02

„Das ist doch ein schlechter Scherz um uns einzuschüchtern!"
Unterbrach der Partyleader das Schweigen, welches sich nach Verkündung der Aufgabe, ausgebreitet hatte.

„G-Genau!", schloss sich zögerlich der Nächste aus der Party an, „wahrscheinlich soll uns diese Nachricht bloß vor dem weitergehen abhalten!"

„So wird es sein! Außerdem werden uns die anderen Gilden zuvor kommen, wenn wir nicht weiter gehen. All die Schätze die dieser Dungeon birgt, wären dann in den Händen anderer! Wollt ihr das?"
Der Brünette richtete sich wieder zu voller Größe auf und breitete seine Arme aus, als würde er gerade eine wichtige Staatsrede halten.

Ein einstimmiges 'Nein!' folgte auf seine Worte.

Zufrieden grinste er.
„Na dann, worauf warten wir? Suchen wir uns einen anderen Weg!"

Während sich die Gruppe aufteilte, um auf der schwebenden Insel nach weiteren Rätseln zu suchen und auch der Heiler den Raum verließ, um sich ihnen anzuschließen, blickte Suji mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend auf die Ketten am Fuße der Statue zurück.
Irgendetwas an diesem Raum ließ ihr einen kalten Schauder den Rücken herab fahren.
Diese gesamte Situation löste etwas in ihrem Körper aus. Alle ihre Glieder schrien förmlich 'Gefahr' und dass die anderen es zu ignorieren schienen, machte Suji nur noch mehr Angst.

Den Kopf über ihre scheinbaren Paranoia schüttelnd, beschloss sie schließlich zumindest die Augen offen zu halten, während sie sich der Gruppe außerhalb anschloss.
Vielleicht bildete sie sich das alles nur ein und es war eine reine Vorsichtsmaßnahme ihres Körpers wegen des veränderten Dungeonaufbaus.

Und trotz der eingeredetes Sicherheit, begann ihr Rücken unangenehm zu Jucken und ihr Schritt beschleunigte sich auffällig - So wie ein Kind, dass des Nachts vor einem imaginären Monster in sein Bett floh.

•••

„Leader! Kim Ji-Sook!"
Einer der anderen Partymitglieder, wahrscheinlich ein Tanker, seiner guten Rüstung und der Axt auf seinem Rücken nach zu urteilen, rannte quer über die Insel, an Suji vorbei, auf den C-Rang Hunter zu.

Überrascht von der offensichtlichen Verzweiflung seines Tankers, kam Ji-Sook ihm einige Schritte entgegen und forderte ihn -nachdem er stehen geblieben war- mit einem kurzen Kopfnicken auf, zu sprechen.

„Die Brücke..."
Er schluckte schwer, während er keuchend die Luft aus seinen Lungen presste und die Augen weit aufriss.
„Die Brücke! Sie... Sie ist weg!"

„Was?!"

Über die Nachricht mindestens genauso erschüttert wie Ji-Sook, starrte Suji auf die Erde vor ihren Füßen.
Wie genau konnte das passieren? Sie hatten lediglich das Rätsel dieser Insel gelöst, also wieso wurde Einfluss auf ihre vorherigen Erfolge genommen?
»Hat eines der Monster die Position des Steines wieder verändert, wenn nicht sogar die ganze Scheibe beschädigt?
Drehen sich die Steine -wie nach einem Timer- vielleicht irgendwann selbst auf ihre ursprüngliche Position zurück?
Oder fordert das Erstellen einer neuen Brücke, die Zerstörung der Vorherigen?«
Erneut schweiften die Gedanken der jungen Frau zu dem Raum ab. Das Bild der Ketten, die einem höhnisch entgegen lachten -bereit eine Person zu empfangen, deren Freunde oder Partymitglieder nicht fähig waren, sie eigenhändig umzubringen.

Kurz schloss sie die Augen und schüttelte den Kopf. Sie musste nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen.
Vielleicht gab es ja einen Weg die Brücken wiederherzustellen und sie mussten sich lediglich gedulden, bis sie ein weiteres Rätsel fanden.

„Bring mich hin.", fügte Ji-Sook hinzu und riss Suji somit aus ihren Gedanken.

Nickend machte der Tanker auf dem Absatz kehrt und joggte voraus.
Auch Han Suji folgte ihnen. Sie wollte es mit eigenen Augen sehen und überprüfen, ob der Verlust der Brücke vielleicht nicht doch bloß ein vorübergehender Zustand war.

