48. Beschützer
Hermine saß nun schon seit geraumer Zeit wieder mit Severus und Harry zusammen im Hogwarts Express. Ihren besten Freund wiederzusehen war wie nach Hause kommen, es war komisch gewesen, ihn so lange nicht zu sehen. Immerhin waren sie die letzten eineinhalb Jahre keinen einzigen Tag ohne den anderen gewesen. Sie brannte schon darauf, ihm alles zu erzählen, wenn sie endlich wieder in Hogwarts und allein wären. James und Sirius hatte sie noch nicht zu Gesicht bekommen, sie waren bereits eingestiegen und hatten sich ein Abteil gesichert, als sie am Gleis 9¾ ankamen. Harry hatte ebenfalls bereits ein Abteil für sie gesichert, war aber danach nochmal auf den Bahnsteig getreten, um sie zu empfangen. Auch Remus und Emma hatte sie bereits wieder begrüßen können, Mary, Alice und Frank hatte sie nur aus einiger Entfernung gewunken.
Harry hatte, kaum dass sie sich gesetzt hatten, euphorisch von seiner Zeit im Haus der Potters berichtet und Hermine und Severus von ihren Ferien, danach hatten sie einige Zeit geschwiegen und aus dem Fenster gesehen. Hermine lehnte mit dem Kopf an Severus' Schulter, der ein Buch aufgeschlagen hatte und hing ihren Gedanken nach, während Harry noch immer stumm aus dem Fenster sah, ebenfalls in Gedanken.
Als aber nun Sirius zögerlich das Abteil betrat, hatte er von allen die ungeteilte Aufmerksamkeit.
"Hermine, Schnief.. ähm, ich meine.. Severus?", begann er zögerlich und Severus hob eine Augenbraue, sah ihn kritisch an. Er konnte sich nicht erinnern, dass Black ihn jemals mit seinem Vornamen angesprochen hatte.
"Was gibt's?", fragte Hermine freundlich lächelnd und nahm ihm etwas das Gefühl des Unbehagens. Er war nur höchst ungern hier und sprach mit Snape, aber Lily hatte schon recht, er war ihm einen Dank schuldig - ihm, Hermine und seiner Mutter.
"Ich hörte, dass ihr beide Levana gerettet und sie gepflegt habt", sagte er, "Ich.. nun ja.. vielen Dank. Und vielleicht.. " Er druckste herum, sah überall hin, aber traute sich nicht, ihnen ins Gesicht zu sehen. "Vielleicht waren James und ich etwas voreilig, wegen deiner Beschuldigung gegen Peter. Es sah für dich sicher einfach nur verdächtig aus, du kennst ihn ja nicht so wie wir." Jetzt war es raus und er fühlte sich etwas besser. Er hasste es, jemandem etwas schuldig zu sein. Nun traute er sich auch, die beiden wieder anzusehen. Severus war überrascht, diese Worte hatte er von Black nicht erwartet.
"Aber das bedeutet nicht, dass ich dich mag", schob er hinterher und Severus musste sich ein Grinsen verkneifen.
"Schon gut, ich hab es ja auch nicht für dich, sondern für die arme Levana getan. Sie ist wirklich ein Unglücksvogel", meinte er und zuckte die Schultern.
"Gut, dann geh ich wieder", verkündete Sirius eilig und war schneller wieder verschwunden als dass Hermine noch etwas hätte erwidern können.
Kaum war die Abteiltür zugefallen, fing sie leise an zu kichern und auch Severus lachte leise vor sich hin. Harry schüttelte nur lächelnd den Kopf.
"Er sah aus wie ein kleiner Junge, der zum Direktor zitiert wird", gluckste Hermine.
"Allein, dass er sich so unwohl gefühlt hat war es wert", bemerkte Severus und bekam einen leichten Schlag gegen den Arm von Hermine.
"Sei nicht immer so hämisch, er hat sich immerhin entschuldigt", tadelte sie ihn, "Auch wenn er es nach all seinen blöden Sprüchen verdient hat."
"Wobei ich es begrüßt hätte, wenn Potter sich selbst entschuldigt hätte."
"Glaub mir, er durfte sich von Lily einiges anhören", warf Harry ein.
"Dann sollte mir das wohl reichen."
Die restliche Zugfahrt und ihr Eintreffen in Hogwarts verlief ohne größere Vorkommnisse. Alle Schüler waren noch sehr aufgekratzt von den Ferien und redeten ohne Punkt und Komma aufeinander ein, um sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Nach dem Essen zum Beginn des letzten Quartals konnte Hermine sich nur schwer von Severus trennen, um mit den anderen in ihren Gemeinschaftsraum zu gehen. Sie hatte sich schon so sehr daran gewöhnt immer bei ihm zu sein.
