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Es war Sirius wie eine Ewigkeit vorgekommen, dabei waren es nur noch drei Tage gewesen, die sie auf den Vollmond hatten warten müssen. Die Menge des Tranks war sich gerade so ausgegangen und auch wenn Remus sich gefühlt fünfzig Mal am Tag beschwerte, warum er ihn nicht wenigstens etwas weniger ekelhaft zaubern dürfe, hatte er ihn immer rechtzeitig eingenommen. Er hatte Sirius erzählt, dass er sich anders fühlte als sonst vor dem Vollmond, aber er meinte es könnte auch nur Einbildung sein. "Für Einbildung war dieser Prozess viel zu viel Aufwand", hatte Sirius geantwortet und genau so meinte er es. Wenn der Trank jetzt nicht funktionieren würde, wäre er wahrscheinlich enttäuschter, als Remus selbst.
Jetzt war der besagte Abend gekommen und James konnte sich kaum halten vor Aufregung. Den ganzen Tag hatte er davon geredet, was sie nicht alles machen könnten, sobald Remus ein Wolf mit seinem eigenen Verstand wäre. "Er wäre dann sozusagen ein Animagus und wir könnten in den Verbotenen Wald, ohne dass uns jemand angreifen würde, die hätten alle viel zu viel Angst, weil der Wolf-"
Mehr als einmal hatte Remus ihm auf den Fuß getreten, damit er endlich aufhörte so laut darüber zu reden.
Ihr Plan war fertig, auch Peter hatten sie schließlich davon erzählt, dieser schien ziemlich enttäuscht darüber zu sein, dass sie die ganze Prozedur ohne ihn erledigt hatten, aber sie sprachen nicht weiter darüber. Sie schlugen die Stunden bis zur Abenddämmerung mit Schulstunden tot und obwohl Remus nicht von "Vor Vollmond" Symptomen gequält wurde, konnte er sich genauso wenig konzenterieren.
Dass er neben Sirius saß half nicht besonders weiter. Die ganze Zeit fühlte er Sirius' Hand auf seinem Oberschenkel liegen und sah Sirius' leichtes Lächeln aus dem Augenwinkel, sobald er seine eigene Hand auf dessen legte.
Als es dann endlich soweit war, wartete er wie immer auf Madam Pomfrey, die ihn zum Eingang bei der peitschenden Weide bringen würde. Sirius, James und Peter würden erst etwas später nachkommen. Remus fand sie mussten nicht sehen, wie er sich schreiend verwandelte, all seine Knochen brach und seine Haut zerfetzt wurde. Außerdem wollte er nicht, dass sie verletzt wurden, falls der Trank doch nicht funktioniert hatte. In Gedanken versunken schlenderte er der Krankenpflegerin hinterher und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er wieder einmal durch den dunklen, engen Gang schlich.
Er setzte sich auf den Boden und wartete. Diese Minuten, die ihm immer vorkamen wie eine Ewigkeit. Er starrte an die Wand und zog Splitter aus dem zerkratzten Fußboden. Seine Gedanken waren nur auf Sirius konzentriert, das beste, was ihm momentan einfiel um sich abzulenken, ohne in Sorge und Panik zu verfallen. Endlich durchflutete der silberne Schein des Mondlichts den Raum. Sofort weiteten sich Remus' Pupillen, doch seine Augen verfärbten sich nicht, wie sie es sonst immer taten.
Er konnte es nicht sehen. Er spürte nur seine Knochen knacken, seine Zähne wachsen, Haut zerreißen und er schrie. Er schrie und heulte und Tränen rannten ihm aus den Augen. Minuten vergingen und normalerweise müsste er jetzt in einem weißen Krankenhauszimmer aufwachen, ohne Erinnerung und mit neuen Narben.
Aber hier war er. Er war hier und er stand auf dem schäbigen Boden. Remus blickte an sich hinunter. Was er sah war haarig und groß, sehr groß. Remus wollte sprechen, doch er wusste, dass es nicht funktionieren würde. Er war ein Wolf. Nein. Er war ein Mensch, in einem Wolfskörper.
