38. Eine (fast) unglaubliche Geschichte

Als sie Nachts mit Severus im Bett lag, der sie mit einem Arm umschlungen hielt, konnte sie nicht schlafen und sie hatte auch entschieden vorerst nicht zu schlafen. Schon als Eileen beim Essen angedeutet hatte, dass sie die ganze Nacht im Keller brauen würde, da hatte sie ihre Chance gesehen. Sie hatte sich vorgenommen, so lange zu warten, bis Severus tief und fest schlafen würde und sich dann in den Keller zu schleichen, um unbemerkt von ihm mit seiner Mutter sprechen zu können. Sie hoffte nur, dass Severus einen festen Schlaf hatte, denn davon hing alles ab. Und sie musste hoffen, dass Eileen ihr glaubte und ihr helfen wollte. Im Dunkeln fixierte sie die Umrisse ihrer Tasche neben Severus' Kleiderschrank. Ihr Bademantel lag oben auf und in einer Seitentasche befanden sich die Proben von Nagini, belegt mit einem Konservierungszauber.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hatte das Gefühl leicht zu zittern. Hiervon hing so viel ab. Sie war zwar mit dem festen Plan zurückgereist, auch Severus zu retten, aber jetzt wurde ihr klar, dass sie das nicht gekonnt hätte, wenn sie nicht so weit zurückgegangen wären. Wäre sie erneut in der Situation, in der sie damals gewesen war, mit gleichem Wissen und den gleichen Möglichkeiten - sie wäre erneut gescheitert, er wäre erneut gestorben, dem war sie sich nun sicher. Ob der Zeitumkehrer sie auch deswegen hierher geschickt hatte? Vielleicht war die Tatsache, dass sie sich ein besseres Leben für Severus gewünscht hatte, nicht der einzige Grund. Denn konnte sie ihm das in diesen sieben Monaten, die sie jetzt hier waren, denn überhaupt gegeben haben? Es standen ihm immerhin dennoch noch zwanzig schreckliche Jahre bevor. Machte es dann überhaupt einen Unterschied, wenn er jetzt für einige Zeit glücklich war? Zumal sie niemals damit gerechnet hätte, dass sie sich in ihn verlieben würde. Wenn er ihr die Chance dazu gab, hatte sie doch dann höchstens die Möglichkeit, sein zukünftiges Leben in zwanzig Jahren besser zu machen. Wer wusste denn schon, ob sie mit ihrer Anwesenheit und den Gefühlen, die daraus entstanden waren, nicht sogar alles für ihn noch schwerer gemacht hatte.
Wie sie so nachdachte verrann die Zeit und Severus Atemzüge wurden immer länger und tiefer. Nach noch zusätzlichen zwanzig Minuten war sie sich sicher, dass er tief und fest schlief. So vorsichtig wie möglich wandte sie sich unter seinem Arm hindurch und aus dem Bett. Sie blieb noch einige Sekunden reglos in der Hocke neben dem Bett, lauschte angestrengt auf seinen Atem und erhob sich schließlich, als sie keine Veränderung feststellen konnte. Sie zog sich leise den Bademantel über und ein paar warme Socken, denn sie hatte zum Schlafen nur ein übergroßes T-Shirt von Severus getragen, steckte die Proben in die Tasche und schlich auf leisen Sohlen Richtung Tür. Als sie sie einen Spalt breit geöffnet hatte, gab sie ein hohes Quietschen von sich und sie erstarrte und meinte ihr würde vor Schreck das Herz stehen bleiben.  Ängstlich sah sie zum Bett hinüber, aber Severus murmelte nur etwas Unverständliches vor sich hin und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, schlief dann aber seelenruhig weiter. Sie stieß erleichtert den Atem aus, den sie angehalten hatte und schlüpfte auf den Flur hinaus.
