How to... Plot/Handlung - Spannung & Erzähltempo

SPANNUNG
Zustand der Unentschlossenheit, Ungewissheit, des Wartens und was für den Charakter auf dem Spiel steht

Suspense
Wissensvorsprung

- mehr Wissen als der Charakter durch z.B. Sichtwechsel
- der Leser kann bereits durch den Sichtwechsel erahnen, was z.B. auf den Protagonisten noch zukommen wird

Surprise
gleicher Wissensstand

- z.B. Enthüllung eines Geheimnisses/Zusammenhangs
- der Leser ist genauso überrascht wie der Charakter, der von dem Geheimnis/Zusammenhang erfährt

Subtile Hinweise
Foreshadowing

- etwas, das der Charakter wahrnimmt, aber noch nichts damit anzufangen weiß
- z.B. Gegenstand oder Verhaltensweise - wird zu einem späteren Moment noch wichtig
- bei einem Plottwist ergeben die eingestreuten Hinweise für den Leser/Charakter erst im Nachhinein einen Sinn (wie Puzzlestücke, die erst nach und nach ein ganzes Bild ergeben), er fragt sich: "Wie konnte ich das nur übersehen?"
- bei einem schlechten Plottwist fragt sich der Leser übrigens: "Wo kommt das auf einmal her?", außerdem fühlt sich der Plottwist an den Haaren herbeigezogen an, wenn er im Nachhinein keinen Sinn ergibt und einfach um des Plottwists-Willens da ist

ANSPANNUNG

- schnelleres Erzähltempo mit kürzeren Sätzen/Hauptsätzen
- mehr Handlung/Aktion, weniger Gedanken (außer direkte Reaktionen, z.B. Scheiße, scheiße, scheiße - das ist gar nicht gut, dachte sie)
- 5 Sinne und Emotionen dürfen trotzdem nicht ganz vernachlässigt werden, schließlich muss das was passiert eine Bedeutung (= Kontext bzw. Zusammenhang und Auswirkung/Konsequenz) für den Charakter haben, sonst ist die Spannung dahin
- im Vergleich zu ruhigen Szenen hat der Charakter bei Szenen, in denen aktives Handeln nötig ist, aber nicht viel Zeit für genaue Bewertungen und durchdachte Gedankengänge, vielmehr handelt er instinktiv und vor allem (unbewusst) aus seinem Irrglauben heraus

ENTSPANNUNG

- langsameres und ruhigeres Erzähltempo mit längeren Sätzen und/oder Nebensätzen
- mehr Gedanken, Bewertungen, Emotionen und Atmosphäre durch 5 Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken)
- Umgebung und andere Personen sowie ihr Verhalten (und dadurch Vermutungen über Motive, Hintergründe, etc.) können genauer beschrieben werden (immer in Bezug auf den Charakter bzw. Erzähler und seine persönliche Wahrnehmung)
- Charaktere und Beziehungen untereinander erhalten durch solche Verschnaufpausen mehr Tiefe
- dabei sollte die Spannung jedoch stets in irgendeiner Weise greifbar bleiben/sein bzw. wieder aufgebaut werden (z.B. zwischenmenschlich, durch Suspense oder subtile Hinweise)

PACING
An- und Entspannung (frei übersetzt)

An- und Entspannung müssen sich abwechseln (Kausalität = Ursache und Wirkung)

Kausalität ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Sie betrifft die Abfolge von Ereignissen und Zuständen, die aufeinander bezogen sind. Demnach ist A die Ursache für die Wirkung B, wenn B von A erzeugt wird.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kausalit%C3%A4t)

Vor allem anhand von Musik ist das Prinzip von An- und Entspannung schnell veranschaulicht:

Intro
- Einführung
- Melodie
- Stimmung
- Vorschau
= entweder Anspannung oder Entspannung