"Aber immerhin", dachte er "Der Trank hat funktioniert."
Nicht lange Zeit später hörte er Schritte vor der alten Tür, nicht wirklich Schritte, es waren vielmehr Tiertapser und Hufgetrappel. Remus wollte ihnen mitteilen, dass alles funktioniert hatte, doch ließ ein ungewolltes heulen von sich hören. Sofort hoffte er, dass sie keine Angst bekommen hatten und setzte sich hin. (So gut es eben ging, er fühlte sich ziemlich falsch mit vier Beinen und wusste nicht so Recht wie er in welche Position kommen sollte.)
Natürlich hatten die anderen drei keine Angst bekommen und Padfoot öffnete mit seinem Maul die Tür, indem er geschickt an ihr hochsprang und die Klinke hinunterdrückte.
Mit einem freudigen Bellen sprang er um Remus herum. Der Wolf war etwas größer als er, ein bisschen so wie er in Menschenform auch größer als Sirius war. Der anmutige Hirsch und die kleine Ratte die dem Hund gefolgt waren, standen nur wie angewurzelt da. Es war das erste Mal, dass sie Remus wirklich in seiner Wolfform sahen. Moony starrte die beiden an, ihre Reaktion abwartend. Nach ein paar Sekunden in denen er intensiv angestarrt worden war, beutelte Prongs seinen Kopf und ließ ein kurzes Schnauben von sich hören.
Was auch immer er ihnen mitteilen wollte, sie verstanden es sobald er sich umwandte und ihnen zeigte, dass sie ihm folgen sollten.
Er trabte voran, etwas gebückt durch den Tunnel. Auf seinem Kopf saß Wormtail, der nicht selbst rennen musste. (Außerdem wäre die Gefahr zerquetscht zu werden zu groß.) Dahinter kam Moony und ganz zum Schluss lief Padfoot hinterher. Als sie aus dem dunklen Gang heraus kamen, erblickte Remus zum ersten Mal den Vollmond. Er stand in dem, vom Tau, feuchten Gras und blickte in den Himmel hinauf. Die Nacht war klar und er konnte den Mond in seiner vollen Pracht beobachten.
"Wie kann so etwas schönes, nur so schreckliche Dinge tun?" fragte er sich. Der Anblick des Mondes war irgendwie hypnotisierend, so als würde er nach Remus rufen.
Erst nach einigen Sekunden bemerkte er, dass die anderen ihn erwartungsvoll anblickten und er wandte sich ab.
Sie gingen, so leise wie möglich, über das Schulgelände. Es war nicht das erste Mal, dass sie es Nachts zu Gesicht bekamen, doch trotzdem lag für sie alles in einem neuen Blickwinkel. Hogwarts sah Nachts anders aus, es sah so ruhig aus, friedlich und überhaupt nicht so, als würden am nächsten Morgen wieder unzählige Kinder durch die Flure stürmen. Die vier Rumtreiber (ein im Moment sehr passender Name) waren schon beinahe am verbotenen Wald angekommen, aber Remus zögerte.
Prongs blieb stehen und blickte ihn fragend an. (Es war erstaunlich, dass ein Hirsch fragend aussehen könnte) Remus wollte niemanden bekämpfen. Wenn sie dort hinein gehen würden und eine Gefahr käme auf sie zu, dann musste er derjenige sein, der seine Freunde beschützen konnte. Und falls er es nicht schaffte, oder falls er jemand anderen schwer verletzte, dann würde er sich dafür die Schuld geben müssen. Er wollte sich schon abwenden und gehen, doch dann erblickte er Padfoots sturmgraue Augen, sie funkelten vor Abenteuerlust und er und James hatten sich mehr auf diesen Tag gefreut, als Remus selbst. Er beschloss ihnen zu folgen.
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