Die kleine Baumgruppe war schnell hinter sich gebracht, sodass sie nun am Rande der Insel standen, der aus kahlem Gestein bestand. Kleine Furchen in eben jenem ließen ein weißes Leuchten -ähnlich dem der Brücken- hervorquellen. Wahrscheinlich das Material, welches die Inseln in der Luft hielt.

Nervös kaute der Partyleader auf seiner Lippe herum. Das war ein Problem. Ein verdammt großes Problem.

Der bloße Abgrund, der sie auch bei Betreten dieses Dungeonteils erwartet hatte, empfing sie erneut.
Es war leichter Nebel aufgezogen, sodass die Inseln, auf welchen sie zuvor die Aufgaben gelöst hatten, nur noch als blasse Schatten in der Ferne erkennbar waren.

„Was sollen wir jetzt machen?"
Verzweifelt raufte sich der Tanker die Haare.

Noch ehe irgendwer ihm eine Antwort geben konnte, erklangen Schreie hinter ihnen.

Suji atmete einmal schnappartig ein, nur um die Luft daraufhin zischend wieder auszustoßen. Ihre gesamte Nackenmuskulatur verspannte sich.

„Das sind die anderen! Schnell, folgt mir!", verschob Ji-Sook das Gespräch auf später, machte auf dem Absatz kehrt und gab Hackengas, um den Weg schnellstmöglich zurück zu legen.

Die junge Frau und der Tanker wechselten einen kurzen Blick, ehe sie es ihm gleich taten und ebenfalls schnell den Rückweg antraten.

Desto näher sie dem Ort des Geschehens kamen, desto lauter wurde die Geräuschkulisse. Einzelne Schreie ließen sich Personen zuordnen, die man kannte.

Der Rückweg erschien länger als der Hinweg, die gesamte Atmosphäre hatte sich verändert. Die Luft war stickig, der Schatten der Bäume düsterer als zuvor und die Nerven eines jeden zum reißen gespannt.

Als die Bäume sich lichteten blieben sie alle wie versteinert stehen.

Zitternd wanderte Suji's Hand vor ihren Mund, um diesen zu verdecken. Ihre Augen waren weit aufgerissen und spiegelten die blanke Panik wieder.
Ihr Herz raste und ihr Brustkorb schien sich zusammen zu ziehen.
Ihre Emotionen nicht mehr unter Kontrolle habend, sprach sie die Gedanken eines Jeden aus: „W-Was ist das?!"

Ein gewaltiges ... Biest umkreiste einen Teil der Party, der sich zu einem Kreis zusammen gefunden hatte und nun Rücken an Rücken auf der Fläche inmitten der Insel stand.
Die Pranken des Monsters waren gewaltig - wären dazu in der Lage einen Menschen unter sich zu begraben.
Der Schwanz peitschte hin und her, bestand aus Federn, deren Anordnung jedoch an den Schweif eines Pferdes erinnerte.
Der Kopf war der eines Wolfes, auch wenn die teilweise eingeflochtene Mähne eher an einen Löwen erinnerte. Die einzelnen Haarstränge standen widerspenstig in alle Richtungen ab, schienen sich regelrecht gegen die Verankerung ihrer Wurzeln zu wehren.
Die Schwingen eines Raubvogels verdeckten den Rücken vor fremden Blicken.
Er zog eine Spur des Eises hinter sich her. Eben jenes Element, welches auch sein Fell und seine Federn bedeckte.

Langsam schlich das Wesen um die Gruppe, die sich in der Mitte des Platzes -der nun mehr einer Kampfarena ähnelte- zusammengefunden hatte herum; Wippte leicht mit dem Kopf, verengte die Pupillen zu Schlitzen und knurrte immer mal wieder bedrohlich.

Die toten Körper einiger bedauernswerter Seelen, die bereits das Zeitliche segnen mussten, ignorierte es vollständig. Ja teilweise zerstörte es das letzte Überbleibsel ihres Körpers, indem es seinen Weg strickt fortsetzte und auf sie drauf trat.

Suji zitterte inzwischen am ganzen Leib und das Herz in ihrer Brust flatterte, als wolle es die Flügelbewegung eines Kolibris nachahmen.
Das 'Ding' da unten, war niemals D-Rang!

Auf einmal sprang es vor und schleuderte eine seiner Pranken nach der Gruppe, die vergebens versuchte, irgendetwas entgegen zu setzen.