"Sicher schlafe ich heute Nacht schlecht ohne dich", verkündete sie und hauchte Severus einen Kuss auf die Lippen.
"Du wirst mir auch fehlen", sagte er, "Träum von mir." Dann ließ er sie mit Emma und Lily gehen.
"Ihr habt also in einem Zimmer geschlafen?", fragte Emma und wackelte mit den Augenbrauen.
"Haben dir deine Eltern nie beigebracht, dass man nicht lauscht?", schoss sie lachend zurück und stieß sie scherzhaft von der Seite an, woraufhin Emma nach ihrem Arm griff und sich unterhakte.
"Ich gebe es ja zu, ich war neugierig", sagte sie gespielt schuldbewusst, "Aber jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen."
"Was ist denn mit dir und Remus, hm? Hattet ihr nicht ein Babysitting-Date?", gab sie die Frage zurück und Emma errötete.
"So ernst also?", warf nun Lily ein und hakte sich auf Emmas anderer Seite unter, "Erzähl!"
"Ich dachte es geht um Hermine?", verteidigte Emma sich.
"Ach, die beiden sind doch inzwischen keine Sensation mehr", verkündete Lily, "Also?"
Dien ganzen Weg bis hinauf in den Gemeinschaftsraum quetschten Lily und Hermine ihre Freundin aus und lachten viel. Im Gemeinschaftsraum trafen sie schließlich wieder auf den Rest der Truppe, die gerade einer sehr lebhaften Erzählung von Sirius über eins ihrer Quidditchspiele lauschten, Harry hatte dabei wohl einen beeindruckenden Sturzflug hingelegt. Sirius untermalte das alles noch sehr anschaulich mit Gestiken und brachte damit alle zum Lachen.
Die Mädchen setzten sich zu ihnen und lauschten dem Rest seiner Erzählung.
Hermine kam nicht umhin Wehmut und Sehnsucht zu empfinden. Sie sehnte sich nach den Zeiten, da auch sie, Harry, Ron, Ginny und die Zwillinge solche Abende hatten. Wo sie so viel lachten, dass ihre Bäuche schmerzten. Gleichzeitig vermisste sie diese Zeit hier, mit den Rumtreibern und den Mädchen aus ihrem Schlafsaal, schon jetzt. Es waren noch dreißig Tage, die ihnen hier blieben und irgendwie hatte sie das Gefühl, als würden diese schneller vergehen, als ihr lieb war. Auch wenn sie ihre Freunde aus ihrer Zeit schmerzlich vermisste, sie wollte die Tür zu dieser Zeit noch nicht schließen.
*
Vier Tage später bekam sie dann endlich einen Brief von Eileen, die ihr mitteilte, dass das Gegengift so gut wie fertig sei und nur noch einige abschließende Tests fehlten. Innerlich machte sie einen Freudensprung und auch Harry war erleichtert. Sie hatten alles geschafft, was sie hatten schaffen wollen. Ihre Rückreise stand bald bevor und die Variablen für einen Erfolg standen gut. Nicht nur die Visualisierung, die er weiterhin jeden Abend vor dem Schlafengehen fleißig übte, hatte er inzwischen perfekt drauf, sondern hatte er auch noch einige Male den Scheintodfluch mit Hermine geübt und auch dieser saß perfekt. Und sie hatten sogar noch einige Tage in dieser Zeit übrig, die sie bedingungslos genießen konnten. Es schmerzte ihn, wenn er daran dachte, dass er seine Eltern und Sirius bald verlassen musste. Er fragte sich, wie es Hermine diesbezüglich wohl ging. Sie hatte sich mit seiner Mutter angefreundet und häufig steckten die beiden ihre Köpfe zusammen und kicherten. Es war fast wie in ihrer Zeit, wenn sie mit Ginny zusammen war. Ginny war auch der Hauptgrund, warum er sich dennoch freute zurückzukehren, abgesehen von dem Wunsch alle zu retten. Er vermisste sie unglaublich. Sie waren schon viel zu lange getrennt. Aus ihrer Sicht würden es zwar nur etwa neun Monate sein, aber für ihn waren es inzwischen fast eineinhalb Jahre. Er wollte ihr nur noch sagen, wie sehr er sie liebte und wie falsch er damit lag, sich von ihr zu trennen, um sie zu schützen. Denn es hatte sie nicht geschützt. Auch freute er sich darauf, endlich seinen besten Freund wiederzusehen und dass mit seiner Rettung endlich die Schuld, die sie sich völlig unbegründet aufgeladen hatte, von Hermines Schultern genommen würde.
