Leuchtende Augen, inmitten dunkler Schwingen. Die Umgebung glich Schattenwelten.
Stockende Bewegungen, vom Hintergrund getrennt. Eintönig und Farblos - trist und freudlos.
Mit zitternden Händen griff sich Suji an die Stirn, hinter deren schützenden Wänden sich ein Pochen einnistete.
Ein schmerzerfülltes Zischen entwich ihren Lippen.
Aber die Schmerzen, deren Ursprung sie nicht kannte und die unheimliche Welt, in der sie sich nun befand, waren noch nicht alles, was ihr besorgniserregend vorkam.
Normalerweise sagte man, man könne nichts vermissen, was man nie hatte. Man könnte dies auch auf das Beispiel von Ereignissen beziehen, die man an den Vorgang des Vergessens verloren hat; und doch fehlte ihr etwas. Das Unbehagen in ihrem Magen, schien ihr etwas mitteilen zu wollen. Die Tränen, die ihre Wangen benetzten und deren Grund sie nicht kannte, schrien förmlich danach, dass sie sich an etwas wichtiges erinnern sollte.
Etwas verdammt wichtiges.
Doch jegliche Fragen blieben unbeantwortet, egal wie sehr sie sich anstrengte und sich an irgendetwas zu erinnern versuchte.
Eine Suche nach etwas Unbekanntem blieb auch in diesem Fall aussichtslos. Sie wusste selbst nicht was sie damit erreichen wollte.
Sie richtete sich auf. Der Boden erschien ihr ungewöhnlich weit entfernt. Ihr Körper auf eine seltsame Art und Weise zu groß.
Das Gewicht ihres Kopfes irgendwie falsch und ihre Haare kitzelten sie niedriger als sonst, am Hals.
Als sie langsam ihre Nase entlang ihr Gesicht herab fuhr, stockte sie auf Höhe ihres Mundes.
Hecktisch tastete sie die harten, langen Auswüchse ab, ehe sie kreischend fast wieder zu Boden fiel.
Die Eckzähne ihres Unterkiefers waren wie die Stoßzähne eines Wildschweins rausgewachsen und hatten sich ihren Weg zwischen ihren Lippen hindurch nach draußen freigelegt.
»Scheiße... Was zur...«
Ein lauter werdendes Klickern riss sie aus ihren Gedanken.
Unzählige Stimmen ertönten in den Baumkronen um sie herum als der Flötenpfiff des Windes die schattigen Blätter zum rascheln brachte.
Das blaue Fenster vor ihr brachte das einzige bisschen Farbe in die Umgebung.
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Möchten Sie das Tutorial
„Erste Schritte zu neuerlangter Stärke"
erneut starten?
Ja Nein
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Wie ein Blitz, der einen Gewittersturm kurzzeitig erhellte, sah sie eine graue Version ihrer Hand auf das „Ja" klicken.
Und kurz darauf nur noch schwarze Blätter die gegen ihr Gesicht klatschten.
Das leise Trommeln von Schritten, die keinen einheitlichen Rhythmus hatten und das Klicken, das sie auch zuvor schon gehört hatte.
Daraufhin ein Seil an dessen Ende ein farbloser Klumpen, an dem sich die schattigen Fliegen vergnügten, hing; Bilder wie sie außer Atem an eben jenes Seil sprang. Das Schmatzen, als ihre Hände sich um das klumpige Etwas schlossen.
Eine widerlich süßlich riechende Flüssigkeit, die dickflüssig zwischen ihren Fingern entlang floss und daraufhin ein spitzes Bein das genau auf ihre Augen zuschoss.
Ihr Körper schüttelte sich, als es um die Gegend ihres Herzens warm wurde, während das lebenserhaltende Organ unkontrolliert schneller schlug.
Ihre Hände wischten immer und immer wieder über die selbe Stelle ihrer Hose, um die nicht vorhandene Flüssigkeit los zu werden, während ihre Augen immer wieder dem Drang zu blinzeln nachgaben.