Glücklicherweise hatte sich nicht auch noch die Holztreppe gegen sie verschworen, denn diese gab keinen Mucks von sich. Im Erdgeschoss angekommen war sie schon etwas weniger Nervös. Nun wandte sie sich der Tür zum Keller zu, öffnete sie und schlich leise die Stufen hinunter. Auch hier fand sie einen kleinen Flur vor, von dem drei Türen abgingen. Hinter einer war ein Vorratsraum, hinter einer Anderen eine Art Rumpelkammer, mit vielen Schränken. Dann musste es die letzte am Ende sein. Als sie dort die Klinke hinunter drückte hörte sie Eileens leise gedämpfte Stimme.
"Sev, bist du es?", fragte sie, "Kannst du nicht schlafen?"
Sie sammelte ihren Mut, drückte die Tür auf und trat in den Raum.
"Nein, ich bin es", sagte sie und musterte Severus' Mutter, die mit einem weißen Kittel über dem grauen Kleid an einem großen Holztisch in der Mitte des Raumes stand. Auf dem Tisch drei Kessel und einige Zutaten verteilt. Der Raum wurde nur durch wenige Lampen leicht erhellt und wirkte so fast etwas unheimlich. Wie die Kerker in Hogwarts, dachte sie. An den Wänden waren hohe Regale die allerhand Phiolen und Einmachgläser, die die verschiedensten Tränke und Zutaten beherbergten. Schüchtern trat sie näher an den Tisch und sah Eileen fest in die Augen.
"Es gibt da etwas, worum ich dich bitten möchte", begann sie und erntete einen verwirrten Blick von der Frau vor sich.
"Einen Moment, ich muss nur eben noch die letzten Zutaten hinzugeben, sonst ist der Trank nicht mehr zu retten, dann habe ich Zeit für dich."
Sie konzentrierte sich auf die letzten Schritte, aber halb war sie in Gedanken schon bei dem Gespräch mit Hermine. Es musste etwas sehr Dringendes sein, wenn sie mitten in der Nacht hier herunter kam. Zudem schien sie mit ihr alleine sprechen zu wollen, ohne dass Severus dies wusste und sie fragte sich,  was wohl so wichtig und gleichzeitig geheim sein konnte, dass sie es ihrem Freund nicht erzählen konnte, dass sie mit ihr sprechen musste. Sie versuchte sich nicht irgendwelche Szenarien selbst auszumalen und rührte bedächtig den Trank, abwechselnd im und gegen den Uhrzeigersinn, um. Schließlich legte sie einen Zauber auf den Kessel, der die Temperatur halten sollte und wandte sich dem Mädchen vor ihr zu, das in höchstem Maße nervös wirkte. Was war bloß los? Ihr mütterlicher Beschützerinstinkt regte sich und sie legte Hermine einen Arm um die Schultern. Führte sie zu einer kleinen Sitzgruppe mit zwei Stühlen und einem Tisch hinter dem Pult, an dem sie bis eben gearbeitet hatte.

"Was ist denn los, mein Kind?", fragte sie besorgt.
"Bevor ich anfange.. Du musst mir hoch und heilig versprechen, dass du niemals und unter keinen Umständen jemandem etwas von dem erzählst, was ich dir jetzt sage, vor allem nicht Severus. Kannst du das bitte für mich tun?", fragte sie eindringlich und Eileen sah sie kritisch an.
"Ich weiß ja nicht einmal, was du mir gleich erzählen wirst, da ist es schwer sowas schon vorher zu versprechen", meinte sie ausweichend.
"Es geht dabei darum, dass ich etwas verhindern muss, was geschehen wird und du mir helfen musst, denn du bist meine einzige Hoffnung", erklärte sie und sah dabei so flehentlich und verzweifelt aus, dass Eileen alle Kritik vergaß und nickte.
"Ich verspreche es, aber was ist denn nur los? Was wird so furchtbares geschehen, dass du solche Angst hast?" Ihr war klar, dass es etwas Großes und Umfangreiches sein musste, wenn das Mädchen vor ihr, das schon so viel hatte ertragen und verkraften müssen, so verzweifelt war.
"Es klingt ziemlich verrückt, aber es ist die Wahrheit. Du musst mir helfen, deinem Sohn das Leben zu retten..", begann sie machte dann eine kurz Pause, atmete tief durch und ließ schließlich die Bombe platzen, "..in zwanzig Jahren."