Es wäre für sie alle ein Neuanfang in Frieden und hoffentlich wäre es das auch für Snape. Ihn in dieser Zeit zu erleben, hatte sein komplettes Bild von ihm geändert. Er hatte plötzlich Züge an ihm gesehen, von denen er nicht vermutet hatte, dass er sie besaß. Er hoffte wirklich, dass er seiner besten Freundin verzeihen würde, wenn er die ganze Geschichte hörte und begriff, dass es dabei nie nur um sie beide ging. Dass sie es ihm nicht aus Boshaftigkeit verheimlicht hatten. Eher das Gegenteil war der Fall, sie wollten ihn vor dem Groll und dem Hass schützen, die er unweigerlich empfunden hätte, wenn sie ihn zu seinem Schicksal gezwungen hätten. Dennoch würde er beides empfinden, nahm die Geschichte erstmal ihren Lauf und er bedauerte es, dass er das aushalten musste. Hermine hatte ihm erzählt, was Eileen gesagt hatte, dass sie vielleicht das kleine Fünkchen der Hoffnung sein könnte, was dazu geführt hatte, dass er in dieser Zeit nie ganz gebrochen ist. Dass sie dies vor allem sagte, um Hermine die Gewissensbisse zu nehmen, war beiden klar, aber vielleicht steckte auch ein Fünkchen Wahrheit in ihren Worten. Vielleicht würde es reichen, vielleicht würde es ihm helfen. Immerhin hatte die Schuld gegenüber seiner Mutter ihn auch all die Jahre dazu angetrieben die unaussprechlichen Qualen auszuhalten, die seine Mitgliedschaft als Spion bei den Todessern mit sich brachte. Er konnte sich nicht ausmalen, wie viel Leid er gesehen haben musste, wie oft er gegen seinen Willen Furchtbares tun musste. Aber die Frage, wie es sein konnte, dass er trotz allem dennoch zu ihnen ging und ihnen beitrat, blieb. Er konnte es sich einfach nicht erklären. Er liebte sowohl Hermine, die ja offiziell von den Todessern gejagt wurde und zudem noch Lily, die als Muggelgeborene Abschaum für die Todesser war, wie konnte er ihnen dann beitreten?
Den ganzen Tag dachte er über all das nach und inzwischen war die letzte Unterrichtsstunde des Tages angebrochen: Verteidigung gegen die dunklen Künste. Auch in dieser Zeit war dies seine Lieblingsstunde. Heute war wieder eine Wiederholungseinheit auf der Tagesordnung: Der Patronus Zauber. Kurz war er deswegen nervös, denn er fragte sich, ob es nicht komisch wäre, wenn er den gleichen Patronus wie sein Vater und Snape den gleichen wie seine Mutter hätte. Oder wäre der Patronus seines zukünftigen Lehrers jetzt noch anders? Immerhin war er mit Hermine zusammen. Veränderte er sich womöglich erst durch ihren Tod? Hermine hatte ihm einmal erklärt, dass sich Patroni nur durch wahre Liebe oder traumatische sowie einschneidende Erlebnisse veränderten und Professor Hawthorne hatte dies auch noch einmal ausgeführt. Also musste er eine andere Gestalt haben, als die Hirschkuh, denn wahre Liebe schloss er inzwischen aus, also musste zweites gelten, ihr Tod und seine Mitschuld daran, hatten ihn verändert. Wenn er recht hatte, war er gespannt, was er dann gleich zu sehen bekam. Denn diese Gestalt würde unweigerlich einiges über seinen Charakter aussagen.
Auch Hermine hatte den selben Gedankengang wie Harry gehabt. Sie fragte sich, welches Tier sie wohl gleich zu Gesicht bekam. Wäre es dennoch die Hirschkuh, was würde das dann bedeuten? Hieß das, dass er insgeheim doch Lily liebte und sich die Gefühle für Hermine nur einredete, um seine Liebe zu ihr zu leugnen? Wäre sie dann die ganze Zeit nur ein Trostpflaster gewesen? Würde er sich weigern, den Patronuszauber zu sprechen, um diese Wahrheit zu verschweigen?
Nein, niemand kann so gut lügen, dachte sie, niemand kann seine Gefühle so gut verbergen. Andererseits ging es hier um Severus. Er hatte es jahrelang geschafft, sowohl Voldemort, als auch dem Orden, etwas vorzuspielen. Niemand hatte je gewusst, was in seinem Herzen und seinem Kopf vorging. Naja, abgesehen von Dumbledore vielleicht.