Sie hasste Spritzen und jegliche Art von spitzen Gegenständen - vor allem, wenn sie auf ihre Augen gerichtet waren.
Überall waren Bäume. Es gab nur einen klaren Pfad; der Rest der Umgebung war unbegehbar verwachsen. An einzelnen Stellen wackelte das graue Gras und zwei leuchtende Augen blitzten für kurze Zeit auf.
Schon am nächsten Baum, den der Pfad passierte schwebte ein schwarzer durchgestrichener Kreis in der Luft, der den Weg verbarrikadierte.
Suji's Mundwinkel rutschten herab, bis auf das blaue Fenster und das Tutorial, an dem sie wohl schon einmal gescheitert war -auch wenn ihr daran größtenteils die Erinnerungen fehlten- schien es fürs erste keinen anderen Ausweg aus ihrer Situation zu geben.
Zittrig hob sie ihre Hand und klickte kurz und schmerzlos auf das „ja".
Sie hatte keinen Plan, wusste nicht einmal genau was sie machen musste und startete ein Tutorial, das sie wohl schon einmal das Leben gekostet hatte. Welch wundervolle Aussichten.
Ein Zeitfenster erschien über ihr und begann die Nullen mit Sekunden zu füllen.
Als es hinter ihr zu knacken begann, rückte ihr Kopf kurz nach hinten, nur um zu sehen, wie die vermeintlichen Äste eines Baumes, sich als die spitzen Beine einer gewaltigen Spinne entpuppten.
„Na dann mal los."
Ohne einen weiteren Gedanken an das Monster hinter sich zu verschwenden, rannte sie los.
Überrascht von den größeren Schritten und der somit erhöhten Geschwindigkeit, öffneten sich ihre Augen ein Stück mehr.
Die Formen um sie herum verschwammen zu unterschiedlich dunklen Grautönen und das Klickern hinter ihr entfernte sich kurzzeitig.
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Möchten Sie eine neue Route einschlagen?
ja nein
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Das Bild eines grauen Fensters blitzte auf.
'Sind sie sich sicher die Route „Seil: Erklimmen neuer Höhen" beschreiten zu wollen?'
»Wenn das heißt nicht aufgespießt zu werden, dann 'ja'!«
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'Player', welche Route möchten Sie beschreiten?
A: „Neue Tiefen: Verlorene Kinder"
B: „Höhle: Residenz der Monster"
C: „Festgewurzelt: Mut aus Torheit"
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„C! Ich nehme C - ver-dammt!"
Fast am anstehenden Ast eines auf dem Weg liegenden Baumes hängen bleibend, nahm sie die Hürden des Pfades.
Auf eine weitere Residenz der Monster hatte sie keine Lust. Davon hatte sie in letzter Zeit schon genug gehabt und verlorene Kinder erinnerte sie viel zu sehr an die original Geschichte von Peter Pan, der als Todesengel den Kindern die Körperteile abhackte, wenn sie zu groß für das Versteck wurden und da es in 'Tiefen' ging, vermutete sie nur noch mehr Beschwerlichkeiten auf ihrem Weg.
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Bitte wählen Sie ihre Waffe, 'Player'.
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Eine Auswahl an verschiedenen Waffen erschien in einem separaten Fenster.
Von Pfeil und Bogen bis hin zu Sensen und Dreizacken... und doch gab es keine Schwerter!
Ihre Gedanken wanderten zu den langen Beinen der Spinne und deren spitzen Enden.
»Na schön, spielen wir heute mal Schamane. Es ist zwar kein totes Schwein, aber immerhin...«
Und schon erschien das kalte Metall des Dreizacks in ihrer Hand, kurz bevor sie ihre Füße in den Boden stemmte und herumwirbelte.
Sie konnte nicht sterben. Dieses Tutorial würde sich wiederholen, wenn sie scheiterte.
Und so mit der Entschlossenheit des ersten 'Players' begann das schier endlose Ritual der Leichtgläubigen auf dem Weg des Wanderers.
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