"In zwanzig Jahren?", fragte Eileen perplex, "Wie..? Bist du eine Seherin?"
"Nein, aber ich weiß, was geschehen wird, denn ich gehöre eigentlich nicht in diese Zeit, ich komme aus dem Jahr 1998."
Das musste Eileen erst einmal verdauen. Die Freundin ihres Sohnes war eine Zeitreisende. Hermine konnte sehen, wie es im Kopf der Frau vor ihr ratterte, wie sie sich versuchte alles zusammenzureimen und wie sie versuchte alle Theorien, die sich ihr unweigerlich aufdrängen mussten, in Einklang zu bringen.
"Das muss jetzt ein Schock sein und es tut mir leid so mit der Tür ins Haus zu fallen, aber ich sehe keinen anderen Ausweg, als dass du mir hilfst, denn ich kann ihn nicht sterben lassen.. ich..", Tränen sammelten sich in ihren Augen, hinderten sie daran weiterzusprechen. Eileen beugte sich auf ihrem Stuhl vor und schloss das zitternde Mädchen vor sich in die Arme.
"Ich liebe deinen Sohn, Eileen. Und ich hoffe, dass auch du ihn so sehr liebst, dass du mir vertraust", schluchzte sie.
Die Liebe, die Eileen für ihren Sohn hatte, stand hier außer Frage. Sie würde alles für ihn tun. Die Liebe einer Mutter war die stärkste, die es auf Erden gab. Das war es auch, worauf Hermine gesetzt hatte.
Es schockierte Eileen zutiefst, dass ihr Sohn nicht älter als siebenunddreißig Jahre werden sollte, wenn das Mädchen in ihren Armen die Wahrheit sagte. Er würde viel zu früh gehen müssen, hätte sein halbes Leben doch noch vor sich mit siebenunddreißig. Es zerriss ihr das Herz.
"Wie kann ich dir helfen ihn zu retten?", fragte sie entschlossen und löste sich von Hermine, welche ein erleichtertes Lächeln auf dem Gesicht hatte. Hier zeigte sich einmal mehr Eileens Talent, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. In dem Moment, als sie diese Frage aber stellte, fiel ihr erst auf, dass Hermine sie gebeten hatte ihr jetzt zu helfen, dabei würde ihr Sohn erst in zwanzig Jahren in Gefahr sein. Das  bedeutete entweder, dass sie ihr in zwanzig Jahren nicht mehr helfen konnte, oder, was wahrscheinlicher war, dass sie nicht vor hatte, diese zwanzig Jahre mit ihm zu verbringen, dass sie zurückkehren würde in ihre Zeit und das sehr bald. Dass tatsächlich beides zutraf, konnte sie nicht ahnen. "Du wirst bald wieder gehen, oder?", stellte sie die nächste Frage, bevor Hermine überhaupt auf die Erste antworten konnte.
"Ja, das muss ich", bestätigte sie, "Und es zerreißt mir das Herz, nur darüber nachzudenken."
"Bitte", sie griff nach Hermines Händen, "Erzähl mir alles."
Hermine nickte, mit nichts Anderem hatte sie gerechnet, als dass Eileen die ganze Geschichte erfahren wollte. Lange hatte sie überlegt, was und wie viel sie sagen dürfte, hatte das auch mit Harry besprochen, der ihr da freie Hand gelassen hatte und meinte, sie wüsste schon, was das Richtige wäre, wenn es soweit ist. Er wäre mit allem einverstanden. Ursprünglich hatte sie vor gehabt, so wenig wie möglich preiszugeben, nachdem sie sie jetzt aber kennengelernt hatte, fand sie, dass Eileen die ganze Geschichte erfahren sollte. Zudem wusste sie nicht, wann sie sterben würde. Sie wusste nur, dass sie zu dem Zeitpunkt, da sie siegen würden, nicht mehr am Leben war. Auch deswegen sollte sie alles erfahren. Sie sollte nicht in dem Glauben sterben, ihr Sohn wäre kein guter Mensch oder kein Held, denn das war er. Sie verdiente es alles zu erfahren.
