»Beautiful loser, never take it all 'cause it's easier and faster when you fall«
Jim bebte vor Zorn als sie endlich die Praxis verließen. Kaum waren sie hinaus getreten, stieß Jim Sebastian auch schon wütend gegen die nächste Hauswand. Sebastian taumelte ein wenig überrascht und Jim nutzte seine Schwäche, um zu explodieren: „Was zur Hölle soll das?! Du traust mir also nicht? Ich habe so viel für dich getan und ich dachte wirklich, du würdest es ein wenig wertschätzen! Aber offenbar bin ich hier der Idiot, denn wie es aussieht, habe ich nicht bemerkt, dass du mich nicht ausstehen kannst!"
Sebastian sah so verschreckt und unschuldig aus, dass es Jim nur noch rasender machte, weil sein Freund offenbar nicht einmal daran gedacht hatte, was seine Worte anrichten würden. Und nun stand er hier, gegen eine Hauswand gedrückt, angespannt und verdammt nochmal stumm im Angesicht von Jims Ausbruch und Jim wollte so gern, dass auch Sebastian explodierte, aber natürlich war er es, der die Ruhe bewahren konnte, der langsam Jims Hand am Gelenk griff und sie dann vorsichtig von seinem Kragen löste, der ihm vermutlich unter dem festen Griff die Luft abgeschnürt hatte und doch tat Sebastian nichts außer leise zu murmeln: „Lass uns das wann anders klären."
„Ohja, natürlich. Weil wir Beide ja so gut darin sind, Dinge wann anders zu klären! Als würdest du jemals aufhören, dem Thema auszuweichen. Aber wenn du mir nicht in die Augen sehen und endlich die verdammte Wahrheit sagen kannst, dann- dann kannst du mich mal!" Jim war so nah dran, Sebastian zu schlagen, diesen Ausdruck von seinem Gesicht zu prügeln, der ihn beruhigen und festhalten wollte, und er wollte, dass Sebastians blaue Augen aufhörten in seiner Seele herumzustochern und dort Dinge auszugraben, die es dort nicht gab, denn Jim hatte genug davon, auf ihn Rücksicht zu nehmen und er hatte genug von Ausreden und Lügen und von Sebastian und gleichzeitig wollte er, dass Sebastian ihm erklärte, was das für ein Missverständnis gewesen war, denn Jim hatte ihm so sehr vertraut, dass es beinahe körperlich wehtat, zu bemerken, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruhte - vor allem, da Jim geglaubt hatte, er wäre es, der deutlich weniger zu dieser Beziehung beizutragen hatte.
„Jim, bitte, du verstehst das nicht, wir kriegen das hin, wir brauchen nur... Zeit und-"
„Ich habe keine Zeit!", fauchte Jim. „Keine, die ich verschwenden kann, weil du nicht weißt, was du willst! Also lass mich zufrieden oder reiß dich verdammt nochmal zusammen und überleg dir, wie du das wieder gerade biegen willst, denn ich werde es ganz sicher nicht versuchen! Mir reicht's!"
„Jim-", versuchte Sebastian es erneut. Und da holte Jim aus und schlug ihn doch und es fühlte sich verdammt gut an und seine Hand begann sofort zu schmerzen, aber es war es ihm wert, als er sah, wie Sebastians Kopf zur Seite flog und er stolperte und sich die Wange hielt und Sebastian endlich bemerkte, dass es Jim wirklich ernst war.
„Wach endlich aus deiner bescheuerten Traumwelt auf!" Damit wirbelte Jim herum und lief los, ganz egal wohin, und er dachte darüber nach, dass er es war, der in seinen Träumen, seinen Albträumen, lebte und dass er dennoch besser klarkam als Sebastian, der erwartete, dass das Leben wie in einem Bilderbuch war und dass Jim im nächsten Kapitel vergessen hätte, was gesagt worden war. Aber Jim vergaß nicht und vergeben tat er auch nicht und vielleicht - vielleicht - würde er für Sebastian eine Ausnahme machen. Doch dazu müsste dieser seinen Kopf aus dem Sand ziehen, der Realität ins Auge blicken und erkennen, dass Jim es leid war, immer Ausnahmen für ihn zu machen und möglicherweise hatte er es langsam auch satt, die Dunkelheit seiner Träume, die in ihm brodelte, immer zurückzuhalten.
Seine Hand schmerzte, sein Kopf schwirrte, er spürte sich tiefer fallen und es fühlte sich gut an.
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„Hey, Jim!", rief Richard, als Jim die Tür zum Haus aufstieß und in den Flur stürmte. „Ich will dir jemanden vor-", er unterbrach sich, als er sah, wie Jim seine Schuhe Richtung Tür schleuderte, bei der er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sie zu schließen. „Was ist denn mit dir los? Wo ist Sebastian?"