Erste Strophe
- Erster Teil des Inhalts wird vermittelt
- in Form einer Geschichte oder Aussage
- es bleiben noch Fragen offen
= Entspannung (Kontrast zum Intro oder allmählicher Spannungsaufbau)

Pre-Chorus
- Verbindung zwischen Strophe und Chorus (Refrain)
= Spannungsaufbau

Erster Chorus (Refrain)
- Kernaussage
- der Teil, der zum Ohrwurm werden kann
- meist beinhaltet der Refrain auch den Titel des Liedes
= Anspannung

Zweite Strophe
- Aussage oder offene Fragen aus der ersten Strophe werden beantwortet
- und/oder die Verbindung zwischen Strophe und Chorus wird offenbart
= Entspannung

Zweiter Pre-Chorus
- Auftakt zum Chorus
- Erwartungshaltung
= Spannungsaufbau

Zweiter Chorus
- Erwartung aus dem Pre-Chorus wird erfüllt
- der Text ist bereits bekannt
- kann mitgesungen werden und sich im Gedächtnis festsetzen (Ohrwurm)
= Anspannung

Bridge/Break/Drop/Solo
- Kontrast (meist in Form eines Rhythmuswechsels)
- neuer Blickwinkel
- wie die Ruhe vor dem Sturm
= Entspannung + Spannungsaufbau

Letzter Chorus
- Finale
- Höhepunkt
= maximale Anspannung

Outro
- Ausklingen lassen
- oder Rückführung auf Intro
= Entspannung

Quelle: https://www.delamar.de/songwriting/songstruktur-in-den-charts-die-ewige-zauberformel-29372

https://youtu.be/fnayvmyploE

In keinem anderen Lied hab ich bisher mehr Energie gespürt wie in diesem; die Spannung ist gegen Ende durch die Wiederholung und das gesteigerte Tempo des Rhythmus (Schlagzeug) und vor allem der Bass-/Gitarrenriffs regelrecht greifbar. Egal, was man von der Musik halten will - genau SO sollte Spannung aufgebaut sein. Der Text ist alles andere als anspruchsvoll und der Sound nicht unbedingt jedermanns Geschmack (Nu/Industrial Metal mit Sci-Fi Elementen), Spaß macht es aber allemal, weil es einen Spannungsbogen gibt, der für mich vor allem auf der instrumentellen Ebene funktioniert. (Schaut man sich allerdings nur das Video an, hat man entweder einen Nostaglie-Flash oder findet es einfach nur cringe.)

Ein weiteres, etwas massentauglicheres Beispiel von der gleichen Band, ist das Lied "The Shape Of Things To Come" aus ihrem Punk-Rock Album "Transform". Hier besteht das Finale daraus, dass man die Stimme des Sängers im Kanon hört. Danach gibt's dann eine Rückführung auf das Intro - was meiner Meinung nach richtig episch klingt. Die Stimmung im Lied hat nach meinem Empfinden allgemein etwas postapokalyptisches an sich.

https://youtu.be/WhY_9FVaX0Q

Beispiel aus "Der dunkle Kuss der Sterne" von Nina Blazon (Kapitel: "Das Haus der Gespenster", Seite 84-85)

