Warum das Treatment die bessere Outline ist
In diesem Kapitel möchte ich von Rohversionen und dem szenischen Schreiben erzählen und dabei folgenden Fragen zum Treatment auf den Grund gehen:
1. Was ist ein Treatment?
2. Wie schreibt man ein Treatment?
- Was ist eine Szene?
- Aus welchen Elementen besteht eine Szene?
- Wie schreibt man eine Szene?
-- Was will ich mit der Szene aussagen/zeigen?
-- Wie helfen mir Schlüsselmomente beim Entwickeln einer Szene?
-- Wie kann ich meine Szenen verbessern?
-- Was kann ein Szenenwechsel alles sein?
-- Worauf kommt es bei der Einteilung in Szenen, Sequenzen und Kapitel an?
3. Für wen eignen sich Treatments?
4. Was braucht man für ein Treatment?
5. Warum ist das Treatment die bessere Outline?
Verlieren wir am besten keine Zeit, sondern starten direkt mit der ersten Frage:
1. Was ist ein Treatment?
Hierfür zitiere ich mal aus einem meiner Studienhefte: "Das Treatment ist nichts anderes als eine bereits nach Szenen gegliederte, beschreibende Filmerzählung, die noch keine Dialoge enthält."
Ein Treatment wird oft im Film- und Fernsehbereich verwendet und ist länger als ein Pitch, aber kürzer als ein vollständiges Drehbuch. Es kann aber auch beim Schreiben eines Exposés oder Romans verwendet werden.
Für mich ist ein Treatment eine bessere Outline, bei der man sich mit einer Mischung aus Theorie und Praxis mehr und mehr klarer wird über seine Charaktere, die Welt/das Setting, die Handlung/den Spannungsbogen und vor allem dem Thema sowie den verschiedenen Unterthemen, die jeder Charakter und/oder Handlungsstrang mit sich bringt.
2. Wie schreibt man ein Treatment?
Für einen groben Überblick hab ich meinen liebsten Assistenten ChatGPT mal befragt, und das hat mir das Programm ausgespuckt:
- Titel
- Prämisse
- Kurze Zusammenfassung
- Detaillierte Handlung
- Charaktere
- Setting
- Stil und Ton
- Schlüsselszenen
- Themen
Das sind die grundlegenden Elemente eines Treatments, das übrigens zwischen 1 und 10 Seiten lang sein sollte - wenn man ein professionelles Treatment verfasst. Wie ich das Ganze angehe, dazu kommen wir gleich. Zuerst möchte ich noch ein bisschen mehr auf die allgemeinen Aspekte eingehen.
1. Titel
- gibt die Stimmung, ein Element und/oder die Prämisse wieder
- soll neugierig auf mehr machen
2. Prämisse
- Hauptfigur + Ziel + Konflikt
- meist die Zusammenfassung des Hauptkonflikts in einem Satz
- kann aber auch eine Aussage oder Frage sein, die sich mit dem Ende bzw. der Charakter-/Entwicklung beantworten, belegen oder widerlegen lässt
3. Kurze Zusammenfassung
- Haupthandlung
- Was und warum will die Hauptfigur erreichen und wer oder was steht ihr dabei im Weg?
- Zu welchen Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernissen kommt es durch den Konflikt, dass die Hauptfigur ihr Ziel nicht einfach so erreichen kann?
- Wie wird der Konflikt (also die konkreten Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernisse) am Ende gelöst?
- Wie verändert sich die Hauptfigur im Laufe der Handlung durch die Konfrontation mit den konkreten Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernissen?