"Ich muss dich nochmal bitten, niemals ein einziges Wort über das zu verlieren, was ich dir gleich sagen werde. Es ist eigentlich schon ein Risiko es dir zu sagen, aber ohne deine Hilfe schaffe ich es nicht und ich vertraue dir", sie sah Eileen eindringlich an, "Ich weiß wie schwer es dir fallen wird, allem seinen Lauf zu lassen, dich nicht einzumischen und Stillschweigen zu bewahren und glaub mir, es tut mir leid, dass ich dich überhaupt darum bitten und mit dem Wissen belasten muss."
Eileen war erneut beeindruckt von dem Mädchen vor sich, ihrer Beharrlichkeit und ihrem großen Herzen. Sie war gekommen um ihren Sohn zu retten, hatte zwanzig Jahre Alterung in Kauf genommen, nur um sein Leben zu retten. Sie wusste, dass Zeitreisen nur mit Zeitumkehrern möglich waren und welche Gesetze an sie gebunden waren, daher konnte sie sich ausmalen, welche Risiken sie gerade in Kauf nahm. Wegen dieser Gesetze hatte sie sich auch bereits denken können, dass sie wieder zurück musste in ihre Zeit, dass sie, selbst wenn sie es wollte, nicht würde bleiben können. Sie war ihr unendlich dankbar dafür, dass sie den Mut gehabt hatte, das für den Menschen, den sie liebte, zu tun. Wobei sich ihr dann jetzt doch die Frage aufdrängte, welche Beziehung sie und Severus in zwanzig Jahren haben würden, immerhin war er zwanzig Jahre älter als sie - oder würde es sein. Sie hoffte, auf alle diese Fragen nun Antworten zu bekommen. Das war gerade einfach viel mehr, als sie sich vorstellen konnte.
"Ich verspreche dir, bei allem was mir heilig ist und so schwer es mir vielleicht auch fallen wird, nichts zu sagen. Rette dafür nur meinen Sev", bat sie mit belegter Stimme. Das war ein vergleichsweise kleiner Preis für das Leben ihres Sohnes, den sie nur zu gern bereit war zu zahlen, so schwer es ihr vielleicht auch fallen würde. Allein diese wenigen Informationen hatten einen Sturm von Gefühlen in ihr ausgelöst. Angst, Verwirrung, unendliche Dankbarkeit und Trauer.
"Ich werde mein Möglichstes tun", versprach sie der nun völlig aufgelösten Mutter. "Damit du alles verstehst, muss ich aber ganz am Anfang anfangen. Das könnte eine Weile dauern." Nervös sah sie auf die Uhr, die zwei Uhr Morgens zeigte und hoffte inständig, dass Severus einen gesegneten Schlaf hatte und ihr Verschwinden nicht bemerkte.
Noch einmal sammelte sie ihre Gedanken und atmete tief durch, bevor sie langsam anfing zu erzählen. Sie erzählte ihr aber zuerst nicht, wie Eileen es erwartet hatte, von sich selbst oder Severus, sondern von Harry Potter, dem Jungen, den sie hier als ihren Bruder präsentiert hatte. Sie erzählte ihr davon, wie er in drei Jahren als erster und einziger Mensch in der Geschichte, den Todesfluch überleben würde, den kein geringerer aussprechen würde, als Lord Voldemort. Sie erzählte davon, wer seine Mutter sein würde und dass sie ihr Leben für ihren Sohn geben würde, wie er ohne Verbindung zur magischen Welt aufwachsen würde, bei seinen Verwandten, die ihn wie eine Last behandeln würden, während alle dachten, Voldemort wäre für immer vernichtet worden. Sie erzählte ihr von ihrer Abstammung und wie sie Harry im Hogwarts Express kennengelernt hatte und wie ihre Schuljahre verlaufen waren. Wie sich herausgestellt hatte, dass Harry dazu bestimmt gewesen war, Voldemort zu besiegen und sie immer wieder verhindert hatten, dass er zurückkehrte. Bisher hatte sie mit keinem Wort ihren Sohn erwähnt, was Eileen stutzig machte. Als sie alle groben Geschehnisse wiedergegeben hatte, bis zu dem Punkt, an dem Voldemort dann doch wiederkehrte und der Orden des Phönix sich wieder formierte, wirkte Eileen sowohl bestürzt, als auch verwirrt. Aber sie hatte mit Absicht dort einen Schnitt gemacht, es gab auch Dinge, die sie lieber nicht preisgeben wollte, wie den Tod von Albus Dumbledore durch Severus' Hand.