„Lass mich in Ruhe!", fauchte Jim nur und stapfte dann die Treppen hoch. Von seinem Bruder kam keine Antwort - Jim konnte leises Gemurmel hören, dann schabte Holz über Fliesen und gerade als Jim die Tür zu seinem Zimmer aufriss, hörte er Schritte auf der Treppe. Genervt verdrehte er die Augen, warf die Tür hinter sich zu und kaum drei Sekunden später ertönte auch schon ein zögerliches Klopfen, sodass Jim den Kopf in den Nacken warf und ungläubig an die Decke starrte. Wie kann es sein, dass er nicht einmal eine einfache Aufforderung versteht?
„Ich hab gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!", rief er und trat, um seinen Befehl zu verdeutlichen, wütend gegen die Tür.
Kurz herrschte Schweigen, dann ertönte ein Seufzen außerhalb des Zimmers. „Jim, komm schon. Du kannst mit mir reden."
Richard war hartnäckig. Und das nervte Jim gewaltig, denn er hatte schon genug Probleme und wenn sein Bruder nun auch noch zu einem werden würde, dann würde Jim sicher mehr als nur explodieren. Er würde irgendwen in Stücke reißen. In Millionen kleiner Stücke und dann würde er sie verbrennen und-
„Hat es etwas mit Sebastian zu tun? Ist er deshalb nicht zusammen mit dir zurückgekommen?" Nein, Richard wollte wirklich nicht aufgeben.
„Das geht dich gar nichts an." Jim durchquerte das Zimmer, verschränkte die Arme, setzte sich auf sein Bett und hoffte, dass sein Bruder die Sache ein einziges Mal auf sich beruhen lassen würde.
Das tat er natürlich nicht. „Ihr... habt euch gestritten?"
Jim verdrehte erneut die Augen. „Wow, du bist ja ein richtiger Einstein. Und jetzt verschwinde." Er lauschte auf die Schritte seines Bruders, doch er konnte nichts hören, außer einem erneuten, leichten Seufzer.
Nach einer Weile fragte Richard, die Stimme gesenkt, als hätte er Angst, jemand außer Jim könnte ihn hören: „Habt ihr... Habt ihr euch getrennt?"
Jim atmete tief ein, versuchte seinen haardünnen Geduldsfaden zusammenzuhalten. Und außerdem hatte er keine Ahnung, was er sagen sollte, denn zur Hölle, woher sollte denn er wissen, wie so etwas funktionierte. Dann hörte er sich selbst leise auf Richards Frage genau das antworten: „Ich weiß es nicht."
„Du weißt es nicht?", hakte Richard nach und Jim konnte das Stirnrunzeln geradezu aus seiner Stimme heraushören.
„Ja!", knurrte Jim unwillig, denn er hasste es nach wie vor, etwas nicht zu wissen, doch mit Sebastian war schon immer alles so kompliziert gewesen und je mehr Jim über ihn zu wissen glaubte, umso weniger wusste er tatsächlich - wie er heute erfahren hatte. Denn plötzlich machte alles mehr Sinn. Dass Sebastian ihm aus dem Weg ging, seinen Berührungen beinahe schon auswich und ihn nicht ansah und anlog und ihm nicht vertraute. Ich hätte es ihm nie sagen sollen, dachte Jim. Dann würde er mich noch wollen.
Und dann ging Jim auf, dass er Sebastian niemals irgendwas hätte anvertrauen dürfen. An dem Tag, als sie sich kennengelernt hatten, hätte er Sebastian bereits den Rücken kehren müssen. Doch nun war es zu spät und alles war kompliziert und Jim bemerkte, dass er nur das Gefühl hatte, er sollte es bereuen, Sebastian so nah an sich heran gelassen zu haben, doch er bereute es nicht. Er wünschte sich nur, es würde sich lohnen - dass Sebastian endlich erkannte, dass Jim es für ihn getan hatte.
„Kann ich hereinkommen?"
Jim hatte beinahe vergessen, dass sein Bruder noch vor seinem Zimmer wartete. „Nein."
Richard kam dennoch herein. Jim hatte, wenn er ehrlich war, nichts anderes erwartet. Sein Bruder war eine Nervensäge.
„Was ist denn passiert?"
Jim warf ihm einen genervten Blick zu, ehe er sich demonstrativ von Richard weg und in Richtung Fenster drehte. „Das erzähl ich dir sicher nicht."
„Das war mir schon klar."
„Und warum bist du dann hier?"