4. Detaillierte Handlung
Erster Akt
- Ausgangssituation der Charaktere
- Einführung der Konflikte
Zweiter Akt
- Veränderungen
- Herausforderungen
- Hindernisse
Dritter Akt
- Charakterentwicklung
- Auflösung der Konflikte
- Konsequenzen
5. Charaktere
Hauptcharaktere
- Ziele
- Motivationen
- Hauptmerkmale
Nebencharaktere
- Übersicht
- Rollen
6. Setting
- Ort
- Zeit
- Schauplätze
7. Stil und Ton
- Stimmung
- Genre
- Zielgruppe
8. Schlüsselszenen
- Auslösender Vorfall
- Plot Point 1
- Midpoint
- Plot Point 2
- Auflösung
9. Themen
- Botschaft
- Aussage
- Bedeutung
Klingt alles noch sehr theoretisch und listenbehaftet? Ich muss ja zugeben, dass ich gern mit Listen arbeite, aber ab einem gewissen Punkt sind sie auch mir zu unpersönlich und emotionslos. Um mir bei einem (neuen) Buchprojekt einen Überblick zu verschaffen, sind diese gesammelten Elemente wichtig, ohne Frage. Allerdings hab ich festgestellt, dass man (oder ich zumindest) nicht alles vorher in einer Liste zusammentragen kann. Die meisten Ideen - und vor allem Lösungen - kommen bei mir durch das Schreiben selbst.
Hier ist also meine Anleitung für ein (szenisches) Treatment, mit dem man tiefer in die Materie eintauchen kann. Und dafür braucht es vor allem eins: Szenen. Aber was genau ist eigentlich eine Szene? Aus welchen Elementen besteht eine Szene? Und wie schreibt man eine Szene?
Was ist eine Szene?
Im Prinzip ist eine Szene nichts anderes als eine Mini-3-Akt-Struktur. Es gibt
- eine Ausgangssituation
- eine steigende Handlung mit Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernissen
- eine Auflösung des Konflikts
- und eine neue Ausgangsituation.
Mit der neuen Ausgangssituation sind wir bereits bei der nächsten Szene. Das Ganze wird dann so oft wiederholt, bis man am Ende der Geschichte angelangt ist (also der übergeordnete Konflikt, auch Hauptkonflikt genannt, gelöst ist).
Aus welchen Elementen besteht eine Szene?
- Charaktere
- Setting
- Inhalt
- Ziel
- Übergang
1. Charaktere
- Frage dich, aus welcher Perspektive du die Handlung schreiben/zeigen möchtest.
- Um wen geht es in der Szene?
- Welche Charaktere befinden sich alles in der Szene und welche Rollen nehmen sie ein?
2. Setting
- Zu welcher Jahres-, Tages- und/oder Uhrzeit findet die Handlung in der Szene statt?
- Welche Licht- und Wetterverhältnisse herrschen vor? Was löst das für eine Stimmung aus?
- Frage dich außerdem, in welchem Jahr die Handlung spielt.
- Befinden wir uns in der Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft?
- Gibt es einen bestimmten historischen und/oder gesellschaftlichen Kontext?
- Und natürlich ist es wichtig, dass du dich fragst, wo die Szene, die Handlung, stattfinden soll. In unserer bekannten Welt und an einem bekannten Ort? Oder hast du eine eigene fiktive Welt erschaffen?
- An welchem Schauplatz befinden wir uns? Was gibt es dort zu sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken? Also welche Stimmung/Atmosphäre herrscht dort?
3. Inhalt
- Um was geht es in der Szene? Welches Ereignis möchtest du zeigen? Und noch konkreter: Was tun deine Charaktere? Bzw. Was und warum wollen deine Charaktere erreichen und was tun sie konkret, um dieses Ziel in die Tat umzusetzen?
- Zu welchen Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernissen führen die Handlungen der Charaktere? Wer oder was steht ihnen im Weg?
- Erreichen die Charaktere ihr Ziel? Wie erreichen sie es? Wie werden die konkreten Veränderungen, Herausforderungen und/oder Hindernisse gemeistert, überwunden oder gelöst?
4. Ziel
- Frage dich, was du in der Szene von deinen Charakteren, aber auch von deiner Welt zeigen möchtest.
- Warum ist die Szene wichtig für das Voranschreiten/die Entwicklung der Handlung bzw. der Charakterentwicklung?
- Was bedeutet die Szene dir und deinen Charakteren auf der emotionalen Ebene?
- Was gibt es für die Charaktere zu gewinnen und was zu verlieren?
- Was bedeutet es für die Charaktere, wenn sie ihr Ziel nicht erreichen (können)? Welche Konsequenzen folgen daraus? Und wie gedenken die Charaktere das zu verhindern?