Sie, als Tanker am Rande des Geschehens hielt den Atem an.
Sie fühlte sich hin und her gerissen, zwischen ihrem Pflichtgefühl, welches ihr vorschrieb ihren Kameraden zur Hilfe zu eilen und einem der animalischen Instinkte, welcher dennoch in einem jeden Menschen schlummerte - dem Drang zu flüchten.

Bevor sie auch nur irgendetwas unüberlegtes tuen konnte, wurde ihr die Entscheidung abgenommen, indem Ji-Sook vor sprintete.
Als dann auch noch der andere Tanker hinter ihm her eilte, fühlte sich Suji, als hätte sie keine andere Wahl als ihrem Beispiel nach zu amen.
„Blöder Gruppenzwang.", brummte sie, ehe sie ihr Schwert zog und ebenfalls auf die Gefahr zu sprintete.
»Wir sind sowas von geliefert.«

•••

Es gab viele Wege zu sterben; ja sogar Bücher mit Anleitungen, wie man einen Suizid beging.

Suji war in den online Welten ihres Computers stets der Damagedealer mit den Kamikaze-Aktionen gewesen. Doch in den RPG's die sie gerne spielte, konnte sie stark sein; Ihren Charakter so weit aufleveln, dass er seine Gegner -wie nichts- auseinander nahm.

Doch das hier war das reale Leben. Ein Leben indem sie zwar mit ihrem Erwachen, Fähigkeitentechnisch weit über einem normalen Menschen stand, doch neben anderen Huntern nicht einmal als ein solcher betitelt werden könnte.
Der D-Rang war einer der niedrigsten und gleichzeitig auch einer der meist vertretensten Ränge unter den Huntern.
Suji konnte sich selbst nicht einmal in das obere Drittel dieser Kategorie zählen. Ihre Fähigkeiten reichten gerade mal für die goldene Mitte des zweitschwächsten Ranges aus, was vor allem für einen Tank schlecht war.

Mit ihrem Schwert-Skill musste sie nah an einen Gegner heran, hatte aber nicht einmal eine vernünftige Verteidigung, geschweige denn machte sie mit ihren Angriffen genügend Schaden, um einen Kampf schnell für sich entscheiden zu können.

Vor Frust biss sie die Zähne zusammen, als sie sich gegen eine der Steinwände des Raumes lehnte.
Nur wenige hatten das Aufeinandertreffen mit dem Monster überlebt. Als der Heiler angegriffen wurde, war es auch um jene geschehen gewesen, die noch mit ihren Verletzungen gekämpft hatten.

Hier, in dem Opferraum, war die einzige Zuflucht, die sie vor dem Monster finden konnten und Suji spürte bereits die kalten oder mitleidigen Blicke ihrer Partymitglieder auf sich. Blicke, die ihr sagten 'Du wirst das Opfer sein'.

Die Not machte ja bekanntlich erfinderisch. Hier führte sie dazu, dass Menschen bereit waren, das Leben eines Gefährten zu opfern, um ihr Eigenes behalten zu können.

Suji seufzte. Sie wusste was in den Köpfen der anderen vor sich ging.
Sie hatte dem Monster nicht wirklich etwas entgegenzusetzen gehabt, sogar ihr Schwert war während eines Angriffes zu Bruch gegangen. Für den Rest der Party war sie bloß noch eine Bürde, wenn sie auf weitere Monster über dem D-Kaliber treffen würden.
Sie wusste bereits was sie erwartete, sodass sie sich nicht einmal mehr wehrte, als sie unter den Armen gepackt und auf die Statue des Sensenmannes zu geschliffen wurde.

Kaum umschloss das kühle Metall ihre Knöchel, öffnete sich im hinteren Teil des Raumes eine weitere Tür, hinter welcher ein Tunnel von Fackeln erhellt wurde. Viele würdigten sie nicht eines Blickes, sei es nun aus Scham oder Genugtuung für das, was sie getan hatten, sei mal dahin gestellt.
Letztendlich blieb Ji-Sook noch einmal vor ihr stehen. Tränen benetzten seine Wangen und er verbeugte sich leicht.

„Selbst als du unserer Party beigetreten bist, haben wir nur zugestimmt, weil wir eine gewisse Anzahl an Huntern brauchten, um den Dungeon betreten zu dürfen. Du warst nur als Platzhalter in der Party und ... und ich hätte nie gedacht, dass du uns soweit helfen könntest. Zu erst, dass wir überhaupt bis hier her kommen konnten und jetzt... dass wir wieder nach Hause können... Danke Han Suji. Ich danke dir so sehr!"