"Das ist alles so furchtbar. Der arme Junge musste das alles durchmachen..", flüsterte sie, ".. und du auch. Dabei habt ihr euch das nie ausgesucht. Und Lily.. mein Gott.."
"Das stimmt, wir haben uns unser Schicksal nicht ausgesucht, aber wir hatten die ganze Zeit Hilfe, ohne es zu wissen."
"Wer?", fragte sie verwirrt.
"Dein Sohn", sagte sie schlicht, "Die ganze Zeit hat er uns beschützt, ohne dass wir es wussten. Die ganze Geschichte haben wir erst an dem Tag erfahren, als wir in diese Zeit kamen."
"Aber wie..? Woher..?", fragte sie und wusste eigentlich gar nicht, was sie genau fragen wollte. Wie passte ihr Sohn in die ganze Geschichte, hatte sie ihn doch mit keinem Wort bisher erwähnt. Woher kannten sie sich?
"Jetzt kennst du den Großteil meiner und Harrys Geschichte. Die von deinem Sohn ist stark damit verwoben, aber etwas tragischer", warnte sie die besorgte Mutter vor, "Und auch um einiges düsterer und schmerzhafter."
Eileen blieb bei diesen Worten fast das Herz stehen. Wie konnte ein Schicksal noch schlimmer sein, als das des kleinen Harry?
"Denn er wird einer der Gründe dafür sein, dass Harry ohne Eltern aufwächst, er wird derjenige sein, der den Verrat an ihnen möglich macht", ließ sie nun die nächste Bombe platzen und Eileen griff sich geschockt an die Brust. Ihr Sohn sollte der Grund für den Tod seiner besten Freundin in drei Jahren sein? Das konnte sie sich nicht vorstellen, nicht mal in ihren wildesten Träumen würde sie ihm das zutrauen. Niemals würde er sie verraten - Niemals.
"Das.. Nein, das kann ich mir einfach nicht vorstellen", brachte sie schockiert hervor. Sie verstand nun, von welcher ungeheuren Last Hermine zuvor gesprochen hatte, wie sehr Wissen einen quälen konnte. Sie dürfte es weder verhindern, noch ihm etwas davon sagen, das hatte sie versprochen und das sicher nicht ohne Grund. Hermine liebte ihn, niemals würde sie ihm ein solches Schicksal zumuten, wüsste sie nicht, dass es nötig war, dem war sie sich sicher. Sie kannte die Gesetze der Zeit.
"Er wird nicht wissen, dass er sie verrät", sagte Hermine vorsichtig, versuchte die verstörte Mutter etwas zu beruhigen, "Wüsste er es, hätte er es sicher nicht getan. Er wird sich zwanzig Jahre lang dafür hassen und verurteilen. Aber gleichzeitig wird er, vielleicht auch gerade wegen dieser Schuld, einen entscheidenden Teil dazu beitragen, der uns in zwanzig Jahren den Sieg über Voldemort beschert."
"Aber wie?", fragte sie und schüttelte nach wie vor ungläubig den Kopf, "Woher kennt ihr euch?"
"Ich werde ihn als Elf-jährige kennenlernen, als meinen Zaubertränkeprofessor in Hogwarts", erklärte sie, "Er wird mich nie besonders mögen und häufig sehr unfreundliche Dinge zu mir sagen, auch verletzende, aber dennoch ist er der Grund, warum ich heute noch lebe. Er war jahrelang ein Spion bei den Todessern und hat sich für uns alle so oft in Lebensgefahr gebracht.. Und am Ende, da wird er..", sie schluckte, ".. da wird er sein Leben tatsächlich für uns geben und niemand wird es wissen, außer Harry und mir." Nun war es nicht nur Eileen, die Tränen in den Augen hatte und um Fassung kämpfte.