- Welche kleine Veränderung auf dem Weg zur (großen) Charakterentwicklung machen die Charaktere in dieser Szene durch?
5. Übergang
- Dieser Punkt ist optional.
- Wenn du generell mit einer chronologischen/linearen Erzählweise (also von Anfang bis Ende ohne Zeitsprünge und/oder Sichtwechsel) arbeitest, brauchst du das wahrscheinlich nicht.
- Wenn du deine Geschichte aber gern komplexer gestalten und wie ich mit einer nicht-linearen Erzählweise, also verschiedene Zeitebenen, Zeitsprünge und Sichtwechsel, arbeiten möchtest, kann ich dir empfehlen, die einzelnen Szenen aus den verschiedenen Zeitebenden oder Sichtweisen mit Übergängen/Elementen zu verbinden.
- So ein Übergang oder Element kann ein Ort, ein Gegenstand, eine Person, eine Dialogzeile, eine Situation oder was weiß ich noch alles sein. Da sind deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt.
- Wichtig ist nur, dass der Übergang dafür sorgt, dass die Handlung weiter voranschreitet.
Zusammenfassung/Muster:
Charaktere
-
Setting
Datum/Zeit
-
Ort
-
Inhalt
Ereignis
-
Konflikt
(Innerer/Äußerer Konflikt)
-
Ziel
(Grund, Motiv, Handlungsrelevanz)
-
Übergang
-
Wie schreibt man eine Szene?
Beim Schreiben einer Szene geht es vor allem darum, Atmosphäre und Spannung zu erzeugen. Bisher haben wir nur die Rahmenbedingungen festgelegt. Das Ausformulieren beinhaltet aber noch viel mehr:
- Art des Szeneneinstiegs und -endes (Dialog, Handlungen, Emotionen, Subtext, Gedanken, Sinneswahrnehmungen)
- Dialoge (Streitgespräche, Informationsaustausch)
- konkrete Handlungen (Mimik und Gestik, Körperhaltung, Bewegungsabläufe)
- Emotionen (Gefühle, Wahrnehmungen, Ausdrücke)
- Subtext (Dialoge, konkrete Handlungen, Emotionen, Gedanken, Sinneswahrnehmungen)
- Gedanken (innere Monologe, Dialoge, Selbstgespräche, Träume)
- Sinneswahrnehmungen (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken)
Auf diese Punkte kann man bereits achten, während man eine Szene schreibt. Man kann sie aber auch erstmal im Hinterkopf behalten und dann bei der Überarbeitung gezielt darauf eingehen.
Atmosphäre wird vor allem mit Beschreibungen von Details erzeugt. Und Spannung ist das, was alle Elemente mit der Hauptfigur sowie dem Hauptkonflikt verbindet. Ein Detail über - sagen wir - den Glanz eines Schmuckstücks wird erst interessant, wenn es einen Bezug zwischen diesem Schmuckstück und der Hauptfigur gibt. Wenn die Hauptfigur beispielsweise diesen Glanz während eines Kampfes wahrnimmt. Das Schmuckstück könnte vielleicht eine Waffe sein, die gegen die Hauptfigur eingesetzt wird. Oder aber das Schmuckstück ist das Element, das der Hauptfigur einen entscheidenden Vorteil verschaffen könnte.
Noch intensiver/spannender wird das Ganze, wenn man einen emotionalen Bezug herstellt. Das Schmuckstück könnte einer geliebten Person gehören, die sich nun gegen die Hauptfigur wendet. Wenn wir uns in einem Kampf befinden, hat die Figur nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Leben zu verlieren. Noch ein wenig abstrakt, aber ich denke, es wird klar, worauf ich hinauswill. Szenen und Geschichten können einen nur dann packen, wenn man versteht, was und warum die Figuren erreichen wollen und wer oder was ihnen dabei im Weg steht.
Das Wichtigste Element einer Szene ist also der Konflikt. Jede Szene besteht aus einem Konflikt, der wiederum zum übergeordneten Hauptkonflikt beiträgt. Das, was eine Szene so packend machen kann, ist die Ungewissheit (weil jeder Charakter individuell denkt, handelt und fühlt), ob und wie die Figuren die Konflikte lösen (können). Und was ein Scheitern für die Figuren bedeutet. Mit welchen Konsequenzen sie dann leben müssen und wie sie deshalb versuchen das zu verhindern.
