er lebte. Und das war ein großer Luxus in dieser Zeit.

Auf einmal trat jemand hinter mich. Erst entdeckte ich nur einen Schatten, aber mir war mehr als klar, wem er gehörte.
Ich drehte mich um. Inzwischen stand ich an der Wand, an welche ich Albus gelehnt hatte. Der Fluchtweg war mir abgeschnitten. Und mein Blick wurde förmlich von dem Zauberstab angezogen. Denn die Spitze wae genau auf mein Herz gerichtet. Ich stellte mich schützend vor Albus, doch ich zückte meinen eigenen Zauberstab nicht. Denn ich wusste, dass meine Fähigkeiten alles andere als ausgebildet waren. Und wenn der Todesser sah, dass ich versuchte, mich zu währen, würde er mich erst recht töten. Und deswegen stand ich einfach nur da. Jeder Muskel, jede Faser meines Körpers angespannt. Mein Herz hämmerte als würde es versuchen genug Herzschläge für mein ganzes restliches Leben zu schlagen.
Und unwillkürlich, es war mehr ein Reflex als eine bewusste Entscheidung, zuckte meine Hand zum Zauberstab.
Das war das Zeichen für den Todesser.
Und ich sah nur den auf mich gerichteten Zauberstab und hörte zwei letzte Worte.
"Avada Kedavra!"

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