Severus war nun an der Reihe und trat vor. Hermine schlug das Herz bis zum Hals, fürchtete sie doch, dass es gebrochen würde, sollte sie gleich wirklich die Hirschkuh sehen. Severus hob seinen Zauberstab, konzentrierte sich, die Erinnerung, die er wählte, war diesmal eine andere als sonst. Er dachte an den Abend, an dem er mit Hermine und seiner Mutter an Ostern zu Abend gegessen hatten, wie sie gelacht hatten und er sich seine Zukunft mit Hermine ausgemalt hatte. Er war an diesem Abend bedingungslos glücklich gewesen. Dann sprach er laut und deutlich: "Expecto Patronum."
Hermine hielt instinktiv den Atem an, als sich erste silberne Lichtschwaden bildeten und schließlich, zu ihrer Überraschung, ein majestätischer Panther um sie herum stolzierte. Selten hatte sie ein so anmutiges Tier gesehen, mit wachsamem Blick und geschmeidigem Gang umkreiste es Severus und kam schließlich auch zu ihr und legte sich zu ihren Füßen hin, bevor es sich schließlich wieder verflüchtigte und Professor Hawthorne begeistert seinen Namen auf ihrem Pergament abhakte, denn nicht viele Schüler waren bisher in der Lage gewesen einen Patronus und dazu noch einen gestaltlichen herbeizurufen.
Es ist ein Panther, keine Hirschkuh, dachte Hermine erleichtert. Das bedeutete unweigerlich, dass sich sein Patronus durch seine Schuld und die tiefe freundschaftliche Liebe gegenüber Lily verändern würde. Es bedeutete, dass er Lily auf eine Weise liebte, wie sie Harry liebte: Wie einen Bruder. Sie war kein Trostpflaster. Jetzt schämte sie sich ein wenig, überhaupt an seinen Gefühlen für sie gezweifelt zu haben, hatte er ihr doch niemals auch nur eine Sekunde Grund dazu gegeben. Vermutlich war das nur die Angst vor der Zukunft, die sie dazu trieb. Sie hatte Angst, seine Erlebnisse und sein Schmerz würden ihn von ihr wegtreiben, ihn brechen und dazu führen, dass sie niemals eine Zukunft haben könnten. Die Angst davor ihn zu verlieren war so groß, dass sie sie bereits in dieser Zeit hatte. Dass sie jetzt schon nach Anzeichen dafür suchte, ihn verlieren zu können.
"Alles in Ordnung?", fragte Severus, als er wieder neben sie trat, "Du wirkst so abwesend."
"Der Panther ist wunderschön und er passt zu dir", sagte sie das erste, was ihr in den Sinn kam.
Er sah sie fragend an. Darüber hatte sie so eingehend nachgedacht?
"Panther sind intelligent und sehr mutig und scheuen nie einen Kampf, nicht mal mit einem überlegenen Gegner. Das Schwarz steht für die dunklen Seiten in uns, die wir anerkennen sollten, können sie uns doch, wie den Panther das schwarze Fell in der Nacht, schützen. Der Panther beherrscht seinen Lebensraum durch seine Präsenz, seine Kraft und seine Fähigkeiten. Er ist außerordentlich sensibel, was seine Umwelt betrifft, und als Jäger kaum zu schlagen", erklärte sie, wie aus einem Lehrbuch abgelesen, was Severus noch überraschter drein schauen ließ. Was sollte dieser Kommentar über die dunklen Seiten? Und woher wusste sie das alles?
"Wie kommst du zu deiner Analyse?", fragte er daher neugierig. Es schmeichelte ihm durchaus, dass sie ihm damit implizit sagte, dass sie ihn für äußerst intelligent, mutig, feinfühlig, überlegen und stark hielt, aber es warf auch Fragen in ihm auf.
"Ich habe dir doch mal von meiner Großmutter erzählt", begann sie und er nickte, "Du weißt ja, wie spirituell sie war. Sie hat mir viel über Krafttiere beigebracht. Mir ist aufgefallen, dass ihre Beschreibungen auch auf Patroni passen."
"Interessant", meinte er, "so habe ich das noch nie gesehen. Aber was bedeutet das mit der dunklen Seite?"
"Das sollten wir vermutlich nicht hier und jetzt besprechen", gab sie nur kurz angebunden zurück und trat nun, da Professor Hawthorne sie aufrief, selbst vor. Sie ließ einen verwirrten Severus zurück.
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