Mach es also deinen Charakteren mit jeder Szene ein bisschen schwerer, während sie sich gleichzeitig weiterentwickeln; neue Fähigkeiten oder Wissen erlernen, einen anderen Charakter oder eine Welt besser kennenlernen.
Wenn die Charaktere ihr Ziel erreicht haben, ist die Geschichte nämlich zu Ende. Es sei denn, das Ziel verändert sich im Laufe der Geschichte. Und genauso wie sich das Ziel verändert, verändern sich auch die Figuren, sodass es am Ende einen deutlichen Vorher-Nachher-Vergleich gibt.
Falls dir das jetzt alles nicht helfen konnte, möchte ich dir für deine Szenen nun wichtige Schlüsselmomente, Fragen und Tipps mit an die Hand geben:
Was will ich mit der Szene aussagen/zeigen?
Das bezieht sich in den meisten Fällen auf das Thema, einen Charakter oder einen Aspekt aus der Welt. Wobei Charaktere und Aspekte aus der Welt immer auch mit dem Thema zu tun haben. Deshalb ist es wirklich wichtig, sein Thema zu kennen.
Man muss daraus aber keine Wissenschaft machen, denn man kann weitere Teilaspekte eines übergeordneten Themas auch super beim Schreiben herausfinden. Deshalb empfehle ich an dieser Stelle, dass man sich vor dem Schreiben ein Thema aussucht, in welche Richtung es (grob) gehen soll. Hierfür kann man sich beispielsweise bei Tropes bedienen. Neben den Tropes zu Themen gibt es auch welche zu Charakteren, Beziehungen, Handlungen, Settings und Entwicklungen.
Thema
- Gut gegen Böse
- Selbstfindung
- Freiheit
- Menschlichkeit
- Liebe
Charaktere
- Bösewicht
- starke weibliche Figur
- Mentor
- Außenseiter
- Wissenschaftler/Erfinder
Beziehungen (müssen nicht immer romantisch sein)
- Gegensätze ziehen sich an
- unerfüllte/unerwiderte Liebe
- Mentor und Schüler
- gefundene Familie
- Liebesdreieck
Handlungen
- Heldenreise
- geheimes Erbe
- großer Showdown
- Zeitreise
- Rückfall
Settings
- Dystopie
- geheimnisvoller Ort
- Kleinstadt
- High School
- exotisches Land
Entwicklungen
- Erlösung
- unerwartete Verbündete
- Plottwist
- Comeback
- Lebens-/Zyklus
Folgende Anregungen müssen nicht alle in einer einzigen Szene abgehandelt werden - das wäre dann Infodump. Vielmehr sollte man Stück für Stück mehr über die Charaktere und die Welt, in der sie leben, erfahren.
Was man alles über einen Charakter zeigen kann
- Verhalten
- Sprechweise
- Reaktionen
- Innere Konflikte
- Träume/Ziele
- Entscheidungen
- Interaktionen
- Dialoge
- Erinnerungen
- Kleidung
- Auftreten
- Körperhaltung
- Mimik und Gestik
- Veränderung
- Wachstum
- Konsequenzen
Was man alles über eine Welt zeigen kann
- Soziale Hierarchie
- Bräuche und Traditionen
- Gesetz und Ordnung
- Technologischer Fortschritt
- Wissenschaftliche Entdeckungen
- Regierungsform
- Wirtschaftssystem
- Landschaften und Umgebung
- Architektur
- Alltagsleben
- Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen
- Religiöse Praktiken
- Philosophien und Weltanschauungen
- Künstlerische Ausdrucksformen
- Popkultur
- Wetterbedingungen
- Umweltprobleme oder -besonderheiten
- Historische Ereignisse
- Mythologische Elemente
- Magiesystem
- Übernatürliche Wesen
Wie helfen mir Schlüsselmomente beim Entwickeln einer Szene?