"Ich war bei ihm als es geschah, ich habe alles versucht, aber ich konnte ihn nicht retten. Das hier ist meine zweite Chance und ich brauche dich dafür, sonst werde ich wieder scheitern."
Eileen nickte, starrte apathisch auf den Boden vor sich, versuchte das alles in ihrem Kopf zusammenzufügen. Was sie sich jetzt aber immer noch fragte, war, ob sie nur deswegen zurückgereist war? Warum wollte sie ihn retten, wenn er sie nicht einmal gemocht hatte und auch häufig gemein zu ihr war? Hatte sie das Gefühl gehabt sie schuldete es ihm? Und dann hatte sie sich hier plötzlich und unerwartet in ihn verliebt?
"Warum wolltest du ihn damals retten?", fragte sie sie direkt und hob wieder den Blick.
"Weil er nicht der Mensch ist, den er uns immer vorgespielt hat. Inzwischen weiß ich, woher diese abwehrende, unfreundliche Fassade kommt, sie ist ein Schutz, ich habe sie auch hier in dieser Zeit schon manchmal gesehen. Er hatte das alles nicht verdient, er war ein Held und ich wollte, dass er eine zweite Chance bekam. Ich wollte, dass er Liebe und Glück erfährt, weil ich fand, dass er das verdiente."
"Du mochtest ihn also schon damals, trotz allem?"
"Ich denke schon", sagte sie nachdenklich, "Ich wusste wohl immer, dass da mehr hinter seiner Art steckte. Und ich habe Recht behalten." Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Züge. Ja, sie hatte Recht gehabt. Sie hatte ihn kennengelernt, so wie er wirklich war und sie liebte ihn, so wie er war und auch, wie er sein würde, das war ihr inzwischen klar.
Eileen biss sich auf die Unterlippe, ging alle Informationen im Kopf durch, versuchte Parallelen zu ziehen, zwischen dem Mädchen, das jetzt vor ihr saß und in dieser Zeit lebte und dem Mädchen, das Severus in der Zukunft kennenlernen würde. Sie versuchte Gründe für den Lauf der Geschichte zu finden, wollte sich erklären können, wie alles was jetzt geschah die Zukunft prägte und formte, zu der, die Hermine kannte.
Sie fand es nun noch beeindruckender, dass Hermine vorher beim Abendessen so viel Wissen über Zaubertränke hatte, kam dabei nicht umhin, stolz auf ihren Sohn zu sein, der ihr Lehrer gewesen war. Sie dachte über die Tatsache nach, dass er sie nie hatte leiden können und fand dafür zwei Mögliche Gründe: Sicher würde sie ihn an die Version von ihr erinnern, die jetzt hier bei ihm war, in die er sich verliebt hatte und es würde ihm sicher weh tun sie zu sehen. Das setzte aber voraus, dass er die Wahrheit über ihre Identität nicht kannte und nie erfahren würde. Die andere Erklärung war, dass er es wusste und wütend darüber war, dass sie es ihm nicht selbst gesagt und ihn einfach verlassen hatte. Beide Möglichkeiten wären für ihn sehr verletzend und dieses Gefühl wollte sie sich gar nicht erst vorstellen. Die erste große Liebe zu verlieren und dann die ganze Zeit eine Erinnerung an sie vor Augen zu haben, war sicher schwer. Dazu noch Harry, der ihn sicher an seine Schuld gegenüber Lily erinnern würde. Warum auch immer, würde er in wenigen Jahren etwas an die Todesser verraten, was zu Lily Evans' Tod führen würde. Aber was? Und was sollte ihn dazu treiben? Hatte er Hermine so finden wollen und war deswegen bei ihnen? Denn so wie sie das alles verstand, würde Hermine ihm niemals die Wahrheit sagen und bald wieder verschwinden. Wäre es nicht so, dann würde sie sie jetzt nicht um Hilfe bitten müssen. All diese Gedanken jagten durch ihren Kopf und sie wusste irgendwann nicht mehr wo vorne und hinten war. Die ganze Zeitlinie zu überblicken war kompliziert und fast unmöglich. Aber einige ihrer Fragen meinte sie sich jetzt schon selbst beantwortet zu haben. Und eine Sache war ihr mehr als klar, sie müsste ihr Menschenmöglichstes tun, um ihrem Sohn zu helfen. Auch sie wollte, dass er nach allem, was ihm noch widerfahren würde, sein Glück fand und sie war sich sicher, dass der Schlüssel dazu jetzt vor ihr saß. Hermine wusste, was noch alles geschehen würde und dennoch liebte sie ihn, das war offensichtlich. Und selbst bevor sie sich verliebt hatte, war sie extra in diese Zeit gekommen, um ihn zu retten.