„Weil du mein Bruder bist." Jim beobachtete in der Spiegelung auf dem Fensterglas, wie Richard langsam näher kam. „Wo ist Sebastian jetzt?"
Jim hob betont uninteressiert die Schultern. „Keine Ahnung." Und weil er fand, dass das nach zu wenig klang, hing er an: „Es ist mir auch egal."
„Jim...", setzte Richard an, ehe er sich selbst unterbrach und zögerlich neben Jim stehen blieb. Er richtete den Blick auf seinen kleinen Bruder, doch der sah stur weiter geradeaus. „Ich glaube nicht, dass es dir egal ist."
Jim schnaubte nur.
„Hör mal... Ich weiß, dass Sebastian dich sehr gern hat. Und ich weiß, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Ich weiß zwar nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber ihr bekommt das sicher wieder hin."
„Ja, zum Glück habe ich einen Beziehungsberater als Bruder", spuckte Jim spöttisch aus.
Richard verzog das Gesicht. „Ist es dir nicht möglich, ein einfaches Gespräch zu führen?" Er blickte Richtung Tür und verschränkte die Arme. „Und falls es dich interessiert, meine Freundin sitzt unten in der Küche und ich wollte sie dir eigentlich vorstellen, als du deine Dramashow abziehen musstest."
Jim drehte sich zu seinem Bruder und starrte ihn finster an. „Wie schön für dich. Aber tu dir keinen Zwang an: ich will sie gar nicht kennenlernen. Ich weiß sowieso nicht, wie du es immer wieder schaffst, dir neue Freundinnen zu angeln."
Richards Auge begann zu zucken. Jim beobachtete, wie er seine Hände zu Fäusten ballte und tief durchatmete und der Anblick, wie sein Bruder versuchte, die Kontrolle zu bewahren, ließ Jims Laune beinahe besser werden. Beinahe. „Du bist so ein Arschloch. Und übrigens ist es noch die gleiche."
„Noch?", wiederholte Jim. „Siehst du, unterbewusst planst du doch schon, sie wieder abzuschießen. Du bist genauso scheiße in sowas wie ich."
„Ich- das... Du-" Richards Gestammel wurde von dem Klingeln der Haustür unterbrochen. Der ältere der Moriarty-Brüder wirkte ziemlich erleichtert. „Hoffentlich ist das Sebastian, der das hier klären kann, sonst gehe ich dir nämlich in den nächsten zwei Minuten an die Gurgel."
Und damit verließ Richard fluchtartig Jims Zimmer; ebendieser rief ihm noch hinterher: „Versuch's doch!"
Dann stand er auf und warf die Tür zu, die Richard natürlich offen gelassen hatte. Tief durchatmend kehrte er zu seinem Bett zurück und ließ sich, Gesicht voran, darauf fallen. Er wusste, dass er Sebastian gesagt hatte, er sollte erst kommen, wenn er bereit war, das zu klären und dass Sebastian hier war, um vermutlich genau das zu tun - doch ein kleiner Teil von ihm hoffte, es wäre sein Vater oder seine Mutter oder irgendwer sonst. Doch das war mehr als nur unwahrscheinlich, denn sein Vater war auf irgendeiner Art Glaubensreise und seine Mutter war gerade erst zu ihrer Schicht ins Krankenhaus aufgebrochen und, wenn er es genau sah, wer sonst sollte zum Hause Moriarty kommen?
Und Jim wollte die Sache mit Sebastian klären, doch nicht jetzt, denn gerade war diese Wand vor der Dunkelheit in seinem Inneren so unfassbar dünn und der Knoten aus Wut groß und er nahm ihm die Luft zum Atmen und vor allem sein Urteilsvermögen, denn im Moment wollte Jim irgendwas zertrümmern und er hatte Angst, dass er das zerstören könnte, was auch immer er mit Sebastian hatte.
Er war gut darin, etwas zu beenden, aber ganz sicher nicht darin, etwas am Laufen zu halten.
Und bevor er überlegen konnte, wie er die Situation entschärfen konnte, ertönte ein kaum vernehmbares Klopfen. Jim antwortete nicht, doch die Tür öffnete sich dennoch und Sebastian trat herein, durchnässt bis auf die Knochen und mit einem langsam hervortretenden Bluterguss auf seiner Wange. Jim sah aus dem Fenster - es musste in den letzten zwei oder drei Minuten plötzlich zu regnen angefangen haben, denn der Regensturz hatte erst angefangen, als Jim schon im Haus gewesen war und mittlerweile war es so laut, dass man ihn bemerken musste - was Jim dennoch nicht getan hatte.