Wie bei der übergeordneten Plotstruktur der gesamten Geschichte, kann man auch bei Szenen mit Plot Points arbeiten. Die Plot Points in einer Szene greifen unmittelbar ineinander und sorgen so für einen Spannungsbogen. Wer sowohl in seinen Szenen als auch in seinen einzelnen Akten sowie der gesamten Handlung Spannungsbogen aufweisen kann, kann auch meistens eine gute Geschichte vorweisen. Spannungsbogen sind also nicht zu unterschätzen.
Auslösender Vorfall
- Ereignis, das die Handlung in Gang setzt
- Was ist anders?
Plot Point 1
- Verlassen der Komfortzone
- Was gibt es zu gewinnen/verlieren?
Midpoint
- Wendung und/oder Erkenntnis
- Wer oder was sorgt dafür, dass sich das Blatt (zum Guten, Schlechten oder Ungewissen) wendet?
Plot Point 2
- Katastrophe/Versuchung
- Was bedeutet das Gewinnen/Verlieren? Welchen Preis fordert es?
Auflösung
- Erfolg oder Scheitern
- Wird der Preis bezahlt oder verweigert? Welche Konsequenz folgt daraus?
Wie kann ich meine Szenen verbessern?
Durch Lesen, Filme und Serien schauen und natürlich selbst schreiben. Was dabei einen großen Unterschied macht, ist, wenn man das Anschauungsmaterial (und auch sein eigenes Schreiben) hinterfragt.
Frage dich, warum du eine Beschreibung oder ein Szenenbild als gut oder schlecht empfindest. Warum du einen Charakter interessant findest. Oder warum du einen Charakter nicht ausstehen kannst. Was die Entscheidungen eines Charakters in dir auslösen. Wie sich ruhigere und actiongeladene Szenen voneinander unterscheiden. Was es mit dir macht, wenn du mehr weißt als ein Charakter, durch z.B. einen Sichtwechsel.
Achte darauf, wie Dialoge geschrieben oder gezeigt werden. Beim Schreiben kann man Mimik und Gestik, die Körperhaltung, Verhaltensweisen, Tonlagen und die Umgebung mit einbeziehen. Ein Dialog ist nicht einfach nur, wenn sich zwei Charaktere Wörter an den Kopf werfen. Ein Dialog hat meistens auch nochmal einen eigenen Spannungsbogen. In Filmen und Serien werden Dialoge nie in nur einem Format gezeigt. Mal wird näher an die Gesichter herangezoomt und mal weiter weg. Mal wird länger auf einen Charakter gehalten und mal wechselt sich der Fokus ab. So bringt man mehr Dynamik in ein Gespräch.
Es gibt noch viel mehr Aspekte, auf die man achten kann, z.B. wie die gleichen Emotionen durch verschiedene Charaktere anders ausgedrückt werden. Die Charaktere sollen ja wie echte Menschen sein/wirken, und die denken, handeln und fühlen ja auch nicht alle gleich. Je mehr man seinen Blick dafür schärft, desto mehr fällt einem ganz automatisch auf. Bei manchen Dingen denkt man sich, dass man das anders oder besser machen würde. Andere wiederum helfen einem vielleicht beim Lösen eines Problems, das man gerade bei einer Szene hat. (Wichtig ist hierbei, den Unterschied zwischen Inspiration und Plagiat zu kennen. Man kann nicht einfach komplette Szenen/Dialogzeilen abschreiben und sie als etwas eigenes verkaufen.)
Und dann kann ich noch empfehlen, mal darauf zu achten, wann Szenen wechseln. Das bringt mich nämlich gleich zum nächsten Punkt:
Was kann ein Szenenwechsel alles sein?
Zuerst einmal sollten wir klären, wozu der Szenenwechsel da ist. Wie ich schon beim Dialog erwähnt habe, ist Dynamik wichtig. Genauer gesagt Dynamik, Spannung und Struktur. Und da kommen Szenenwechsel ins Spiel. Eine Szene endet und eine neue beginnt, z.B. mit ...