[...] Das Licht brach sich in zerkratztem ... Glas? Ich zögerte nur eine Sekunde, aber die Zeit schwang in diesem Herzschlag wie eine Ewigkeit. Der Boden bestand tatsächlich aus Glas. Und darunter, wie unter Wasser, Menschen! Die meisten waren älter oder schon Greise. War das eine Station für Sterbende? Nein, sie wirkten eher wie Menschen, die dem Traumwahnsinn verfallen waren. Wie Ertrinkende wanden sie sich auf kargen Lagern, nicht mehr als Matratzen. Manche schrien, aufgeschreckt durch den Lärm und das Licht, unhörbar unter Glas, Wahnsinnige, die nicht bei sich waren. Wie bei Schlafwandlern irrten ihre Blicke. Im Bruchteil dieser Ewigkeit entdeckte ich eine junge Frau, kaum älter als zwanzig, deren langes Kastanienhaar sich über den Boden breitete wie ein Fächer. Sie schrie nicht, ihre Augen waren geschlossen und in ihrem Gesicht nichts außer einer stumpfen Verzweiflung.
Träume führen in den Wahnsinn, hörte ich Maram sagen. Solche haben wir hier auch - tragische Schicksale.
"Ich habe sie!" Eine Hand krallte sich in meinen Ärmel. Das Mädchen unter Glas öffnete die Augen. Ihr leerer Blick fand meinen. Und es war, als würde ich in ein grauenvolles Spiegelbild blicken.
Es war dieser Schreck, der mir die Kräfte verlieh. Mit einem Schrei stieß ich die Frau, die mich gepackt hatte, grob zurück. Sie verlor das Gleichgewicht, rutschte ab, aber sie ließ mich nicht los. Mein Arm wurde mit einem Ruck nach unten gezogen, aber ich verhakte mich in der Scharte und biss die Zähne zusammen. Stoff riss, dann war mein Arm frei.
[...]

Das Pacing in einem Text ist etwas schwieriger - oder sagen wir einfach anders - als in der Musik. Hier kann man nur mit Worten arbeiten, nicht mit verschiedenen Tonlagen der Stimme und Instrumenten und die ganzen Fachbegriffe, die ich nicht kenne, weil ich kein Experte in Sachen Musik bin - ich höre sie nur gern.

In dem Beispiel, das ich ausgesucht habe, geht es hauptsächlich um Details. Die Autorin zoomt quasi näher ran und suggeriert dem Leser damit eine Art Slow Motion (Zeitlupe), während sie beschreibt, was ihre Protagonistin unter dem Glas sieht. Dabei vergeht die Zeit eigentlich nicht langsamer, es kommt der Protagonistin, und damit auch dem Leser, nur so vor.

Zum besseren Verständnis: Canda - die Protagonistin - befindet sich gerade auf der Flucht aus dieser Station. Sie wird damit konfrontiert, wie es ihr ergehen wird, sollte ihr die Flucht nicht gelingen. Ihre Freiheit steht für sie auf dem Spiel. Ach so, und Canda wusste bisher nicht, was in diesem "Haus der Gespenster" abgeht, weil sie am Anfang noch die Stadtprinzessin mit sämtlichen Privilegien war - und diese dann auf einen Schlag verliert. (Warum? Durch den Auslösenden Vorfall. Falls das interessant für dich klingen sollte und du gerade nach einem wirklich guten Fantasy Buch suchst, das ein Einzelband ist und in dem der Plot nicht nur aus stumpfem Soft Porno besteht, wie in aktuell gehypten Reihen, kann ich dir dieses Buch empfehlen.) Träume sind in ihrem gesellschaftlichen Umfeld etwas gewesen, das es zu vermeiden galt. Wer träumt ist verrückt. Und da sie neuerdings ebenfalls träumt, hat sie - verständlicherweise durch ihren Irrglauben - Angst, als genauso verrückt abgestempelt zu werden.

Sobald Canda gefasst wird und jemand "Ich habe sie!" ruft, befinden wir uns wieder in der Echt-Zeit. Die Protagonistin kann sich nun nicht mehr auf jedes einzelne Detail fokussieren, sondern nur auf das Wesentliche: dass sie macht, dass sie davonkommt.

Zum Abschluss dieses Kapitels hab ich noch eine Videoempfehlung für dich. In diesem Video erklärt John Matthew Fox alias Bookfox auf YouTube das Prinzip von Pacing im Vergleich zwischen Film und Buch. Falls du also dachtest, du kannst das Schreiben nur durch das Schauen von Filmen lernen, muss ich dich leider enttäuschen. Da gibt es nämlich einen (bzw. mehrere) gewaltigen Unterschied ...

https://youtu.be/iMjuA03hRns

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