Sebastian stand im Türrahmen wie ein verlorener (und sehr durchnässter) Straßenhund und er sagte nichts, sondern atmete nur schwer, als wäre er den Weg hierher gerannt.
„Du tropfst auf meinen Boden", merkte Jim naserümpfend an - vor allem, weil er diese Stille nicht ertrug.
„Ich wollte nicht, dass du es so verstehst", sagte Sebastian, ganz, als hätte er Jims Kommentar überhaupt nicht gehört und als würde ihr Gespräch einfach dort weitergehen, wo es vorhin geendet hatte - nur, dass es mit Jims Wutausbruch und einem Schlag und einer Erkenntnis geendet hatte. „Ich vertraue dir, Jim. Wirklich. Ich weiß nur nicht, ob ich es sollte."
„Was soll das denn heißen?" Jim versuchte, Sebastian die kalte Schulter zu zeigen und uninteressiert zu tun, aber Sebastian blickte ihm endlich wieder in die Augen und Jim konnte nicht wegsehen. Er wollte nicht wegsehen. Doch er sollte. Denn das mit Sebastian konnte niemals gut enden und ja, vielleicht hatte Jim Angst, denn er hatte nie jemanden so weit in sein Leben gelassen und deshalb konnte er nicht abschätzen, was geschehen würde, sobald er Sebastian gehen lassen müsste - zumal er das nicht wollte.
„Ich meine- ich meine... Lynn Meifen hat Recht. Es ist nicht richtig, nicht gesund. Du-", er unterbrach sich, sah kurz zur offenen Tür, schloss sie dann und trat weiter ins Zimmer, ehe er die Stimme ein wenig senkte: „-du hast jemanden umgebracht. Für mich. Und ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber ich weiß, dass es nicht gut ist, dass ich so erleichtert war und ich habe dir sogar geholfen. Wahrscheinlich hattest du sogar Recht. Ich wollte es. Aber wir dürfen nicht immer alles haben, was wir wollen. Und ich weiß, dass ich dich will, aber vielleicht sollte ich das nicht. Außerdem sollten zwei Menschen nicht so abhängig voneinander sein. Mal davon abgesehen, dass ich gar nicht weiß, ob nur ich derjenige bin, der zu tief in dieser Beziehung drin hängt. Vielleicht bin ich der erbärmliche Teil, weil ich dich einfach nicht gehen lassen will, weil ich dich zu sehr brauche und vermutlich fühlst du das gar nicht so, aber ich weiß, dass ich dich verletzt habe. Und das tut mir leid. Es tut mir sehr leid."
Es war, als würde Sebastian plötzlich alles aussprechen, was er vorher nicht gewagt hatte, in Worte zu fassen, und Jim war ein wenig überfordert und überwältigt. Beinahe hätte er vergessen, wie wichtig Worte waren und wie viel Macht ihnen innelag - und gerade jetzt schien er auch vergessen zu haben, wie man sie verwendete, obwohl er darin immer so gut gewesen war, doch Dinge änderten sich, und so antwortete er Sebastian mit Schweigen, obwohl seine Gedanken rasten. Vielleicht war dieses Schweigen Antwort genug, oder vielleicht auch nicht, vermutlich nicht, denn sie Beide hatten etwas Besseres verdient als ein offenes Ende, obwohl das natürlich nicht das Ende war, es war nur ein Gespräch, doch irgendwie fühlte es sich für Jim so an. Wahrscheinlich dachte er zu viel nach, wahrscheinlich war das nicht gut, wahrscheinlich sollte er das alles laut sagen, aber er hatte diese Hoffnung, dass Sebastian sich weiterhin darauf verstand, durch seine Augen in seine Seele zu schauen und dort die Antwort zu finden.
Als sich langsam ein versöhnliches Lächeln auf Sebastians Lippen ausbreitete und sich irgendwie auch auf Jims spiegelte, fand er seine Hoffnung erfüllt.
Vielleicht war es doch kein Ende; vielleicht würde es ein gutes Ende werden.
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Hui, Streit im (nicht-so-wirklichem) Paradis und schon ist er auch wieder vorbei. Seien wir froh drüber xD
Ich habe ehrlich versucht, pünktlich zu updaten, aber ihr glaubt gar nicht, wie vergesslich ein Mensch sein kann. Angeblich sollen Menschen mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis ja intelligent sein, aber ich habe zurzeit Ferien und war mit der Rechnung 100:4 überfordert. Naja, da kann ich mich auf Montag freuen, wenn es wieder losgeht.
Okay, okay. Es ist spät und ich habe noch eine Fanfiction weiterzulesen.
Gute Nacht an alle Nachteulen, die noch hier verweilen und bis dann an alle :)
LG
Tatze.
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