Jegliche falschen Hoffnungen zersprangen in ihre Einzelteile, so waren sie nie von festem Fundament gewesen - Ihre Verbindungen so leicht zu trennen, dass es eigentlich sowieso unnötig gewesen wäre, sie anzubringen.
Es war nichtmal Enttäuschung gegenüber den Handlungen anderer, sondern ihren eigenen Erwartungen gegenüber; Dass sie an ihre Gruppe und deren Moralvorstellungen geglaubt hatte.
Die Gegend hinter ihrem Rippengitter begann sich zu erhitzen und auch ihr Puls beschleunigte sich; wurde so laut, dass sie ihn in den eigenen Ohren widerhallen hörte.

Suji's Augen starrten ins Leere, als er den Raum verließ. Die Tür schloss sich wieder und sie blieb mit ihren Gedanken alleine zurück.
»Mach dich nicht über mich lustig...
Eure Feigheit wird der Grund dafür sein, dass ich einen elendig langatmigen Sterbeprozess haben werde. Nicht einmal töten konntet ihr mich. Überlasst mich stattdessen der Bestie.

In einem ver-dammten Dungeon!

Platzhalter...
War ich wirklich so schwach, dass ich nur als Platzhalter etwas getaugt habe?«
Erste Tränen fanden ihren Weg an die Außenwelt.
Sie war zu stolz gewesen. Zu selbstsicher in dem was sie tat und sie könnte über sich selbst lachen, dass sie es erst jetzt, wo sich ihr Tod näherte, begriff.

Ein Schatten legte sich über das Licht, das durch die Tür von draußen gekommen war.
Das große Auge des Monsters starrte direkt in ihre Schreckgeweiteten.
Als es sich kurz entfernte und an den Wänden zu kratzen begann.

Ein Schluchzen, welches von dem Laut des bröckelnden Gesteins übertönt wurde, entkam ihren Lippen.
»Dieses Vertrauen, das ich euch entgegen gebracht habe...«

War ich wirklich so naiv?!", schrie sie in ihrer Verzweiflung.

Die ersten Lichtstrahlen durchbrachen die Wand.

»'Ich danke dir', dass ich nicht lache.
Auch ich möchte nachhause!
Auch ich habe eine Familie, zu der ich zurück möchte!«
Verdammt! Ich möchte Leben!", schrie sie erneut.
Die Wand brach nun endgültig zusammen und das Biest starrte sie an. Es schien so, als hätten sich seine Lefzen zu einem Grinsen verzogen, die Augen wirkten kleiner - ähnlich wie, wenn ein Mensch grinste.

Als auch schon ein offenes Maul auf sie zu schoss.

»Ich will noch nicht sterben!
Nicht jetzt!
Nicht hier!
Wenn ich doch bloß noch eine Chance hätte mich zu beweisen!«




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Alarm!

Sie haben alle notwendigen Anforderungen der geheimen Quest 'Mut der Schwachen' erfüllt.

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Die Zeit schien wie eingefroren. Der gewaltige Kopf des Monsters schwebte wenige Meter über ihr in der Luft, während das blau leuchtende Fenster mit der Aufschrift direkt vor Suji's Gesicht schwebte.
Eine mechanische Frauenstimme wiederholte den Text.

»Was?
Geheime Quest?
Alle Anforderungen erfüllt?
Und woher kommt diese Stimme?!«
Ihr Kopf zuckte in hektischen Bewegungen umher, sodass sie nur noch weniger ihrer Umgebung bewusst wahrnahm.

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[ Du hast dir das Recht verdient ein Player
zu werden, möchtest du zustimmen?

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»Ich habe mir was ... wann 'verdient'?
Ob ich... wieso zustimmen?«

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            [Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.]

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            [Solltest du ablehnen, bleibt dein Herz
              in weniger als 0.02 Sekunden später
                           stehen.
                      Möchtest du zustimmen?]

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»Heißt das...dass wenn ich zustimme, dass ich weiter leben darf?«

Ihre bernsteinfarbenen Augen erlangten einen Teil ihres Glanzes zurück.
Eine zweite Chance? Die einmalige Möglichkeit jetzt nicht drauf zu gehen?

„Ich stimme zu."


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                     [Willkommen, Player.]

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