Sie stand schwer in ihrer Schuld und sie schwor sich, sich immer an ihr Versprechen zu halten, nichts zu verraten und für Severus da zu sein und ihn nie zu verurteilen. Denn irgendwann würde er ein Mann sein, der ein Held war, aber er musste vorher leider all diese furchtbaren Erfahrungen machen. Ob es das wert war, vermochte sie nicht zu sagen, aber sie vertraute Hermine. Sie vertraute darauf, dass alles gut werden würde, auch wenn es zwanzig Jahre dauern würde. Nach allem was sie jetzt wusste, konnte sie auch verstehen, warum sie das alles vor ihm verheimlichte. Es würde ihn zerstören zu wissen, was er tun musste, damit die Zeitlinie intakt blieb. Deswegen sollte es lieber unwissend passieren, es sollte unbeeinflusst sein, denn schmerzhaft wäre es für ihn so oder so. Das Wissen darüber, dass es geschehen musste, das würde es auch nicht erträglicher machen.
Hermine hatte an Eileens Gesicht ablesen können, wie ihre Gedanken sich drehten, wie sie Fäden spannen und ein Ereignis mit einem anderen verbanden und sie gab ihr die Zeit, das alles erstmal sacken zu lassen, bevor sie mit der nächsten Hiobsbotschaft um die Ecke kam. Der Art, wie er den Tod finden würde.

Nachdem Eileen sich etwas gesammelt hatte, sah sie Hermine wieder entschlossen an.
"Was muss ich tun? Was brauchst du um ihn zu retten?"
"Etwas, was es so noch nicht gibt, ein Gegengift", sagte sie und zog die Proben aus der Bademanteltasche.
"Das ist nicht gerade meine Paradedisziplin", meinte Eileen etwas ausweichend und gleichermaßen niedergeschlagen, "Warum glaubst du, dass gerade ich dir dabei helfen kann?"
"Weil er vieles von dem was er weiß, von dir gelernt hat. Er wird in siebzehn Jahren eine Lösung dafür haben und ich hoffe, dass er sie hat, weil du sie jetzt haben wirst", erklärte sie ihren Gedankengang und er ergab auf seltsame Weise Sinn. Wenn sie jetzt eine Lösung, ein Gegenmittel, fand, würde er sich später daran erinnern und es reproduzieren können, so wie sie es in Erinnerung hatte.
"Ich werde alles versuchen", sagte sie und streckte die Hand nach den Proben aus und Hermine reichte sie ihr.
"Ich vertraue darauf, ich vertraue auf dich", sagte sie entschieden.
"Von was sind sie?", fragte Eileen nun und beäugte die Proben kritisch.
"Einem Maledictus, einer Riesenschlange, die drei Arten von Giften in sich gekreuzt hat."
Unwillkürlich schüttelte sich Eileen ein wenig, eine Horrorshow jagte in ihrem Kopf die nächste. Ihr Sohn würde durch eine Schlange getötet werden, würde langsam und schmerzhaft durch ihr Gift sein Leben verlieren. Eisige Hände griffen nach ihrem Herzen, drückten es schmerzhaft zusammen und erneut stiegen Tränen in ihre Augen.

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