... einem Ortswechsel
... einem Zeitsprung (z.B. Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre später)
... einer Rückblende
... einem Zeitraffer (Zusammenfassung eines längeren Zeitraums)
... einem Sicht-/Perspektivwechsel
... einem inneren Monolog oder Gedanken
... einem Stimmungswechsel (Wetter, Emotionen)
... einem symbolischen Übergang (Metapher, Vergleich)
... einem visuellen Motiv (Farbe, Gegenstand)
... einer Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken)
Worauf kommt es bei der Einteilung in Szenen, Sequenzen und Kapitel an?
Apropos Struktur. Das letzte, was ich zu Szenen noch erwähnen möchte, bevor wir mit der nächsten Frage zum Treatment weitermachen, ist, was denn jetzt bitte Sequenzen sind und wie man diese sowie Szenen ganz einfach Kapiteln zuordnen kann.
Während eine Szene eine in sich abgeschlossene Handlung hat, verteilt sich die Handlung bei einer Sequenz über mehrere Szenen. Eine Sequenz ist also eine Abfolge mehrerer Szenen.
Eine Szene wechselt übrigens immer dann, wenn sich etwas verändert oder etwas Neues hinzukommt:
- Ort
- Zeit
- Charaktere
- Konflikte
- Stimmung
- Emotionen
- Handlung
Wenn aber das größere Event oder der Konflikt, um das/den es geht, mehrere Schritte (Veränderungen oder etwas Neues) für eine in sich abgeschlossene Handlung braucht, dann handelt es sich um eine Sequenz. Und demnach lässt sich daraus ganz einfach schließen, dass eine Szene ein Kapitel ist, genauso wie eine Sequenz. Es kommt immer auf die in sich abgeschlossene Handlung an.
Für wen eignen sich Treatments?
Ich beschreibe mal meine Situation. Wenn du dich darin wiedererkennen solltest, dann kann ich dir wärmstens empfehlen, dich mal genauer mit dem Thema Treatment auseinanderzusetzen.
Als ich mit dem Veröffentlichen dieses Buches angefangen habe, dachte ich, dass ich für mein aktuelles Buchprojekt alles genau vorausplanen muss. Das Planen und Plotten hat mir geholfen, nur irgendwann bin ich ins Stocken geraten. Ich hatte keine Lust mehr, weil ich nicht genug vor dem Schreiben wusste. Meine größte Baustelle ist übrigens das Worldbuilding. Ich schreibe bzw. möchte einen Roman mit Fantasyelementen schreiben. Und dafür ist eine eigene Welt und ein Magiesystem erforderlich. Doch das wollte sich mir einfach nicht erschließen, egal, wie viele Listen ich erstellt habe. Ich bin nicht vorangekommen.
Ehrlich gesagt weiß ich schon gar nicht mehr, wie ich auf mein jetziges Treatment gekommen bin. Ich weiß nur, dass ich endlich eine Rohversion von meinem Roman haben wollte. Und weil das Schreiben bei mir schnell in Perfektionismus mit anschließender Schreibblockade ausartet, dachte ich, ich gehe das Ganze mal etwas anders an. Also habe ich ein neues Dokument erstellt, die Rahmenbedingungen für die erste Szene (die ich beim Plotten übrigens als Stichpunkt schon festgelegt hatte) festgelegt und dann einfach mal losgeschrieben.
Das "einfach mal logeschrieben" muss man sich so vorstellen, dass ich die Szene so aufgeschrieben habe, wie sie passiert, nur ohne Dialog und auch noch nicht in der richtigen Erzählperspektive. Vielmehr habe ich ein schriftliches Selbstgespräch mit mir selbst geführt. Mit Anmerkungen, Hintergründen, Stichpunkten - alles, was mir zu der Szene an Ideen gekommen ist. Da ich mein Dokument "Treatment (Arbeitstitel)" genannt habe, ist es für mich auch erstmal nur ein Treatment. Es darf chaotisch sein, Infodump und jede Menge Schachtelsätze mit Füllwörtern, Wortwiederholungen und Vampirverben enthalten.
Nach der ersten Szene folgte ziemlich schnell die zweite und dritte und so weiter. Und siehe da, je mehr ich geschrieben habe, desto klarer habe ich meine Charaktere und vor allem die Welt gesehen. Die Lösung meines Problems war einfach nur zu schreiben. Was mich zur nächsten Frage bringt:
4. Was braucht man für ein Treatment?
Mut zum Chaos und Akzeptanz/Geduld, dass es mehrere Entwicklungsschritte für das Endprodukt - die Geschichte, den Roman, das fertige Buch - braucht.
Außerdem sollte man sein Warum kennen. Das hilft bei der Motivation.
Kommen wir damit zum Fazit:
5. Warum ist das Treatment die bessere Outline?
Für mich funktioniert das Treatment als in Szenen eingeteilte Rohversion, die ich überarbeiten, mit Atmosphäre, Emotionen und Details erweitern kann. Und den Infodump natürlich kürzen/verschieben/aufteilen kann. Ich habe mir damit selbst den Druck rausgenommen, dass jeder Satz gleich von Anfang an "perfekt" sein muss. Denn - Überraschung! - dieses Perfekt gibt es nicht. Und wenn die Sätze einfach das wiedergeben, was ich für den nächsten Schritt brauche, habe ich weniger Hemmungen, einfach etwas umzuschreiben und eben besser zu formulieren.
Das Treatment kann man mit oder ohne Vorplanung schreiben. Ich in meinem Fall kann bereits auf ein bisschen Recherche, Details zu meinen Charakteren und Schauplätzen sowie Schlüsselmomente aus den verschiedenen Zeitebenen zurückgreifen. Damit bin ich jetzt beim Verfassen des Treatments schneller. Aber wenn man das alles erst beim Schreiben entdecken möchte, denke ich, dass das auch funktionieren kann. Wichtig ist, dass man etwas hat, das man überarbeiten kann. Und so ein erster "messy" Entwurf ist nun einmal besser als nichts.
Beispiel
Szene 1: Titel + Zeitangabe
Szenenzusammenfassung
Charaktere
- Protagonistin
- Hintergrundfigur
Setting
Datum/Zeit
- Monat und Jahr
- nachts
Ort
- Stadtname (Land)
- Wohnung der Protagonistin
- Schlafzimmer
Inhalt
Ereignis
- Protagonistin hat ein One-Night-Stand mit einer Hintergrundfigur
Konflikt
(Innerer/Äußerer Konflikt)
- Hintergrundfigur verhält sich nicht wie vorher besprochen
- Protagonistin weiß nicht, wer Hintergrundfigur ist, sie hat sich nicht einmal den Namen gemerkt
Ziel
(Grund, Motiv, Handlungsrelevanz)
- der Protagonistin geht es nicht um die Person, die jetzt gerade bei ihr ist
- die Hintergrundfigur ist aus einem bestimmten Grund da, der den Auslösenden Vorfall auslöst
Übergang
- die Protagonistin schmeißt die Hintergrundfigur aus dem Schlafzimmer und schlägt ihr die Tür vor der Nase zu
Umriss
Der Umriss enthält meine gesammelten Ideen und die halbwegs chronolische Reihenfolge für die Handlung in der Szene. Für den Umriss habe ich einmal am Anfang einen Status quo (Ausgangssituation) und am Ende dann den neuen Status quo (neue Ausgangssituation). Das hilft mir, herauszufinden, was sich in der Szene verändert hat - in Bezug auf die Charakterentwicklung.
Der Übergang zur nächsten Szene ist die Tür. In der ersten Szene schließt sie sich, während sie sich in der zweiten Szene öffnet. Allerdings ist das dann eine andere Tür, zu einer anderen Zeit und in einer anderen Welt. Damit führe ich dann den Hauptcharakter (also neben der Protagonistin die zweitwichtigste Person) ein.
Das soll es zum Thema Treatment gewesen sein. Die Angaben in meinem Beispiel sind übrigens absichtlich so schwammig formuliert, weil es nur als Anregung dienen soll und nicht zum Abkupfern gedacht ist. So, wie es jetzt formuliert ist, kann man es als Trope hernehmen, weil der emotionale Bezug fehlt und ich auch nicht preisgegeben habe, was genau zwischen den beiden Figuren passiert, dass die Protagonistin die Hintergrundfigur rauswirft. Deine Idee dazu kann komplett anders aussehen als meine.
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